molochronik

Molos Wochenrückblick No. 62

Eintrag No. 733 — Keine Zeit. Keine Einleitung. Hier die Links.

Politik, Gesellschaft & Hochkultur:

(Deutschrachige) Phantastik-Links

  • Großartige Nachricht bei ›SF-Fan‹: »Encyclopedia of Science Fiction« – bald online und kostenlos!.
  • Großartiger Essay bei ›Bibliotheka Phantastika‹: Die Redaktion hat unter dem hinreissenden Stichwort ›Metaflöz‹ Acht Argumente für Fantasy & Phantastik zusammengestellt, die flappsig in etwa so gehen:
    1. Beurteile ein Buch nicht nach seinem Umschlag! (Ja schon klar, dass viele Fantasy-Cover einfach nur ›würg‹ sind … das wurmt anspruchsvolle Fantasy-Leser mit Geschmack ganz besonders).
    2. Die großen Fantasy-Erfolge liefern keine gute Orientierung dazu, was Fantasy alles ist (bzw. sein kann). Ein bischen schwächelt dieses Argument finde ich, denn die großen Fantasy-Erfolge der letzten Jahre sind schon ziemlich typische Vertreter ihres Genres. Kommt halt darauf an, wie sehr man sich auf diese ›Ideal-Vertreter‹ kapriziert und von ihnen bei seinen Betrachtungen des Genres (ab)lenken lässt.
    3. Mythen, Romantik und überhaupt die ehrenvolle Ahnen-Traditionslinie des Genres!
    4. Zitier ich den anfänglichen Kernsatz ganz, denn dieses Argument ist m.E. kommt etwas schwach und verglückt rüber:
      Fantasy erlaubt, Probleme der realen Welt durchzuspielen, ohne exakt an die Nachzeichnung realer Umstände gebunden zu sein oder irgendjemandem aus ebendieser realen Welt mit Schuldzuweisungen etc. auf die Füße zu treten – sei es, dass es um allgemeingültige Schwierigkeiten geht, die in Mittelerde ebenso auftreten wie in Mitteleuropa, sei es, dass bestimmte Dinge im weitesten Sinne symbolisch zu verstehen sind

      Die Sache mit dem ›tritt niemanden auf die Füsse‹ wäre für mich eher eine Schwäche, statt eine Stärke.

    5. Fantasy ist eine ›Was wäre wenn?‹-Experimentierwiese. Hmmm, … ist das nicht jegliche Art von Fiktion?
    6. (Gute) Fantasy bietet den Reiz des ganz anderen, des Unbekannten.
    7. Zur Abwechslung eine geschwollene Umschreibung des Arguments, soweit ich es im Guten zu verstehen glaube: Fantasy gemahnt an die mythische Geworfenheit des Einzelnen in einer für diesen nur zum kleinsten Teil durchschaubaren Welt, die sich einem letztendlichen Verstehen sowie der vollkommenen Kontrolle entzieht. Gerade deshalb also bitte erst fühlen, denken und ethisch-moralische Folgen abwägen, dann drauf los handeln.
    8. Fantasy hat einen ästhetischen Wert. ›Jupp‹.
  • Großartige Rezi im ›Fantasyguide‹-Blog: Oliver schweift denkanregend über »Kraken« von China Miéville ab. Wenn Extremisten verschiedener Weltanschauungen gemeinsam etwas unternehmen.
  • Hoffnungsstiftende Nachricht im ›Feenfeuer‹-Blog: Die ›Phantastische Akademie e.V.‹ ruft den ›Seraph Literaturpreis‹ ins Leben.

Zuckerl: Popkultur & Kunst

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Molos Wochenrückblick No. 12

Eintrag No. 637 — In Bericht dazu, wie ich beim diesjährigen Deutschen Phantastik Preis abgestimmt habe, entspann sich ein Gespräch über Unzufriedenheit mit dem Einerlei routinierter Rezensionen, Wünsche nach besserer Vernetzung oder Zusammenspiegelung der ›anspruchvolleren‹, oder zumindest ›interessanteren‹ Phantastik-Kritikertexte. Ob und was ich unternehmen werde um den gefühlten Mangel zu schmälern will ich nicht zerreden (Aberglaube Aberglaube), was ich aber ab jetzt im Wochenrückblick anbieten werde, ist die Rubrik »Phantastik-Funde« (oder »Fantastik-Pfunde«?).

Ich möchte auch hier noch mal die Molochronik-Gemeinde bitten, mir Hinweise auf löbliche, erhellende, nicht-langweilige deutschsprachige Phantastik-Texte (Rezis, Autorenportraits, Essays) zukommen zu lassen unter:

molosovsky {at} yahoo {punkt} de

Gemeint sind vor allem (aber nicht ausschließlich) Texte, die sich nicht (nur) als (un)freiwillige Verlängerung von Verlags-PR begreifen; Texte, die sich z.B. Klassikern, weniger beachteten Traditionsströmungen, Sprachen, Ländern widmen; Texte, die das erfolgreiche und/oder oft propagierte Serien- und Franchise-Zeugel kritisch beleuchten (im Guten wie im Schlechten); Texte, die der Apartheit-Ideologie, welche da meint, dass Unterhaltung (Trash) und Anspruch (Niveau) nicht zusammengehen, entgegentreten.


NETZFUNDE
  • Riesenlanges zweiteiliges Interview mit Fiktions-Großmeister Alan Moore anläßlich des englischsprachigen Erscheinens des nächsten Kapitels seiner »League of Extraordinary Gentlemen«-Saga, »Century: 1969«. Teil 1: Bestiary of Fictional Worlds, Teil 1 und Bestiary of Fictional Worlds, Teil 2.
  • Solange ich selbst keine Rezi zu China Miévilles jüngstem Roman »Kraken« rummwachsen lasse, hier als Trost ein informatives und offenherziges Interview mit dem Meister, das Jason Heller am 15. Juli für AV-Club geführt hat: Toying Around With The Mack-Daddy Of All Zap-Guns (Titel von Molo vergeben, nach einer Stelle aus dem Interview).

(Deutschsprachige) PHANTASTIK-FUNDE

WORTMELDUNGEN

  • Habe mich im Blog des von mir sehr verehrten Verlages Klett-Cotta gemeldet, bei einem Info-Filmchen zur deutschen Ausgabe von Tolkiens »Sigurd und Gudrún«, um Parkettboden-Alarm zu gebenxnb

ZUCKERL

  • Jessica Harrison schafft graphische Werke und Objektkunst, die mich umhauen. Nicht zögern, stöbert durch ihre nach Jahren sortierte Galerie, da gibt es bezaubernd Verstörendes, beunruhigend Zartes zu entdecken. 2010: Geköpfte und entdarmte Porzellan-Damen; 2009: Knotzige Möbel aus Geschlechtsorganflasch mit Schaambehaarung; 2008: Eitle Zungenrausstreck-Spiegel; 2007: Ein tausendäugiger Argus-Messias; 2006: Eine Fliegenflügel-Geige.
  • Als komisch deklariert, aber doch schon auch sehr nützlich, erklären diese Filmchen des »Japan Culture Lab« uns Langnasen, wie sich traditionsbewußte Japaner benehmen. (Leider habe ich nicht alle Filmchen der Serie mit englischen Untertiteln gefunden. Es fehlen also die Einträge zu ›Grünem Tee‹, ›Süßen Nachspeisen‹, ›Reiskloßkneten‹ und Teil 3 und 4 von ›Mann wirbt um Frau‹). tejime (手締め): Jubel-Klatschen bei förmlichen Anläsen wie z.B. Shareholder-Versammlung oder Vertragsabschluss; shazai (謝罪): Kunst der Entschuldigung in verschiedensten Härtstufen, je nach Schwere des Vergehens; dogeza (土下座): Weil schwerer als die anderen Entschuldigungen, ein eigener Eintrag nur für das, was bei uns als ›Kotau‹ bekannt ist; origami (折り紙): Die Kunst des Papierfaltens, mit einem spektakulären Kampf zweier Meister; hashi (箸): Ess-Stäbchen, wie man sie trennt und hält; sushi (鮨): Wie man ein Sushi-Restaurant betritt, dort bestellt und bezahlt. Mit englischer Synchronisation; kosai (Mann wirbt um Frau), Teil 1 und kosai, Teil 2: Superkomplex. Leider kann ich Teil 3 und 4 nicht finden.
  • Zum Abschluss das beeindruckende Panoramabild »Tribute to Escher« (via Barcelona), von Nico Roig.

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»Watchmen«

Eintrag No. 543 — Gestern um 22:30 aus dem Turm-Kino raus. Leichter Nieselregen hält die grauen BetonFlächen der Innenstadt feucht. Zu warm und babbich für frühen März. Frankfurt wirkt wie eine Umgebung, aus der mir jederzeit Rorschach und Co. entgegenkommen könnten.

Fühle mich alt. So ist das also, wenn die Kunst, welche mich als Jugendlicher befeuerte nun in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Kino war fast voll (okey: es war der kleine Saal 2), und ich habe kaum Menschen unter 30 gesehen. Frage mich, was ich davon halten soll.

Vor dem Film eine »Watchmen«-Tasse besorgt. (Ich habe schon eine ›Snoopy beim Schreiben‹ und eine Lisa Simpsons-Tasse.) Zum ersten Mal in meinem Leben die ganz große Popcorn-Portion gekauft. Fast hätte ich die auch ratzeputz geschafft.

Die Geschichte von »Watchmen« kenne ich so auswendig, wie manche Gläubige ihre heiligen Texte. War also mit dem ganzen Wirren Handlungs- und Weltenbau-Wust des Filmes keineswegs überfordert. — Als Film war Zack Snyders Version der Geschichte sehr hübsch anzuschauen. Die Schauspieler haben gute bis sehr gute Arbeit geleistet. Überhaupt: die ganze Schufterei sieht man dem Film echt an. Da ist jeder Cent auf der Leinwand. Und damit es wirklich passt, hätten es gerne noch ein paar Cent mehr sein dürfen. Und vor allem mehr Zeit. Man merkt dem Film auch an, dass er in vergleichsweise kurzer Zeit in einem Kraftakt rausgewuchtet wurde (angesichts der irren Komplexität und Fülle des Stoffes).

Doch ich kann beruhigt sein, denn ich bin als »Watchmen«-Fan nicht enttäuscht, als Filmgucker nicht gelangweilt worden. Dennoch: hin- & weg vor Begeisterung und Freude bin ich aber auch nicht. Ich bin so mittenmang. Irgendwie froh es hinter mir zu haben.

Im Kleinen habe ich mich ein paar Mal geärgert: a) Bob Dylans näselnder Nicht-Gesang machten für mich die ansonsten bewundernswerten Main Title zu einer akustische Qual; — b) schon damals in den Achtzigern habe ich Nena und ihre »99 Luftballons« gehasst. Da wäre ja Kajagoogoo oder Adam Ant noch besser (nicht so peinigend) gewesen. Nena hat mir also eine Romantik-Szene von Laurie und Dan versaut.

Zu den Abweichungen, Hinzufügungen und Kürzungen lohnt es sich jetzt nicht, viel zu sagen. Nur soviel: schade, dass nirgendwo diese komische Droge in den lustigen Pfeifen geraucht wird und deshalb auch Laurie völlig unmotiviert auf den falschen Feuerzeug-Knopf drückt; — schade, dass die Hinrichtung des Kindermörders durch Rorschach so verflacht wurde; — und sehr schade, dass die Doc M.-Worte »Nichts endet jemals« von Laurie gesprochen werden und sich statt an Ozzy an Dan richten (und dass da weit und breit kein Modell eines Sonnensystems zu sehen ist).

Aber wiegesagt: all solche Änderungen sind Kleinigkeiten und durchaus im Rahmen des Erträglichen und Üblichen (wie auch das Sony-Productplacement in der Wohnung von Hollis).

Der Kinofilm ist ja nur der Trailer für den letztendlichen Schnitt. Ich bin schon gespannt auf den Piraten.

6 von 10 Sternchen geben.

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10 + + + + + Maßstabsetztendes Meisterwerk; Olympisch. 09 + + + + Überwiegend exzellent; Packend. 08 + + + Bemerkenswert mit leichten Schwächen; Anregend. 07 + + Befriedigendes Handwerk; Kurzweilig. 06 + Unterhaltsam mittelprächtig; Akzeptabel. Unsichtbare Grenze der absoluten Mittelmäßigkeiten 05 - Brauchbar mittelprächtig; ganz nett, aber insgesamt lau. 04 - - Überwiegend mittelprächtig; Anstrengend bzw. langweilig. 03 - - - Bis auf wenige Momente daneben gegangen; Nervig. 02 - - - - Ziemlich übeles Machwerk; Zeitverschwendung. 01 - - - - - Grottenschlechtes übles Ärgernis; Pathologisch.
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