molochronik
Sonntag, 29. November 2009

Victoria Schlederer: »Des Teufels Maskerade«, oder: Freilich bereiten gefühlsduseslige Vampire, Zauberwesen und Revoluzzer nur Scherereien

Eintrag No. 596 — Heyne/Randomhouse hat einen Wettbewerb veranstaltet, bei dem ein Debüt-Werk zum ›magischen Beststeller‹ gekürt werden sollte. Da wurde in den Genre-Phantastikgefilden geunkt und sich davor geforchten, was für ein Schmarrn letztlich dabei rauskommen würde.

Nicht noch ein Buch mit im Boden steckenden Schwert oder schicksalsumflorten Kuttentypen auf dem Umschlag! Nicht noch ein klischeetriefender Fantasy-Rassenbackförmchen-Schmuh! Ermarmen!!!

Aber nein: Die Juryrichter hatten erfreulicherweise Erbarmen, ein glückliches Händchen und pickten aus den geschätzten drei Millionen eingereichten Manuskripten eines als Sieger heraus, das sich angenehm von den platten Modeströmungen der Genre-Phantastik abhebt.

Am meisten hat mich an »Des Teufels Maskerade« erstaunt, wie dieser Roman sich auf seine Figuren, deren Gefühlslagen und Konversationen konzentriert und Erwartungen zuwiderläuft, man bekäme einen atemlosen und äktschenreichen Abenteuergarn geboten. Halsbrecherische Ereignisse sind rar in diesem Roman, und wo sie sich dennoch ereignen, werden sie erfrischend unkonventionell knapp und fast schon lapidar abgehandelt.

Im Zentrum des Lesevergnügens stehen die Mitglieder einer kleinen Detektei, welche sich auf okkulte Fisimatenten spezialisiert hat, und die ungewöhnlichen Vorkommnisse in die sie im Sommer 1909 zu Prag und Wien verstrickt ist.

Da ist der Chef der Truppe, der etwas verlebte ehemalige Hauptmann, nun ein Automobilnarr, Dejan Sirco; sein pedantischer Kompagnion Lysander Sutcliffe, ein durch magische Eskapaden im Körper eines Otters befindliche ehemalige Geist eines englischen Adeligen des 16. Jahrhunderts; sowie der beflissene Ex-Straßenjunge und jetztige ungestüme Filius der Detektei Mirko Zdar. Zum Quartett wird die Gruppe mit der resoluten und auf Benimm pochenden Bordellbetreiberin Esther, für mich die stärkste Figur des Romans und allein schon die Lektüre wert, so wie Victoria Schlederer vor allem diese Esther, und auch andere Figuren, glänzend in für Piefkes (= nichtalpenländische Deutsche) verständlich aufbereiteten K.&K.-Duktus parlieren läßt, was z.B. so klingt (S. 48):

»{…} Den sollten’S sehen, ganz voll Narben, an Stellen, wo man sich denkt, na, das tut doch weh …«

Leichte Abstriche muss ich machen, da der Handlungsverlauf bisweilen paradoxerweise auf mich zugleich beliebig und forciert wirkte, einige Szenen allzu plötzlich als Fremdkörperepisoden aus dem Gefüge herausragen und öfter als verzeihlich der Zufall oder neue Figuren die Handlung vorantreiben.

Trotzdem: als ›leichte (jedoch nicht ›platte‹) Lektüre‹ für Zwischendurch und Unterwegs für mich ein empfehlenswerter Roman und ein Debüt, dem ich gerne meinen neidvollen Respektes angedeihen lasse. Ich hoffe, Frau Schlederer wird in Zukunft weiteren feinen Garn für das Lektüregewebe historischer Alternativwelt-Phantastik spinnen, das ich durch Autoren/Autorinnen wie Gorden Dahlquist, Ju Honisch, Susanna Clarke, Ian R. MacLeod und Mark Frost zu schätzen gelernt habe.

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Viktoria Schlederer: »Des Teufels Maskerade«; 19 Kapitel mit Anhang, mit 7 Bleistift-Illustrationen und 3 Karten von Iris Daub auf 542 Seiten; Heyne 2009; ISBN: 978-3-453-52655-6.
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