molochronik
Montag, 27. September 2004

Tad Williams: »Der Blumenkrieg« – oder: Seine Hemden sind bunter als seine Phantastik

Eintrag No. 140

HINWEIS: Folgend die Fassung, wie sie sich in »Magira 2005 – Jahrbuch zur Fantasy« findet. Dank des Lektorats der Herausgeber Michael Scheuch und Hermann Ritter zur Abwechslung sozusagen ein Molochronik de luxe-Beitrag.

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Kraft und Entwicklung eines Genres pulsieren in der Spannung, die zwischen dem stabilen Zenit der Vertrautheit, Wiedererkennbarkeit und Routine mit bestimmten Zeichen und Inhalten einerseits, und dem fluktuierenden Nadir der innovativen Originalität, Neuartigkeit und Regelübertretung beim Umgang mit der genre-eigenen Zeichen- und Inhaltsgrammatik andererseits herrscht. Je nach Verlauf der individuellen Lektürebiographie im Genre-Raum erfreut man sich angenehmer Überraschungen und unvorhergesehener Genüsse, aber erleidet auch Enttäuschungen und entwickelt Abneigungen.

Das Fantasy-Genre existiert wohl einer konzentriertenm Hoffnung auf eine ganz besondere Leseerfahrung wegen, die über das gewöhnliche Verlangen nach einer spannenden Geschichte oder anrührenden Romanze hinausgeht: In eine gänzlich andere Welt einzutauchen und mithilfe der eigenen Vorstellungskraft mitzugestalten, oder wenigstens Reflektionen unserer Welt in seltsamen Zerrspiegeln aus Historie und Magie betrachten zu können.


Erste Begegnungen

Tad WilliamsFrüh schon begegnete ich als Teen Tad Williams »Traumfänger und Goldpfote« (Tailcatcher's Song), den ich auf Deutsch gelesen habe. Für mich damals eine erfreuliche Abwechslung von meinen ausführlichen Wanderungen im Land der harten Männerhelden, wo ich mich mit Hawkmoon, Conan, dem Grauen Mausling und ähnlichen Burschen herumgetrieben habe. Diesen Katzen-Fantasy-Roman empfehle ich heute noch gerne. Eine gute Dekade später robbte ich mich als Twen vier Jahre lang durch »Der Drachenbeinthron« (Memory, Sorrow, and Thorn). Es war schrecklich. Was für eine sich zum Leser kuscheln wollende elephantitische Herzschmerzwalkerei! Was für ein offensichtliches Recycling des Bildbestands und der zivilisatorischen Attribute bekannter historischer Kulturen. Unter anderem fand ich nur spärlich verkleidete Wikinger, Indianer, Japaner, Afrikaner, komplett mit Merlin, Vatikan und Cameron-Aliens-Monstern. Selten schaffte ich mehr als 200 Seiten am Stück, und »Der Drachenbeinthron« umfaßt dreitausendsechshundertsechszehn Seiten. Von dem noch voluminöseren SF-Epos »Otherland« habe ich die ersten beiden der vier Bücher lediglich überflogen, und sodann schnell und endgültig beiseite gelegt.

Genauer: 960 + 880 + 880 + 896 Seiten gemäß der deutschen Ausgabe bei Fischer-Taschenbuch.


Und doch…

Kurz gesagt, die Phantastik-Prosa von Tad Williams ist mir mittlerweile herzlich unsympathisch. — Jedoch! Irgendwelche obskuren masochistischen Impulse haben mich jetzt doch wieder bei »The War of the Flowers« zugreifen lassen. Vielleicht, weil Williams diesmal so gnädig war, NUR einen in sich abgeschlossenen 800-Seiten-Roman vorzulegen. Zudem hatte ich die sexy Gelegenheit, die englische Taschenbuchausgabe für 4,– € aus dem Ramsch mitnehmen zu können und keine drei Lappen für die (zugegeben) wunderschöne Klett-Cotta-Ausgabe hinlegen zu müssen.

Bevor ich aber loslege, ein Skalpell anzusetzen und mein Gift auf »Der Blumenkrieg« triefen zu lassen, möchte ich versuchen, ein paar begrüßenswerte Merkmale und Eigenschaften des Romans anzuführen, die jenseits von feineren Geschmacksfragen für die meisten Leser wohl erkennbar sind. Die achthundert Seiten dicke Geschichte liest sich flott weg, schnell war ich in einer Arbeitswoche nebenbei damit durch. Stil und Rhythmus werden dabei seltenst zu simpel. Die Dialoge sind elegant und lebendig. Williams weiß, wie man die Leser bei Fuß hält.

Das Buch liefert darüber hinaus auch einige wirklich mitteilenswerte und beherzigenswerte Gedanken und Ideen, nämlich: Daß Rassismus, Angst vor Fremden oder Klassenarroganz böse sind; daß Reden und Handeln sich nicht (allzu sehr) widersprechen sollten; daß die US-Amerikaner (und die Erste Welt) ruhig mal geduldiger die Aufmerksamkeit über den Tellerrand ihres simplen Schwarz/Weiß-Weltbildes richten können; daß auch für Hegemonialmächte gilt: »Niemals rechtfertigt der Zweck alle zur Wahl stehenden Mittel«. Viel Kritikerliteratur wird für empfindsam-intellektuelles Geklapper gelobt und bietet doch nicht halb so viel Fruchtfleisch wie dem Tad sein ›Genre-Trash‹.

Nun aber zu meinen wohligen Mißfällen. Wohlig deshalb, weil ich es durchaus genossen habe, so reichhaltig und exemplarisch Unarten der Genre-Fantasy in einem Roman versammelt zu finden. Zudem schöpfte ich ein perverses Lesevergnügen daraus, mich über die Vorhersehbareit und Leser-Händchenhalterei des Buches aufzuregen, denn die entscheidenden Enthüllungen der Geheimnisse des Plots hab ich alle lange nahen sehen. Dabei gelang es dem Buch aber nicht, mich anzufixen, diesen absehbaren Wendungen gespannt entgegenzufibbern.

Wie schon in »Der Drachenbeinthron« wälzt sich die Geschichte größtenteils zäh in kleinen Schritten und so mancher Redundanz dahin. Die meisten Zeilen gehen für Launenbeschreibung und den Gedankensalat des Protagonisten drauf. Hauptfigur Theo fühlt sich mal so, mal anders mies, ist auf diese oder jene Art verwirrt. Figuren, Requisiten und Handlung versuchen gar nicht erst, die Originalität von Kautschkartoffel-Bespaßung wie »Xena« und »Stargate« zu übertreffen. Immerhin: um US-amerikanische Schulhofleseratten — die sogenannte Playstation-Generation dieses Globus — zu begeistern, scheint mir das Vorgehen geeignet. Kopffernseh-Prosa, brav, nie wirklich frech oder einzigartig, sondern immer gewöhnlich, immer auf bereits aus den Massenmedien Vertrautes bauend. Subtil oder phantasievoll ist hier wenig. Die Exotik ist keine in unbekannte Reiche verführende, sondern eine Parade von Bekanntem zum Abnicken. Man darf ruhig mit einem geschlossenen Auge oder im Halbschlaf lesen, denn Onkel Tad raunt spätestens alle zwanzig bis fünfzig Seiten über die echt wichtigen Infos oder läßt sie von seinen Figuren rekapitulieren.

Ungeschickt ist schon, wie die ganze Präposition als Fremdkörper das Eröffnungssechstel verstellt. Zu Beginn der Geschichte befinden wir uns im zeitgenössischen San Francisco: Theo Vilmos hält sich für einen Loser. Er hat einen mickrigen Job bei einem Blumenlieferant und macht allzu exemplarisch die berüchtigte Sinn- und Gemütskrise der Frühdreissiger durch. Singen mag sein Talent sein, er hat aber nichts daraus gemacht. Die nur halb so alten Freunde seiner Boy-Band nerven ihn und sind von ihm genervt. Nach einer wiedermal fruchtlosen Studiosession spät heimkommend, gibts den ersten Schock für Theo: seine Freundin liegt nach einer Fehlgeburt im Bad.

Theos Welt bröckelt jetzt erstmal eine Weile. Krankenhausbesuch und Trauer um das verlorene Kind. Der nächste Schlag: die Freundin will allein neu beginnen und Theo soll sich eine eigene Bleibe suchen. Außerdem wird er seinen Job los und die Boys von der Band wollen ihn auch nicht mehr. Er boomerangt also zu Muttern, einer ernsten und schweigsamen Frau, die seit dem Tod von Theos Vater alleinlebt. Das leicht unangenehme, weil beklommene Zusammenwohnen der beiden bleibt aber auch nicht lange ohne Unglück. Mama hat Krebs und Theo wird zum Sterbebegleiter der Mutter, dann zum Manager ihres Erbes. Mit ein bischen Guthaben vom Hausverkauf auf der Kante, zieht sich Theo zum Sich-selbst-finden in eine Waldhütte im Umland zurück, vielleicht um Songs zu schreiben oder endlich mal »Moby Dick« zu lesen. Doch er schmökert in den Aufzeichnungen seines Großonkels Eamonn Dowd, die Teil des mütterlichen Nachlasses sind. Dowd war der Außenseiter der Familie, der nicht nur die weite Welt bereist und manch schöne Frau geliebt hat, sondern auch von dem wundersamen Land Elfien und der dortigen (einzigen) Metropole Neu-Erehwon erzählt.

Warum eigentlich nicht Neu-Owdnegrin? Zumindest für mich klänge das nicht zu (unangenehm) osteuropäisch. {Vielleicht ist das nur eine Anspielung auf EREWHON von Samuel Butler? – Die Magira Herausgeber.} Ja schon, aber warum wurde bei dem schon nicht mal Owdnegrin als Übertragung versucht?

In der Provinz treibt sich Theo in einem nahen Kaff herum, stöbert im Archiv nach Infos über den Großonkel und verguckt sich in die Bibliothekarin. Ein Komissar aus Frisco schaut aus Routine bei Theo vorbei, weil Folgebesitzer von Mutters Haus bestialisch zerschnetzelt aufgefunden wurden. Kurz darauf greift denn nun auch ein dämonisches Wesen Theo in seiner Waldhütte an. Doch die kleine Elfe Apfelgriebs — ein fliegendes Klischee mit irischem Akzent und roten Haaren, wie Julia Roberts in »Hook« in deftiger, upgedatet um einige Shakespeare-Zeilen — taucht auf, um Theo zu retten. Schuppdiwupp, flüchten beide durch ein kleines Portal nach Elfien.

Dieser ganze Schmonzes zieht sich über die ersten 135 (140 im Original) Seiten dahin, aufgelockert durch wenige kurze Kapitel aus der Elfen-Welt. Da wird von menschenhassenden Elfen der besagte Dämon losgeschickt; in einem Sanatorium der Elfen sitzt eine schöne Elfenfrau apathisch herum; es wird geflüstert vom vergangenem Krieg zwischen mächtigen Elfenhäusern, die eben nach Blumen benamst sind; und berichtet über einen Zwischenfall in einem Elfien-Kraftwerk.


Vergleichswaise

Folgende Aufzählung kann vielleicht dazu dienen, sich besser ausmalen, was für einen Ideal-Leser Tad Williams beim Schreiben vor seinem geistigen Auge hatte. Soweit ich das in freundliche Worten fassen kann, handelt es sich dabei um Leser, die wohl mehr an nervenberuhigender Entspannungs-Aufregung interessiert sind, denn an wahrhaftig herausfordernden neuen Ideen. Sich als Autor besonders solchen Lesern zu widmen will ich gar nicht als unehrenhaft verdammen, denn das ist für einen kreativen Geist ebenso eine Herausforderung, wie sogenannte anspruchsvolle Literatur schaffen zu wollen. Um die Freunde der Bücher von Tad Wiliams milde zu stimmen und der Anschaulichkeit halber, nun zuerst ein angenehmes Beispiel für einen gut untergebrachten Lieber Leser, stells Dir ungefähr so vor-Vergleich.

(Kapitel 1, Seite 29/23) • Theo steht seiner Freundin nach deren Fehlgeburt am Krankenbett bei. Die allgemeine Stimmung in Krankenhäusern wird dabei verglichen mit Gedichten von T. S. Eliot:

… gut ausgeleuchtete Wüsteneien, Orte leiser Gespräche, die nicht ganz verbergen konnten, daß sich hinter den Türen schreckliche Dinge abspielten.

Zu den Verweisen auf die zitierten Stellen: Die erste Ziffer der Seitenangabe bezieht sich auf die englische Taschenbuchausgabe von DAW (May 2004, 828 S.); die zweite Ziffer der Seitenangabe bezieht sich auf die von Hans-Ulrich Möhring (gut lesbar) übersetzte, gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag bei Klett-Cotta (2004, 805 S.).

Als gelungen oder zumutbar empfinde ich solchartige Verweise eben, wenn sie mit etwas mehr Fruchtfleisch hingeschrieben wurden und der Geschichte eleganter dienen.

Achtzig Ideenlosigkeiten aus »Der Blumenkrieg« — Eine Autopsie —

Ideenlosigkeit No. 1 (Kap. 3, S. 61/54) • Was für Mukke hört Theo als Sterbebegleiter seiner Mutter? Die Smiths, wen sonst? Unangenehm naheliegender Griff ins Popmusikregal zur Veranschaulichung von Kummerstimmung.

2 (Kap. 5, S. 89/83) • Theo öffnet das Schließfach mit Eamonn Dowds Nachlass und

hätte sich nicht gewundert, wenn dem Ding eine Tutanchamuns Grab würdige Staubwolke entstiegen wäre.

3 & 4 (Kap. 7, S. 103/96) • Beim Lesen von Dowds Aufzeichnungen findet Theo einige Passagen zu blöd raunend und fragt sich, ob sein Großonkel durch

zuviel Lovecraft

beeinflußt wurde. Überhaupt: Ist Dowd ein richtiger Schriftsteller oder

ein Dilettant, der seine eigenen {…} Erinnerungen mit Sachen aufpeppte, die er aus den Weird Tales und ähnlichen Blättern gestohlen hatte?

5 (Kap. 9, S. 130/121) • Theo sieht ein seltsames Lichtphänomen in seiner Waldhüttenküche:

So was, wo die Piloten früher meinten, sie hätten ein UFO gesehen.

6 (Kap. 9, S. 135/125) • Theo beschreibt die Aufzeichnungen seines Onkels über New Erewhon und Elfien als

hoffnungslos unverkäufliche Mischung aus Fantasy ohne Abenteuer (wenigstens ohne richtige Abenteuer, wie die computerspielenden Drachenkämpfer sie suchten).

Die Originalpassage lautet jedoch:

(not real adventures anyway, the kind Dungeons-and-Dragon kids wanted)

grob überstezt also:

(jedenfalls nicht wie die richtigen Abenteuer, wie sie die Dungeon-and-Dragon-Kids mochten)

Bei Klett Cotta vertraute man wohl nicht darauf, daß D&D (oder überhaupt Rollenspiele) dem deutschen Leser irgendwas sagen. Erschreckende Zaghaftigkeit.

7 (Kap. 9, S. 144/134) • Für mich schon 'ne echte Stilblüte ist dann ein Vergleich für einen Adrenalin-Schub Theos beim ersten Äktschn-Höhepunkt, dem Angriff des Dämons in der Waldhütte, am Ende des ersten Teils:

Theo's heart felt as though it were about to explode out of the top of his head like a Polaris missle.

Selbst bei Klett-Cotta klingt das gesteltzt:

Theos Herz fühlte sich an, als wolle es im nächsten Augenblick wie eine Polarisrakete durch die Schädelplatte schießen.

8 & 9 (Kap. 10, S. 148/140) • Theos Ankunft in Elfien in einer befremdlichen Gegend. Hier gibt es seltsame optische Effekte, die mit öden Malerei- und Drogenerlebnisvergleichen veranschaulicht werden:

Eigentlich sah die Umgebung gar nicht ausgesprochen anders oder verkehrt aus, sondern bot einen ganz normalen Anblick mit einem gewissen romantischen, präraffaelitischen Einschlag: {…} Es erinnerte ihn an die Art, wie eine Dosis Psilocybin den Farben alltäglicher Gegenstände eine neonartige Grellheit verlieh.

10 & 11 (Kap. 10, S. 150/141 f.) • Auf der Flucht kommt Theo sein Abenteuer vor, als ob sich die

Gegend von einer Zauberlandschaft in den Alptraum eines strapaziösen Survial-Trecks durch eine Disneyfilmszenerie verwandelt hatte. {…} Er fühlte sich allmählich wie auf einem LSD-Trip.

12 (Kap. 10, S. 160/151) • Wieder ein Malereivergleich für eine Landschaft, die

satt wie der Hintergrund eines Maxfield-Parrish-Gemäldes

auf Theo wirkt.

13 (Kap. 12, S. 185/175) • Die Klamotte, die Theo bald in Elfien bekommt, nennt der Text einen

seidenen Ninjapyjama.

14 (Kap. 12, S. 187/177) • Beim Anblick der technischen Geräte im Arbeitsraum eines Elfen-Aristokraten

fühlte sich Theo in die Anfangstage der Computertechnik zurückversetzt, eine ihm nur von Fotos und Zeitschriftenartiklen bekannte Zeit, in der die Leute ihre PCs der ersten Generation in handgefertigte Holzkisten einmontierten.

15 (Kap. 12, S. 187/177) • Das Ausshen des Elfen-Aristokraten selbst wird dem Leser nahegebracht als das

… eines mondänen europäischen Konzeptkünstlers, was auch zu dem technominimalistischen Dekor paßte.

16 (Kap. 12, S. 193/183) • Im einem Dialog bringt Theo dann über diesen aristokratischen Elfen-Wissenschaftler auch den ersten von einigen Vergleichen mit dem Dritten Reich an:

‘Wenn der ein Wissenschaftler ist, dann muß er einer wie Dr. Mengele sein.’

17 (Kap. 12, S. 199/189) • Allein unterwegs in den Gängen eines Elfienhauses während eines Stromausfalls fühlt sich Theo wie

Theseus im finsteren Labyrinth, nicht ahnend, daß der schreckliche Minotraurus hinter ihm stand.

18 (Kap. 13, S. 227/216) • Unterwegs zu einer Eisenbahnstation kommt Theo ein Elfienbegleiter vor

wie aus einem Monty-Python-Sketch.

19 (Kap. 14, S. 231/219) • Für Theo, der offentlichlich nicht gerade über ein funkendensprühendes Assoziationsvermögen verfügt (¿oder ist es Tad selbst der schwächelt?), sehen einige Fahrzeuge auf den Straßen Elfiens aus

wie Volkswagen Käfer.

20 (Kap. 14, S. 235/224) • Fremdartige Elfenschrift, die Theo aber dennoch irgendwie lesen kann, erscheint ihm wie

längst untergegangene vorderasiatische Schrift.

21 (Kap. 14, S. 237/226) • Nochmal über den Wissenschaftler, dessen Äußerliches beim ersten Treffen in Theos Rückblick beschrieben wird als

keltisch-asiatische oder skandinavisch-asiatische Mischung.

22 (Kap. 15, S. 262/249) • Später wird das Verhalten dieses Kerls schlicht klassifiziert als

er benahm sich wie in einer Geschichte mit Jeeves dem Butler.

Gemeint sind die im englischen Sprachraum klassischen komischen Romane von P. G. Wodehouse über den adeligen Junggesellen Wooster und seinen Butler Jeeves, die bei Edition Epoca exzellent übersetzt erscheinen. Verfilmt als BBc-Serie mit Hugh Laurie als Wooster und Stephen Fry als Jeeves.

23 (Kap. 15, S. 262/250) • Das Zombiewesen von der Waldhüttenäktschn wird Theo den ganzen Roman durch auf den Fersen bleiben. Mit Galgenhumor denkt sich Theo, warum ihn außer lebenden Leichen und Schleimschneckenmännern nicht auch noch anderes Böszeugs jagt:

‘wie heißen diese Ekelpakete am Anfang vom ›Herrn der Ringe‹ noch mal? Schwarze Reiter?’

Im Original freilich ist Theo noch nervig-dümmer, und dem Fantasy-Vertrauten wird eine lächerlich simple Gelegenheit zur Besserwisserei dargeboten, denn es heißt:

‘von Schwarzen Reitern wie im ›Kleinen Hobbit‹’

24 (Kap. 15, S. 266/254) • Die Angst, beim Klauen erwischt zu werden, läßt Theo fürchten, in ein

Gefängnis wie aus einem gruseligem Grimm-Märchen

geworfen zu werden.

25 (Kap. 16, S. 287/274) • In Gesellschaft mit Poppy, der Tochter des obersten Menschenhasser-Elfen, ist Theo auf den Weg zu deren Familiensitz, oder wie Theo sich zynisch denkt:

‘Klar, wir steigen übers Wochenende einfach im Führerhauptquartier ab.’

Tja, liebe geschichtsverklemmten Deutschen, in der USA-Mainstream-Fantasy eines Williams wurde die Höhle des Löwen und die Teufelsküche vom Führerbunker abgelöst. Man kann sich ruhig unwohl deswegen fühlen, aber es läßt sich nicht ändern, daß die Nazis längst in den Bilderfundus der Populärkultur eingegangen sind. Nicht wahr Dr. Jones?

26 (Kap. 16, S. 293/280) • Zur Schnulze zwischen Theo und Poppy. Er ist ja Anfang Dreißig, sie in Jahren knapp über Hundert, in Elfen-Maßstäben aber gerade mal so aus dem schlimmsten Teenageralter raus. Theo denkt sich, daß er sich eine Romanze mit Poppy wohl ausmalen muß, wie in

… de{m} Film Harold and Maude.

27 (Kap. 20, S. 339/325) • Theo wird wieder mal magisch-wissenschaftlich untersucht und wirft einen Blick auf ein Gefäß, das

gelblich-grün {glühte} wie etwas in einem billigen Horrorfilm.

28 (Kap. 20, S. 341/326) • Laborratte Theo ist es leid, behandelt zu werden

wie Charlton Heston auf dem Planet der Affen.

29 (Kap. 20, S. 349/335) • Für Theo klingen die abenteuerlichen Geschichten über das Gesellschaftshickhack der mächtigen Elfen-Familien

wie der Anfang der West Side Story, witzig und eher aufregend als gefährlich.

30 (Kap. 20, S. 357/342 f.) • In einem hippen Elfen-Nachtclub wirken die Klamotten der Anwesenden auf Theo wie

eine absurde Mischung aus viktorianischer Tracht und zerschlitzter, beschmierter punkiger Gothic-Mode.

31 (Kap. 22, S. 387/371) • Theo besichtigt die Cafeteria eines Gemeinschaftsbaus kleiner Elfen. Einige Tische dort sind so groß wie ein

Silberdollar

und die größeren bieten Platz für mehrere

Gäste von Barbiepuppengröße.

Im Original werden

G. I. Joe-Figuren

zum Vergleich herangezogen.

32 (Kap. 22, S. 393/378) • Ein weiterer Elfien-Aristokrat, der nach Theos Bildung gut in ein

Renaissancegemälde gepaßt {hätte}, vielleicht als ein Ratgeber, der neben dem Thron stehend mißbilligend zusah, wie der arme Columbus Isabella und Ferdinand zu überreden versuchte, ihm ein paar Schiffe zur Verfügung zu stellen.

33 (Kap. 25, S. 445/428) • In einer heiklen Äktschn-Situation will der gebeutelte Theo aus einem beschädigten Gebäude raus. Ein rettender Türgriff blendet da schon mal wie eine Erscheinung gleich der Offenbarung

Saulus’ auf der Straße nach Damaskus.

34 (Kap. 25, S. 455/438) • Theo vergleicht seinen Ausblick auf zerstörte Häuser als

groteske Szene {…} wie Dantes Inferno.

35 & 36 (Kap. 27, S. 483/466 f.) • Theo vergleicht Siedler, von denen ihm sein Elfenbegleiter erzählt, mit den amerikanischen Pionieren. Und bald darauf kommentiert Theo dazu:

Wow. Das ist ja fast wie in einem von unseren Western.

37 (Kap. 27, S. 485/467) • Eine Gruppe wilder Goblins auf Pferden, die Theo auf dem Weg in die Metropole Neu-Erewhon bemerkt hat, sieht für ihn aus

wie Dschingis Khans Mongolen oder so. Wild. Verwegen.

38 (Kap. 28, S. 509/491) • In der Zeltstadt hoffnungssuchender Elfen kommt sich Theo vor wie

auf einem marokkanischen Markt.

39 (Kap. 28, S. 520/502) • Wieder mal sehr befremdet von der Feariewelt fühlt sich Theo wie

der erste Mensch auf dem Mars in einem altem Science-fiction-Buch.

40 (Kap. 28, S. 522/503) • Theo macht mit Goblins Musik, fühlt sich aber so fehl am Platze

wie ein Börsenmakler bei einem Jazzfestival.

41 (Kap. 28, S. 522 f/504) • Die Musik der Goblins ist für Theo schwer einzuordnen, klingt für ihn aber am ehesten wie

Qawwali, die gottestrunkene Sufimusik.

42 (Kap. 29, S. 540/520) • Für Theo trägt ein prophetischer Rebellengoblin

Franziskanertracht.

43 (Kap. 29, S. 544/524) • Wie ein

Beduinenscheich

wirkt der Rebellengoblinboss auf Theo.

44 (Kap. 32, S. 588/567) • Pläne gegen die Machenschaften der Bösen wurden geschmiedet, doch Theo bezweifelt sehr, daß er der Richtige ist für eine

Rettungsaktion {…} wie in ›Stirb Langsam‹

45 (Kap. 32, S. 593/571 f.) • Theo begegnet wieder dem Elfenmädel Poppy, die inmitten der Hilfesuchenden im Zeltlager wirkt wie

eine idealisierte Rüstungsarbeiterin von einem Propagandaplakat aus dem Zweiten Weltkrieg.

Im Original wird genauer auf ›Rosie die Riveter‹ verwiesen.

46 (Kap. 32, S. 593/572) • Die schicke Poppy (immerhin die Tochter des Oberböslings) vergleicht dann Theo so:

Genau wie die adretten Fräuleins, die zu Hitlers Partys gingen, aber die Augen davor verschlossen, was wirklich geschah.

47 (Kap. 32, S. 600/579) • In einem Restaurant fällt Licht so auf Poppys Gesicht, daß sie aussieht wie

ein Porträt von Vermeer.

48 (Kap. 32, S. 602/581) • Nazi-Bunnies auf Davon geht die Welt nicht unter-Festen scheinen Tads Phantasie ganz schön umzutreiben. Theo fühlt sich nämlich mit Poppy im Restaurant nicht so recht wohl, denn sie macht auf ihn den Eindruck wie eines der

hübschen, munteren HJ-Mädels {…}, die in Berlin rauschende Feste feierten, während die SS die Unerwünschten in die Lager abtransportierte.

49 (Kap. 32, S. 608/587) • Ein Viertel von Neu-Erewhon, das am Wasser gelegen ist, vergleicht Theo für sich mit dem New Orleans oder Neapel des 19. Jahrhunderts.

50 (Kap. 33, S. 624/603) • Wieder zum Goblinpropheten, der diesmal umschrieben wird als eine

Art Mahatma Ghandi der Elfenrevolution.

51 (Kap. 33, S. 630/609) • Der Name eines alten und mächtigen Wesens – der Beseitiger von Hindernissen (Remover of Obstacles) – klingt für Theo nach dem Titel eines alten Black Sabbath-Songs.

52 & 53 (Kap. 35, S. 660/640) • Das Innere des Lagerhauses des besagten Beseitigers wirkt für Theo als

hätte {jemand} in großer Hast eine altmodische Apotheke mit einer besonders abartigen Spielwarenhandlung zusammengekippt und dann den ganzen Plunder großzügig mit den Beständen der Bibliothek von Alexandria garniert.

Die Szenerie erscheint Theo

wie eine Bühnenkulisse oder eine Disneyland-Attraktion.

54 (Kap. 36, S. 662/641) • Die Wächter des Beseitigers (Alraunen) sehen für Theo aus, als wären

sie gerade von ihren angestammten Plätzen an der Steilküste der Osterinsel gekommen

55 (Kap. 35, S. 666/645) • Empört über den Egoismus des Oberbösewichts der Elfen bemüht Theo wieder einen Vergleich mit dem Dritten Reich:

Selbst Hitler hätte nicht getan, was Nieswurz tun will, nämlich eine ganze Welt zerstören, bloß um an der Macht zu bleiben.

56 (Kap. 36, S. 671/651) • Die herrschenden Blumen-Elfen und ihre vertrackte Bürokratie werden umschrieben als

so schlimm wie die britischen und selbst russischen Apparatschiks.

57 (Kap. 36, S. 677/657) • Ein mächtiger Elfen-Aristorat wird vom Beseitiger verglichen

‘mit dem Oberhaupt einer reichen, alten neu-englischen Familie – Bostoner Brahmanen nannten wir sie früher.’

58 (Kap. 36, S. 680/660) • Die Pläne für Kraftwerke der Bösewicht-Elfen und deren verächtlicher Verschleiß von niederen Elfen wird so beschrieben:

Diese Pläne sahen völlig autarke Kraftwerke vor, in denen Goblins und Kobolde eigens gezüchtet, verbraucht und dann im Prinzip weggeworfen worden wären.

Im Original heißt es wiederum Drittes Reich-bezogener:

then essentially thrown them away, like the Nazi camps.

59 (Kap. 37, S. 686/666) • Das Innere des Lagerhaus von dem Beseitiger kommt Theo vor wie

die Kulisse eines existentialistischen Theaterstücks.

60 (Kap. 37, S. 694/674) • Theos Gedanken über den Beseitiger von Hindernissen:

Vielleicht ist er einer wie der ‘große und schreckliche {Zauberer von} Oz’.

Vielleicht, vielleicht.

61 (Kap. 37, S. 696/676) • Der Beseitiger erzählt davon, daß er sich

verhüllt und maskiert {hat} wie das Phantom der Oper oder sonst ein melodramatischer Blödsinn.

62 (Kap. 37, S. 700/680) • Theo weiß nicht warum verschiedene Gesinnungsgruppen der Elfen-Welt hinter ihm her sind, und warum sie glauben, er sei im Besitz von irgendwas enorm Wichtigem.

Alle machen auf mich Jagd, aber ich habe nichts! Keinen Schlüssel, keinen Zauberstab, keinen Ring sie alle zu binden, nichts!

Und Tad Williams hat echt die Chuzpe zu behaupten, daß er bestrebt ist, sich über die Händchenhaltprosa eines Tolkiens hinauszuentwickeln. Buhrufe sind angebracht.

Tad Williams Abgrenzungsbemühungen zu Tolkien kann man z.B. in einem Interview mit Marcel Feige bei misterfantastik beobachten.

63 (Kap. 38, S. 705/685) • Seltsame Salamander sehen ein wenig aus

wie Cartoondämonen.

64 (Kap. 38, S. 709/689) • Auftrieb und Durcheinander auf den Straßen,

wie beim Mardi Gras.

65 & 66 (Kap. 39, S. 718/697) • Theo schaut dem Oberbösewicht tief in die Augen, und was geht ihm als Soundtrack durch den Kopf? ‘Sympathy For The Devil’ von den Rolling Stones. Die körperliche Nähe des Oberböslings fühlt sich für Theo an

als ob Dracula hinter ihm stünde.

67 (Kap. 40, S. 733/711) • Die Zugtiere von Kriegskutschen sehen für Theo aus

wie Außerirdische aus einem Hollywoodfilm.

68 (Kap. 40, S. 734/712) • Inmitten einer wilden Äktschn sehen die vielen Gesichter aufständischer Elfen für Theo aus

wie einem Gemälde von Bosch entsprungen.

69 (Kap. 40, S. 740/717) • Schrecklicher Monstergeruch, wie

das Alligatorbecken im Aquarium von San Francisco.

70 & 71 (Kap. 40, S. 748/726) • Die heiligen Bäume im Zentrum Elfiens sind

breit und massig wie Wolkenkratzer

die Wurzeln versinken in Hügeln, die so groß sind

wie ein ganzer Sportplatz.

72 (Kap. 40, S. 749/727) • Eine gebieterische Geste des Oberbösewicht ist so lässig, daß

jeder römische Kaiser {ihn} beneidet hätte.

73 (Kap. 41, S. 756/733) • Magische Spezial-Effekte wirken auf Theo

geradezu fraktal {…}, das Ergebnis eines Experiments in der Blasenkammer, liebevoll fotografiert und im Smithsonian Magazine abgedruckt.

Bei uns bekannter: Geo und National Geographic.

74 (Kap. 41, S. 756/734) • Theo ist überzeugt, daß er vom Oberbösewicht geopfert werden wird, wie die

Vulkanjungfrau eines bezarren religiösen Rituals.

75 (Kap. 41, S. 763/741) • Magische Blubbersubstanz wird einmal als ›Plasma‹ bezeichnet, für von Star Trek und Co. Konditionierte.

76 (Kap. 41, S. 765/742) • Theo begreift, daß ein magischer Singsang in etwa funktioniert

wie die Formel für eine Wasserstoffbombe.

77 (Kap. 42, S. 782/758) • Theo über Poppys neuen Look beim Wiedersehen nach dem Showdown:

{ein} seltsam japanisches Aussehen, {…das} Gesicht ein weißes Oval wie bei einer Geisha.

78 (Kap. 42, S. 786/762) • Die Bücher von Frank L. Baum haben Tad anscheinend gut gefallen, denn er läßt Theo über das Ende seiner überstandenen Abenteuer ausrufen:

Das ist ja wie der Schluß von ›Der Zauberer von Oz‹.

79 (Kap. 42, S. 793/769) • Neue Klamotten der Elfen für Theo, diesmal wie

die Ausgehuniform einer Karateschule.

80 (Kap. 43, S. 807/783) • Die Erstaunheitsäußerungen von Theo werden von seinem Onkel beschrieben als

Sätze {die} aus einem Flash-Gordon-Comic stammen {könnten}.

In einer dunklen Passage des Romans heißt es einmal, daß Theo sich fühlt, als ob er von einem Märchen mit Zähnen verschlungen wird. Da kann ich nur den Kopf schütteln, denn Zähne oder Biß hat »Der Blumenkrieg« nun kaum.

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Folgende Resteln hab ich in der Magira-Fassung nicht verwertet:

Hätte ich eine Aktionskarte für einen willkürlichen Eingriff in Phantastik-Verlagsprogramme, würden die Bas Lag-Romane von China Miéville als liebevoll gestaltete Hardcover bei Klett Cotta erscheinen und dem Tad Williams seine Prosa-Maische als hektisch-schiache Abzock-Pulp-Ausgabe bei Bastei.

Meine Vorsätze also: dies ist der letzte Tad Williams den ich lese … und ich sollte mich lieber umtun, und wieder GUTEN Genre-Trash aufstöbern. So, und die nächsten Tage bekomme ich nun hoffentlich meine Meinungen zu wirklich lesenswerten Büchern aus mir raus.

Wirklich gute flott lesbare moderne Realwelt/Fantasywelt-Überschneidungs-Romane (U-Bahn tauglich) kann ich bessere aufzählen:

  • Neal Gaimans »Neverwhere« (Niemalsland) und »American Gods«; leider sind die deutschen Übersetzung von Gaiman ziemlich mies.
  • Matt Ruffs »Fool on the Hill«; gut übersetzt.
  • Charles de Lindts »Memory and Dream«;
  • Clive Barkers »Thief of Always« und »Weaveworld« (Gyre);
  • Peter S. Beagles »Hey Rebeck!«;
  • * Martin Millars »Die Elfen von New York«
  • usw. usf. …

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    Und zuletzt:

    Für die Bibliotheka Phantastika schreibt der Rezensent Top Dollar:

    Gewalt in Romanen kann nur so lange unterhaltsam sein, wie sie sich eindeutig in einem fiktiven Rahmen abspielt und der Leser in seinem bequemen Sessel sicher sein kann, daß sie mit der Realität nicht das Geringste zu tun hat.

    Abgesehen, daß Top Dollar den Roman mit 4 von 5 Sternchen bewertet, obwohl er im Fazit meint:

    Starker Beginn, folgt dann aber zu vorhersehbar ›Schema F‹

    … ist die Aussage zu Gewalt in Fiktionen ein ungeheuerlicher Satz … mich gruselt es richtig. Zumindest meiner Meinung nach ist es genau umgekehrt: Gewalt in Fiktionen ist eben gerade eine Meßlatte dafür, wie sehr sich die Fiktion von der (bösen bösen) Realität entfernt hat. Wird Gewalt als akzeptables Mittel zum Zweck dargestellt, verdächtigt man zurecht das Werk als ein gewaltverherrlichendes. Doch eine Verharmlosung oder »Will ich nicht wissen«-Ausblendung von Gewalt ist nicht minder verwerflich.

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