Woraus wohl Habenichtse gemacht sind?
(Eintrag No. 321. Literatur, Nervige Bücher; Vom schlechten Gewissen eines Musenlesers) — Zugegeben: ich werfe mich gerne in die Pose des ungebunden freien, weil eben nichtkommerziell daherschreibenden Phantasten. So gern ich mich deshalb glücklicher wähne als Rezensenten, die im Auftrag lesen und besprechen müssen, kommt es vor, daß mir meine Freiheit ein wenig auf der Seele lastet. Wenn ich zum Beispiel wegen meines mikrigen ›Rufes‹ als Non Profit-Rezensent nicht an gewünschte (kostenlose) Besprechungsexemplare rannkomme. Oder wenn mich Mitleid mit Aurftrags-Rezensenten überkommt, die immer wieder gezwungen sind, sich durch ›schräckliche‹ Bücher zu quälen.
So geschehen in den letzten Wochen: meine Partnerin Andrea besucht ja derzeit das Aufbaustudium »Buch- und Medienpraxis«. Zwar beneide ich Andrea z.B. darum, daß sie dort jemanden wie Andreas Platthaus als Lehrer hat, ist er doch einer der hiesigen Feuillitionmacher, die für mich ›in die Suppe kommen‹ (weil er eben schmackhaft und nahrreich berichtet, und dabei auch mal über Graphische Literatur, vulgo: Comics schreibt). Doch zum Thema Romankritik hatte Andreas Klasse jüngst zwei harte Brocken in der Reissen.
So saßen Andrea und ich in den letzten Wochen abends nebeneinander. Während ich — ganz meinem Gusto folgen könnend — meine Freude mit köstlichen Schmökern hatte, die ich für »MAGIRA 2007« zu besprechen gedenke (Clarkes »Jonathan Strange & Mr. Norrell«, Stephensons »Barock-Zyklus«, Shippeys Buch über Tolkien als Autor des Jahrhunerts, Lukianenkos »Wächter«-Reihe und die »Science of Discworld«-Reighe von Prattchett, Cohen und Steward), und ›Entspannung‹ fand, indem ich nun seit Kurzem in meiner endlich kompletten Sammlung an Schopenhauerania (Werke, Vorlesungen und Nachlass) stöbern, bzw. den neuen Dr. Lector-Roman von Thomas Harris verköstigen konnte, robbte sich Andrea raunzend durch zwei typische Kaliber deutscher Schwurbelprosa.
Lange Einleitung, kurze Linktipps: gönnt Euch Andeas stichhaltige Besprechungen zweier diesjähriger Romane, die mit großer Aufmerksamkeit und meist mit Wohlwollen von den berufsmäßigen Literaturmeinungsverbreitern besprochen wurden. Mit schon lausbübischer Freude beobachtete ich, wie Andrea meine Rand-Notation für schlimmen Formulierungsquark (›ARGH!‹) und emotionell-poetische Zuckerwatte und Laktitze (›STÖHN!‹) übernommen hat.
Hier also zu Andreas…
- …»Kälber fütztern mit dem Leibhaftigen« über Thomas Hetche: »Woraus wir gemacht sind«; und…
- …»Das Gegenteil von aufregend (ich hab mich trotzdem aufgeregt)« über Katharina Hacker: »Die Habenichtse«.
bembelkandidat
ein gutes 2007, mit und ohne pflichtlektuere aber weiterhin mit eurem anregendem wortwitz und un-geschoenten blicken in die welt der buchdeckel und andernorts...
lucardus
Danke für diesen Link. Das/der Blog landet in meinem Sammler.
Wieder ein Indiz dafür, dass Preise, vergeben von Berufslesern, nichts über die Lesbarkeit der Preisträgerwerke aussagen.
Interessant, dass Du einfach so eine Dickens-Ausgabe verschenkst. Ich habe gerade den Martin Chuzzlewit hinter mir. Da drischt Mr. Dickens ja kräftig auf die USA seiner Zeit ein. :)
Nachträglich noch ein frohes Neues und hoffentlich ein weiterhin belebtes und vollgedudeltes Blog!
molosovsky Besitzerin
…die komplette 21-bändige Oxford Illustrated Edition der Werke von Charles Dickens war ein Schnäppchen, daß ich meiner Partnerin nur zu gern geschenkt habe. Zum einen ist sie Anglistin und hat das Packerl mit Freude als Lesestoff für die kommenden Jahre genommen; zum zweiten gedenke ich auch, mich nach einigen Jahren wieder diesem eminent wichtigem Autoren zu widmen. Grad in den letzten Jahren wurde ja das 19. Jhd wieder ›entdeckt‹, nicht nur im Mainstream, sondern auch von den verschiedenen Phantastik-Genres. Ich denke, der Einfluß von Dickens kann gar nicht überschätzt werden.