»Warum mögen wir die Science Fiction nicht?«
(Eintrag No. 423; Literatur, Genre, Relevanz, Science Fiction, Phantastik) — Diese Frage stellt <a href="www.bryanappleyard.com" title="Zur Bryans engl. Website" target=_blank">Bryan Appleyard in der »TimesOnline«-Ausgabe vom 02. Dezember 2007, anläßlich der Neuauflage des von Brian Aldiss herausgegebenen »A Science Fiction Omnibus«. Zwar klagt Appleyard über die Hochnäsigkeit britischer Kulturdeutungszirkel gegenüber Science Fiction, aber bei dieser Ignoranz handelt es sich keineswegs nur um ein auf die Insel beschränktes Phänomen. — Folgendermaßen bringt er die enorme Relevanz der Sf auf den Punkt (Übersetzung von Molo):
Appleyard reagiert hauptsächlich auf den »TimesOnline«-Beitrag »Why are science fiction writers so neglected?« vom 23. November 2007, in dem Aldiss einige Zeilen über seinen neuen Omnibus schrieb. Aldiss beendet seinen Artikel mit einem Zitat von <a href="de.wikipedia.org" title="Zum dt. Wiki-Eintrag" target=_blank">Percy Bysshe Shelley (aus »Defence of Poetry«):
frankweinreich
... deshalb mögen wir Science Fiction nicht.
Zumindest die einflussreichen Werke des Genres zeigen, ganz getreu Aldiss´ Definition von SciFi ("Selbstüberhöhung, von ihrem gerechten Schicksal verprügelt"), warnend und überspitzt in drohende Zukünfte, die meist keinerlei Ausweg erkennen lassen.
Verne ist tot, aber dafür kann er nix, es sind die Zeiten, die ihn überrollt haben.
Frank
molosovsky Besitzerin
…und aus dem Handgelenk schüttel ich mal den vagen Verdacht: gute SF setzt mehr (moderne) Bildung voraus als gute Fantasy.
Immerhin gehts bei ersterem ja um aktuelle und sich abzeichnende Entwicklungen (auch wenn ich persönlich nicht der Meinung bin, dass SF ein prognostisches oder ›prophetisches‹ Genre ist).
Deine These, Frank, entspräche ja einem: der Botschafter der schlechten Nachricht wird nicht gemocht. Komisch: Serienmörderkrimis scheinen hipper zu sein, obwohl da Körper verstümmelt und Seelen zerkratzt werden. Warum dann die SF, wenn sie mal kritischer ist und kein Weltraum-Märchengetüdel, aber Buh-Punkte einstecken muß, bleibt mir schleierhaft.
simifilm
... weiss ich nicht. Die meisten kennen SF gar nicht und meinen nur, sie nicht zu mögen.
Aber abgesehen davon sind wir hier mal wieder beim ewigen Thema: Ist die Mehrheit der SF gut, lesens- oder sehenswert? Kaum. Wie überall dominiert auch hier der Müll. Warum soll ich von jemandem, der sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht für SF interessiert, erwarten, dass er sich so lange durch das Genre liest, bis er die Perlen findet? Warum muss überhaupt irgend jemand SF lesen, wenn er mit dem, was er sonst liest, glücklich ist? Und warum ist es SF-Fans immer so wahnsinnig wichtig, was der Rest der Welt meint?
Fragt Simon, der mal wieder gegen den Stachel löken muss.
molosovsky Besitzerin
…, Simi, überlassen wir das Visionieren & Planen & Handeln der Zukunft Leuten die hinter verschlossenen Türen klüngeln, und alle anderen sollen sich mit Trost- und Äktschngeschichten betäuben (»Achten Sie nicht auf den Mann hinter dem Vorgang«). — Interessant ist eben, dass einerseits die Fantasy derzeit die SF locker als Publikums-Darling übertrifft, andererseits aber ›Nicht-SF‹ immer SFiger wird, weil die Welt in der wir leben bereits eine SF-Welt ist (zumindest dort, wo der entsprechende Ressourcen- und Verwöhnungsluxus vorhanden ist).
Profilierung (im Sinne von ›Form- & Umrissstabilisierung‹) und Selbstvergewisserung läuft nun mal (auch) über die Rückmeldung durch Andere, durch Außenstehende. Das Zurückziehen in Nischen halte ich für fatal. Genauso wie das Vorgehen, alles auf die immergleichen Refelxe zurechtzuhacken. Weder sage ich, dass SF der heilige Gral ist, gegen den nichts anstinken kann, noch bin ich der Meinung, dass SF eine reines Eierschaukelgenre ist, das nicht wert ist ernsthafter betrachtet zu werden.
Meine Haltung ist schon seit längerem, dass es vor allem die ungeschickten Marketingtätigkeiten der Produzenten sind, weshalb die SF etwas verlohren auf weiter Flur rumsteht; und andererseits haben wir eben diese kindischen Abgrenzungs-Animositäten zwischen Genre-Fanboys verschiedener Richtungen (die SF-Pfadfinder hie, die ›Realismus‹-Jünger dort). — Ich les z.B. grad den neuen Pynchon, »Against the Day«, und kanns mir aussuchen, auf welche Seite ich mich schlag (bzw. sitz ich auf der Grenz-Hecke und versuche beiden Seiten Früchte zuzuwerfen oder auf den Kopf zu kacken, je nachdem, welche Medizin ich grad für angemessen halt).
Ich hab immer noch keine Ahnung, welcher ›Partei‹ ich angehöre. Aber bitte, Simi, schmeiß mich nicht mit SF-Jüngern in einen Topf, die außer SF kaum was anderes goutieren und sich einen feuchten Kehrricht für allegmeine literarische-, kulturindustrielle Entwicklungen interessieren.