molochronik
Sonntag, 26. Januar 2003

Babel denotiert in Fabrikhalle

Eintrag No. 24 — Mit Lava in den Adern scheint Helmut Krausser seine Gedichte zu schreiben. Manche mögen die Spannweite seiner Sprache und Bilder als unansehlichen Spagat deuten. Tatsächlich aber hat Helmut Krausser in seinen großen Romanen, Kurzgeschichten und Tagebüchern sich um die Wiederaufnahme einer vernachlässigten Tradition gekümmert: die bewußt strotzende Sprache sowohl Himmelhochjauchzend als auch Hosenruntersehenwollend einzusetzten. Angenehm sein Oszillieren zwischen den Niederungen der Parasitenwelt und der Hingabe für antiken Traditionen.

»Denotation Babel«. 1998 geschrieben ließt es sich seit dem 09. Sept. wie eine Prophetie aus jüngerer Zeit:

»Was wirklich groß ist, geht nur unter, um stärker, unaussprechlicher zurückzukehren [...] als Montsalvat, Neuschwanstein, als Eifelturm, Big Ben, die Skyline von New York...«

Als Wahl-Ff/M-ler hab ich mich wie Schnitzel auf die dramatische Umsetzung dieses Textes gefreut. Bin ja nur selten im Theater, aber wenn das Neuste von Helmut Krausser aufgeführt wird, komm ich gerne bei.

Also ins Schauspielhaus, genauer einer kleinen Außenstelle von denen im Gallus. »Denotaion Babel«, eigentlich ein zehnteiliges Gedicht (hier drinn), ist Helmuts kompaktester Text … das meine ich nur so vor mich hin, diese Einschätzung findet sich so in Helmuts Tagebüchern.

Was tut sich? Drei männliche Stimmen, Veteranen im Archetypencafe, resümieren die wechselreiche Geschichte des Turmes, der sich in den Veränderungen selbst wandelnd in Wahrheit niemals eingestürtzt ist.

Das Trio HCD (Mitglieder des Ensemble Modern) hat für den HR eine Hörspiel- (oder Soundscape?)-Fassung erarbeitet. Besonders schön das Gläsersingenlassen, daß abwechselnde Holzhämmerchenklacken, das Lied vom Fest.

Baff war ich, daß Felix von Mannteufel mit von der Partie war, kenne ich ihn doch schon lange Zeit als eine wichtige Stimme in der Hörspielfassung von »Per Anhalter duch die Galaxis«. So sieht man alte Bekannte zum ersten mal.

Sehr empfehlenswert für alle Freunde poetisch-mythischer Sprach-, Musik- und Klang-Collagen ist die CD (noch amazon.de, aber hier zu finden).

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