molochronik
Samstag, 15. Januar 2005

Notitzen für Argumente gegen einen Ausschluß des Filmes »Pink Floyd – The Wall« aus dem Feld der Phantastik

(Film) – Ich bin zwar nicht seiner Meinung, aber gerde deshalb Kollege J-Tull für seinen Anstoß-Beitrag in einem Thread bei SF-Netzwerk dankbar. Dort stellte sich die Frage, ob denn »The Wall« – (jene brilliante Umsetzung der Pink Floyd'schen Konzept-Doppel-LP durch Alan Parker, mit der genialen Mitarbeit des graphischen Satirikers Gerold Scarfe und des zu früh verstorbenen Komponist in allen Gassen Michael Kamen) –, ob dieser Film nun Phantastik ist oder nicht.

»Surreal« … auf jeden Fall, weil drastische Bildsprache für Sprachfiguren gezeigt werden: siehe Verwurstung der Jugend in der Schule, Mauernbauen um Gefühle usw.

Vier inhaltliche Stränge sind mir noch erinnerlich: A) Hauptfigur (Geldof) als Star-Wrack, Schauspieler, realistisch-autentisch; härter B) Rückblenden in Kindheit und Jugend, Schauspieler, realistisch-poetisch; zärter Allein das konventionelle Ineinanderverschränken von Jetzt und Damals ist bereits ehr abstrakt und damit phantastischer, als wenn dramaturgisch die Einheit der Zeit, also die chronologische Reihenfolge der Ereignisse gewahrt bleibt. Nun kommen aber zu diesen beiden Ebenen noch dazu: C) Wahnhafte Wirklichkeit; Schauspieler mit Masken, Groß-Puppen, filmische Verfremdungstechniken und Zeichentrick-Invasionen; halluzinatorisch-phantastisch; D) Traumhafte Wirklichkeit; Zeichentrick-Sequenzen, poetisch-phantastisch.

Oder wie läßt sich das Wesen dieser Animations-Sequenzen anders knapp beschreiben, denn durch ein Adjektiv mit -phantastisch, egal ob poetisch-, grotesk-, sozialtherapeuten- oder systemkritisch-, u.ä.?

»Drama«-, »Musik«-Film oder »Musik-Drama« sind freilich (gattungsbezügliche) sichere Einordnungs-Fächer für »The Wall«. Wie aber sieht mit dem Inhalt aus? Vorlage ist ein Werk (Pop-Album), das mittels Songs und Instrumentalmusik unter Verwendung von Hörspiel-Gewürzen die Geschichte einer empfindsam-aggressiven Identitätskrise (oder weinerlichen Nervenzusammenbruchs) erzählt. Die Musiker von Pink Floyd breiten Länge mal Breite ihre Autotherapie als ambitioniertes Gesamtkunstwerk auf, was freilich nicht jedermenschs Sache ist.

Ich pick mir mal nur die musikalische Dramaturgie des Filmes heraus, und kann mich wiederum an drei unterscheidbare Ebenen erinnern: A) Dramaturgische Song-Inzenierung: a la Musical (z.B. die Fascho-Rede). Das ist ja schon schwer phantastisch. Leider kennzeichnen sich die großen Momente unseres Lebens eben nicht dadurch, daß plötzlich alles zu singen und tanzen anfängt. – Man darf also Filme wie »Dancer in the Dark«, »Moulin Rouge« und »An American in Paris« getrost pauschal unter Phantastik einordnen. B) Illustrative Song-Inzenierung: a la erzählender Clip (Kindheitserinnerungen zum Song »Mother«, die Sachen des Vaters im Schrank entdecken). Wobei ich hier meine, daß der Song die Stimmung der Kindheit illustriert; die Filmbilder wiederum illustrieren die Songstimmung. C) Zeichentrick-Visualisierung für Instrumentalmusik: emotionelle und atmosphärische Stimmung der Instrumentalmusik geht eine Symbiose mit der ebenso sprachlosen Bild-Sequenz ein, die graphisch-magischen und nicht irdisch-realistischen Gesetzte unterworfen ist.

Mit diesen ehr formalen Eckwerten, konnte ich hoffentlich etwas dazu beitragen, den ein oder anderen Skeptiker mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß »The Wall« waschechte Phantastik ist, wenn auch keine bequeme und für manchen eine elendig jammerante.

Der Film ist sicherlich ein Bastard, ein Hybrid- und Hybris-Wesen, das geb ich gerne zu. Und Mischwesen sind – nun ja – immer etwas knifflig einzuordnen. Das macht sie um so interessanter.

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