molochronik
Freitag, 9. März 2007

Exzellente Telepolis-Woche!

Sippenhaft (Eintrag No. 347; Woanders, Gesellschaft, Diskurshickhack) — Diese Woche war eine gute Telepolis-Woche.

Unter dem Pseudonym Bastian Engelke hat ein Telepolis-Autor sich die nicht gerade angenehme Fizzelarbeit angetan, mal exemplarische Röhrer aus dem Lager der prowestlichen Jubelperser zusammenzutragen. »Von der aufgeklärten Intoleranz zum pauschalen Hass« hieß die am 05. März vorgestellte, ausführliche Collage aus redaktioneller Anti-Islam-Erregung und vollbrustigen ›Iss doch wahr‹-Ottotnormal-Nazi-Schwurbel. Wer sich die von Engelke unter die Lupe genommene Website anschauen will, muß den entsprechenden Links im Telepolis-Artikel folgen. Ich finde die politisch ach so chick unkorrekte Site zu widerlich, um sie hier zu verlinken.

Worum gehts eigentlich? Um gallopierende Vorurteile und In-einen-Topf-Werferei, ganz dem Sprichwort folgend: »Steck den Haufen in einen Sack schlag mit einem Knüppel drein; einen falschen kann’ste nicht treffen.« — Ich pflege ja auch so meine Vorurteile, Hasszielscheiben und Ressentimentabladehalden, aber mir wird ist unwohl, wenn ich mich selbst bei solch pauschalem Verteufeln erwische. Andere Menschen aber reiben ihre Selbstbeschämungs-Reserven bereits mit anderen Sich-Selbst-Peinlichfinden auf.

Wie war das? Einige Jungs aus dem Orient wollen mit einigen Generationen Verspätung auch mal so richig national-religiöse Revoluzzer spielen und zünden als Einweihungskerzen für ihren Aneinanderklatscher der Kulturen in New York zwei Wolkenkratzer an. Der paranoid-authoritäre Okzident reagiert, wie man eben reagieren muss, mit so heldischen Versteifungs- und Zurückhaue-Reflexen, ganz gemäß der Beobachtung, daß zwischen einander Ähnlichen die Konkurrenzsituation und damit Konkurrenzgebahren immer besonders heftig sind. Fast möchte ich sagen: Was sich liebt, das neckt sich. Deutungs- & Gestaltungshoheitsgreangel unter großen Jungs halt. Wenn richtige Kerle sich so aufführen, will ich gern und stolz eine profillose Memme sein. — Nun ist ein asymmetrischer Konflikt zwischen dem westlichen Hegemonial-Bratz des entertain-miliär-industriellem Klüngel und den kleinen Bombenfest-Happenings-Terroristen der Minderwertigkeitskomplex-Aggros an sich ja schon zur Genüge ein besorgniserregendes Problem. Wie schön wäre es da, die durch Angst und Auch-Wichtigsein-Wollen nun reichlich quellenden Zornesströme sinnvoll zu bündeln, um dem fetten Westen zu mehr Demut, Umsicht und Tugendhaftigkeit zu ermahnen, oder um den als Globalisierungsverarschte verständlich Aufgerachten bei der Transformation zur ihrer Moderne zu helfen, statt dass Waffenhersteller sich freuen um die allseits steigende Nachfrage der seriösen und nicht ganz so seriösen ›Was soll’s? Geld stinkt nicht‹-Kundschaft.

Es kam, wie zu erwarten: die Moslems, die Orientalen als Ganzes kommen so manchem Denk- und Empathiescheuen grad recht als neues Feindkollektiv, an dem man sich abarbeiten, hochziehen kann. Oh, ich frage mich, in welchen altbackenen Fantasywelten muss man sich zuhause fühlen, um ernsthaft der Meinung zu sein, daß »die einen Zivilisation und Kultur {haben} und die anderen nicht«.

Das Problem wurde letztens auch im großen Bas-Lag-Forums-Interview mit dem englischen Phantasten China Miéville angesprochen:

BAS-LAG-FANSITE fragt: Viele erleben die heutige Zeit als eine sehr unsichere, fast gefährliche. Viele sprechen vom Clash der Kulturen, wo religiös-fundamentalistische Traditionalisten einem säkularisierten, individualistischen Westen gegenüberstehen. Einem Westen, der so saturiert scheint, dass er kaum noch Werte außer dem Geld kennt und sich deshalb umso unsicherer gegenüber den Fundamentalisten gebärdet. Was ist Deine Meinung dazu? Inwieweit werden sich solche Themen in Deinen nächsten Werken widerspiegeln? Hältst Du religiöse Überzeugungen für besonders schützenswert? Wenn ja, warum?

CHINA MIÉVILLE antwortet: Ich denke, die Idee, der Westen sei ›aufgeklärt‹ ist derzeit wenig überzeugend, und das ›Sekuläre‹ ziemlich fragwürdig. Denn der Massenmord, den der Westen angerichtet hat, bleibt meiner Meinung nach Massenmord, etwas zutiefst ›Unaufgeklärtes‹, das durch Rassismus und kulturelle Vorherrschaft gerechtfertig wurde, egal wie sehr man behauptet, dass es um die Verbreitung von ›Zivilisiertheit‹ geht. Ich glaube nicht, dass religiöse Glaubensvorstellungen besser als andere Meinungen in Schutz genommen werden sollten, aber ich denke auch, dass wir uns über die Art und Wiese klar sein sollten, wie Rassismus manchmal sowohl Religiosität wie auch Ethnie als etwas Verachtenswertes definiert und wie dementsprechend die Angriffe gegen ›Religion‹ von der Zeit und der angegriffenen Religion abhängen und so manchmal Teil eines bestimmten rassistischen Angriffes sind. In den 30ger Jahren des letzten Jahrhunderts verbreitete der Antisemitismus alle möglichen Vorwürfe über das Übel des jüdischen Glaubens — das war nicht nur eine abstrakte Kritik an der Religion, es war Teil einer Herabwürdigungskampagne. Ich glaube, wir können im Augenblick beobachten, wie man das mit dem Islam macht. Das soll natürlich nicht heißen, dass man Elementen der islamischen Glaubenslehre ›zustimmt‹ (obwohl, wie bei allen Religionen, die Mehrzahl der religiösen Verordnungen innerhalb der Glaubensgemeinschaft diskutiert werden), sondern bedeutet, dass man der Dämonisierung des Islams — oder anderer Gruppen — nicht zustimmt.

Zurück zu Telepolis. Bastian Engelke hat schon drei Tage nach seiner Rundumschau zum Trollgegrunze des gesunden pro-westlichen Volxämpfindns am 08. März eine Fortsetzung nachreichen können, über die armselige und beißreflexversabberte Re-Aktion auf den Artikel bei besagter, schwer-modisch politisch unkorrekter Website. In »Argumentation, Schlammschlacht, Gewalt« kann man nachlesen, wie Engelke exemplarisch die Gentleman-Diskrus-Stellung gegen die nicht eigentlich auf die Kritik eingehende Erwiderung der supermutig politisch unkorrekten Website reagiert. Schlicht köstlich.

Und heute bin ich dann wegen Telepolis vom Stuhl gefallen. Abgestürzt beim Hardcore-Schenkelklopfen. Marcus Hammerschmitt kommt daher, blickt durch, wie nur ein SF-affiner Autor mit super-Röngtenblick durchblicken kann, und macht mich endlich mit der größten deutschen Punk-Combo bekannt, in: »Pogo im Heiligen Land — Deutsche Bischöfe in Israel: Punk ist nicht tot, er zieht sich nur komisch an«. Na da ruf ich dem DJ doch gleich zu: »Tanz den Flagellanten!« Danke Marcus!

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