Laßt uns doch über den Gröfaz lachen
(Eintrag No. 323; Geselschaft, Film, Dröttös Roich, Woanders) — Daniel Levy und Helge Schneider verhohnepiepeln Hitler und freilich wird sich schon im Vorfeld fett darüber echaufiert.
Ich finde es sehr traurig, wie arg verklemmt bei uns der spielerisch-ästhetische Umgang mit der Nazivergangenheit ist. Was ist so schwer daran, die Nazis, deren Leithammel und ›die armen von denen verführten Mitläufer und willigen Helfer‹ als depperte Gestörte vorzuführen (oder auch als knackig-unheimliche Monster)? Für mich ergibt sich häufig prickelnde Schönheit (die ja nicht immer eindeutig sein muß um interessant zu sein), wenn man die glorreiche und meiner Meinung heilsame Tradition aufgreift, die durch Chaplin, Lubitsch und Co begründet wurde.
Andrea hat das hiesige Hickhack zum Thema in »die allerhöchstwahrste wahrheit über adolf hitler« bereits fruchtbar kommentiert.
Ergänzend dazu noch ein Fund von mir. In »Sour Krauts, Not a Bit« verteidigt der Enländer Roger Boyes ›uns Deutsche‹ gegen den Vorwurf, daß wir so völlig humorfrei sind. Das ganze ist Teil eines Vorabberichts zum mittlerweile erscheinenen Buch »My Dear Krauts«, in dem der ehemalige Teutonenskeptiker Boyes schildert, wie er in seinen Jahren als Deutschland-Korrespondent der Times seine Vorurteile über z.B. die berüchtigte Humorfreiheit der Deutschen korrigierte. Hier ein Zitat aus dem seinem Artikel in der »Times2« zum Levy/Schneider-Film:
Desweiteren finde ich folgende Ansichten aus »Sour Krauts…« bemerkenswert:
- What the Germans seem to object to is a sudden switch from slapstick to sarcasm or irony.
- In Germany, humour is stockaded, kept apart from everyday life … they will fail to spot the inherent absurdities of their own office life.
- The Germans really do laugh, loudly and with only a slight delay, at British humour.
Und ich stimme dieser tragischen Analyse zu:
Im Dezember 06 hatte man auch im englischen SpOn über Boyes berichtet. Dort wird der Appell Boyes hervorgehoben, daß in Deutschland eine ›Entwicklungshilfe in Sachen Humor‹ von Nöthen ist. Knackig und erhellend:
- …the Germans like to be mocked and criticized. It's the masochistic element in their mentality.
- Besides, I don't think there's anything wrong with being fascinated with the Nazi period. It was a uniquely evil period and I don't think there's anything unhealthy about reflecting what the roots of evil are.
Letzteres sehe ich zwar durchaus heikler als Boyes, denn ich glaube durchaus, daß eine ›Faszination für das Böse‹ zur obsessiven Fixierung umkippen, und zu einer ungesunden ›Infektion des Bösen‹ führen kann. — Dennoch: es ist nun mal ein himmelweiter Unterschied, ob man den Nazis und Schickelgruber Apologien angedeihen läßt, oder man sich über diese Bagage und ihren Obermotz lustig macht. — So gar nicht verstehen kann ich die Argumentation, daß man die Opfer verhöhnt, wenn man die Täter verulkt. Ist mir schlicht zu hoch.
aesthet
So rein vom Prinzip her stimm' ich dir sehr zu (von wegen dass wir ruhig über den Hitler lachen dürfen (sollen) und so); wenn's dann aber um diesen Film im Speziellen geht, mnja. Einige gute Momente hat die Parodie zweifelsohne, aber der Grat zwischen Hihi-guck-ma-dieses-Würstchen und Schrecken-auf-der-Leinwand ist mir hier schon sehr dünn geraten. Anstatt den Größenwahnsinnigen dem totalen Spott preis zu geben, macht der Streifen mir teilweise einfach nur Angst...
Sicher, man geht eigentlich auch nicht in eine Hitler-Parodie, um einen "amüsanten, fröhlichen Abend" zu verbringen; ebensowenig funktioniert meiner Meinung aber dieses als Parodie ausgewiesene Werk, wenn es alle paar Einstellungen totale Bosheit und Unberechenbarkeit präsentiert...(im Endeffekt ist das nur eine unqualifizierte Ahnungslosen-Meinung, aber ich beschloss, sie trotzdem hierzulassen).
PS: Ich glaube übrigens, ein seltsames Phänomen beobachtet zu haben. Nach dem doch etwas ernsteren Auftakt von "Mein Führer" hörte man die anderen Kinobesucher meines Erachtens eher *angestrengt* lachen, als es so langsam komisch wurde; es fühlte sich fast so an, als dachte der Saal, er müsse die vermeintliche Parodie jetzt auch als solche behandeln und zeigen, dass er über den Gröfaz sehr wohl lachen kann. Mag aber auch nur Einbildung sein, von einem, der nicht gern "gnadelacht".
molosovsky Besitzerin
…den Helge als Gröfaz guck ich wahrscheinlich erst als DVD. Kino ist ja so ›teuer‹ (mit U-Bahn und allem) und da sortier ich dann doch sehr aus und guck eher die großen Kracher auf der großen Leinwand, und alles andere aus der DVD-iothek.
Ich hab »Mein Kampf« als Teen/Twen gelesen und mich gegruselt, aber eben auch gelacht. Dann hatte ich die Helmut Qualinger-Aufnahmen entdeckt und gleich nochmal heftig abgelacht. Qualtinger zeigt, daß nur durchs Vorlesen von Hitlers Krampf heftig Grusel-Humor aufkommt.
Ich bin ein Mensch, und so neige ich dazu, Dinge die mich ängstigen zu verhohnepiepeln. Zuletzt hab ich dazu aus einem ›Teratologie‹-Vortrag (= Mißformungs- und Monsterkunde) von China Miéville die Metapher, daß Hasen sich angesichts eines Fuches eben nicht denken: »Oh, ein Fuchs! Wie der wohl aussähe, wenn er Fledermausflügel hätte«. — Der Adi hat sich halt seine Fledermausflügel zusammengefaltet unter der Nase wachsen lassen.