molochronik
Donnerstag, 15. November 2018

Carl Sagan: »Pale Blue Dot« / »Kleiner, blasser Fleck«

Wenn es einen Text gibt, den ich quasi als Gebet respektiere, dann diese Zeilen von Carl Sagan, dessen bahnbrechende Dokumentations-Reihe »Unser Kosmos« mich als Kind/Jugendlicher bei seiner deutschen Erstaustrahlung (trotz der Verstümmelung durch das ZDF) 1983 ungemein geprägt hat.

Letztes Jahr hab ich — ausgerechnet bei einem Plausch über »Star Treck: Discovery« und »The Orville« — eine erste, schnelle Übersetzung von »Pale Blue Dot« auf Twitter gepostet. Mittlerweile habe ich weitere deutsche Fassungen gefunden: die der deutschen Buchausgabe von »Blauer Punkt im All«, und eine sehr gute auf der Website von Andreas Kalt. Im Affekt habe ich mich grad auf der Wiki-Site zu »Pale Blue Dot« anonym über die dort derzeit eingepflegte Übersetzung uffgeregt (keine Quellenangabe, peinliche Bezugsfehler).

Der Text IST eine knifflige Übersetzungsaufgabe, denn er ist reich an Begriffen, die punktgenau (ha ha!) übertragen werden wollen; er sollte eingängig, leicht verständlich sein und eine berührende, ja lyrische Qualität inne haben.

Hier meine überarbeite eigene Fassung.

Aus so großer Ferne betrachtet, mag die Erde den Eindruck erwecken, nichts besonders zu sein. Aber für uns ist das nicht so. Schau dir diesen Punkt nochmal an. Das ist hier. Das ist unsere Heimat. Das sind wir. Alle die du liebst, alle die du kennst, alle von denen du je gehört hast, alle menschlichen Wesen die es je gab, haben hier ihr Leben verbracht. Die Gesamtheit unserer Freuden und Leiden; tausende von selbstsicheren Religionen, Ideologien und wirtschaftlichen Glaubenslehren, alle Jäger und Sammler, alle Helden und Feiglinge, alle Zivilisations-Schöpfer und -Zerstörer, alle Könige und Ackersleute, alle verliebten jungen Pärchen, alle Mütter und Väter, hoffnungsvollen Kinder, Erfinder und Entdecker, alle Moral-Gelehrten und alle korrupten Politiker, alle ›Superstars‹, alle ›absoluten Herrscher‹, alle Heiligen und Sünder der Geschichte unserer Art haben hier — auf einem in den Strahlen der Sonne schwebenden Staubflöckchen — existiert. Die Erde ist eine sehr bescheidene Bühne in einer unermesslichen kosmischen Arena. Denk an die Ströme aus Blut, die von all den Generälen und Kaisern vergossen wurden, um siegreich und ruhmvoll für eine Weile Herrscher eines Bruchteils dieses Flecks zu werden. Denk an die fortwährenden Grausamkeiten, die Bewohner eines Winkels dieses Flecks anderen, von ihnen kaum zu unterscheidenden Bewohnern eines anderen Winkels zufügten. Wie oft reden sie doch aneinander vorbei, wie eifrig bringen sie sich gegenseitig um, wie inbrünstig sie einander hassen. Unser Getue, unsere eingebildete Bedeutsamkeit, die Illusion, wir hätten eine herausragende Stellung im Universum inne, werden von diesem Pünktchen aus blassem Licht in Frage gestellt. Unser Planet ist ein einsamer Fleck in der großen ihn umgebenden kosmischen Dunkelheit. Angesichts unserer Verlorenheit in dieser ungeheuren Weite, gibt es keinen Hinweis, dass von irgendwo anders Hilfe kommt, um uns vor uns selbst zu retten. Die Erde ist bisher die einzige uns bekannte Welt die Leben beherbergt. Zumindest für die absehbare Zukunft gibt es sonst keinen Ort, zu dem unsere Art auswandern könnte. Besuchen: durchaus. Besiedeln: noch nicht. Die Erde ist der Ort, wo wir uns behaupten müssen, ob es uns gefällt oder nicht. Man sagt, dass Astronomie eine Bescheidenheit einflößende und den Charakter prägende Erfahrung bietet. Es hat vielleicht nie eine trefflichere Vorführung der Narrheit menschlicher Eingebildetheit gegeben, als dieses ferne Abbild unserer winzigen Welt. Für mich hebt es die Wichtigkeit unserer Verantwortung hervor, einander freundlicher zu begegnen, und den blassen blauen Fleck — die einzige uns bekannte Heimat — zu bewahren und zu lieben.

Mittwoch, 14. November 2018

Lebenszeichen oder Burnout, Baby, Burn!

Hab nach langem Nachdenken die ›molochronik‹ wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Zum Nachdenken komme ich seit letzter Woche — genauer: Mittwoch den 07. November 2018 — zwangsweise ausführlich … zB bei langen Spaziergängen und vermehrten meditieren. Am Dienstagabend bin ich nach der Arbeit von ca. 19–22 Uhr in ein erschöpftes Koma gefallen (meine allgemeine körperliche und vor allem geistige Stabilität hat in den letzten Jahren langsam aber stetig abgenommen), und ich bin mit heftigen beidseitigen Radio-Tinnitus auf volle Pulle wachgeworden (der dauerte insgesamt ca. 36 Stunden, bis ich vollends erschöpft endlich eingepennt bin).

Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen, aber ich habe eine schlaflose Nacht verbracht und noch bevor mein Wecker wieder um 03:45 klingelte, war ich nervlich kompletto am Ende und habe es irgendwie geschafft, mich dauerflennend auf der Arbeit krank zu melden, bei meinem Arzt einen Termin für den nächsten Tag zu ergattern und einige eMails zu schreiben.

Mein Arzt hat mich dann erstmal für 12 Tage wegen ›depressiver Episode / Burnout‹ krankgeschrieben, und ich habe seitdem begonnen, mich um einige grundlegende Kurskorrekturen zu kümmern. Abgesehen von gewissen Eigentümlichkeiten in der Weise, wie ich mit mir selbst umgehe, haben die Umstände auf meiner Arbeit und mein stolz-stur-ängstlicher Umgang damit (Wut und Frust entweder sinnlos verpulvern oder runterschlucken) einen erheblichen Anteil an meinem Zusammenbruch. Der Körper führt über solche Sachen peinlichst Buchhaltung und präsentiert dann entsprechend die Rechnung (der Körper ist im Zweifelsfalle weiser als der Geist).

Markanteste Auswirkung: unkontrollierte Heulkrämpfe (atmen ist wichtig!). Klingt schlimm (ist es auch), aber ich bin selbst überrascht, wie zusammen mit dem Schrecken über diesen plötzlichen, heftigen Burnout-Stress auch bestimmte Befreiungsgefühle einhergehen … als ob eine fette Kanalverstopfung freigeschwemmt worden wäre. Im Lauf der letzten Tage habe ich mir die Finger wund geschrieben, die Ohren taub telefoniert, Orientierungsgespräche mit verschiedenen Stellen geführt, lange Spaziergänge unternommen und nun, wo die dinglichsten Erledigungen geschafft sind, habe ich mir Ruhe verordnet.

Zu den Dingen, über die ich lange nachdenken konnte, gehört mein systematischer sozialer Rückzug, den ich in den letzten Jahren betrieben habe und den ich als eines der warnenden Vorzeichen für meine bröckelnde Gesamtverfassung ignorierte. Hinsichtlich der ›molochronik‹ bin ich zu der Einsicht gekommen, dass die Unerreichbarkeit meines Blogs gegenüber den Menschen, die trotz meiner Tippfehler und verquasten Sprache/Denke meine Schreibe lesen, ja sogar zu schätzen wissen, unfair ist. — Statt mich auf meine eigene Angekotztheit aufgrund der Kluft, die zwischen dem, was ich gerne gestalterisch erreichen will und dem, was dann zu 99% dabei rauskommt zu fixieren, denke ich nun lieber daran, dass der Schmarrn, den ich fabrizier so manchen inspiriert, zu dollen Sachen leitet oder einfach angenehm die Zeit vertreibt (ist kein Komplimentgefische! … ich habe auch so schon genug Gelegenheit zu trainieren, was für mich stets sehr unangenehm ist: Komplimente, Sympathie und Zuneigung anzunehmen und mit positiven Gefühlen umzugehen).

Auf Twitter bin ich derzeit nur eingeschränkt unterwegs (kurz vor dem Burnout war ich sogar schon fast soweit, mein Twitter-Konto zu löschen). Den offenen Bereich lese ich nur sehr eingeschränkt, sprich: nur die Reaktionen auf meine Posts. Ich protokolliere dort vorsichtig die Tage seit dem Burnout. Ich reagiere offen auf gar nix (gab eine Ausnahme, aber Laurie Penny hat nun mal ihre PM-Kontaktmöglichkeit aus verständlichen Gründen deaktiviert). — Allerdings habe ich mir einen Privatmitteilungs-›safe space‹ eingerichtet, mit lieben Menschen die ich größtenteils IRL kenne, wo ich unter anderem üben kann geselliger und positiver zu sein, und wo ich jeden Tag einen ›läppischen‹ Internet-Tipp poste.

Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, die ›molochronik‹ wieder zu bespielen, will aber im Augenblick nix versprechen. Pläne zu machen, sich die Zeit zu strukturieren ist nun sehr wichtig für mich, aber für’s erste ist dieser Eintrag schon ein großer Schritt für mich … ich hoffe, für einige von euch auch.

Die Wasserwerke melden sich wieder, ich mach lieber Schluss für jetzt und begehe den Abend mit einem »Guardians of the Galaxy«-Double-Feature (meinem Lieblingsstrang des MCU, aus Gründen), in Angedenken auf Stan ›the man!‹ Lee. Hab erst heute Vormittag davon erfahren, dass er vorgestern verstorben ist.

Bis zum nächsten Mal Licht & Liebe! Cheers Alex / molo

P.S.: Kommentarfunktion ist deaktiviert. Wer mit mir in Kontakt treten möchte, nutzt bitte die im Impressum angebotenen Möglichkeiten, oder Twitter-PM.

Donnerstag, 2. Juni 2016

›molochronik‹ im Koma

Nachdem der letzte Eintrag hier vor fast einem Jahr hochgeladen wurde, geb ich mal Bescheid, dass die ›molochronik‹ noch auf unbestimmte Zeit im Koma verweilen wird.

Gründe: Ich komme nicht zurecht mit der neuen antville-Oberfläche (schaffe es nicht mal, den Kopfschmuck zu gestalten), was mich frustriert und mir die Lust austreibt, mich mit der ›molochronik‹ zu beschäftigen.

Außerdem bin ich in einer allgemeinen, milden Langzeitdepression versunken, die sich niederschlägt in der Unfähigkeit zwei Gedanken am Stück auf Papier zu bringen, ohne dass ich das Geschreibsel für dämlich, überflüssig oder nervig halte.

Schließlich wird meine Freizeit abseits vom ca. 180-192-Stunden-Brotjob von Lektorats- und Übersetzungs-Projekten beansprucht.

Ersatzweise empfehle ich, mir auf Twitter zu folgen.

Montag, 22. Juni 2015

PentaLink: Drogengelder, Guillermo del Toro, Neal Stephenson, Leigh Alexander, »Bloodborne«-Podcast

Karen Grass hat für die gemeinnützige Rechercheplattform ›correcti!v‹ versucht herauszufinden, wie viel Geld in der deutschen Drogenpolitik in welche Projekte fließt. Ihr Werkstattbericht »So lief die Drogenrecherche« ist das Zeugnis krasser Unübersichtlichkeit und überforderter, bzw. auskunftsbockiger Behörden.

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Im April hat Guillermo del Toro anläßlich der Verleihung des Irving M. Levin Directing Awards eine gute Stunde mit dem Chef der San Francisco Film Society geplaudert.

Nebenbei: ich habe endlich del Toros Debüt-Spielfilm »Cronos« (1993) und »El espinazo del diablo« (2001) gesehen. In akzeptabler Qualität gibt es beide Filme seit langer Zeit nicht auf dem deutschen Markt. Bin also auf UK-Ausgaben ausgewichen. Ein Filmemacher muss mir schon irre gut gefallen, dass ich mir spanische Originale mit englischen Untertiteln anschaue. Hat sich gelohnt.

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Bin auf den letzten 100 Seiten des neusten Romans von Neal Stephenson, »Seveneves«, und ziemlich begeistert, auch wenn der Erklärbar-Anteil dieses streangen Science Fiction-Titels krass hoch ist. Worum es in dem Buch geht, und was Meister Stephenson so umtreibt, kann man in dem Video dieses Autorenabends der Lesetour zu »Seveneves« erfahren.

Desweiteren hier ein interessanter Artikel von Annalee Newitz für ›gizmodo‹ über die technischen Großanlagen und Architekturen des Romanes: »Here’s How Space Megastructures Will Look, According to Neal Stephenson«

Ansonsten: wer sich fragt, was für Musik Neal Stephenson mag, oder was er beim Schreiben hört, findet Antworten in diesem Interview mit ›Gunner & Chow‹: als Teen war Stephenson ein großer »Yes«, und »Emerson, Lake & Palmer«-Fan.

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GamesGroßPresseEvent E3 hat in L.A. stattgefunden. »The Last Guardian« wird für die PS4 kommen! Alle anderen Neuigkeiten sind eigentlich egal.

Ich bin ja gerne kritisch bis mürrisch mit den von mir geliebten Kram wie Phantastik, Genrezeug und auch Games. Einen Essay wie »Let’s have a deep chat about the practical feasibility of getting our childhoods back« von Leigh Alexander begrüße und empfehle ich da entsprechend gerne.

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In eigener Sache zuletzt noch der Link zu dem Podcast »Polyneux spricht, Vol 30 (Insight-Edition)« in dem ich als ›Special Guest‹ zusammen mit den Gastgebern Don, Sven und Volker über das feine, gemeine, schöne, unheimliche PS4-Spiel »Bloodborne« plaudere (und, was man nicht hört, nebenbei zwei Bier trinke, was für mich schon krasser Exzess ist).

Mittwoch, 3. Juni 2015

PentaLink: Tsundoku, Stanley Kubrik, Lovelace & Babbage, Politische Korrektheit, Wu Ming

Bevor ich morgen für ein paar Tage in der Pampas verschwinde (gehe seit langer Zeit mal wieder auf einen Follow-Con, wobei ich nicht so recht weiß, ob es Follow eigentlich noch gibt, bzw. wie weit der langsame Verfall dieses ältesten deutschsprachigen Fantasy-Vereins vorangeschritten ist), will ich den ersten Eintrag der Reihe »PentaLink« loswerden.

Eine der häufigsten Fragen von Molochronik-Lesern lautet: »Wann gibt’s ‘nen neuen Wochenrückblick?« — Offizelle Antwort: so ziemlich sicher gar nimmer mehr. Brotjob, Übersetzen und lektorieren für Golkonda, zwei geheime Übersetzungsprojekte, sowie ein im Werden befindliches Podcast-Projekt halten mich von der nicht unerheblichen Arbeit ab, die so ein Wochenrückblick machte.

Lösung: immer wenn ich fünf Link-Tipps zusammen habe, werde ich die nun weitergeben. Kurz, dreckisch, ohne Terminplan.

Und los gehts.

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Andrea Diener — bekannt als Kommentatorin des Bachmann-Wettlesens, Reisenotizen-Bloggerin, eine der vernünftigen Stimmen bei der FAZ, und als WRINT-Weltenbummlerin — hat nach einigen arbeitsreichen Jahren nun wohl wieder mehr Zeit für sich, und also ein eigenes ›Spaßprojekt‹ begonnen: »Tsundoku«, ein Bücherpodcast. Neuste Folge ist am Sonntag online gegangen — »TSU005: Zen und Zebrafische«.

Ich empfehle auch schwer die beiden Folgen, in denen Andrea Gäste empfängt: einmal »TSU002: Smartphone vs. Distelfink«, wenn sie mit Hanna Lühmann, und dann »TSU004: Ein bisschen wie wachträumen«, wenn sie mit Julia Bähr über Literatur babbelt. Ich beobachte wohlig, wie sich ein kleines Thema einschleicht (bzw. halt zufällig so ergibt): lobende Erwähnung von Phantastik-Literatur (für Leute, die eigentlich keine Phantastik mögen) zum Ende der Sendung (einmal Michael Ende, dann »Die Frau des Zeitreisenden« von Audrey Niffenegger).

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»Renegade Cut« (Englisch) von Leon Thomas ist eines meiner liebsten Video-Bloggs. Mai war bei ihm Kubrik-Monat und er hat feine, kleine Besprechungen zu »2001 — A Space Odyssey«, »Dr. Strangelove«, »Eyes Wide Shut« und »The Shining« zusammengestellt.

Nicht verpassen sollte man seine vierteilige Analyse von »A Clockwork Orange« Teil Eins, Zwei, Drei, Vier.

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Wie gerufen, auasi als kleiner Nachklapp zu meiner ausführlichen Empfehlung des brillanten Comics »The Thrilling Adventures of Lovelace & Babbage«, kommt dieser Auftritt der Schöpferin Sydney Padua bei »Talks at Google«:

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Meine lebende Lieblings-Feministin (und Unruhestifterin, Kulturkritikerin) Laurie Penny (von der ich einen Text ihrer Begegnung mit dem späten Terry Pratchett übersetzt habe »Sex, Tod und Natur«; und ich empfehle nachdrücklich ihre Streitschriften »Fleischmarkt« und »Unsagbare Dinge«), hat einen dringend nötigen Text für ›The New Statesman‹ (Englisch) geschrieben: »What’s wrong with political correctness?«.

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Seit ewig und drei Tagen wird wurde das italienische Autorenkollektiv Wu Ming (ehemals Luther Blissett) bei uns von den Verlagen ignoriert, obwohl ihr Debütroman »Q« als Taschenbuch bei Piper vielfache Neuauflagen erfahren hat. Es freut mich, dass nun mit ›Assoziation A‹ ein kleiner Verlag endlich die Eier hat, diesem Ignoranz-Übel entgegen zu wirken und nun die vorzüglichen Werke von Wu Ming auf Deutsch veröffentlicht. Es geht los mit »54«, einem wüsten Mix aus Thriller, Spionage- & Mafia-Farce, wenn Cary Grant, Tito, Heroinschmuggler und Partisanenschicksale aufeinandertreffen.

Thekla Dannenberg hat eine schöne Empfehlung für die Krimi-Kolumne ›Mord und Ratschlag‹ des ›Perlentauchers‹ geschrieben: »Keine Moral ohne Eleganz«.

Mittwoch, 27. Mai 2015

»Mad Max: Fury Road«, oder: »What a movie! What a lovely movie!!!« (inkl. »Mad Max« 1-3)

Letzte Woche besorgte ich mir, in Vorbereitung auf den vierten Teil, die Blu Ray-Box mit den ersten drei ›Mad Max‹-Filmen. Allein schon erfreulich, dass seit den Achtzigern die FSK-Einstufung der ersten beiden Teile überarbeitet wurde, und ich die Filme nun also mit fettem Sound und feinem Bild ungekürzt genießen konnte.

Weniger geil finde ich die dürftige Sonderausstattung der Box. Lediglich Teil 2, »The Road Warrior« bietet eine interessante Kommentartonspur mit Schöpfer & Regiesseur George Miller und Kameramann Dean Semmler, sowie eine ganz nette Einleitung zum Film vom in den USA renommierten Filmkritiker Leonard Martin.

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Den ersten »Mad Max« (1979) sah ich irgendwann in den späten Achtzigern als VHS-Video auf Deutsch, und fand ihn großartig. Ich war damals schon auf dem besten Wege ein von Schopenhauer, Orwell, Lem und Godfrey Reggio (dem Schöpfer der ›Qatsi‹-Filme) geprägter Zivilisations-Pessimist und Querulant zu werden. Folgerichtig erntete der erste »Mad Max« (ganz wie meine anderen frühen SF-Prägungen jener Jahre: »Die Klapperschlange«, »The Thing«, »Alien«, »Blade Runner« und natürlich »Clockwork Orange«) einst wie heute mein affirmatives Kopfnicken, für seine Darstellung einer Welt, die sich mit ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen selbst vergiftet, sowie seiner überzeichneten Darstellung von Männerkult-Irrsinn.

Gefreut hat mich, dass ich nun die australische Originalversion schauen konnte, und ich stellte fest, dass der Film zwar merklich gealtert ist, …

  • (für mich am auffälligsten bei den idyllischen Szenen, wenn Max zusammen mit seiner Frau Jessie eine Picknick-Auszeit nimmt, um nicht schon nach der Hälfte der Story määäd zu werden;
  • vor allem, wenn Max über seine Gefühle spricht, auch wenn ich mit Giggelm verstehen kann, warum Mel Gibson — damals noch ein strahlendes Milchgesicht — u.a. mit dieser Szene, vor allem im Kontrast zum Ende, wo er dann eben grausam Rache nimmt, zu einer neuen Art von Antiheld-Sexsymbol wurde;
  • und auch bei unheimlicher Spannung, wenn Jessie von den bösen Bikern durch den Wald gehetzt wird)

… trotzdem hat für mich weder die Rache- und ›Ich will meine moralische Mitte als anständiger Mensch nicht einbüßen‹-Geschichte an Kraft, noch der Weltenbau einer bröckelnden Zivilisation, die auf den letzten Nanometern des grünen Bereichs vor sich hin krebst, und der entsprechend Anstand, Mitleid und Hoffnung abhanden gekommen sind, ihre beklemmende Eindrücklichkeit eingebüßt.

Nicht zu vergessen das wunderbar durchgeknallte Verhalten des Hauptbösewichts Toecutter (Hugh Keays-Byrne) und seines Motoradclans. Toecutter ist auf originelle Weise zugleich bedrohlich und schräg komisch, z.B. wie er Leute auf äußerst seltsame Art beim Dialog im Gesicht berührt, oder wie er Zeichentrickfigur-gleich ›erschrickt‹, wenn er von einer wehrhaften, alten Frau mit Schrotwumme bedroht wird.

Zugegeben: vielen Szenen merkt man heute das niedrige Budget (das meiste wurde mit Bier bezahlt; das Setting ergab sich größtenteils dadurch, dass George Miller & sein Team kein Geld hatten, um Ortschaften und Straßen absperren zu lassen, oder Drehortmiete zu zahlen, weshalb man auf verlassene, verfallene Bruchbuden und abseitige Landstraßen auswich) dieses Debüts deutlich an — was andererseits aber bedeutet, wie erstaunlich es ist, was für großartige Äktschnszenen die Macher für wenig Kohle zusammengezaubert haben. Die Eröffnungssequenz mit der Polizeihatz auf Nightrider kann immer noch als eine der olympischen Verfolgungsjagdten der Kinogeschichte gelten. Die Musik, auch wenn sie große Suggestionskraft hat, wirkt bisweilen geradezu bizzar altmodisch. Aber immerhin altmodisch-bizzar mit Charakter!

Fazit: Dreckiger, kompakter Racheflick der trotz seines Alters & seines knappen Budgets immer noch beeindruckt. — 7 von 10 Punkten.

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In Folge meines kleinen Blu Ray-Festivals konnte ich eine meiner krassesten SF-Genre-Bildungslücken schließen, denn endlich endlich endlich habe ich »Mad Max: Road Warrior« (1981) gesehen. In den vergangenen Jahrzehnten hätte ich zwar hie und da mal Gelegenheit gehabt, gekürzte Fassungen zu sehen, aber da trotzte und verzichtete ich lieber. Entweder ganz oder gar nicht.

Kein Wunder, dass viele Fans von der ursprünglichen Trio diesen Teil für den Besten halten, denn er bietet alle Pluspunkte des ersten Films und hat sie prächtig weiterentwickelt. Liegt sicherlich vor allem daran, dass George Miller diesmal ein richtiges Budget und mehr Erfahrung hatte. Sein Ziel, sich an der Ästhetik von Stummfilmen zu orientieren und ›visuelle Musik‹ zu schaffen, gelingt hier schon ziemlich gut. Die Texte würzen die Geschichte, sind aber zu deren Verständnis absolut nicht notwendig. Der Film erzählt vor allem mittels stilsicherer Bildkomposition und Schnittfolge, sowie einem diesmal atmosphärisch richtig gut passenden, wuchtigen, bedrohlichen Soundtrack.

Der erste Teil entpuppt sich nun als Prolog, in dem Max mit dem Ringen um seinen Verstand, seinem Verlust desselben nach Ermordung seiner Familie, und seiner Rache an den Rockern noch die Hauptfigur gibt. Ab »Road Warrior« ist er ›nur‹ noch ein durch die Wüstenei der zusammengebrochenen Zivilisation ziehender Wanderer, der in die Konflikte anderer Leute verstrickt wird. Kern der Geschichte ist dabei noch deutlicher die Abhängigkeit von Treibstoff, ohne den es keine Bewegung, kein Fortkommen, keine Flucht vor Bedrohungen oder vor sich selbst gibt.

Ich bin ja sehr skeptisch gegenüber der — vor allem auf Joseph Campell gründenden — Monomythos-Gestaltung kulturindustrieller Narrationen, aber bei »Road Warrior« finde ich es ganz okay, dass es auf der einen Seite ‘nen braven, weiß/pink-gekleideten Raffinerie-Clan mit seinem Sprecher Pappagallo (Mike Preston) — ein idealistischer ›Gutmensch‹ — gibt, der von einer verrohten, größtenteils (denn es gibt einen Fiesling, der ein Pink-Mobile steuert & sich sogar den Bart entsprechend gefärbt hat … wird allerdings bald gegrillt) schwarze Kluft bevorzugenden Punk/Rocker-Horde, unter der Führung von Lord Humungus (Kjell Nielsson), belagert und verfolgt wird. Das simple Strickmuster funktioniert, weil es mit sicheren Händchen für markante Details und originelle Momente inszeniert wurde.

Auch jetzt noch macht »Road Warrior« gute Laune und bietet Spannung, Äktschn, sowie die Kurzweil, sich anhand der Optik von Kulissen, Fahrzeugen, Requisiten und Kostümen den tieferen Weltenbau selbst auszumalen, sprich: der Film ist extrem gut gealtert und zurecht ein Klassiker.

Fazit: Furchterregende Bösewichte und naive Paradies-Sucher, ein cooler Hund, ein gefährlicher, verwilderter Junge und ein Max, der sich widerwillig zu den Guten gesellt. Passt alles. — 9 von 10 Punkten.

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Hab von »Mad Max: Beyond Thunderdome« (1985) öfter mal nebenbei Passagen gesehen, aber nie aufmerksamer hingeguckt. Erst jetzt auf Blu Ray die Nerven und Geduld gehabt, den Film aufmerksam von Anfang bis Ende zu gucken (okey, ich hab mir zur Linderung zwischendurch was zum Saufen holen müssen, um das ganze zu erstragen). Strenggenommen: Desto weniger man über diesen Film sagt, desto besser. Meiner Meinung nach gehört der gar nicht zum ›Mad Max‹-Kanon, sondern ist ein Hochstapler. Macht doch voll keinen Sinn, der Schmarrn.

Viele Stimmen meinen, dass die Peter Pan-Gefilde, in die der Films etwa ab der Hälfte abdriftet, voll unpassend sind. Gegen diese Handlungswendung (ja, gegen die damit verbundenen, ideologischen Obertöne) habe ich — theoretisch — gar nix. Dass Max nach seinen schief gelaufenen Verhandlungen in der von Aunty Entity (Tina Turner) kontrollierten Bartertown in die Wüste geschickt wird, dort dann auf einen Stamm ›verwilderter‹ Kindern und Teens trifft und zu deren Messias wird, ist an sich eine interessante Geschichte. Doch im Gegensatz zu den anderen ›Mad Max‹-Filmen ist »Thunderdome« merklich harmloser, die Härte fehlt, und sie fehlt schmerzlich, was dem Weltenbau die Luft rauslässt. Vor allem die Äktschn des letzten Drittels, wenn die Kiddis und Max in Bartertown den Bösen auf die Pelle rücken, sowie die abschließende Autohatz durch die Wüste sind zu unbeschwert, zu glatt, zu easy, und das Markenzeichen der ›Mad Max‹-Filme, lange, gnadenlose Verfolgungsäktschn, kommt viel zu kurz. Statt dessen gibts fröhliche Rutschpartien und ›Ab 12‹-gerechtes Umhaun von bösen Schergen mit Schaufel und Bratpfanne.

Was ist mit dem (für mich unverständlicherweise) als legendär geltenden Thunderdome-Kampf von Max gegen den hühnenhaften Blaster (»Two men enter. One man leaves«)? Selten etwas so Planloses und Lächerliches gesehen … Cartoon-Geräusche wenn die Gummiseile schnalzen!

Am sauersten ist mir allerdings die Musik von Maurice Jarre aufgestoßen. Ab einem gewissen Punkt, wenn Max in der Oase der Kinder erwacht, übernimmt eine verspielt-fröhliche Melodie den Soundtrack, rennt gefühlt auf Dauerwiederholung, und hat zumindest mir die Stimmung gehörig vertüdelt (gar nicht zu reden von Tina Turnes schröcklichen Vor- & Abspann-Songs, die ich im Radio schon furchtbar fand).

Das erste Drittel des Films, vor allem die Audienz von Max bei Aunty Entity und ihrer Crew, ist ziemlich okay und lässt von einem besseren Film träumen … der Rest ist, leider, eher zum Vergessen.

Fazit: Abgesehen von einigen Szenen (vor allem des ersten Drittels) und dem schön gestaltetem Setting der enttäuschendste, weil zu weiche und harmloser Eintrag der Reihe. — 4 von 10 Punkten.

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Und nun also »Mad Max: Fury Road«. Lange her, dass mich die Trailer eines Filmes dermaßen angefixt haben. Lange her, dass ich befürchtet habe, mit zu hochgeschraubten Erwartungen ins Kino zu gehen, und mir eine entsprechend bratzige Enttäuschung einzuhandeln. Doch dieser Kinobesuch war (trotz meiner Abneigung für 3D) für mich wie eine segensreiche Messe.

Egal, wie viele Filme von George Miller man großartig findet (und die beiden »Schweinchen Babe«-Streifen gehören zu meinen Allzeitlieblingen, bieten sie doch Tierfabel-Fantasy auf konkurrenzlos exzellentem Niveau), dass »Fury Road« derartige Begeisterungs- und Debatten-Wellen aufbrausen lässt, und man vielstimmig ein »Diesmal kann man dem Hype glauben« vernimmt, hätte wegen der über 10 Jahre langen Produktionszeit mit ihren zahlreichen Stolperstellen kaum jemand zu hoffen gewagt.

Aber die Beharrlichkeit der Macher, sowie u.a. solch strategisch kluge Entscheidungen, sich nicht von einem fixen Starttermin gängeln zu lassen, sondern solange an dem Film zu pfriemeln, bis er eben perfekt ist, haben dazu geführt, dass wir Zeuge werden, wie ein Film sein Genre eine umfangreiche Frischzellenkur verpasst, und mit geschickten Kombos dringend nötiger Konventionsbrüche aktuelle Denkfaulheits-Moden in die ›Schäm Dich‹-Ecke schickt.

Was ich auch an Hintergrundinfos über die Arbeit und die kreativen Entscheidungen lese, erfüllt mich mit Bewunderung und Zustimmung. Millers eigentlich bevorzugte Version — schwarz/weiß — war dem Studio/Vertrieb zu heikel, also her mit dem Zweitbesten: einer extrem übersättigten Farbskala, bei der man den Eindruck hat, dass in jedem Augenblick gleich Acryl-Masse von der Leinwand trieft.

Dem Weltenbau und Wahn seiner Bewohner angemessen richtet sich der Film an Erwachsene (bei uns ›Ab 16‹, in USA ›Restricted‹), ist entsprechend rau, schnell, überladen, atemlos, und bombardiert sein Publikum mit verstörenden Dingen, heftigem Sound Getöse und bratziger Musik. — Im Kino haben nach der bis zur Titeleinblendung dauernden Eröffnungssequenz, wo ich wohlig geseufzt habe, um mich herum einige Zuschauer gestresst aufgestöhnt.

Noch so eine kluge Entscheidung: Chefin des Schnitts war Millers Lebensgefährten Margaret Sixel (Oscar her für die Dame, zumindest eine Nominierung!), die sich selbst eigentlich für unqualifiziert einschätzte, weil sie keine Äktschmfilm-Erfahrung hatte (worüber man angesichts ihrer Arbeit bei »Schweinchen Babe in der großen Stadt« und den »Happy Feet«-Filmen streiten kann). Genau dieser frische Blick allerdings, sowie der Umstand, dass sie zwei Jahre (!!!) Zeit hatte (10 Stunden Arbeit am Tag, 6 Tage die Woche = ca. 6000 Stunden Arbeit am Schnitt), um 450 Stunden Material mit über 2000 Cuts auf zwei kurzweilige Stunden zu verdichten, machen den Film zu einem gloriosen Fest der Bewegung.

Ich kann gut nachvollziehen, dass der Film manche vor den Kopf stößt, bzw. sie vor lauter ›Wrömm-Wrömm‹, ›Krach-Peng‹, ›Hetz-Hetz-Ächz‹ und ›Ka-Ploink‹ die subtileren Aspekte schlicht an ihnen vorbeigerauscht sind.

Ich wage die hochmütige These: »Fury Road« ist ein Shibboleth-Test, an dem sich zeigt, wer Filme zu lesen, bzw. zu überblicken vermag. — Das Spektakel erdrückt die Handlung, es mangelt daher an Story und Charakterentwicklung? — Weit gefehlt, allerdings werden Handlungs- und Figurenentwicklung eben kaum in fein abgepackten Erklärungswortmeldungen vermittelt, sondern vielmehr mit den Einzelheiten des Weltenbaus, mit Stimmungs- und Stil-Kontrasten, mit Körpersprache und Mimik, sowie vor allem damit, wie die Figuren handeln, wie sich im Laufe des Filmes ihre Konstellationen zueinander und Verhaltensweisen miteinander wandeln.

Die dümmsten Gegenstimmen — ich meine natürlich die jämmerlichen Männerrechtswirrköpfe — bekunden lediglich ihre Unkenntnis (oder unaufmerksame Lesart) der Reihe, wenn sie kritisieren, dass Max ja gar nicht der Hauptheld der Story ist. War er in Teil 2 und 3 auch nicht, und in Teil 1 erst ab dem Zeitpunkt, als der beherztere und charismatischere Polizei-Kumpel, Goose, von den Rockern abgefackelt wurde.

Jeff Vandermeer hat freilich vollkommen Recht, wenn er derartiges Unvermögen, ein Werk fruchtbar zu lesen, exemplarisch übertreibt und entsprechend bemängelt:

Mad Max: Fury Road ist die schlechteste Umsetzung eines Agatha Christie ›Mord in einem verschlossenen, leeren Zimmer‹-Rätsels, das ich je gesehen habe.

Fazit: Ich zitiere meinen nach dem Kinobesuch geschriebenen Tweet.

10 von 10 Punkten.

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10 + + + + + Maßstabsetztendes Meisterwerk; Olympisch. 09 + + + + Überwiegend exzellent; Packend. 08 + + + Bemerkenswert mit leichten Schwächen; Anregend. 07 + + Befriedigendes Handwerk; Kurzweilig. 06 + Unterhaltsam mittelprächtig; Akzeptabel. Unsichtbare Grenze der absoluten Mittelmäßigkeiten 05 - Brauchbar mittelprächtig; ganz nett, aber insgesamt lau. 04 - - Überwiegend mittelprächtig; Anstrengend bzw. langweilig. 03 - - - Bis auf wenige Momente daneben gegangen; Nervig. 02 - - - - Ziemlich übeles Machwerk; Zeitverschwendung. 01 - - - - - Grottenschlechtes übles Ärgernis; Pathologisch.

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ZUCKERL:

Hier meine Auswahl an Besprechungen, Texten und Videos zu »Mad Mad: Fury Road«.

• Meine Heldin Laurie Penny hat für ›Buzzfeed‹ den Text »Mad Max« Is A Feminist Playbook For Surviving Dystopia (What might happen if women’s rights evaporate has been examined in nightmare detail. »Mad Max: Fury Road« offers a solution) geschrieben.

• Ziemlich begeisterte Reaktion auf Furiosa von Laura (auf Englisch), die mit eineinhalb Armen geboren wurde: My Reaction to Mad Max: Fury Road and the Utter Perfection that is Imperator Furiosa.

Lindsay Ellis von ›Chez Apocalypse‹ bietet einen Mini Canon über alle (zwei) Inkarnationen von Mad Max:

Movie Bob’s Besprechung (Engl.). Wem der Mann zu schnell babbelt — hier die Textversion:

• In Cannes lief »Mad Max: Fury Road« außerhalb des Wettbewerbes. Hier die inforeiche Pressekonferenz:

• Und schließlich Meister George Miller selbst im Gespräch mit ›vice‹:

• Als Kontrastprogramm, hier noch eine wahnsinnig prätentiöse deutsche youtube-Kritik von ›Filmanalyse‹:

Dienstag, 26. Mai 2015

Schnellschach mit Kopfab: The Last Samurai

Eintrag No. 41 - Zuvörderst: Ohne übergreifende Kenntnis der japanischen Geschichte zu haben, ahne ich doch, daß die Art wie sich dieses Land nach den Kanonaden der amerikanischen Schwarzen Schiffe von Anno-ungefähr 1870 öffnen MUSSTE, nicht okey war. Da teile ich jene vagen Symphatien für ein Land, das sehr schmerzlich die Entwicklung der Moderne vollzogen hat. - Also, mal gucken, wie ein US-Film da bestehen kann, obliegt ihm doch sozusagen die Pflicht, eine Versöhnung anzubieten. So zumindest nahm ich den Nimbus des Filmes vor Betreten des Turm-Kinos wahr.

Dem Japanischen wird in der Tat gehuldigt, angefangen mit der hervorragenden Ausstattung (die Samurai-Rüstungen sind beeindruckend), über die exzellenten Kampfszenen (gut vermittelt, daß Schwertkampf quasi tödliches Schnellschach der Körper ist, bei dem die Klingen Matt setzten) bis zum monatelang blühenden Kirschbaum (wie meine Kino-Begleitung Andrea mäkelnd bemerkt hat; aber auf's Mosern über solche Kleinigkeiten muß man immer röhren: "Eyh, das ist ein Film, noch dazu aus Hollywood". Damit wischt man läppische Einwände vom Tisch und spricht zugleich dem US-Studiobetrieb jede echte Mündigkeit ab). Zu meinem Mißfallen aber war es mit derartiger Respektsbezeugung bei der Musik zuende.

Der eigentlich Besseres zu bieten wissende Hans Zimmer (für Flauberts Wörterbuch der Gemeinplätze: "Unser Mann in Hollywood") hat für den Film nicht tief in seine Trickkiste gegriffen und nur eine recht einfaltslose, sich auf Bombast und Schmissigkeit verlassende Filmmusik geschrieben, in der eine japanische Alibi-Flöte und ein paar Trommler das ganze Lokal-Ambiente stemmen müssen. Leider keine stimmige Arbeit wie bei Gladiator, ehr ein Es muß krachen-Score a la The Rock. Herrgott, selbst der futuristische Akira hat mehr traditionelle japanische Musik als The Last Samurai.

Gut gefallen hat mir: das Spiel von Ken Watanabe als Ober-Samurai-Rebell. DAS ist hier der Schauspieler, wegen dem man sich den Film gönnen sollte. / Tom Cruise Eröffnungsauftritt als Propagandaschreier für Winchester-Knarren. Das kann der Bub. Schöne Variante seiner Gerichtsrede in Eine Frage der Ehre oder seines Sextrainerauftritts in Magnolia / Erster Kampf im Nebelwald bis zum Tod des roten Samurai. Dieser Kampf, bei dem eine berittene Rebellen-Samuraiattacke die schlecht ausgebildeten kaiserlichen Armeen westlichen Stils niedermacht. Cruise verteidigt sich atemberaubend, und ein Bogen wird zur Eröffnungsszene des Films gebildet, in der Watanabe von einem wilden weißen Tiger träumt (so voll auf Zen halt). Diese Kampfsequenz legt es darauf an, daß man einfach nicht fassen kann, wie lange sie dauert, wie sehr sich Cuise verausgabt obwohl er umzingelt und unterlegen ist, wie lange er erbittert den Todesstoß abwendet. Sprich: das Schicksal klopft mächtig an die Zuschauerstirn. Wieder mal versucht ein Film zu veranschaulichen, WIE schwer es ist, einen Menschen zu töten. Und Andreas Deutung ist ganz richtig: Cruise und seine scheinbare Unüberwindlichkeit in seinem Todeskampf ist die Urszene, zu der Monty Pythons Die Ritter der Kokusnuß die Parodie ist. Ha, das ist doch nur eine Fleischwunde. Komm her, ich spuck dir in's Auge und blende dich! / Der Ninjaüberaschungsangriff mit Hausgefecht. Bemerkenswert: kämpfendes Kind. Delikater Topos und - ich prophezeie - wird in den nächsten Jahren vermehrt auftauchen. / Erstes Gespräch zwischen Cruise und Watanabe. / Wetten beim Training. / Cruise bei Flucht von Watanabe als Übersamurai, filmisch gestaltet mit Zen-Schnittfolge.

Einige Handlungsstränge (Watanbes Sohn, die Witwe des roten Samurai) hängen noch lose baumelnd herum, aber ich nehme mal an, daß dieser Film von Beginn dahingehend konzipiert wurde, daß er der durch Peter Jackson losgetretenen Special Extended Edition-Welle folgen kann.

Cruise nimmt als herausgestelter Star dem Film viel Kraft, oder anders: läßt ihn in meinen Augen zumindest arg als einen weiteren "Lektion in großer Geschichte für einfache Amerikaner"-Film erscheinen, von denen Steven Spielberg seit Jahren einen nach dem anderen dreht, mal besser, mal schlechter. (Edward Zwick weiß da auch nix besseres und in mir keimt der Verdacht, daß es nicht Herr Zwicks Produzentenhändchen war, welches für die Gelungenheit von Shakespeare in Love verantwortlich war.) Obwohl: inzwischen habe ich gelernt darüber zu schmunzeln und freu mich halt zur Abwechslung bei Filmen wie Master & Commander. Trotzdem: Cruise leistet seinen Karthasisparkur, den die Drehbuchschreiber ihm da ausgelegt haben, mit nervigen 9,2 in der A- und respektablen 8,0 in der B-Note ab.

Ach, und weil ich mit Andrea darüber am meisten diskutiert habe nach dem Film: der schrullige Veteran-Trainer-Offizier der US-Armee zu Beginn war wohl doch nicht John Cleese. Andererseits: selbst bei imdb.com kann ich weder die Rolle noch ihren Darsteller finden und das läßt mich nun wieder glauben, daß dies vielleicht doch ein Cleese-Cameo war.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Molosovsky: Veröffentlichungen & Werke

Noch nicht eingepflegt sind meine eigenen Prosa- & Lyrik-Werke, die in kleinster Handpresse-Auflage bzw. im Phantastik-Fandom (»Fantasia« und »Follow«) erschienen sind.

BUCH: Übersetzung & Lektorat | BLOG: Übersetzungen | Eigene Print-Texte | Podcasts

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BUCH: Übersetzung & Lektorat

»Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes« für den Golkonda Verlag, 2011. Übersetzung der Kurzgeschichten: • »Der Turmbau zu Babel«, • »Geschichte deines Lebens«, • »Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes«, • »Der Kaufmann und das Portal des Alchemisten« und • »Ausatmung« von Ted Chiang.

••• Leseprobe als PDF auf der Website des Verlages.

Klappentext:

Geschichten, die ein ganzes Universum enthalten: Die Wahrheit über den Turmbau zu Babel; der folgenreiche Erstkontakt mit einer außerirdischen Spezies; die Verzweiflung angesichts des Verlusts eines unersetzlichen Menschen; ein Zeitreiseabenteuer der anderen Art; und ein bestürzender Ausflug an die Grenzen des wissenschaftlich Machbaren …

Kein anderer Science-Fiction-Autor hat in den letzten zwanzig Jahren auch nur ansatzweise so viel Begeisterung ausgelöst wie Ted Chiang. Kein anderer Science-Fiction-Autor wurde für ein so schmales Werk mit mehr Preisen ausgezeichnet. Nun liegt endlich auch auf Deutsch ein Auswahlband mit seinen Erzählungen vor.

Gewinner des Kurd Lasswitz Preis in der Sparte »Bestes ausländisches SF-Werk mit deutscher Erstausgabe 2012«; sowie nominiert in der Sparte »Beste Übersetzung zur SF mit deutscher Erstausgabe 2012« & durch eine Fachjury aus Übersetzerkollegen auf den dritten Platz gewählt.

••• Empfehlung des Literaturkritikers Denis Scheck in der »Druckfrisch«-Sendung (ARD) vom 24. Dez. 2013:

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»Medusas Rache — Hellboy Stories 1« für den Golkonda Verlag, 2012. Übersetzung der Kurzgeschichten: • »Medusas Rache« von Yvonne Navarro, • »Puzzle« von Stephen R. Bissette, • »Eine Mutter weint um Mitternacht« von Philip Nutman, • »Versicherungen« von Greg Rucka, • »Folie à Deux« von Nancy Holder, • »Dämonenpolitik« von Craig Shaw Gardner und • »Ein grimmiges Märchen« von Nancy A. Collins.

••• Leseprobe der ersten Seiten von »Medusas Rache« bei Amazon.de verfügbar.

Klappentext:

1994 erblickte Hellboy zum ersten Mal das Licht einer Comicseite und entwickelte sich in den nächsten Jahren zu einem phänomenalen Erfolg, der 2004 und 2008 mit den Kinofilmen von Starregisseur Guillermo del Toro seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Im Dezember 1999 wiederum erschien der erste von inzwischen drei Sammelbänden mit Hellboy-Geschichten, die bisher nur auf Englisch erhältlich sind. Dem wollen wir nun abhelfen, denn ob im Comic, auf der Leinwand oder in Form des gedruckten Wortes — niemand erlebt so faszinierende, so unheimliche, so abgefahrene Abenteuer wie Hellboy!

Einige der besten Phantastik-Autoren der angloamerikanischen Szene haben zur Feder gegriffen, um dem roten Riesen die Ehre zu erweisen. Jede Erzählung ist mit einer ganzseitigen Illustration von Hellboy-Schöpfer Mike Mignola versehen — ein Augenschmaus für Kenner und ein Muss für jeden Sammler.

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»Eine offene Rechnung — Hellboy Stories 2« für den Golkonda Verlag, 2015. Übersetzung der Kurzgeschichten: • »Waffenbrüder« von Frank Darabont, • »Der vor dem Zaubrer flieht« von Peter Crowther, • »In der Flut« von Scott Allie, • »Newford-Spuk-Schwadron« von Charles de Lindt, • »Wassermusik« von David J. Schow, • »Der Vampir-Prozess« von James L. Cambias, • »Eine offene Rechnung« von Ed Gorman & Richard Dean Starr, und • »St. Hellboy« von Tom Piccirilli.

Klappentext:

Frank Darabont, bekennender Hellboy-Fan unter Hollywoods Filmemachern, deutet das Motto des zweiten Bandes von Hellboy-Geschichten bereits im Vorwort an: Man reist nicht, um anzukommen, man reist, um unterwegs zu sein. Fast ausnahmslos große anglo-amerikanische Horror-Autoren, darunter David J. Schow, Tom Piccirilli und Ray Garton, entführen uns in Hellboys Welt. Ihnen ist es zu verdanken, dass Hellboys Sprüche so gut passen wie die »rechte Faust des Schicksals« aufs Auge der Ungeheuer − und zwar immer und überall.

Mit dem roten Riesen als Reisegefährten fühlt sich auch der Leser in Mike Mignolas Comic-Universum aus Folklore, Geistergeschichten und aberwitzigem Fantasy-Horror sehr schnell wohl, egal ob in den Abwasserkanälen von New York City oder in einem klassischen Westernsaloon, der nach Whisky, Staub und Pferdeschweiß riecht. Gegen Ende der Reise winkt dann doch ein schmackhaftes Ziel: »Leckere Zähne« aus der Feder von Guillermo del Toro. Der zweite Regisseur im Bunde trifft genau den richtigen Ton, um uns von einem weiteren Hellboy-Film träumen zu lassen — wobei jede der hier versammelten Geschichten zweifellos einen höllisch guten Roadmovie abgeben würde.

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»Nimmèrÿa 2: Nimmeryána« von Samuel R. Delany (Herausgegeben von Karlheinz Schlögel; Übersetzung von Annette Charpentier) für den Golkonda Verlag, 2015.

Lektorat/Durchsicht der überarbeiteten Neuauflage.

Klappentext:

Dies ist die Geschichte von Pyrn, dem Mädchen, das auf dem Rücken eines Drachens in die Hauptstadt Nimmèrÿas reitet. Aus ihrer Sicht nehmen wir an dem von Gorgik angeführten Sklavenaufstand teil, mit ihr erleben wir die Machtspiele und sexuellen Verstrickungen der Städter. Pyrns Reise führt sie auch in den gefährlichen Süden, zu den Mythen und Rätseln eines dunklen Kontinents.

Die prähistorische Welt Nimmèrÿas dient Delany dazu, über die Ursprünge unserer eigenen Zivilisation zu meditieren: Woher kommen die Dinge, die wir für selbstverständlich halten? Wo nehmen Sprache, Kultur und Macht ihren Anfang, und inwieweit sind wir noch immer von diesen Anfängen geprägt? Gleichzeitig erspart uns Delany die Komplexitäten dieser Welt nicht — sie ist voll von Mythen und Rätseln, von Gewalt und Sexualität, und bietet uns so eine wirklichkeitsnahe und farbenfrohe Fantasywelt.

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BLOG: Übersetzungen

Februar 2014: »Laurie Penny und Terry Pratchett sprechen über Sex, Tod und Natur« von Laurie Penny. Originaltext erschienen bei ›New Statesman‹, November 2012.

Juli 2009: »Eine Einführung in die Genre-Theorie« von Daniel Chandler; direkt zum PDF. Originaltext erschienen auf der Website des Autoren, August 1997.

Dezember 2006: ›Crooked Timber‹-Seminar zu »Der Eiserne Rat« von China Mieville. Originaltext erscheinen auf der Website von ›Crooked Timber‹, Januar 2005.

November 2006: ›Crooked Timber‹-Seminar zu »Jonathan Strange & Mr. Norrell« von Susanna Clarke. Originaltext erscheinen auf der Website von ›Crooked Timber‹, November 2005.

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Print-Texte

»Magira Jahrbuch zur Fantasy 2010«: Sammelrezension »Stromern auf ungetrampelten Pfaden« mit Besprechungen zu • »Eine Andere Welt« von Grandville und Plinius der Jüngere; • »The City & The City« von China Miéville; • »Shriek« und »Finch« von Jeff Vandermeer; • »The Sad Tale of the Brothers Grossbart« von Jesse Bullington.

»Magira Jahrbuch zur Fantasy 2009«: Sammelrezension »Wonniglich verirrt im Laybrinth der Phantastik« mit Besprechungen zu • »Das Obsidianherz« von Ju Honisch; • »Un Lon Don« von China Miéville; • »Wer länger lebt ist später tot — Operation Zombie« von Max Brooks; • »Die gelöschte Welt« von Nick Harkaway; • »Gegen den Tag« von Thomas Pynchon; • »Das Ewige Stundenbuch 1 — Vellum« von Hal Duncan; • »Das Haus« von Mark Z. Danielwski.

»Das Abenteuer Phantastik«: Essay für »Kritische Ausgabe 01/2008 — Abenteuer«.

»Magira Jahrbuch zur Fantasy 2008«: »Die Wilden Welten des Matt Ruff«. • Teil 1: »Ein persönlich gefärbter Werksübersicht« (inkl. »Fool on the Hill«, »G.A.S. — Die Trilogie der Stadtwerke«, »Ich und die anderen«, »Bad Monkeys«); • Teil 2: »Gespräch mit Matt Ruff in Frankfurt am Main, Februar 2008«.

»Magira Jahrbuch zur Fantasy 2007«: Sammelrezension »Gut gelaunte Phantastik-Empfehlungen des Lektürejahres 2006/2007« mit Besprechungen zu • »Der Barock-Zyklus« von Neal Stephenson; • »Jonathan Strange & Mr Norrell« und »Die Damen von Grace Adieu« von Susanna Clarke; • »Die Gelehrten der Scheibenwelt« von Terry Pratchett, Ian Steward und Jack Cohen; • »Wächter der Nacht«-Bücher von Sergeij Lukianenko; • »J. R. R. Tolkien — Autor des Jahrhunderts« von Tom Shippey.

»Magira Jahrbuch zur Fantasy 2006«: Sammelrezension »Launische aber aufrichtige Empfehlungen von seltsamen & verwirrenden Fantasybüchern der Phantastiksaison 2005/2006« mit Besprechungen zu • »Das Paradies der Schwerter« von Tobias O. Meißner; • »Anansi Boys« von Neil Gaiman; • »Aether« von Ian R. MacLeod; • »Der Eiserne Rat« von China Miévile; • »Die Stadt der Heiligen & Verrückten« von Jeff Vandermeer.

»Magira Jahrbuch zur Fantasy 2005«: »Seine Hemden sind bunter als seine Phantastik. Besprechung und Autopsie zu »Der Blumenkrieg« von Tad Williams..

»Magira Jahrbuch zur Fantasy 2003«: Einzelne Rezensionen zu • »Perdido Street Station« von China Miéville; • »Der Steinkreis des Chamäleons« von Ricardo Pinto; • »Siegfried und Krimhild« von Jürgen Lodemann; • »Der Mann der Donnerstag war« von Gilbert K. Chesterton.

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Podcasts

Januar 2018: Zu Gast bei ›Polyneux spricht‹ in der »Kristallkugel-Edition« mit Vorschau auf das kommende Games-Jahr.

Mai 2017: Zu Gast bei ›Polyneux spricht‹ in der Sendung über die »Dark Souls«-Spiele.

Juni 2015: Zu Gast bei ›Polyneux spricht‹ in der Sendung über »Bloodborne«.

März 2015: Zu Gast (zusammen mit Markus Widmer) bei ›Sigma 2 Foxtrot‹ in der Sendung über China Miéville.

Januar 2013: Folge 98 der Komplettlesung von Egon Friedells »Kulturgeschichte der Neuzeit« für ›Radio Orange 94.0‹; Lesung des Abschnittes über Arthur Schopenhauer und Selbstgespräch. Gestaltet von Herbert Gnauer. — Zur Sendung.

Dienstag, 12. Mai 2015

Sydney Padua: »The Thrilling Adventures of Lovelace & Babbage«, oder: Auf zur Differenz-Maschine!

Neu veröffentlich in meinem Nachfolge-Blog »molochronik reloaded«.

Donnerstag, 30. April 2015

Kleinigkeiten zu »Bloodborne«

Ich spiele derzeit auf meiner PS4 »Bloodborne« und bin verzweifelt, weil ich meinen siebten Gebiet-Bossgegner nicht packe (die Kuttendrillinge ›Shadow of Yharnam‹, die mich mit schnellem Katana, Feuerspritze und Feuerbällen-Fernbeschuss feddich machen). Mindert keineswegs meine Bewunderung für dieses Gothic Horror/Äktschn-Rollenspiel, mit seinem meisterhaften Design, Weltenbau, seiner irren Spannung und ja, wenn ich nicht gerade gegen Wände meines Könnens laufe, ist auch die Äktschn goil.

Sven Kiel vom »Hören, Sehen, Knöpfe drücken«-Blog hat für »Polyneux« einen feinen Beitrag über das Spiel von Hidetaka Miyazaki (Schöpfer der legendär schweren und atmosphärisch gewaltig-beklemmenden Fantasy/Horror-Spiele »Demon’s Souls« & »Dark Souls«) geschrieben: »One more, with Miyazaki«. Kann Sven nur zustimmen, wenn er die Freude am Grauen und Überwältigtsein beschreibt:

Ich öffne eines dieser riesigen Tore, wie ich sie in den Vorgängern zuhauf geöffnet habe und mir kriecht, beim Anblick dieses unbekannten Gebiets vor mir, ein Schauer über den Rücken. Ich spiele offline, weil ich mir die Überraschungen nicht durch Nachrichten oder Blutflecken anderer Spieler vorweg nehmen möchte. Ich fühle mich klein und schwach und weiß nicht, wie ich das alles bewältigen soll. Kurz gesagt: Ich habe keine Ahnung von Bloodborne und finde das wahnsinnig befriedigend.

Einige ungewöhnliche Eigenarten des Spiel-Designs verhandeln Rick & Jack von »Previously Recorded« sehr anschaulich. Eine entscheidende Errungenschaft von »Bloodborne« kann man gut verstehen, wenn man sich Jacks Mantra durch den Kopf gehen lässt:

You are in control and it’s all your fault.

Du hast die Kontrolle, und die Schuld liegt nur bei dir.

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»Bloodborne« bringt Liebhaber und Kenner klassischer, dunkler Phantastik zum Sabbern, weil es sehr liebevoll die kosmischen Schrecken der Tradition von H. P. Lovecraft umsetzt. Schön erklärt wird das von youtube-Kanal »Super Bunnyhop«, freilich mit massig Enthüllungen der Geschichte des Spiels (ich mag die Art, wie ›Super Bunnyhop‹ Lovecrafts Werk treu und korrekt, aber auch mit gebotem lässigen Tadel zusammendampft):

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Als Übersetzer kann ich gar nicht anders, als aufzumerken, wenn mir Übersetzungs-Schnitzer und geradezu tölpelhafter Schwachfug unterkommen. Bei der Eindeutschung von »Bloodborne« sind einige köstliche, unfreiwillig komische Unfälle passiert (freilich sei angemerkt, dass für die Spiele-Branche zu übersetzen — in der Branche als ›Game localization‹ bekannt — ein hartes Geschäft ist, bei dem man zumeist unter enorm hohem Zeitdruck steht, was keiner Übersetzung förderlich ist.) — Mir unverständlich, dass man sich nicht darum gekümmert hat, zumindest einen Korrekturleser/Berater zu konsultieren, der vertraut ist mit Horror/Fantasy-Feinheiten. Ich stünde für sowas zur Verfügung!

  • Aus ›visceral attack‹ wurde ›Eingeweideangriff‹. Ist zwar korrekt, klingt aber ulkig. Vielleicht ›Ausweideangriff‹?
  • Hintergrundgeschichte des Weltenbaus von »Bloodborne« ist eh schon rätselhaft genug. Wer nur auf die deutsche Fassung baut, darf sich zusätzlicher Verwirrung erfreuen. Hier die komplette Gegenstandsbeschreibung einer Ritual-Zutat:
    Third Umbilical Cord: A great relic, also known as the Cord of the Eye. Every infant Great One has this precursor to the umbilical cord.

    Every Great One loses his child, and then yearns for a surrogate. The Third Umbilical Cord precipitated the encounter with the Pale Moon, which beckoned the hunters and conceived the hunter’s dream.

    Use to gain Insight and, so they say, eyes on the inside, although no one rememberes what that truly means.




    Drittel einer Nabelschnur: Großartiges Relikt, das als Schnur des Auges bekannt ist. Jeder Großartige hat als Kind diesen Vorläufer der Nabelschnur.

    Jeder Großartige verliert sein Kind und sehnt sich nach einem Ersatz. Die dritte Nabelschnur löst die Begegnung mit dem bleichen Mond aus, der die Jäger ruft und den Traum des Jägers ersinnt.

    Nutze sie um Einsicht und angeblich innere Augen zu erhalten, obwohl sich niemand daran erinnern kann, welche Folgen das hat.

    Meine Annäherung: Mächtige Reliquie, auch bekannt als Strang des Auges. Zu jedem Großen Alten im Kindstadium gehört so eine Vorform der Nabelschnur.

    Jeder Große Alte büßt sein Kind ein und sehnt sich dann nach Ersatz. Das Drittel der Nebelschnur führte zu der Begegnung mit dem Bleichmond, der die Jäger lockte und den Traum des Jägers zeugte.

    Nutze sie um Einsicht zu gewinnen und, so sagt man, ins Innere zu blicken {oder auch: Augen im Inneren zu erhalten}, auch wenn niemand mehr weiß, was das bedeuten soll.

  • Es gibt im Spiel Gesten, um im Multiplayer die Kommunikation aufzupeppen. Klein aber fein-aua, wie ›Shake off cape‹ mit ›Umhang loswerden‹ übertragen wurde {besser: ›Umhang ausschütteln‹, oder auch sinngemäß ›Staub abschnütteln‹}.
  • Verschiedene Begriffe, denen man die Hektik der Übersetzungsarbeit anmerkt: • ›Oedon Writhe Rune‹ wurde zu ›Oeden-Winden Rune‹; besser: ›Oedon-Windung Rune‹, vielleicht sogar simpel (traut Euch, Game localization-Verantwortliche!) ›Oedon-Schnörkel Rune‹. • Aus einem ›Monocular‹ {Deutsch einfach und korrekt ein ›Monokular‹} wurde ein ›Fernrohr‹. • Aus ›Watch Dog of the Old Lords‹ wurde ›Aufpasser der alten Fürsten‹; besser: ›Wachhund der Alten Fürsten‹. • Beim Gegenstand ›Hintertomb-Chalice‹ wurden ›unceremonious catacombs‹ zu ›rücksichtslosen Katakomben‹, was freilich an lebende Gräber ohne Manieren denken läßt und ir-gend-wie zur Welt des Spieles passt. Gemeint sind freilich ›schlichte‹ oder ›unfeierliche‹ Katakomben. • Beim Gegenstand ›Ritual Blood‹ heißt es auf Deutsch ziemlich umständlich ›dieses ewig fließende Blut‹. Auf Englisch heißt es ›this incocgulable blood‹, was einfach ›dieses nicht gerinnende Blut‹ bedeutet.

ERGÄNZ: Hab die Kuttendrillinge erledigt. Brauchte dafür ca. 800 Heiltränke. Hau jetzt mein letztes Geld für Koks und Freudenmädchen raus und werd abfeiern (hab ja morgen frei). Verwendete keine der empfolenen Taktiken.

Problemstellung: drei Gegner. No. 1 flott mit dem Katana hinter mit her, das in Phase 2 des Kampfes eine ungescheite Reichweite hat; No. 2 nicht ganz so flott zu Fuß wie 1, aber nah bei, meist in geschickter L-Stellung, greift manchmal mit Schwert an, meist jedoch mit Flammenwerfer, und hat in Phase 2 des Kampfes mit Feuerpeitsche auch ne unverschämte Reichweite; No. 3 hält sich im Hintergrund und wirft Triple-Feuerbälle mit Zielfixierung, schlägt in Phase 1 gar nicht, in Phase 2 auch mal mit Keule zu.

Phase 2 beginnt, sobald Trefferpunkte eines Kuttentyps ca. runter sind auf 30%. Phase 3 (in der die Kerle dann zwei Riesenschlangen mit Sofort-Tot-Schaden & irrer Reichweite beschwören können, denen auszuweichen Glückssache ist) beginnt, wenn ein Kuttentyp hin ist und die zwei Verbleibenden nur noch ca. 10% Trefferpunkte haben, oder wenn 2 Kuttentypen perdü sind.

Statt, wie meist empfohlen, zu versuchen, die drei durch Laufen, Flugrollen oder Ausweichschritte zu vereinzeln, oder sie in Kulissen-Grabsteinen zu fixieren (dabei verhedder ich mich nur selbst), blieb ich immer schön nah dran. Angriffen ausweichen, aber stets so, dass man die beiden flotten 1 & 2 in Richtung des Fernkämpfers 3 lockt, so dass ich stets einem, meist zweien, manchmal auch allen drei Gegenern eine verabreichen konnte. — Wichtig ist, die drei gleichmäßig runterzufeilen, um die verschiedenen Kampfphasen kurz zu halten. Die dritte Kampfphase war bei meinem Erfolgsdurchgang gleich schlangenlos vorbei.

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