Wenn es einen Text gibt, den ich quasi als Gebet respektiere, dann diese Zeilen von Carl Sagan, dessen bahnbrechende Dokumentations-Reihe »Unser Kosmos« mich als Kind/Jugendlicher bei seiner deutschen Erstaustrahlung (trotz der Verstümmelung durch das ZDF) 1983 ungemein geprägt hat.
Letztes Jahr hab ich — ausgerechnet bei einem Plausch über »Star Treck: Discovery« und »The Orville« — eine erste, schnelle Übersetzung von »Pale Blue Dot« auf Twitter gepostet. Mittlerweile habe ich weitere deutsche Fassungen gefunden: die der deutschen Buchausgabe von »Blauer Punkt im All«, und eine sehr gute auf der Website von Andreas Kalt. Im Affekt habe ich mich grad auf der Wiki-Site zu »Pale Blue Dot« anonym über die dort derzeit eingepflegte Übersetzung uffgeregt (keine Quellenangabe, peinliche Bezugsfehler).
Der Text IST eine knifflige Übersetzungsaufgabe, denn er ist reich an Begriffen, die punktgenau (ha ha!) übertragen werden wollen; er sollte eingängig, leicht verständlich sein und eine berührende, ja lyrische Qualität inne haben.
Hier meine überarbeite eigene Fassung.
Aus so großer Ferne betrachtet, mag die Erde den Eindruck erwecken, nichts besonders zu sein. Aber für uns ist das nicht so. Schau dir diesen Punkt nochmal an. Das ist hier. Das ist unsere Heimat. Das sind wir. Alle die du liebst, alle die du kennst, alle von denen du je gehört hast, alle menschlichen Wesen die es je gab, haben hier ihr Leben verbracht.
Die Gesamtheit unserer Freuden und Leiden; tausende von selbstsicheren Religionen, Ideologien und wirtschaftlichen Glaubenslehren, alle Jäger und Sammler, alle Helden und Feiglinge, alle Zivilisations-Schöpfer und -Zerstörer, alle Könige und Ackersleute, alle verliebten jungen Pärchen, alle Mütter und Väter, hoffnungsvollen Kinder, Erfinder und Entdecker, alle Moral-Gelehrten und alle korrupten Politiker, alle ›Superstars‹, alle ›absoluten Herrscher‹, alle Heiligen und Sünder der Geschichte unserer Art haben hier — auf einem in den Strahlen der Sonne schwebenden Staubflöckchen — existiert.
Die Erde ist eine sehr bescheidene Bühne in einer unermesslichen kosmischen Arena. Denk an die Ströme aus Blut, die von all den Generälen und Kaisern vergossen wurden, um siegreich und ruhmvoll für eine Weile Herrscher eines Bruchteils dieses Flecks zu werden. Denk an die fortwährenden Grausamkeiten, die Bewohner eines Winkels dieses Flecks anderen, von ihnen kaum zu unterscheidenden Bewohnern eines anderen Winkels zufügten. Wie oft reden sie doch aneinander vorbei, wie eifrig bringen sie sich gegenseitig um, wie inbrünstig sie einander hassen. Unser Getue, unsere eingebildete Bedeutsamkeit, die Illusion, wir hätten eine herausragende Stellung im Universum inne, werden von diesem Pünktchen aus blassem Licht in Frage gestellt.
Unser Planet ist ein einsamer Fleck in der großen ihn umgebenden kosmischen Dunkelheit. Angesichts unserer Verlorenheit in dieser ungeheuren Weite, gibt es keinen Hinweis, dass von irgendwo anders Hilfe kommt, um uns vor uns selbst zu retten. Die Erde ist bisher die einzige uns bekannte Welt die Leben beherbergt. Zumindest für die absehbare Zukunft gibt es sonst keinen Ort, zu dem unsere Art auswandern könnte. Besuchen: durchaus. Besiedeln: noch nicht.
Die Erde ist der Ort, wo wir uns behaupten müssen, ob es uns gefällt oder nicht. Man sagt, dass Astronomie eine Bescheidenheit einflößende und den Charakter prägende Erfahrung bietet. Es hat vielleicht nie eine trefflichere Vorführung der Narrheit menschlicher Eingebildetheit gegeben, als dieses ferne Abbild unserer winzigen Welt. Für mich hebt es die Wichtigkeit unserer Verantwortung hervor, einander freundlicher zu begegnen, und den blassen blauen Fleck — die einzige uns bekannte Heimat — zu bewahren und zu lieben.
Eintrag No. 671 — Letzten Donnerstag auf dem Heimweg nach der Arbeit. Fast 23:00 Uhr, finster, sehr kühl, leichter Nebel. Dreihundert Meter von meinem Heim entfernt kommt mir eine rot-weiße Katze auf dem Bürgersteig entgegen. Sie will mir & ich ihr ausweichen, und so versperren wir uns gegenseitig den Weg. Noch zwei Mal machen wir Ausweichmanöver und blockieren uns. Dann bleibe ich schließlich stehen, mache einen Schritt zur Seite. Die Katze guckt mich an, nickt und geht an mir vorbei. — Soll noch mal einer behaupten, wir Menschen wären was Besonderes.
Lektüre: Ausgesprochen große Freude mit Joe R. Lansdales »Kahlschlag« (habe hier berichtet, warum ich den Roman im Hause habe).
Im Zuge meiner Lektüre von Arno Schmidts »Zettel’s Traum« (= ZT) habe ich mich zu einem Kommentar in dem ›Schauerfeld‹-Blog verleiten lassen. — (Habe den Kommentar zum ersten Lektürebericht zu ZT ausgebaut.) — Derweil sei noch mal vermeldet, dass ich die beiden Lese-Blogs zu diesem Riesenwerk, ›Schauerfeld‹ und ›Zettel’s Traum lesen‹, aufmerksam verfolge. —— Ach ja, beim Suhrkamp-Verlag gibt es einen feinen einführenden Text von Susanne Fischer als PDF. —— Schließlich möchte ich noch auf die informative (und stellenweise amüsanten Einblick in das Schmidt-Leser-Biotop gewährende) Rezension von Jan Süsselbeck für ›Literaturkritik.de‹ hinweisen: Still he’s rowling along. Obwohl … entweder bin ich ein totaler Freak, oder Herr Süsselbeck liegt etwas daneben. Er schreibt z.B., dass »niemand ZT einfasch so liest« und ich tue genau das, auch wenn ich wahrscheinlich Monate dafür brauchen werde. Und wenn Süsselbeck, sich auf einen spontanen Ausspruch Peter Kurzecks berufend & diesem recht gebend, meint, dass »{d}ie meisten Leute Arno Schmidt aus {den} falschen Gründen {lesen}«, dann wüsste ich natürlich gerne, was a) diese falschen Gründe sind und wie b) denn richtigere Gründe für AS-Lektüren aussehen. Das wird leider nicht ganz klar. Trotzdem: gute Rezi.
Netzfunde
Für ›Der Freitag‹ schrieb Michael Jäger einen Artikel über die große Problematik, wie man von der unseligen Knechtung der Menschen durch das Auto wegkommen könnte: Der halbierte Bürgersteig.
Eine weitere Folge aus der begrüßenswerten Stilkunde-Reihe von ›Stilstand‹-Blogger Klaus Jarchow: Lob des Monotonen, diesmal anhand von Charles Dickens veranschaulicht.
Mit der jetzigen rot-gelben Regierung tritt der Mißstand des Entscheidens ohne Mitsprsche derer, die damit leben müssen / sollen wieder merklich gehäuft zu Tage. Da ist es gut, dass Max Steinbeis für ›Carta‹ mal Zehn Thesen zum Problem intransparenter Gesetzgebung zusammengestellt hat.
Ach ja: es gibt jetzt eine Wiki-Beobachtungs-Seite und ein dazugehöriges Wiki Watch-Blog. Die Dominanz der ›löschgeilen‹ Admins in der deutschen Wikipedia halte ich für eine der traurigeren Entwicklungen des deutschsprachigen Internets. Ich selber mache im deutschen Wiki nur noch Kleinigkeiten (wie Biographien ergänzen).
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
Dank des Hinweises von Molochronik-Leser Niklas kann ich hier einen Link zu einem langen (ausnahmsweise englischsprachigen) Interview mit Franz Rottensteiner anbieten, mit dem das englischsprachige Blog ›A Journey Around My Skull‹ gesprochen hat: View From Another Shore. Über Rottensteiner mag man (andere) sich streiten können, aber ich schätze den Mann sehr und bin der Meinung, dass der Niedergang von Suhrkamp schon mit der Einstellung der von Franz herausgegebenen Phantastischen Taschenbuch-Reihe des Verlages begonnen hat. — Sehr fein finde ich, dass das Interview auch einige Graphiken aus Herrn Rottensteiners Sammlung zeigt.
Bandit berichtet für ›PhantaNews‹ ausführlich über die TV-Verfilmung der exzellenten Comics »The Walking Dead« (deren ersten superdicken Sammelband ich vor einiger Zeit verköstigt habe und meisterlich finde): »The Walkind Dead« – seziert und gespoilert.
Ganz besonders habe ich mich über diesen Fund bei ›Steampunk-Welten‹ gefreut. Anlässlich des Carl Sagan Tages am 6. November hat Matthias eine Würdigung über diesen großen Wissensvermittler geschrieben. Etwas älter, aber auch einen Klick wert, ist dieser Eintrag im selben Blog zu einer meiner Allzeit-Favoriten-Serien: Carl Sagans »Cosmos«.
Bei ›Unreality‹ gibt es ein saukomisches Filmchen darüber, wie es aussähe, sich ein Erdnussbutterbrot mit Marmelade zu machen, wenn das ganze ein Quicktime-Boss-Kampf in einem Hacken & Schnezeln-Spiel wäre: Kratos Makes a Peanut Butter and Jelly Sandwich (zur Info: Kratos ist die Spielerfigur der »Gods of War«-Reihe).
Atemberaubend finde ich diese lustig-unheimlichen Zeichnung von Abner Dean aus seinem 1947 erschienenen Band: What Am I Doing Here?. Überraschend, wie zeitlos diese Witzebildchen sind, und wie erstaunlich freizügig sie für die damalige Zeit anmuten.
Alexander Lehmann hat wieder einen seiner wunderbaren Filmchen ins Netz gestellt. Diesmal zu einem Thema, wo uns ja allen die Halsadern anschwellen, dem verfluchten Politikmachen durch Geld und Vitamin-B: Lobbyismus für Dummies.