»The Hobbit: The Desolation of Smaug«, oder: ›Mittelerde 2941, wo gehts hier nach Erebor?‹
Bisher mein liebster Mittelerde-Rambazamba & endgültiger Beweis, dass Verfilmungen mitunter wohl besser als die Originalwerke sein können.
Hier wird endlich das deftige Maß naiver Ausgelassenheit erreicht, mit der dieser Stoff eigentlich inszeniert gehört (die zweite ästhetisch redliche Weise, Tolkien zu verfilmen, bestünde in der Beschwörung hölzerner Bibel-Dramatisierungen des alten Hollywood a la »Die Zehn Gebote«). Die Äktschn-Sequenz entlang des Waldflusses veranschaulicht deutlich, wie man drögen europäischen Heldenpathosplunder mit einer pepigen Portion Wuxia-Akkrobatik veredelt. Bienchen für die nicht zu übersehenden »Black Adder« & Terry Gilliam-Frühwerk-Tribute von Herrn Jackson bei der Umsetzung von Seestadt & ihrer Einwohner. Ein Hoch auf Stephen Fry!
Bei den getragenen Szenen hohen Tones z.B. mit dem Waldelfenkönig musste ich schmunzeln & gnatzen vor Vergnügen, wegen dem von mir so wahrgenommenen erz-ernsten Schmalz. Fand ich total komisch … wusste aber, dass die Szenen nicht komisch sein sollen … was die Komik für mich nur steigerte. — Siehe auch die Szenen in »Unerwartete Reise« mit dem Weißen Rat. Geht mir aber mit allen (aus meiner Sicht) entsprechend ähnlich gelagerten Fantasy-Dramaturgien so. Finde deshalb auch »Game of Thrones« zuweilen zum Brüllen ulkig. Und dann noch die Perücken & die Nasen & die Fraggels-auf-Bio-LSD-Kostüme/Szenerien.
Die Hochglanz-Fantasy der Franchise-Kulturindustrien schafft es nun mal (leider) nur sehr selten auszubrechen aus ihrer Bestimmung, aufgemotzer Emo-Eso-Hausmeister-Wohlfühl-Spiritualitäts-Edel-Trash zu sein.
Das mag nun hart & schon Rüdiger Suchsland-mäßig abfällig gegenüber dem Genre & den LOTR- & Hobbit-Filmen klingen, aber mein persönliches Erleben der Jackson’schen Mittelerde-Filme ist dennoch zu einem Großteil durchaus eines des Genusses, der Bereicherung, der Freude & des Staunens. Ich empfinde es als Gnade der Filmgeschichte, dass der Schöpfer von »Meet the Feebles«, »Braindead«, »Bad Taste« & »The Frighteners« Tolkien verfilmt hat (& man Spuren seiner krassen, hyperdynamischen, an Kontrasteffekten reichen, im Zweifel respekt- & geschmacklosen Frühwerke immer wieder in HDR & Hobbit finden kann), & nicht etwa ein braver, zahmer, ½-middlebrow Hollywood-Pathos-Routinier (man stelle sich vor, wie oberdröge Mittelerde in der Regie & dem entsprechenden Team von Ron Howard, Robert Zemeckis, Wolfgang Petersen & dergleichen geraten wäre).
simifilm
Ich fand den Film ziemlich langweilig; Jackson auf Tolkien-Autopilot. Hat man mittlerweile alles schon gesehen und es fehlen interessante Figuren.
molosovsky Besitzerin
Papperlapapp, Alder! Ich finde, Jackson holt mehr aus dem Stoff raus, als drin war.
Eosphoros
Wenn ich die Wahl zwischen Jackson oder Petersen et al. habe sollte ich eigentlich zuhause bleiben.
Ich sperre mich dagegen dass der Stoff ›so inszeniert gehört‹ — derweil habe ich alle Erwartungen fallen lassen und den Action-Klamauk (nur leicht müde) belächelt. Aber PJ dabei zuzusehen wie er sich in Selbstreferenzen suhlt statt Fortschritte im storytelling zu zeigen macht nicht die größte Freude. Auch Smaug als “greatest and chiefest of calamities” hat mir keine Ehrfurcht vor monströser Erhabenheit eingeflößt.
Eosphoros
P.S. btw schalt mal die Verblocksatzung in deinem Blog aus, sonst hast du doch ein Auge für Typografie!
molosovsky Besitzerin
Schon klar, dass so, wie PJ Mittelerde inszeniert, es für mich die denkbar knackigste Lösung ist. Bei Ridley Scott würde mehr Militärpathos & Ascheflöckchen oder Pollen durch die Zeitlupe wehen, bei Spielberg würden sich öfter als mir gut tut alle mit feuchten Augen umarmen usw. — Jackson traut sich wenigstens so viel Derbheit, Schmutz, Rost, Haken, Ösen, Schmalz, Bedeutungshuberei usw aus Tolkien rauszuquetschen, bzw. ihm aufzupfropfen, dass ich die (Verzeihung) Lahmarschigkeit der Prosa-Narration ganz vergesse. — Und die Über-Akrobatik der grün-beigen Strumpfhosenhelden lässt die Elfen genau als die Supermen erscheinen, als die sich im ganzen Mittelerde-Werk geschildert werden. — Da ich den Stoff mehr oder minder auswendig kenne, habe ich gar nicht erwartet, irgendwie überrascht zu werden. Ich habe ein Bilderbuch erwartet. Und alle PJ-Mittelerdefilme sind da gut gelungen, aber Hobbit 2 hat die Schallmauer des Irrwitzes durchbrochen und gibt jenseits davon noch Gas. Ich bin gespannt auf den Abschluss.
nisjasper
Endlich sagt´s mal jemand! Außer mir. Mit so viel Krachwumms gehört das auf die Leinwand gebracht; neben der zu Recht ins Spiel gebrachten Bibelvariante fiele mir noch ›tschechischer Märchenfilm‹ ein, dann aber bitte auch mit handgemalten Kulissen, Zwergen mit Zipfelmützen und Zeichentricksequenzen statt CGI. Nee, nee — Jackson macht das schon genau richtig. Ein großer Spaß.
molosovsky Besitzerin
Danke für die geteilte Begeisterung!
Man darf ja nicht vergessen, dass LOTR und Hobbit verfilmt wurden unter dem Vorzeichen des Spektakel- & Ereignis-Kinos. Im Großen & Ganzen verfolge ich die Entwicklung kritisch, dass ein Weg zu Profitsteigerung, den die Filmindustrie sucht, darin besteht, mit technischen Schnick-Schnack das Film-Erlebnis immer mehr dem Vergnügungspark-Erlebnis anzunähern.
Und es ist ja nicht so, dass mir ausnahmslos alles gefällt, wie Jackson & die Studios Tolkien umsetzen. In LOTR3 fand ich zum Beispiel sehr sehr sehr schade, wie das Reich der Toten ohne Stein von Erech inszeniert wurde … ohne Horntröten! Und in Hobbit2 fehlen mir die sprechenden Tiere, vor allem aber, dass die Waldelfen die Zwerge einfach so im Wald stellen. Zu gerne hätte ich gesehen, wie die planlosen & verängstigen Zwerge die im Wald labenden & picknickenden Elfen stören.
Dennoch: so viel Distanz krieg ich noch zusammen, um den (Spektakel)Film für sich zu genießen.
molosovsky Besitzerin
Peter Schmidt hat in seinem unfassbar schön benamsten Blog »Skalpell & Katzenklaue« eine lesenswerte Erwiderung zu meiner flappsigen »Desolation of Smaug«-Besprechung geschrieben: »Tolkien als Trashspaß?«.
Ich kann nur beschämt (und eitel wie ich bin auch etwas erfreut) hinnehmen, wie ich von Schmidt für seine Leserschaft vorgestellt werde:
In einigen Dingen glaube ich, dass Peter Schmidt und ich durchaus ähnliche Sehnsüchte & Vorlieben haben: so befürwortet er …
Richtigstellen oder ergänzen kann ich an seiner Replik nur wenig. Wer den kompletten Eintrag nebst Kommentaren meiner »Smaug«-Rezi gelesen hat, kann selber sehen, dass manche Übersitzung von Peter Schmidt nicht ganz trifft.
Mich spricht Jacksons Verfilmung eben nicht vor allem deshalb an, »weil ich darin eine {ungewollte} Parodie auf die literarische Vorlage zu erkennen glaube.« — Eine Parodie nimmt ihren Gegenstand auf die Schippe. Und die Mittelerde-Filme von Jackson sind für mich ganz sicher nicht auf gleiche Weise Trash-Feste grandios komischer zusammengefallener Pathos-Souffles a la »Star Wars II: Attack of the Clones«, wie Peter Schmidt mutmaßt. ›Star Wars‹ war seit dem Erfolg des ersten Films auf dem Weg der Verdammnis, zu monomythischer Industrie-Fantasy zu verkommen, die in meinem Fall eben nur mit einer gehörigen Portion ›Gegen den Strich gucken‹ Vergnügen bereitet.
In einem der Kommentare zu meiner »Smaug«-Besprechung deute ich schon kurz an, dass meine Tolkien-Lesart eine »total verquere Mischung aus Missfallen, Repspekt und Sprachrausch-Freude ist«. — Nervig oft gehe ich damit hausieren, dass mir von den Mittelerde-Werken Tolkien »Das Silmarillion«, »Der kleine Hobbit«, ja sogar die ganzen 12 Bände der »History of Middle-Earth« Berge mehr geben als eben »Der Herr der Ringe« (und trotzdem: zu meinen Lektüre-Gemmen 2013 gehörte die ungekürzte englische Hörbuch-Fassung mit Rob Inglis). Auch die ganzen Nicht-Mittelerde-Kurzgeschichten Tolkiens find ich besser als LOTR. Da nimmt es wohl nicht Wunder, wenn es mir durchaus zupass kommt, wenn einer wie Jackson den für meinen Geschmack unterm Strich, trotz grandioser Passagen, drögen Roman aufpeppt und ummodelt zu etwas, was ich als Äktschn- & Augenweide-Kino genießen kann.
Richtigstellen will ich, dass Peter Jackson wohl nicht so völlig frei schalten & walten kann bei seinen Spektakeln, wie Peter Schmidt glauben macht. Wenn man z.B. den Meldungen aus der Hexenküche internationaler Mega-Produktionen glauben darf, hat das Studio (nicht Jackson & sein Kreativ-Team) auf die Dreiecks-Liebelei zwischen Tauriel, Legolas & Kili bestanden.
Unterm Strich sind die Mittelerde-Kracher Jacksons Einblicke in den Wandel von Lesarten & Genre-Auffassungen sowie Lehrstücke über die Bedingungen heutiger (Ver)Filmgegebenheiten.