Eintrag No. 742 — Sorry sorry sorry. Habe vor lauter Begeisterung bei der Arbeit an meiner nächsten Übersetzung für Golkonda (von der ich noch nicht verraten kann, um was für ein Projekt es geht) und Einspringen für einen Kollegen bei meinem Brotjob vergessen, dass Dienstag war und entsprechend kommt dieser Wochenrückblick etwas verspätet (und rückdatiert).
Politik, Gesellschaft & Hochkultur:
Leider habe ich nicht die Energie, mit angemessener Sorgfalt auf den Terrorakt in Norwegen einzugehen. Hier aber ein ›Telepolis‹-Text von Rudolf Sturmberger, der meine Stimmung gut trifft: »Islamistischer Hintergrund« wird gerne genommen; Ein kleines Brevier zum Fernstudium für den angehenden Terrorismus-Experten. Neben dem Pavlow’schen Reflex einiger ›Äksbärten‹ und sonstigen Kommentatoren unserer ›Gwalidäts‹-Medien, die vor dem Bekanntwerden von Details der Taten von Breivik sofort lossülzten, dass freilich natürlich aber selbstverständlich nur islamistische Fanatiker so etwas kalkuliert Grauenvolles anrichten konnten, nervte mich besonders das plumpe Verteidigungsgebrabbel mancher überzeugter Christenmenschen, über das z.B. Florian Rötzer, ebenfalls für ›Telepolis‹, schreibt: »Christliche Fundamentalisten« gibt es nicht. Fast möchte ich wieder in eine der christlichen Kirchen eintreten, um deren Bude von innen mal richtig kritisch und befeuert vom heeeiligen Geist aufzumischen.
Der Anlass des ›Telepolis‹-Beitrags Katholische Ambivalenz und bärenhafte Dumpfheit von Reinhard Jellen ist eigentlich lediglich, dass Trikont (ein feines kleines CD-Label) eine neue Reihe über das kleine seltsame Volk der Bayern startet. Aber, ›hallo!‹, Jellig batzt die Allgemeinplätze über das urig-bayerische in der ersten Hälfte knallig zusammen zu einem kräftigen Sprachknödel. Sehr nett.
Wieder mal Lars von Törne, der für den ›Tagesspiegel‹ ein feines Comic lobt, diemal unter dem Titel Megan in den Städten das nun auf Deutsch (leider in zu kleinem Format) erschienene Großwerk »Local« von Brian Wood und Ryan Kelly. Hier geht es zu einer 24-seitigen Vorschau der englischen Fassung bei Oni Press.
›Superpunch‹ empört sich zurecht: Da kreiert eine Werbeagentur für ‘ne Paracetamol-Werbung ein irre detailiertes Skulpturen-Panorama, Paramex: End the Pain, das schön anzuschauen ist und bei dem es sich auch lohnt, sich die Zeit zu nehmen, all die kleinen Szenen zu entdecken (mein Liebling: links hängen Skelette von Hingerichteten, und dazewischen auch ein großer gehörnter Fisch). Das alles wäre wirklich schön und gut, hätte die Agentur nicht einfach nur offensichtlich das Werk des Künstlers Kris Kuksi abgekupfert (mit dem feinen Unterschied, dass Kuksi seine Skulpturen aus echtem Zeugs zusammenbaut und nicht photoshoppt)
Harry Potter ist nun auch als Film feddich. Gelegener Anlass um Euch zu zeigen, wie die Potter-Charaktere als Manga (via ›Burnred‹, unbekannter Künstler), oder als Disney-Version (bei ›lenneltan‹) aussehen könnten.
›Ufunk‹ präsentiert die Surrealistic Pillow-Photoserie von Ronen Goldman. Mein Liebling: Mann verteidigt sich mit Regenschirn gegen angreifenden Apfelschwarm.
Endlich vereint: Yoda und Kermit! Jetzt warten wir nur noch auf einer Duett-Fassung des Liedes »Grün sein, leicht sein ist es nicht«. — Und hier gehts zur Website des Künstlers Peter de Sève.
Stellt Euch vor, der unvergleichlich durchgeknallte Eugen Egner würde quietschebunte Pop Art-Cthulhu-Sachen machen: in etwa so wirkten die Sachen von Leong Wan Kok auf mich.
Traumatron Illustrations bietet ein ›flickr‹-Album mit sehr schönen Twin Peaks-Motiven! Gibt es auch als T-Shirts. Ich glaube, das hier ist bald meines.
Eintrag No. 741 — Beginne ich mit der Wanderung durch das zweite von sieben Billys (einem 80-er), dem ersten der westlichen Zimmerwand. Anmerk: Die Führung durch meine Bibliothek geht nicht geordnet von links nach rechts von statten, sondern ich erlaube mir, mal Regele der östlichen —(überwiegend Bildbände und Comics beherbergende)— und der westlichen Zimmerhälfte —(Schwerpunkt Prosa)— abzuwechseln, eben der Abwechslung halber.
Ganz oben druff stehen über vier Billy-Regal hinweg lauter (größtenteils englischsprachige) Taschenbücher. Die werden in einem eigenen Beitrag vorgeführt, dann aber auch die ganze Schlange auf ein mal.
Die 8 Regalbretter des ersten Billys beherbergen schöne Literatur und ein wenig Philosophie.
Ursprünglich beginnt links eine über drei Regalbretter lange alphabetische Ordnung gebundener größerer Bücher, doch im Lauf der Jahre ist die Ordnung verwässert worden. Aber die Wildheit der Mischung zu Beginn beruht immer noch auf dem Alphabet.
Los gehts mit Don Alphonsos »Liquide« (und es ist eine Schande, dass dieser Roman über den Internet-Boom der Jahrtausendwende immer noch nicht als Taschenbuch weitere Verbreitung gefunden hat), Michael Endes »Die Undendliche Geschichte« & »Momo« und Amerys »Die Wallfahrer«.
— Gracians »Das Kritikon« ist eines meiner Lieblingsbücher aller Zeiten.
— Castors »Der Blutvogt«, ein wirklich wuchtiger und lohnender historischer Berlin-Roman (von einem Perry Rhodan-Autor!), leider auch vergessen worden.
— Meine Bücher von Michael Chabon sind im ganzen Zimmer verteilt. Hier mein Erstling von ihm: »Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay«.
— Als Schmuck steht hier »Hannibal« von Gisbert Haefs. In zweiter Reihe dahinter befinden sich die beiden ›Alexander‹-Romane und »Pilatus Tochter«.
— Meine schöne Erstausgaben-Nachdruck-Ausgabe von Kubins »Die andere Seite«.
— Lodemanns »Siegfried und Krimhild«; würde ich gerne noch mal lesen.
— Ein kleines aber sehr originelles und anregendes Buch ist Giorgios Manganellis »Irrläufe«. Hier gibt es hundert Romane in Pillenform, also ganz kurze Kurzgeschichten. Gutes Buch, um den Kopf durchzuputzen.
— Es folgt die ›Schwarze Serie‹ von Leo Malet (»Das Leben ist zum kotzen«, »Die Sonne scheint nicht für uns« & »Angst im Bauch«). Habe ich Anfang der Neunziger als noch nicht ganz Zwanzigjähriger gelesen. Malet habe ich über Tardis Nestor Burma-Comics entdeckt. Neben Orwell, Krausser, Burroughs und anderen hat Malet mich gelehrt, wie (unterhaltsame) Literatur und wache, kritische Weltbeobachtung gut zusammengehen können.
— Das gilt auch, obwohl ich sie erst als Mitzwanziger entdeckt habe, für E. Annie Proulx, von der nun drei Bücher folgen.
— Die erste Reihe wird nun abgeschlossen von allen Taschenbuchausgaben, die es bisher von Fernando Pessoas Sachen gibt. Ich gebe zu, einiges, sogar vieles von seinen Werken ist eher so lala, aber irgendwas an seiner Schreibe hat es mir angetan.
— Ach ja, das dicke Trumm »Hunger’s Bride« von Paul Anderson das oben auf liegt, habe ich mal aus dem Ramsch gefischt und bisher nur an- und quergelesen.
In zweiter Reihe stehen, wie auch anderswo, gelesene oder angelesene Sachen. Sowohl Esterhazy als auch Franzen könnte ich eigentlich mal wegschenken, denn so bewahrenswert sind deren dicken Dinger für mich nicht.
— »Sofies Welt« von Garder ist auch für mich ein netter Klassiker, auch wenn ich Angst habe, das Buch mal wieder in die Hand zu nehmen. Ich könnte es mittlerweile wohl zu flach finden.
— Es folgt die Anthologie »Mesopotamia« von Christian Kracht, und dann, wie schon gesagt, einiges von Meister Haefs.
— »Die Reise ans Ende der Nacht« von Celine hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich im Lauf der Jahre merke, dass hier etwa meine ›ist mir zu düster‹-Grenze verläuft. Der Nadolny ist von Andrea, und ich muss das gute Stück über den »Gott der Frechheit« fertiglesen.
— Pelewin … kann eigentlich weg.
— Ich oute mich als jemand, der die ersten beiden Robert Schneider-Bücher ganz großartig findet. Die triefen zwar vor Kitsch, vor allem die hier stehende »Die Luftgängerin«, aber es ist schade, was aus diesem begabten Autor geworden ist.
— Von Andreas Onkel geerbt und bei mir zu Gast : »Ich, Claudius« von von Ranke Graves.
— »Oscar Wilde im Wilden Westen« von Walter Satterthwaith, dessen Romane ich alle mag und wieder eine traurige Schande, dass dieser Autor seit Jahren nicht mehr auf Deutsch verlegt wird.
— »Luna Park« von Ellis habe noch nicht gelesen. Littells »Die Wohlgesinnten« habe ich ehr ausgiebig quergelesen. Habe derzeit für sowas keine Kondition.
— Durchaus mit Vergnügen habe ich (wie die beiden Vorgänger) den dritten von Dan Browns Reissern über Robert ›Symbololologe‹ Langdon gelesen. Anspruchsvoll und eine packende Studie über die dunklen Seiten von Kreativität, Autorenfreundschaft und Konkurrenz bot mir Dan Simmons »Drood«.
Oben auf liegen noch die Werke von Marlow in der Schlüter’schen Übersetzung, Heinses Phantastik-Klassiker »Ardinghello« und de Nervals »Aurelia« mit Kubin-Illustrationen.