Wächter-Romane; Krise der SF; Malazan
(Eintrag No. 291: Forumsbeiträge, Phantastik, Woanders) — Weiter mit meinem Vorhaben, den Molochronik-Lesern Links zu meinem Forums-Gebabbel zu bieten.
Diesertage bin ich in pulpigen Lektüregefilden unterwegs, mit den »Wächter«-Romanen des Russen Sergej Lukianenko. Den ersten Band »Wächter der Nacht« (WDN) hab ich noch gelesen, bevor ich den Film auf DVD sah. Überrascht hat mich dann freilich, wie sehr Buch und Film sich unterscheiden. So beginnt der Film WDN mit einer Szene, die im Roman so gar nicht vorkommt, sondern mit vertauschten Geschlechterrollen den Prolog des zweiten Bandes »Wächter des Tages« (WDT) abgibt. — Aber ich bin begeistert von diesen hemdsärmeligen Urban-Fantasy-Reissern und vermelde bei SF-Netzwerk entsprechende Freude. Werd wohl gleich mit Band 3 »Wächter des Zwielichts« fortfahren, wenn ich WDT durchhab; und ich bange, daß der letzte und hoffentlich abschließende Band 4 »Wächter der Ewigkeit« noch auf Deutsch erscheint, bevor ich für nächstes Jahr die Serie für »Magira« bespreche.
•••
Ebenfalls bei SF-Netzwerk hab ich ein paar Meldungen mit Senf zum Thema »Krise der SF« gebracht. Jetzt merk ich erst, daß wenn, dann die Verlage und Literaturvermittler ein Problem mit dem Label SF haben (angeblich zieht das nicht mehr gut, und Fantasy, Horror, Krimi, Erotic usw läuft alles besser). In der ersten Meldung, schwätz ich über die Echtwelt-Probleme und -Entwicklungen, die so arg sind, daß die arme SF und die Roman- und Kurzgeschichtenform nicht nachkommen können; und über Autoren, die eher nicht aus dem Feld der Genre-SF kommen, aber erfreulich belebend zum SF-Terrain beitragen. In der zweiten Meldung kommt ich wiedermal auf Genre-Brillen. In der dritten Meldung lasse ich ein weniges zu ›Eskapismus‹ vom Stapel und stelle mal als Alternative fest, daß die SF gewonnen hat; und belobhudle Dietmar Dath.
•••
Und zuletzt: Bei Bibliotheka-Phantastika hab ich dreimal (1 | 2 | 3) über mein Ringen mit Steven Eriksons »The Malazan Book of the Fallen (1): Gardens of the Moon« berichtet.
yiyippeeyippeeyay
Da ich das dort anderswo schon ein paar Mal berichtet hatte, hier nochmal an dich das Lob: Deine "SF hat gewonnen"-Sichtweise teilte der große SF-Rezensions-Guru John Clute auf der Elstercon vor über einem Jahr. Damals war zwar nicht die Rede von einer Krise in der SF (sondern eher was SF auszeichnet), aber sein Fazit war ziemlich genau dieser Spruch. Ich denke ja es hat auch immer mit der lesenden Klientel zu tun; ich wage mal die Prognose dass jetzt und in den nächsten 10 Jahren, die lesende Mehrheit durch allgegenwärtige SF in TV, Film und (geringerem Maße) Gedrucktem in den letzten 10-20 Jahren begleitet wurde. Die Akzeptanz fürs Irreale in fiktiven Erzählungen ist ganz anders als bei der letzten (& vorletzten?) Generation; evtl. hat das ja mit unserer Krieglosigkeit zu tun?
molosovsky Besitzerin
…ist zwar ein umstrittener (wohl weil streitbarer) phantastik-theoretiker (und autor), aber ich find es in diesem fall gar nicht schlimm, mit ihm einer meinung zu sein. Ein blick in die massenmedien reicht, um zu merken, daß SF-relevantes allüberall verhandelt wird. Nano- & bio- & umwelt-technologie, raumfahrt (inkl. erd-erforschung und kommunikations-vernetzung), globalisierung (sozial, wirtschaftlich, kulturell), der ›kampf der kulturen‹ (ob herbeigeredet oder tatsächlich von statten gehend). Mein lieblings-verhandlungsterrain ist ja der ganze ›gegensatz‹ von glauben und wissen. Die ›invasion‹ der naturwissenschaften ins gebiet der geisteswissenschaften.
Was die höhere akzeptanz des irrationlalen betrifft. Da bin ich nicht sicher, wie man die messen soll. Wichtig erscheint mir, daß man zwischen ›irrational‹ und ›phantastisch‹ unterscheiden sollte. Immerhin wird ›phantastisch‹ gern mal mit dem vorwurf ›irrational‹ zu sein abgekanzelt. Doch ist das erzählen und reden in metaphern, das flechten an fiktionalen groß-metaphern-welten per se irrational? Das möcht ich doch mal stark bezeifeln. — Solche in den echtwelt-diskursen verwendete groß-metaphern wie ›die unsichtbare, ordnende hand des marktes‹ oder ›schicksalsgemeinschaft‹ sind für mich indikatoren daür, daß die irrationalste phantastik mitnichten auf den feldern der literatur (ob allgemein oder phantastik-genre-speziefisch) aufgefahren werden. Phantastik ist nun mal eine praxis der betrachtungs-rahmen-kunst. Insofern sind die phantastischen genre-literaturen die nichtschmwimmer-becken, spiel- und übungs-schlachtfelder der mem-konkurrenz im deutungshoheits- und gestaltungsringen in den gefilden der ideenwelt.