Thomas Plischke: »Die Zwerge von Amboss«, oder: Oh Schreck, Band eins von sieben!
Eintrag No. 548
Der Roman »Die Zwerge von Amboss« wird viel gelobt. Viele finden ihn deshalb doll, weil (angeblich) die üblichen rassischen Fantasy-Klischees ›konsequent‹ weiterentwickelt wurden. Mein Wohlwollen erntet das Entwicklerteam von »Die Zerrissenen Reiche« – Thomas Plischke und Ole Johan Christiansen – für ihre Ambition, Fantasy gegen den Strich zu bürsten und durchaus erkennbar (aktuelle) politische Probleme zu bespiegeln. Da ich vor Jahren selbst ein paar Fantasy-Pulpstories in der Amateurliga geschrieben habe, weiß ich wie schwer es ist, Fantasymaterial zu entwickeln das die Ketten der Fantasy-Hardcoretraditionalisten abschütteln will, beziehungsweise (allgemein nicht nur Fantasy betreffend) wie knifflig und anstrengend es ist, überhaupt zu wissen, was und worüber man schreiben will, welcher Art von Charakteren man Leben einhauchen möchte, welche Fragen, Probleme, Spannungen man auswählt, um daraus eine Handlung zu entwickeln. Auch wenn ich selber derzeit keinerlei Absichten hege, einen Fantasystoff zu schaffen, habe ich Respekt für alle Autoren, die den Fleiß und die Entschlusskraft inne haben, ihren Fantasyweltenbau durchzuziehen und ein Manuskript zu vollenden. Trotzdem lese ich dann die Früchte solcher Anstrengungen mit so etwas wie einen Blick durch die Konkurrenzbrille, da ich eben einige Jahre reichlich sowohl allein als in Gruppenarbeit an Fantasyweltenbauten gebosselt habe.
In »Die Zwerge von Amboss« steht die typische Bergbau- und Schmiederasse im Mittelpunkt der Handlung und an der Spitze des Wettstreits der Völker, weil der Zwergenbund über entscheidende Vorsprünge bei Rohstoffzugang und wissenschaftlichen Innovationen verfügt. Die meisten Zwerge haben sich der (atheistischen) Vernunft verschrieben und allem Aberglauben (z.B. die Geister der Ahnen betreffend) abgeschworen. Allerdings ist das ›Brudervolk‹ der Zwerge, die Halblinge, für alle entscheidenden ministerial-sekretärischen Aufgaben (einschließlich der inneren Sicherheit) zuständig. Begründet wird diese reichlich machtvolle Sonderstellung der Halblinge in diesem ersten Band nicht, und entsprechend schwachsinnig erscheint mir dieses Konzept, aber hey: das ist immerhin ›Fantasy‹, das lustige Genre, in dem man alles mögliche nach Rassen sortiert. Also: Zwerge machen den Staat, Halblinge den Strippenzieherstaat im Staate.
Viele Zwerge sind zwar mächtig, wohlhabend, leben in prächtigen Häusern und feiern aufwändige Jahresriten in den großen Städten (was in meiner Lesart ne matte Satire z.B. auf die DDR und andere sozialistische Systeme abgibt), aber das Volk wird immer unzufriedener. Zu den Hauptthesen des Romanes gehört, dass die wissenschaftlichen und produktionstechnischen Fortschritte in den Manufakturen zwar für mehr Wohlstand und Ertragssteigerung sorgten, aber auch dazu führten, dass weniger Arbeitskräfte gebraucht werden, weshalb viele Zwerge ohne Job und Einkommen, zumindest ohne wirkliche gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeiten zurückbleiben. Menschenflüchtlinge vom südlichen Kontinent der Zerrissenen Reiche, wo seit langem religiös motivierte Konflikte wüten, übernehmen die Rolle der unwillkommenen Einwanderer, Asylanten und Emigranten. — Leider setzt der Text des Romanes diese Ideen (für mich) vor allem mittels einer Anhäufung simpler Stammtischparolen, affiger Poserattitüden und (vor allem) schlechter Schreibe um.
In der Tat bin ich am heftigsten dadurch verstört, wie schlecht der Roman geschrieben ist. Oder haben sich gewisse Manierismen in einigen Rollenspiel- und Fantasy-Kreisen mittlerweile derart eingeschliffen, dass sie gar als Tugenden guten Erzählens gelten können? Da das Buch von vielen so gelobt wird, muss wohl zweiteres der Fall sein.
Dem für mein Empfinden rand- und bandlosen Metaphern-SalatMatsch widme ich mich noch ausführlicher in den Kommentaren zu diesem Haupteintrag, hier aber ein erstes Beispiel aus dem Prolog des Romanes, wenn wir den Zwergenherrscher Gorid Seher bei seiner Morgentoilette begleiten: Zahnschmerzen werden da beschrieben als ›dumpfer, pochender Schmerz, als habe sich eine Made in seine {Gorid Sehers} Wange eingenistet und fräße sich dort nun langsam dick und satt‹. Diese Prolog-Zahnschmerzen gemahnen zudem den Zwergenherrscher daran ›was er sich und seinen Volk bald an Opfern abverlangen würde‹.
Vielleicht rührt der gar so schlechte Eindruck, den dieser Roman bei mir macht, daher, dass ich zugleich einen großen Meister der gut geschriebenen (trashigen) Genre-Phantastik genieße: nämlich Kim Newman und sein »Die Vampire« (= Sammelband mit den drei Romanen »Anno Dracula«, »Der Rote Baron« und »Dracula Cha-Cha-Cha«). — Außerdem habe ich dieser Tage wieder mal ausführlicher in Michael Moorcocks ›Studie über epische Fantasy‹ – »Wizardry & Wild Romance« – geschmökert, und darin kommentiert Moorcock kritisch, wie die derivativen, glättenden und schematisierenden Praktiken der ›Spin off‹- und Rollenspiel-Kulturindustrie mit dem Ideenmaterial der ›Fantasy-Gründungsväter‹ (z.B. Tolkien, Howard, Leiber, Anderson) umgehen.
Wie gesagt folgt später noch entnervend viel mehr zu meinem Mißfallen aufgrund des sprachlich-stilistischen ›Sounds‹ von »Die Zwerge von Amboss«.
Jetzt erstmal Anmerkungen zum Inhalt.
Erste Hauptfigur ist der schon etwas ältere Ermittlerzwerg (›Sucher‹ genannt) Garep Schmied, der in der Stadt Amboss (Zentrum der Waffenindustrie) den Mord an einem Komponisten (und später anderen Opfern einer vermeindlich menschlichen Terroruntergrundtruppe) aufklären soll. Garep ist für mich ein wandelndes Abziehbild: ein grimmiger Ermittler, verbittert, weil seine Lebenspartnerin vor vielen Jahren starb und Garep mit der allseits aus anderen Fantasystoffen vertrauten Zwergendunkelsicht dem Erkalten ihrer Leiche zusehen musste (was ihn nebenbei bereits – schwuppdiwuppdi – zum großen Meister dieser Zweitsicht gemacht hat). Gareb betäubt seinen Welt-/Herzschmerz mit Drogen (Blauflechten), gilt aber trotzdem (wiederum ziemlich unbegründet) als einer der besten Sucher überhaupt (trotzdem hat er erstaunlicherweise noch nie etwas von durch von Menschen und Zwergen betriebenen Schmugglerringen gehört, welche die strengen zwergischen Ausfuhrverbote für Zwergenwaffen unterlaufen). Wenigstens läßt ihn sympathisch erscheinen, dass Garep anders als sein übereifriger Assistent Bugeg nicht viel auf das Hetzgerede der Massenmedien (›Rufer‹ genannt) über die ach so lästigen, faulen und parasitären Menschenflüchtlinge gibt. — Immerhin ein guter Ansatz der ersten Garep-Kapitel ist, dass hier Fantasy in Form eines städtischen Krimi geboten wird. Schade nur, dass weder die Stadt Amboss noch die Krimiathmo wirklich gut rüberkommt. Der Großteil der ersten Krimikapitel besteht aus ungelenken, überfrachteten Dialogen zwischen dem skeptisch-kaputten Garep, und seinem überambitionierten Assistenten Bugeg. — Garep gibt den an seinen eigenen Entscheidungen zweifelnden, tragischen Helden ab, komplett mit Junkie-Einlagen und gelegentlichen wehmütigen Momenten, wenn er seine selbstgewählte Einsamkeit in Frage stellt und sich nach Liebe sehnt.
Zweite Hauptfigur ist ein Mensch namens Siris, der in Gebirgsausläufern auf dem südlich des Zwergenbundes gelegenden Kontinents der Zerrissenen Reiche ein Leben als Monsterjäger führt. Hier sollen offensichtlich die nach Fantasy-Äktschn dürstenden Lesererwartungen gestillt werden. Dafür scheint ein einsam umherziehender, eine (in diesem Fall statt eines magischen Schwertes) zwergische Bratzschusswaffe tragender (Leone-Western-cooler) Ledermanteltyp perfekt geeignet. Die ersten Kapitel mit Siras, wenn er auf der Jagd auf ein Greifen-Pärchen ist, sind aber für meinen Geschmack einfach nur auffällig undurchdacht. Da schreibt dieser Siras zum Beispiel ein Jagdtagebuch, in welchem er (angeblich) nützliche Infos für spätere Aufträge bewahren will (über verschiedenes Monster-Großwild, dessen Verhalten und wie man es am besten erlegt). Aber was bekommen wir als Auszüge zu lesen? Oberflächliche Vermutungen und sehr skizzenhafte Notizen zu den Monstern, dafür aber massig persönliche Befindlichkeiten, schwurbelig formulierte Erinnerungen zu Siris Kindheit, viel vages Emo-Zeug. Später, auf Seite 226 wird mal erwähnt, dass Siris seit gut 10 Jahren dieses Tagebuch führt. Selbst wenn das Buch A-4 bis A-3 groß wäre und 500 Seiten hätte, könnte der Siris seine wortreichen Aufzeichnungen gar nicht sooo klein schreiben, dass bei seiner Logorhoe EIN Tagebuch reichte. — Dann, beim Kampf Mann gegen Greif gerät einiges vollends aus den Fugen. Da finden sich in einer Bergsiedlung einer von Unbekannten hingemetzelten Frömmlergemeinschaft ›eiserne Pflanzenstangen‹ (Rohstoffknappheit an Eisen kennen die wenigsten Klischeefantasywelten und so scheint selbst eine kleine Siedlung über derart viel Eisen zu verfügen, dass man Pflanzenstangen daraus macht) und ordentliche Vorgartenbeete. Das von Siras mit zwei Schüssen verwundete und flugunfähig gemachte Monster attakiert zuerst seinen Bedränger, nur um dann plötzlich und reichlich grundlos wieder von ihm abzulassen.
Zweimal mit einer Zwergenwumme auf einen Greifen ballern und ihm eins mit nem Spaten übern Schnabel dreschen gilt hier wohl nicht als reizen. — Im weiteren Verlauf des Romanes dient Siris vor allem als starker Muskel, wenn es gilt, Hindernisse zu überwinden indem jemanden aufs Maul gehauen wird, oder wenn hungrige Unterwegsmonster stressen. Zudem ist er der allen Aberglauben und Glaubensschmu abgeneigeste Charakter, ganz kampf- und überlebenserprobter Pragmatiker, und darf (ein paar Mal durchaus gelungen!) zur Erheiterung in ungeschicktem Zwergisch radebrechen.
Die dritte wichtige Hauptfigur der ersten Häfte ist der junge Zwerg Himek, ein so genannter ›Leiböffner‹ (ab und zu auch Heiler genannt, also ein in chirugischen Praktiken geübter Arzt), der zum Helfer des Zwergenwissenschaftlers Kolbner befördert wird. In einer geheimen Forschungseinrichtung assistiert Himek Kolbner bei dessen Experimenten zur Schaffung von superheldenmäßig aufgemotzen Halblingen (so ähnlich wie die militärischen Superkriegerlabore von William Stryker in der »X-Men«-Welt). Als Charakter fungiert Himek als Gegenpol zum vorurteilsverblendeten Bugeg. Himek hält die Ideale der zwergischen Aufklärungsvernunft hoch, will seinem ärztlichen Berurfsethos treu bleiben (sprich: seinen Patienten helfen statt sie für Experimente zu missbrauchen), und gerät dadurch immer mehr in Konflikt mit seinem Vorgesetzten Kolbner . — Kurz: Himek ist die positivste Identifikationsfigur, steht für normale (›menschliche‹) Durchschnittlichkeit vor allem dann, wenn er ab der zweiten Hälfte als Gefährte mit Siris unterwegs ist.
Ich kann mir vorstellen, dass aus »Die Zwerge von Amboss« ein durchaus lesenswertes Vergnügen hätten werden können, wenn es irgend jemanden gelungen wäre, die Autoren und den Verlag davon zu überzeugen, das Manuskript stilistisch zu polieren und vor allem zu straffen. Dann lägen mir statt 500 verlaberten Seiten voller ungeschickter Sprachwindungen und unplausibler Handlungswendungen nun ca. 320 Seiten mit knackig-süffiger epischer Fantasy vor.
{EDIT-ERGÄNZUNG: Beim Eingangs erwähnten Wortwechsel zwischen »Zerrissene Reiche«-Mitentwickler Ole Johan Christiansen und mir im Forum von »Bibliotheka Phantastika« kam es zu für mich überraschenden Einblicken, was die Intention und die Vermarktung des Buches angeht. — Ole wandte gegen meine Kritik des Metaphernmatsches ein, ich hätte ›den literarischen Stil‹ nicht erkannt, an den sich der Roman anlehnt, und er ist so freundlich, auf meine Frage nach der Natur dieses Stils zu antworten (von mir der Lesbarkeit wegen leicht formatiert hier wiedergegeben):
Ich hab das dann zusammengedampft auf ›»Die Zwerge von Amboss« als »South Park«-derbe Fantasy-Parodie, geschmückt mit den antiquieten Sprach- und Metapherngirlanden des 19. Jhds?!?!‹
Das rückt den Roman freilich in ein ganz anderes Licht, und tatsächlich würde ich ihn anders beurteilen, wenn er mir (vom Verlag und besprechenden Fantasykreisen) entsprechend angepriesen worden wäre. Da nutzt auch Oles Erinnerung an die Weisheit ›Trust the tale, not the teller‹ nix. Aufmachung, Ankündigungen und Empfehlungen weisen den Eröffnungsband der »Die Zerrissenen Reiche«-Reihe aus als episches Fantasy-Abenteuer mit Krimi- und Politverschwörungselementen. — Derart irregeleitet, führte ich die (mich am stärksten mit Missfallen erfüllende) erzählerisch unökonomische Metaphernschwemme zurück auf (a) entweder Ungeschicklichkeit, oder (b) Unbekümmertheit der Autoren, oder (c) den Zuschnitt auf Lesererwartungen einer Fantasy-Zielgruppe, für welche die von mir bemäkelten Formeln und Klischees keineswegs Indizien für ›schlechten Geschmack‹ sind, sondern lesevergnügliche Qualitätsmerkmale. — Da in den positiven Rezis nirgendwo unterstrichen wird, dass »Die Zwerge von Amboss« vor allem als derb-satirisches Werk zu verstehen sind, sondern der Tenor dieser wohlwollenden Rezis eben meint, es würden Klischees fruchtbar ins Originelle und Spannende gewendet, zudem sogar angereichert mit kritischer politisch-gesellschaftlicher Relevanz, muss ich Vermutung (c) den Vorzug geben.}
Immerhin kann ich das Titelbild von Henrik Bolle loben. Richtig guter »Warhammer«-artiger Genre-Zwerg.
Hier geht es zum zweiten und dritten Teil meines Leseprotokolls mit den Beispielen für gewunden-lachhaften Metaphernbrei: »Sprachdurchfall & andere Grausamkeiten« / »Der Rest vom 500-Seiten Groschenheft«.
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HPLCthulhu
Nicht vergessen, Ole und Thomas kommen aus der Rollenspielecke und nicht jeder Rollenspielautor ist ein begabter Schreiberling. Manchmal frage ich mich auch wie es die Leute schaffen bei einem größeren Verlag veröffentlich zu werden und hab dann Verständnis für Frank Festa, wenn er sagt, in Deutschland gibt es keine / kaum veröffentlichungswürdige (Horror)autoren.
Hab aber die Zwerge von Amboss nicht gelesen und werde es mir nicht antun. Seit dem Lied von Eis und Feuer hab ich was gegen Mehrteiler die alle Jubeljahre erscheinen.
molosovsky Besitzerin
Hi HPLCthulhu!
Dass Plischke und Christiansen aus der RPGEcke kommen, ist mir bekannt. Da ich selber einige Jahre Rolle gespielt und verschiedene RPG-Leute getroffen habe, kenne ich ja von entsprechenden RPG-Gemütern die RPG-Prosamanierirsmen, welche sich in »Die Zwerge von Amboss« bis zum Gottserbarm gehäuft finden und mich bald in den Wahnsinn treiben. (Ich bin jetzt auf Seite 342 von 492). — Wenn Sprache durchgeht und zum manieristischen Gäg wird, mit dem sich nicht Gedanken sondern Schablonen maskieren, kennt man ja auch aus der Mittelalter-Szene.
»Die Zwerge von Amboss« sind darüberhinaus gesprickt mit schwachen Phrasen, die ich nicht anders lesen kann, denn als Merkmal eines gedankenlosen Schreibens. — Beispiele gefällig?
Da wird ›ein wenig bedauert‹, oder ›ein bisschen Befangenheit ausgelöst‹, oder etwas ist ›bisschen unangenehm‹, oder Figuren glauben etwas zu spüren, oder Dinge scheinen so und so zu sein.
Die Haut einer Patientin ist so ›blass wie die Blüte einer Gipfelrose‹, und (mein Favorit) gleich als Eröffnung von Kapitel 11 heißt es über eine Schiffsfahrt:
Da sind Haare ›raspelkurz geschoren‹, und wenn ein mächtiger fetter Waffenschmuggler redet, heißt es ›blubberte der Koloss amüsiet‹.
Bei einem Anschlag auf ein Teehaus finden sich folgende exemplarische Metaphernsalatzeilen (Seite 203):
Fromme Verse die eine Gläubige aufschreibt, werden als ›Hervorbringungen ihres Geistes‹ bezeichnet.
Unheimliches Schädelbrummen bei einem Experiment wird als ›Summen wie von Abertausenden zorniger Bienen‹ beschrieben. Kurz darauf heißt es beim Platzen von Blutgefäßen der Augen eines menschlichen Versuchkaninchens:
Da pocht mal ein Herz ›dumpf wie eine Kesselpauke‹, kurz darauf (auf S. 259) heißt es …
Rauchschwaden wabern in einem scheinbar ewigen Tanz umeinander.
Bei einer Flussfahrt durch eine Schlucht kommt es Siris ›beinahe so vor, als glitte er von unsichtbaren Händen getragen über eine breite Prachtstraße …‹.
Da erwacht eine Halblingin aus einem traumsatten Schlaf und ihr …
Fromme Sprüche nerven, egal ob sie von Menschen, Zwergen oder Halblinginnen stammen. Da knüppeln dann Plattheiten wie folgende auf den Leser ein:
molosovsky Besitzerin
So. Jetzt bin ich durch mit »Die Zwerge von Amboss«. Mein Erstaunen ist immer noch heftig.
Wie kann es sein, dass es dieses Buch geschafft hat, von einem großen Verlag wie Piper verlegt zu werden?
Warum melden sich so viele zufriedene Leser bei amazon, in foren und Lesezirkeln zu Wort?
Und wie kann es sein, dass sich auf den Websites der FantasyGenre-Kreise so viel Lob und Nachsicht zu diesem Buch lesen läßt?
Kurz: Anders als gepriesen wird, ist »Die Zwerge von Amboss« mitnichten der bemerkenswerte originelle Riesenschritt an Innovation auf dem heimischen Fantasybuchmarkt. Um die Qualitäten in absteigender Reihenfolge zu nennen: das Titelbild von Henrik Bolle; die Karte; der Schriftsatz, die Bindung und die Papierqualität; tja, und der Rest ist dann ein unbekömmlicher Sprachbrei mit dem eine haarsträubend hemdsärmelig zusammengezimmerte Handlung gewuppt wird.
Doch welches Fazit ziehen die Fantasy-Kreise?
Nun aber zu den restlichen 11 Kapiteln (Seite 342 bis Ende).
Da wird über den Zwerg Bugeg, der zum sonderbevollmächtigten Ermittler (= Jäger) ernannt wurde gesagt (S. 344):
Viele Kutschen sind ein Tross. Und ich dachte, ein Tross ist dieser Haufen Zivilisten, die einem Heer folgen.
Die Freundin des übereifrigen, von Vorurteilen verblendeten
AnakinBugeg wünscht sich, ›sie hätte Bugeg noch etwas mehr Wärme auf seinem weiteren Weg mitgeben können‹. — Subtile Charakterarbeit, fürwahr.Ein Flammenwerfer klingt wie ein ›jäh einsetztes Fauchen wie von einer gewaltigen Felsenkatze‹; kurz drauf wird das versprühte Brand als ›lodernder Rotz‹ beschrieben.
Ein Zwerg trägt einen Gedankenschütz-Helm (S. 362) und mit dem …
Zwerg Garep und Menschenfrau Arisascha auf der Flucht mit der Eisenbahn (S. 373):
Ein Verhandlungsgespräch zweier Helden mit lokalen Gängstern (= Freibündler) ist ein Höhepunkt an RPG-Klischeeschwachsinn. Wenn der geflohene und nun gegen seine alten Herren vorgehende Widerständler Himek mit dem menschliche Monsterjäger Siris zusammen ist, (S. 389) …
Himek ›kneift seinen Hintern zusammen‹ als er sich mit Siris an den Tisch des Freibündlerchefs Bibet Darmwäscher setzt. Als sich die Verhandlung etwas entspannt, zeigt sich auch Himeks ›Schließmuskel eigenartig ruhig‹. — Wirklich innovative Prosa vom Feinsten. Das ist so in etwa das Niveau, weshalb ich keinen Fernseher mehr habe. Alleine schon beim Zappen sowas kurz zu streifen ist einfach zu peinvoll.
Die Stimme des Freibündlerchefs klingt, ›als würden irgendwo in den Tiefen seines Bauches zwei Felsbrocken andeinandergerieben.‹ — »Herr der Ringe«-Making of geguckt, wa? Oder wie haben die Soundeffektjungs von WETA das Balrog-Gebrüll nochmal hergestellt?
Weiter mit den Großkatzenmetaphern. Wenn bratziger Monsterjäger und bratziger Gängsterchef zusammenkommen, dann kann man was erleben:
Die Verhandlung mit Darmwäscher beendet Siris dann auf Hauruck-Weise mit etwas Sprengpulver, welches er anzuzünden droht. Zwerg Himek fällt fast in Ohnmacht vor Angst und Aufregung (S. 399):
Und freilich flößt soviel Tollkühnheit dem Gängsterchef Respekt ein, was eine schöne Kostprobe der liebevollen Redewendungskunst von Plischkes Weltenbau liefert:
Weiter mit Uluha, der Halblingin mit den geistigen Superkräften, bei einem weiterem Experiment in einem geheimen Forschungslabor der Verschwörerzwerge (S. 403):
Später wird Ulaha aus Sicherheitsgründen mit einer Hannibal Lecter-Sackkarre transportiert. Das Wort Sackkarre aber ist zu speziell, zu komplex. Das muss umständlich geschildert, den Lesern die von der ganz seichten Fantasy kommen erst nahegebracht werden und so beschreibt Plischke das ›merkwürdige Gefährt‹ als ›Karren, mit dem in Lagerhäusern schwere Säcke oder Fässer transportiert werden.‹ — Die Stäbe einer zwergischen Funkenbogenmaschine, die etwas mit Elekträzität (heller Energie) zu tun hat, werden aus Ulahas Sicht beschrieben (S. 418):
Kostprobe eines dollen Anspielungs-Gägs gefällig? Zwergenzigeuner heißen ›Rollende Steine‹ (S. 436).
Bugeg verliehrt die Nerven, als er kapiert, dass er in seiner Funktion als Sonderermittler von den Zwergenverschwörern benutzt wurde. Also: ›Er lachte irr‹ und aufgebracht ›röhrte er‹.
Im Handlungsstrang mit Himek und Siris kommt ein Zwerg aus einem Kanalabstieg (S. 454):
In den Kanälen lauern freilich Ungeheuer und nach Geballer im Dunkeln wird die Erleichterung von Zwerg Himek so geschildert (S. 463):
Insektoide Empfindungsbeschreibungen gibts auch: ›Von seinem Ellenbogen aus tanzten ihzm giftspritzende Ameisen unter der Haut den Arm hinunter‹, oder ›Tausend Ameisen kribbelten durch ihr Bein und in ihren Unterleib hinein.‹
Eine Schußwunde wird dramatisch umschrieben: ›Zwischen den Blüten auf seinem Hemd erblühte eine große Rose.‹
Das Opfer eines tödlichen Lähmungsgiftes wird so beschrieben: ›{…} kippte um wie eine bizarre Statue, die der Phantasie eines grausamen und wahnsinnigen Künstlers entsprungen war.‹
Zuletzt eine kleine Auswahl behämmerter Redewendungen:
HPLCthulhu
Augenscheinlich wird kein Wert mehr darauf gelegt, Qualität zu lesen. So wird jeder Roman aus deutschen Landen und von deutschen Autoren hochgejubelt bis zum Gehtnichtmehr.
Rezis auf Amazon sind eh kein Maßstab, überhaupt traue ich auch den ganzen Portalen nicht über den Weg, die mehrheitlich mit Rollenspielern besetzt sind.
Einziger Maßstab sind neben meiner Nase dann doch die Rezis und Blogs, von Leuten die ich a) kenne oder b) einen ähnlichen Geschmack wie ich haben. Im Ambossfall glaub ich dir blind (und den ganzen Auszügen), weil ich schon alle wegen der Länge kein Interesse an dem Siebenteiler hab.
ribisello
Zum Ersten: Ich saß anläßlich einer Führung durch ein Bergwerk in einem Grubenhund. Es hätte mich sehr befremdet, ihn etwas wittern zu merken, nachdem er so ein kleiner Wagen war, der auf Schienen lief. Vielleicht ändert sich das aber an der frischen Luft.
Zum Zweiten: "Ungeschlachtet" sieht hoffentlich jeder aus, der - außer in Zombiefilmen - herumläuft. Unvorteilhafte Kopfbedeckungen machen ihn höchstens "ungeschlacht", wenn der Ausdruck schon sein muß.
Zum Dritten: Den Rest zu lesen reizt mich auch nicht.
lomax
zu HPLC – Es ist schön zu sehen, dass der biographische Ansatz in der Literaturbetrachtung immer noch lebendig ist ;-)
zu bildhaften Redewendungen im Allgemeinen - dazu wollte ich auch schon immer mal was schreiben ... zu viel, zu allgemein und zu abschweifend für einen Kommentar, fürchte ich. Ich mache also beizeiten noch einen Eintrag zu dem Thema in meinem eigenen Blog auf.
Dort kann ich das dann auch etwas metaphernreicher aufziehen. Genau genommen wird meine Darstellung zur bildhaften Sprache in der Literatur von Metaphern durchwolkt sein, wie das tintige Meer vom Sturmwind getragen in der Seeluft zerspellt. Oder so. Ich weiß ja, was ich als Fantasy-Autor meinen Lesern schuldig bin ;-)
Danke jedenfalls, dass du das Thema noch mal angesprochen hast, Molo!
molosovsky Besitzerin
Hi Lomax.
Geb nur Obacht, denn ich habe mitbekommen, dass Du mit »Die Gefährten des Zwielichts« angehoben hast, eine Trio vorzulegen. In der Tat bin ich schon um das Buch herumgeschlichen, habe mich aber dann für die Ambosszwerge entschieden, weil die (a) biller sind und (b) ein handlicheres Format fürs Unterwegslesen haben. Kann aber sein, dass ich mich noch hinreissen lasse und den Zwielichtgefährten ne Chance gebe.
molosovsky Besitzerin
Nochmal drüber’gschaut und um einige (Halb)Sätze ergänzt, alles zusammen in einen Eintrag gestellt ins Literaturwelt.de-Blog. Vor allem das Ende ist neu, und ich möchte es Euch hier nicht vorenthalten.
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Diese Materialschlacht mag nervig sein, aber ich habe den Verdacht, sie ist nötig und vielleicht auch hilfreich, denn ich wage zu meinen, dass es zwischen Anspruch des Buches, seiner Platzierung im Fantasymarktsegment durch den Verlag und der Aufnahme durch das wohlwollende Lesepublikum zu einigen Missverständnissen und Ungeschicklichkeiten gekommen ist. Mag sein, dass ich das Buch als derbe und gespreitzte Satire freundlicher aufgenommen hätte. Aber ich habe es wohl nicht mit einer groß anderen Erwartung gelesen, als seine freundlich gesinnten Leser: ich dachte, große Fantasyepik geboten zu bekommen, bei der die allzu vertrauten Routinen des Genres entstaubt und revitalisiert werden. Aber selbst als spaßige Mischung aus Abenteuer und Ulk funktioniert »Die Zwerge von Amboss« für mich nicht. —— Die Verwirrung nach dem erhellenden Austausch mit Ole Johan Christiansen im »Bibliotheka Phantastika«-Forum aber läßt mich zweifeln, ob meine (über?)kritische Lesart dem Roman gerecht wird. Wahrscheinlich wird sie das nicht. Bei Gelegenheit werde ich also entgegen meiner ersten Reaktion nach Beendigen des ersten Bandes der Reihe über »Die Zerrissenen Reiche« auch dem zweiten Band »Die Ordensritter von Goldberg« eine Chance geben. Immerhin werde ich dann besser wissen, worauf ich mich einlasse, und daher vielleicht mit mehr belohnt werden, als einem masochistisch-galligem Korinthenkackerleseerlebnis.
molosovsky Besitzerin
Gerade erst emtdeckt: Alexander Lohmann greift in seinem Blog Lohmannsland auf meine »Zwerge von Amboss«-Lektüre auf: »Bild oder Leben – Sprachliche Notwehr in der Fantasy«. Im Augenblick kann ich nicht mit der Ausführlichkeit, die Alex Eintrag verdient hätte, reagieren.
Nur folgende kurze Notizen:
Ich bin keineswegs ein Verfechter einer reinen, sparsamen, bilderarmen Sprache. Gern Metaphern. Nur eben keine beknackten Metaphern, bitte.
Alex nennt einige Beengungen, die Fantasy (oder sollte ich ›Fäntäsy‹ schreiben) zu berücksichtigen hat. Da Alex zuweilen ein lausbübischer Denker & Schreiber ist, wage ich nicht, mit der berechtigten Empörungn zu erwidern. Mir deucht, der Schelm meint die genannten Beengungen nicht ganz ernst.
TrotzdemGerade drumm: Ein lesenswertes lautes Denken über so manche ›liebgewonnene‹ (sprich: ›gerngehasste‹) Eigenart der modernen Fantasy. Lesen!lomax
"Ich bin keineswegs ein Verfechter einer reinen, sparsamen, bilderarmen Sprache. Gern Metaphern. Nur eben keine beknackten Metaphern, bitte."
Darum hab ich's ja offen gelassen, ob deine Kritik zu den "Zwergen" jetzt angemessen war oder nicht. Die Beispiele klangen durchaus so, als könne man daran zweifeln - aber ich kenne das Buch nicht und bin erst mal vorsichtig, was aus dem Kontext gelöste Zitate angeht.
Die Diskussion hier nahm dann allerdings einen weniger differenzierten Verlauf mit recht typischen Zügen ... Und genau diese typischen allgemeinen Vorbehalte gegen bildhafte Sprache waren dann das Thema meines Beitrags.
"Alex nennt einige Beengungen, die Fantasy zu berücksichtigen hat. Da Alex zuweilen ein lausbübischer Denker & Schreiber ist, wage ich nicht, mit der berechtigten Empörungn zu erwidern."
Empöre dich ruhig ;-) Es ist natürlich eine Zuspitzung, aber mit sehr realem Hintergrund: All die von mir aufgezählten Beschränkungen habe ich in der Praxis erlebt, und zwar im professionellen Literaturbetrieb, beispielsweise als geäußerte Meinung oder praktizierte Richtlinie einzelner Bearbeiter.
Überspitzt ist die Aufzählung natürlich in der Hinsicht, dass man kaum je all diese Erwartungen an die Fantasy bei einer einzigen Person finden wird, und dass in der Praxis wohl auch nie ein Lektor das so radikal durchsetzt. Also, da gibt es womöglich den Lektor, der in seinen Vorbehalten gegen lateinische oder griechischstämmige Begriffe so weit geht, dass er auch Wörter dieser Herkunft für unpassend hält, die schon seit Jahrhunderten eingedeutscht sind. Aber es ist unwahrscheinlich, dass ein und derselbe Lektor dann auch Vorbehalte gegen Worte hat, die nicht jeder Leser unter 20 versteht; und er wird diese Linie auch nicht bis zur letzten Konsequenz gehen und Begriffe wie "Mauer" oder "Palast" anstreichen ;-)
Was aber korrekt ist: Wenn ich alles sammle, was ich schon irgendwo als "unpassend für Fantasy" gehört habe, dann kommt so eine Liste zusammen - an die man sich halten müsste, wenn man es von vornherein /jedem/ rechtmachen wollte. Und wenn man nicht nur mit einem Lektor seinen Text optimiert, sondern beispielsweise in einer Schreibwerkstatt mit mehreren über seinen Text abstimmen lässt, wird man vermutlich auch so ziemlich alle genannten Einwände hören.
Die von mir genannten Einschränkungen waren also sicher nicht ernst gemeint als Bedingungen, die jedes einzelne Fantasywerk erfüllen muss. Aber sie sind doch eine sehr reale Sammlung an Anforderungen an "Fantasy-Sprache", die ich im Laufe der Jahre von verschiedensten Seiten gehört habe ... und bildhafte Sprache ist tatsächlich eine verbleibende Variation, die kaum ein Leser, Kritiker oder Lektor als "fantasykritisch" auf dem Radar hat.
molosovsky Besitzerin
Nun ist das Maß voll. Thomas Plischke bloggt und seitdem ich sein Blog lese und darin immer öfter mal glänzende Einträge, denen ich gerne (vor allem bei politischen und gesellschaftlichen Dingen) zustimme, oder deren Meinungsfreudigkeit mich entzückt, inspiriert oder einfach nur fein amüsiert, wächst ein schlechtes Gewissen in mir heran, weil ich »Die Zwerge von Amboss« gar so ausführlich abgewatscht habe.
Hier ein Beispiel für einen Beitrag, der mir einfach gut tat, weil Thomas darin viele momentane Weltmißlichkeiten ankotzt, die auch mir Übelkeit bereiten: »Die Agenda Plischke«.
Und hier ein kluger ›Verteidigungs-Text‹ von Thomas zu »Die Zerrissenen Reiche«, dessen Stoßrichtung ich zustimme, auch wenn ich den ersten Band wiegesagt für misslungen erachte: »Darf Fantasy politisch sein?«
(Einziger kritischer Anmerk: Um Thomas’ »Im Blogschke« wirklich lesen und genießen zu können, sollte/muss man die Schrift im Browser größer machen.)