Die Sau zeigt nicht genug Ehrfurcht vor den Göttern!
(Eintrag No. 454; Gesellschaft, Religion, Kritik, Großraumphantastik, Deutungshickhack, Infowar) — Auf der Frankfurter Buchmesse letztes Jahr habe ich bereits hochvergnügt darin geblättert und hätte es ja gerne fürmeine Sammlung respektloser Bilderbücher: »Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel«von Michael Schmidt-Salomon (Text) und Helge Nyncke (Illustration), erschienen im Alibri Verlag.
Aber — Himmel hilf! — das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend will das Werk verbieten lassen! Der Humanistische Pressedienst berichtete unter der Überschrift »Großer Ärger um kleines Ferkel«, und hat als PDF-Anhang den Indizierungsantrag der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zugänglich gemacht.
Hanebüchender als der Verbotsantrag der Bundesprüfstelle geht’s ja schon eigentlich nimmer, wie man sich überzeugen kann, wenn man Bilderbuch und Verbotsantrag nebeneinander hält. Immerhin kann man dieses Pa-Hö aber auch so deuten: Das kleine Ferkel macht seine Sache hervorragend. Denn das Bilderbuch soll ja zeigen, wie Religionen mit krassen Phantastereien die wildesten Dinge mythos-bastamäßig behaupten. Wem nutzen solche religiösen Irrationalismen wohl mehr: Den Schäfchen, oder den Hirten? Und wenn man auf die Mythen- und Phantasmenkerne der Religionen zu sprechen kommt, kann man eigentlich gar nicht anders, als diese der Lächerlichkeit preiszugeben. Sich selbst herabsetzten tun jene, die mit Hirngespinsten noch großgesellschaftlich Gestaltungsmacht an sich reissen wollen, nicht jene, die darauf aufmerksam machen.
Exemplarisch für die Einseitigkeit fundi-religiöser Denke und Selbstdarstellung ist ein Bericht zum Verbotsantrag beim »Pro Christliches Medienmagazin«. Da wird über die Macher des Ferkelbuches, bzw. den neuen Atheismus den sie vertreten geschrieben, sie seien ›sendungsbewusst‹ und führten ihren Kampf gegen den Glauben mit ›missionarischem Eifer‹. Naja, kein Wunder dass man als Anhänger von (noch) priviligierten Spiritualitätsverwaltern da schnell mal pikiert reagierend auf seinem Monopol hockt und anderen das Recht auf Mission nicht gönnt. Wie wär’s mal zwecks Glaubwürdigkeitsaufbesserung mit einem kritischen Artikel zu Konkordatslehrstühlen bei Euch, liebes »Pro Chistliches Medienmagazin«?
Habe ich also gleich mal das blaue Solidaritäts-Netzbildchen hier unter Verwendung von Motiven aus Nynckes Zeichnungen gebastelt, weil das erste Webbanner zur Verteidigung der Ferkel-Meinungsfreiheit zu breit für die Molochronik ist. Mittlerweile hat man bei Alibri beschlossen, mein Banner zu übernehmen. Danke für die Ehre!
ishiro
Gleich mal die Unterschriftenaktion dort unterschrieben, danke fürs Hinweisen.
"(Noch) privilegierte Spiritualitätsverwalter", das hat mir gefallen. Cheers.
molosovsky Besitzerin
ishiro, dass Dir mein Fingerzeig zum Ferkelbuch taugt.
Zudem habe ich heute einen ausfürhlicheren, differenzierteren Kommentar im entsprechenden Eintrag von Olivers Buch & Film-Blog platziert, den ich den Molochronik-Lesern nicht vorenthalten möchte:
Ebenfalls zum gottlosen Ferkelbuch: Ich geb zu, wenn man das Ferkelbuch nur als Kinderbuch sieht, überkommt auch mich ein leichtes Unbehagen. Ich stimme vollkommen zu, dass predigender Atheismus genauso doof ist wie entsprechend religiös oder sonstig ideologische ›Indoktrination‹. Zu Gunsten des Ferkelbuches muss ich aber verteidigend einräumen, dass das Buch zwar herzhaft spottet (und in seiner ›reim dich oder ick fress dir‹-Manier etwas arg albern ist), aber das Ferkelbuch verdammt seine Gener nicht mit Furor in Grund und Boden. Ferkel und Igel lassen am Ende ›den Herrgott einen lieben Mann sein‹. Selbst wenden sie sich zwar ab von der religiösen Phantastik, aber sie gestehen den Gläubigen ihr Recht auf ›Spinnerei‹, also ›glücklich werden nach eigener Facon‹ zu. — Weshalb ich dem Ferkelbuch zur Seit springe: man muß nur mal die Kinder- / Bilderbuchabteilung eines beliebigen Buchladens oder von Büchereien durchforsten, um zu erschrecken über die Massen an religiösen Werken. Da finde ich es nur recht und billig, wenn auch atheistisch (und mehr oder minder geschickt kindgerecht) ein spöttisches Gegengift angeboten wird. — Was die Illustrationen angeht bin ich rundum begeistert vom Ferkelbuch; zu den Reimen ist mein Urteil schon ›gemischter‹. Dennoch: allein die der Impuls, das Buch verbieten zu wollen gewährt einen erschreckenden Einblick auf die flottierenden Betrachtungsrahmen zur Problematik offene Gesellschaft und Deutungshoheits-Privilegien (immerhin finden sich im Entscheidergremium der Bundesprüfstelle wieder mal krichliche Vertreter!). — Also: bei aller berechtigten Kritik am teilweisen Ungeschick des Ferkelbuches scheint mir das Werk ein willkommener erster Schritt zu sein, wenn es um den Tabubruch geht, sekular albern über (institutionalisierten) Aberglauben herzuziehen. Deutschland sieht sich ja herne als aufgeklärtes Land, und als solches müssen wir das Ungemach gelassen aushalten, welches das Ferkelbuch für die inbrünstigen Religiösen darstellt. Dazu muss ich klären, dass ich eben als Erwachsener das Buch werte, und nicht als Vater (bin ja keiner) oder Kind (bin ich nur noch teilweise im Gemüt).