molochronik
Freitag, 12. Januar 2007

Laßt uns doch über den Gröfaz lachen

(Eintrag No. 323; Geselschaft, Film, Dröttös Roich, Woanders) — Daniel Levy und Helge Schneider verhohnepiepeln Hitler und freilich wird sich schon im Vorfeld fett darüber echaufiert.

Nix lachen über Hitler! Böser Humor! usw.

Ich finde es sehr traurig, wie arg verklemmt bei uns der spielerisch-ästhetische Umgang mit der Nazivergangenheit ist. Was ist so schwer daran, die Nazis, deren Leithammel und ›die armen von denen verführten Mitläufer und willigen Helfer‹ als depperte Gestörte vorzuführen (oder auch als knackig-unheimliche Monster)? Für mich ergibt sich häufig prickelnde Schönheit (die ja nicht immer eindeutig sein muß um interessant zu sein), wenn man die glorreiche und meiner Meinung heilsame Tradition aufgreift, die durch Chaplin, Lubitsch und Co begründet wurde.

Andrea hat das hiesige Hickhack zum Thema in »die allerhöchstwahrste wahrheit über adolf hitler« bereits fruchtbar kommentiert.

Ergänzend dazu noch ein Fund von mir. In »Sour Krauts, Not a Bit« verteidigt der Enländer Roger Boyes ›uns Deutsche‹ gegen den Vorwurf, daß wir so völlig humorfrei sind. Das ganze ist Teil eines Vorabberichts zum mittlerweile erscheinenen Buch »My Dear Krauts«, in dem der ehemalige Teutonenskeptiker Boyes schildert, wie er in seinen Jahren als Deutschland-Korrespondent der Times seine Vorurteile über z.B. die berüchtigte Humorfreiheit der Deutschen korrigierte. Hier ein Zitat aus dem seinem Artikel in der »Times2« zum Levy/Schneider-Film:

The big test will come in the new year in the form of the first German-made comedy about Hitler. The Führer is shown as an impotent bed-wetter who likes to play in the bath. Judging by the press preview, German audiences will be rolling in the aisles. My bet is that British audiences will not — we have laughed ourselves dry about the Nazis. But I don’t begrudge the Germans their chance to laugh at Hitler — because I trust them not to mock or forget Hitler’s victims. That is why I feel more relaxed with, and about, the Germans. They have been liberated not by Sherman tanks but by Benny Hill and Borat.

Desweiteren finde ich folgende Ansichten aus »Sour Krauts…« bemerkenswert:

  • What the Germans seem to object to is a sudden switch from slapstick to sarcasm or irony.
  • In Germany, humour is stockaded, kept apart from everyday life … they will fail to spot the inherent absurdities of their own office life.
  • The Germans really do laugh, loudly and with only a slight delay, at British humour.

Und ich stimme dieser tragischen Analyse zu:

I have a theory about this banter-less society, but when I tried to advance it in a radio show it was greeted with a glacial silence. It is simply this: the fast barrow-boy wit of the urban proletariat has its roots in Yiddish, arriving in the East End or the Bronx via a generation or two of East European immigration. It came to German cities too — and, for all the familiar reasons, disappeared. So we try not to mention that.

Im Dezember 06 hatte man auch im englischen SpOn über Boyes berichtet. Dort wird der Appell Boyes hervorgehoben, daß in Deutschland eine ›Entwicklungshilfe in Sachen Humor‹ von Nöthen ist. Knackig und erhellend:

  • …the Germans like to be mocked and criticized. It's the masochistic element in their mentality.
  • Besides, I don't think there's anything wrong with being fascinated with the Nazi period. It was a uniquely evil period and I don't think there's anything unhealthy about reflecting what the roots of evil are.

Letzteres sehe ich zwar durchaus heikler als Boyes, denn ich glaube durchaus, daß eine ›Faszination für das Böse‹ zur obsessiven Fixierung umkippen, und zu einer ungesunden ›Infektion des Bösen‹ führen kann. — Dennoch: es ist nun mal ein himmelweiter Unterschied, ob man den Nazis und Schickelgruber Apologien angedeihen läßt, oder man sich über diese Bagage und ihren Obermotz lustig macht. — So gar nicht verstehen kann ich die Argumentation, daß man die Opfer verhöhnt, wenn man die Täter verulkt. Ist mir schlicht zu hoch.

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