Jorge Luis Borges: »25. August 1983«
Eintrag No. 366
ERSTE FOLGE VON MOLOS WANDERUNGEN DURCH DER BÜCHERGILDE GUTENBERG
Hurrah, es tut sich etwas in Sachen Phantastik! Nein, ich meine nicht die Schwemme an Genre-(Jugend-)Phantastik, diesen (leider meistens) läppischen Franchisevehikeln, die mit Zauberlehrlingen und Drachenreitern als McHelden Konsumententreue an sich binden wollen. Ganz im Gegenteil: Ich bin sehr zufrieden, wie die Büchergilde Gutenberg mit ihrer Neuauflage der von Jorge Luis Borges zusammengestellten Anthologie-Reihe »Die Bibliothek von Babel« vorführt, daß man auch auf löbliche Weise auf den gegenwärtigen Phantastik-Hype aufspringen kann.[01]
Traut Euch ruhig, liebe Leser, und folgt mir auf meinem ersten Streifzug durch das Borges'sche ›Fantasyland‹ und lest…
- … wie ich Borges entdeckte;
- … über dummes und kluges Reden über Phantastik;
- … was der Borges-Band der Büchergilde bietet;
- … und wo ich vermeine, auf Spuren von Borges Einfluß gestoßen zu sein.
NATÜRLICH, EINE ALTE HANDSCHRIFT (naja, ein Roman aus den frühen Achtzigern)
Den Lyriker, Essayisten und Erzähler Jorge Luis Borges (1899-1986) habe ich als Teen mittels der Lektüre von Umberto Ecos (1932) Roman »Der Name der Rose« (1980 / dt. 1982) entdeckt.
Eco hatte sich bereits in den 60ger- und 70ger-Jahren einen guten Ruf als gründlicher, streitbarer und gewitzter Intellektueller erschrieben. Einerseits trat er mit (nicht gerade immer leicht lesbaren, aber ungemein lehr- & aufschlussreichen) Fachbüchern zu Semiotik hervor (z.B. »Lector in fabula« und »Das Offene Kunstwerk«), andererseits brillierte er durch gewitzt-muntere und jedermensch zugängliche Essays und Kolumnen (z.B. »Sämtliche Glossen und Parodien«). Nicht zuletzt sorgten dann die politischen Wirren der Siebzigerjahre dafür, daß Eco 1978 den Wunsch entwickelte einen Mönch zu vergiften, und »Der Name der Rose« ist die Frucht dieser Mordlust.
Nun ist, wie ich zweifelsohne annehme, Eco ein großer Fan von Borges. Beide darf man als Edelfedern bezeichnen, doch beide pflegen (bzw. pflegten) auch eine Schwäche für Triviales, für Krimis und keck Phantastisches; beide also (für mich) meisterhafte Grenzüberschreiter, die es vorzüglich verstehen (bzw. verstanden) kurzweiliges Fabulieren köstlich mit inspirierender Gelehrsamkeit und philosophischen Kalorien zu vereinen.
Bei ›uns‹ begeisterten Genrelesern ist es nicht selten der Fall, daß sie die Bösewichter reizvoller finden als die Guten. So sind die liebenden Helden von Wilkie Collins »Die Frau in Weiß« fade Pappfiguren verglichen mit dem schillernden Count Fosco[02]. Die Möchtegernweltherrscher — ob Le Chiffre, Goldfinger oder Bloomfeld — der James Bond-Geschichten stellen, was Glamour und Faszinationskraft angeht, den Agentenhelden zumeist locker in den Schatten. Zumindest für einen Genrefreak wie mich ist es da keineswegs verwunderlich oder ungebührlich, wenn Eco seine Verehrung für Borges dadurch zum Ausdruck brachte, daß er Jorge Luis zum ›Vorbild‹ für den Strippenzieher der tödlichen Machenschaften seines mittelalterlichen Kriminal-Schauer-Schlüsselromans erwählte. Zwar sind mir keine Stellungnahmen von Borges zu Ecos »Der Name der Rose« bekannt, aber ich stelle mir gerne vor, daß der alte Borges seine stille Freude daran hatte, wie Eco ihn in der Figur des Jorge von Burgos liebevoll ›negativ portraitierte‹.
Immerhin: Wer möchte nicht gern der Dungeon-Master und alleinige Geheimnishüter eines mit Fallen gespickten Bibliotheksirrgartens sein, der stimmungsmäßig vielleicht noch am ehesten an die Kerkerphantasien von Piranesi erinnert (die ja tatsächlich dem genialen Filmarchitekten Dante Ferretti als Vorbild für die Bernd Eichinger-Produktion dienten)?
Und dieser (wie Borges selbst auch) blinde Fanatikergreis Jorge von Burgos ist ein zum Niederknien beeindruckend-schröcklicher Bösewicht. Bester Philosophen-Horror, wenn Jorge im Disput mit William von Baskerville das Lachen als teuflisch verdammt. Wunderbar die Volte, wenn Jorge störrisch auf die Deutungshoheit des kirchlichen Machtapperates beharrt[03]:
›Volte‹, weil Borges selbst eher (wenn schon denn schon) den fröhlicheren Strömungen eines anarchistischeren Katholizismus etwas abgewinnen konnte[04]:
Schon vor über zwanzig Jahren als Jugendlicher, war ich (wie heut noch) hin- und hergerissen zwischen Größenwahn und genau dieser Ratlosigkeit, und dank der Hinweise des Buches »Das Geheimnis der Rose entschlüsselt« (Klaus Ickert & Ursula Schick, Heyne 1986) als Kompass, fand ich damals eben bald schon zu meinen ersten Borges-Büchern. Und da ich mich sonst gern und heftig in die Pose des kritischen Lesers/Rezensenten werfe, der bei trostspendenden Literarturen verächtlich abwinkt, freu ich mich ausgleichend gestehen zu können, daß die ›Relevante Phantastik‹ eines Borges zu den wenigen Narrationen gehört, deren tröstende Töne ich gerne vernehme. Vergänglichkeit als Chance sehen, das ist der ganze Trick, so unheimlich er auch anmutet.
DIE GROSSE TRADITION DES DISREPEKTIERLICHEN
Allzu gerne erinnere ich immer wieder an den manchen wohl so gar nicht schmeckenden Umstand, daß Phantastik nicht weniger bezeichnet, denn alles Reden in Metaphern, Allegorien, Symbolen, Sprachbildern, Anwend- und Übertragbarkeiten, eben alles ›sehen machendes‹ und (vor dem inneren Auge) ›erscheinen lassendes‹ Schildern und Erzählen.
Aber Phantastik kann man auf viele verschiedene Arten betreiben. Das fängt im Kleinen und Alltäglichen mit solchen Metaphern wie »Schmetterlinge im Bauch« (fürs Solar Plexus-& Magenkribbeln beim Verliebtsein) oder »Das Glas ist halb voll / halb leer« (für optimistische / pessimistische Realitätstunnelperspektiven) an und geht im Großen und Weltbewegenden weiter, wenn politisch vom »vollen Boot« oder dem »Haus Europas« gebabbbelt wird, oder wenn die Wissenschaften uns mit neuen Fabeltier-Allegorien wie Schrödingers Katze, Pawolows Hund oder Hilberts Hotel die Kompliziertheit des Universums zu erklären trachten. (Und ja: ich mag die Vorstellung, ein Hotel als Fabeltier zu nehmen.)
Das einfache Alltags-Metaphernregister, mit dem wir der Innenwelt unserer Gedanken und Empfindungen Ausdruck verleihen, oder mit denen wir uns die schwer zu fassenden und beobachtbaren Vorgänge der Außenwelt gegenseitig erklären, hat sich schon vor langer Zeit hochverfeinert zu kleinen Erzählungsformen, die sich zuhauf bereits in den Versepen der Altvorderen, in heiligen Texten und Märchen finden lassen. Wie groß ist allein schon das Phantastik-Repertoir der Fabeln, mit ihren königlichen Löwen, kriegerischen Hunden, eitlen Pfauen, diebischen Raben, verschlagenen Füchsen, faulen Musikergrillen und fleissigen Arbeitsameisen. Alles menschliche Eigenschaften, die wir auf die Tiere übertragen, um auf unterhaltsame Weise z.B. moralische Lektionen weiterzugeben. Kaum Einwände vernehme ich, wenn respektable Erzphilosophen sich mit Phantastik behelfen, um ihre welterklärenden Gedanken auszubreiten, wie es der Initiator des ›Ideenkrieges um das Sein‹ Platon mit seinem berühmten Höhlengleichnis und dem nicht ganz so berühmten Sonnengleichnis tat.
Also immer gern her damit, wenn sich nun die Büchergilde Gutenberg mit Jorge Luis Borges einem der großen Phantasten des 20. Jahrhunderts annimmt, indem man von April 2007 bis April 2008 in 5 Staffeln die von Borges ausgewählten 30 Bände der »Bibliothek von Babel« endlich wieder für deutsche Leser zugänglich macht[05]. Ich konnte nicht umhin, den »Die Welt«-Autoren Henrik Werner mit meinem Literturwelt-Eintrag »Die vermeindliche Wirklichkeitsflucht« zu rügen, wenn er dieses mutige Unterfangen der Büchergilde gedankenschwach in einen Topf wirft mit dem oben angesprochenen McFantasy-Hype. Mit großer Freude aber las ich Thomas Klingenmaiers löblich verständnisvolle Jubelmeldung »Der Tod und weitere unseriöse Bekanntschaften« in der Stuttgarter Zeitung. Fast möcht ich meinen, daß Klingenmaier die beiden Schlußabsätze seines Artikels aus meinem Knochenmark abschrieb, so treffend, knapp und überzeugend klärt er die verzwickte Lage der Phantastik wenn es bei ihm heißt (Hervorhebungen von Molo):
Genrefreunde können in Jorge Luis Borges’ Sammlung Texte in anderen Farben als den gewohnten entdecken. Und mancher Rationalist, der angesichts von Elfen, Zwergen und Drachen in der modernen Fantasy erst einmal reflexhaft in Verteidigungsstellung zum Schutz der Vernunft geht, kann sich hier entspannt daran erinnern, das Literatur nicht unbedingt das verdoppeln muss, was wir jeden Tag vor Augen haben, dass es ihr auch erlaubt ist, mit dem zu spielen, was jede Nacht durch unsere Träume geistert.
Phantastik kann eben schnell langweilig und schal werden, wenn das Metaphernregister zur Formelhaftigkeit verkommt, sich aufdröseln läßt wie ein simples Zuordnungsspiel oder ein »Malen nach Zahlen«-Bild. Spannend, aber eben auch schwerer einzuordnen, ist aber Phantastik, bei der die Unmöglichkeiten sowohl für sich stehen, als auch einen Bezug zur tatsächlichen Wirklichkeit anklingen lassen.
»25. AUGUST 1983«
Zu Meister Borges selbst, von dem fünf Erzählungen im fünften Band (erste Staffel, April 2007) der »Bibliothek von Babel«-Anthoreihe geboten werden, nebst einem Vorwort von Martin Gregor-Dellin[06], einem Borges-Interview mit Maria Ester Vásquez und einer bio/bibliographischen Zeittafel.
Glücklich macht mich allein schon, daß die 30 Babelbände Lesern (mit Ausnahme einiger Novellen wie z.B Beckfords »Vathek«) ein abwechslungsreiches Potpourrie an Kurzgechichten aufspielt. Völlig zurecht jammert man ja kläglich darüber, daß es in den Mainstream-Printmedien fast gar keine Plattform mehr für Kurzprosa gibt, und daß sich diese Textform auch als Buch bei uns schwer tut.
Da kann ich mich nur verdutzt fragen: Warum eigentlich?
Immerhin eignen sich Kurzgeschichten wie kaum etwas als Unterwegs-, Zu-Bett-geh- und Zwischendurchlektüre, sie bieten stilistischen, strukturellen und perspektivischen Abwechslungsreichtum und anders als Romane, konzentrieren sie sich zumeist auf das zündende Aufblühen einer Idee. Wer hat schon allerweil Lust auf ganze Torten, wenn doch das Naschen verschiedener Pralinee- & Konfektstückchen ebenfalls höchste Genüße bereitet?
Gleich mit der ersten Geschichte der Auswahl, (von der die Antho-Reihe auch ihren Titel entliehen hat), »Die Bibliothek von Babel«[07] wird mit den eröffnenden Worten…
…eine riesige Phantastikbühne aufgefahren, ein Gedankenspiel, das so ähnlich allen bibliomanen lesenden Weltenwanderen vertraut sein dürfte. Ein namenloser Einwohner schildert uns das Leben in dieser Bibliothekswelt. Wie er als junger Mensch den Katalog aller Kataloge gesucht hat; daß es…
…und er erzählt von den verschiedenen, z.T. im Streit miteinander lebenden Fraktionen der Bibliothekare: den Mystikern, den Inquisitoren, den Lästerern, den Pietätslosen. Grob trau ich mich zusammenfassen, daß diese Geschichte eine stoisch anmutende Meditation ist, die unerschrocken über Phänomene wie Unendlichkeit, Variationsvielfalt, und die Rätsel von Raum und Zeit spricht. — Literarisch reizvoll ist diese Geschichte auch, weil Borges sich hierbei sozusagen als Fanfiction-Schreiber verhält, oder wie er selbst in einem Interview erklärt[08]:
Die zweite Geschichte, »25. August 1983« [09], zeigt nun, wozu sich Phantastik vorzüglich eignet: Borges fabuliert hier mit sich selbst als Protagonisten, mit Spengseln eines feinen zart-bitterem Humors aber durchaus ernst, über die sehr dunkle menschliche Erfahrung des Selbstmorders, bzw. des Selbstmordgedankenspiels. Ich will die Depression nicht verherrlichen, bin aber der Meinung, daß es zu den fundamentalen Aspekten des Lebens gehört, mit dem Gedanken zu flirten der eigenen Existenz ein Ende zu setzten. Immerhin sind wir alle der Sterblichkeit ausgeliefert, und gerade in der Zeit z.B. des Übergangs vom Jugendlichen zum Erwachsenen können erschreckende Vor- & Hinter-den-Kulissen-Erfahrungen mit der Schlechthinigkeit der (Menschen-)Welt dazu führen, daß man auf die Idee kommt, der Misrere des Ausgeliefertseins zum Leben mit eigener Gestaltungsmacht entgegenzuwirken. Borges inszeniert sich hier als Doppelgänger. Ein junger Borges begegnet in einem Hotel einem alten Borges, der sich selbst vergiftet hat, nun sterbend im Bett liegt und mit seinem jüngeren Ich plaudert. Ich finde es zum schmunzeln (aber auch unheimlich), wie die beiden sich gegenseitig ausloten, um herauszubekommen, wer sich da in wessen Traum verirrt hat, oder ob gar beide träumen. Auch wird offen über die Erfahrung des Ekels vor sich selbst gesprochen, wenn der junge Borges zum alten sagt:
Tja, mit sich selbst kann man langfristig wohl nur dann im Reinen bleiben, solange mensch sich als alte Person erträglich vorzustellen vermag.
Die kürzeste Erzählung der Auswahl, »Die Rose des Paracelsus«[10], führt nun den bekannten Renaissancegelehrten als Magier vor. Der hätte gerne einen Schüler, und es folgt eine seltsam-komisch schiefgelaufende Initiationsprüfung. Harry Potter-Fans aufgepasst: es geht um den Stein den Weisen, den der Schüler finden möchte, und von dem Paracelsus meint, daß der Weg zum Stein der Weisen bereits der Stein selbst ist. Außerdem kann man lernen, was man von einem Wunderwirker niemals verlangen darf.
»Blaue Tiger«[11] bietet eine passende Gelegenheit, meiner heftigen Begeisterung für die wunderschönen Titelaquarelle von Bernhard Jäger Platz eimzuräumen, sowie darüber, daß die Büchergilde diesen exzellenten Illustrator über die Herausforderung sprechen läßt, dreißig Bände Phantastik mit Umschlagszier zu versorgen. Und gerade dieser Band 5 mit den Borges-Erzählungen ist für Illustratoren keine leichte Sache, denn wie Jäger schön erklärt:
Auch ich hätte mich bei der gegebenen Auwahl für »Blaue Tiger« entschieden, denn hier legt Borges noch am ehesten sowas wie eine ›normale‹ Mystery-Abenteuergeschichte vor, wenn er Alexander Craigie, Prof. für abend- und morgenländische Logik in Lahor, berichten läßt von seiner Queste nach dem Blauen Tiger im Ganghes-Delta. Klassischer Abenteuer- & Phantastik-›Trash‹ geht noch ab, wenn der Europäer auf einen Dschungelstamm abrgläubisch raunender Geheimnisträger trifft; der Borges'sche Sonderpowerboost aber zündet, wenn Craigie statt des gewünschten Tigers rätselhafte blaue Kieselsteine findet, die sich gänzlich unerhört verhalten, auf eine Weise, die vor allem mathematisch angehauchten Gemüthern richtiggehend Lovecraft'schen Kosmischen Schrecken einjagen dürfte. Der Protag aber entpuppt sich als echter Jedivorläufer, da er einen ungewöhnlichen gewaltfreien Weg findet, sich vom Wahnsinn der Steine zu befreien. Da schimmern dann doch die sozialistisch-kommunistischen Wallungen durch, die den jungen Borges durchwallt haben mögen, und von denen er sich einst befreit zu haben glaubte, als er zwei entsprechend tendentiöse Frühwerke vernichtete, ehe er nach einem längeren Europaaufenthalt nach Südamerika zurückkehrte.
Die letzte Geschichte ist die beunruhigende, aber (wie immer bei Borges) mit scheinbar müheloser Elegenaz ausgebreitete Traumdystopie »Utopie eines müden Mannes«[12]. In dieser Geschichte tritt Eudoro Acevedo auf, ein mittlerweile steinalter Prof. für englische und amerikanische Literatur, der selbst Phantastik schreibt, und sich (ohne daß dies große erklärt wird) in einer öden fernen Zukunft der Erde wiederfindet, und sich mit einem der dortigen Bewohner unterhält. Da gibts freche Rempeleien gegen religiöse Scholastenphantastik (…
…) und vermittels einer Platzierung des Namens Adolf Hitler kurz vor Schluß, dämmert wohl auch dem letzten Leser, was für eine düstere Gesellschaftskritik das Geplauder der Erzählung birgt.
Einen munteren und interessanten Blick auf Borges gewährt das abschließende Interview des Autoren mit Maria Esther Vasquez (das leider keine Jahres & Quellenangabe hat, aber ich vermute, daß dieses Gespräch zum Ersterscheinen der Anthoreihe 1973 entstande ist). Borges erzählt über seine frühen Jahre, seine Jugendzeit in Europa, seinen Blick auf das eigene Werk, seine immer wiederkehrenden Themen (Labyrinth, Spiegel, Vielfalt des Ichs, wiederkehrende Zyklen, Tiger, Messer- und Mut-Sekte, Buenos Aires, Säbel), über Politik, Ehrungen & Vorlieben, nordische Sprachen, Leben, eigene Fehler & Tugenden sowie Musik, Malerei & Tod. — Da vergnüg ich mich freilich, wenn Borges und ich ein wenig Geschmack gemein haben, und er freimütig über das Gekleckse eines El Greco lästert, oder Johannes Brahms als einen ihn berührenden Komponisten lobt.
Resummee: ich bin mehr als glücklich über die Großunternehmung der Büchergilde Gutenberg, uns diesen Schatz der ›literarischen Phanatstik‹ neuauflegt wieder zugänglich zu machen (kann man auch als Nicht-Büchergildenmitflied in der Edition Büchergilde erstehen; einzeln oder auch mit ermäßgten Staffelpreisen). Ich gebe zu: man braucht für die ganzen 30 Bände schon einen bessertrainierten Geldbörsenmuskel. Aber für was gibts Feiertags- und Geburtstagsschenkerei?! Diese 30 Bände sind eine Anschaffung fürs Leben.
Ich begebe mich weiter mit Major Grubert-Hut auf Exkursion in die Babelgefilde, verabschiede mich für jetzt, bevor meine Weiterlesetips zum Thema ›Borges-artige moderne Phantastik‹ beginnt, und danke allen, die so ausdauernd meiner Schreibe zu folgen Freude bereitet hat, und hoffe, daß mein Geschmack vielleicht als willkommene Orietierung in Sachen ›Qualitäts-Phantastik‹ dienen konnte.
Bis zur nächsten (zweiten) Folge meiner Babel-Reihe, etwa Mitte Juno
Euer Molosovsky / Alex
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Im Lauf der Zeit bin ich immer wieder auf phantastische Lektüren gestoßen, in denen ich entweder vermeinte, den Einfluß von Borges zu spüren, oder die (Zufall) eine sehr Borges-ähnliche Athmosphäre und Stimmung vermitteln. Viele, ach allzuviele Werke könnte ich anführen, denn das postmoderne erzählerische Spiel mit Mythen, fingierten Artefakten und Schriften aus erdachen Welten und andere Eigentümlichkeiten des Werkes von J. L. Borges lassen sich (zumindest für mich) zuhauf finden. Weiter weg vom Gebiet des guten Geschmacks, aber deshalb nicht minder respektabel spekulativ, ist da z.B. so ein SF-Mystik-Horror-Thriller wie »Cube«, oder auch der düster stimmungsvolle »Dark City«. Aber von Filmen sei hier nicht die Rede. Hier aber eine kleine Übersicht meiner entsprechenden literarischen Favoriten.
- In Werk von Helmut Kraussers Werk tummeln immer wieder obskure und unheimliche Doppelgänger durch die Geschichten (z.B. in »Fette Welt« und »UC«) und/oder verlaufen sich die Protagonisten in verstörenden Verknäulungen wahrgewordener und wahrgeglaubter Mythen (z.B. »Melodien«, »Thanatos«). Die mythische Lebendigkeit von Phantastik hat Helmut Krausser wie kaum einer sonst in meiner bisherigen Lebenszeit so schön poetisch auf den Punkt gebracht wie er es in seinem ›Stimmengemenge vom Veteranenstammtisch‹ »Denotation Babel« (1999) tat. Drei Männerstimmen vom Babelturm erzählen in diesem Gedicht z.B. vom ›Seifenopern‹-, ›Groschenheft‹- und ›Räuberpistolen‹-Charakter der alten Phantastikklassiker:
Unsere Lieblingsmythen hießen: »Labyrinth des Minotaurus«, »Kampf um Troja«, »Herakles« (der Superheld für unsere Kleinen) »Salomo und seine Frauen« (der Höhepunkt im Spätpropgramm) Zehn schöne Jahre haben wir »Odysseus' schräge Fahrt« verfolgt und uns beinah bepisst vor Lachen. Beim »Brand von Sodom und Gomorrah«, dem Machwerk eines Radikalen, haben wir uns abgewandt.
Kann sein, daß HelK die Hände überm Kopf zusammenschlägt wenn ich ihn derart mit Borges verknüpfe, und/oder aufgrund meiner flappsigen Lesart als exzellenten Phantasten preise. Aber für mich als Leser sind die thematischen Ähnlichkeiten kaum zu übersehen.
»Denotation Babel« empfehle ich besonders allen, denen z.B. solche dunklen und überernsten Mythos-Werke wie »The Waste Lands« von T.S. Eliot zu steif und humorlos sind.
- Derzeit (ich bin auf Englisch ca. auf S. 200 von über 700) verirre ich mich genüßlich in dem Wunder-, Schauerkammerbuch von Mark Z. Danielewski »House of Leaves«, daß als »Das Haus« im Herbst 2007 bei Klett-Cotta im allgemeinen Programm erscheinen wird. Schön, daß dieses erzphantastische, sprachlich vielstimmig-brilliante Buch von der exquisiten Übersetzerin Christa Schuenke ins Deutsche übertragen wurde. Immerhin hat diese Meisterin schon solche respektablen Klassiker wie John Donne, Jonathan Swift und Herman Melville und moderne Edelfedern wie John Bannville und Robert McLiam Wilson glänzend übersetzt. Beim Lesen der Originalausgabe von »House of Leaves« frug ich mich oft: »Wie kann man das wohl knackig ins Deutsche wuppen?« — Worum gehts? Bisher trau ich mich sagen, daß Danielewksi mit seinem Debutroman ganz klassisch und zugleich auf der Höhe heutigen Romanschreibens einen unheimlichen Großroman abgeliefert hat. Wer die großzügigen ca. 100 Leseprobeseiten von Klett-Cotta überfliegt, merkt anhand der komplizierten Typographie, daß hier mehrere Handlungs- und Erzählebenen miteinander vermengt sind. Da ist der kalifornische Mitzwanziger und Tatooladengehilfe Johnny Turant, der in den Besitz des äußerst merkwürdigen Manuskrips ›Der Navidson Record‹ gelangt. Ein alter, blinder Exzentriker (sic) namens Zampano, hat über Jahre hindurch an diesem Schriftstück gebosselt. ›Der Navidson Record‹ ist eine erschöpfende Analyse über den gleichnamigen fiktiven Film des Dokumentarfilmers Tom Navidson. Der wollte seine wilden Tage hinter sich lassen, mit seiner Familie ein ruhiges Leben in einem alten Landhaus beginnen, und diese neue Phase mit Videokameras dokumentieren. Doch dann entdeckt er einen Durchgang in dem Haus, der sich alles andere als normal verhält. Die räumliche Exzentrik des Hauses wird langsam zu einer bedrohlichen Unheimlichkeit. Wie kann es sein, daß ein Haus von innen größer ist als von außen? Was ist das für ein Wesen, dessen Grollen Tom bei seiner ersten größeren Expedition in diese räumliche Annomalie kalte Panik einjagd? Zampano hat den nüchternen Sachtext der Filmanalyse von Navidson mit Fußnoten versehen, und Johnny Turant befußnotet Zampano und vermerkt dabei seine eigenen unheimlichen Abenteuer, die ihn heimsuchen, seit er das Zampano-Manuskript liest. Im hinteren Teil des Buches finden sich z.T. Fragment gebliebende Anhänge, in denen man mehr über die Buchpläne von Zampano und die Familiengeschichte von Johnny erfährt, und der Wahnsinn des kosmischen Grauens ist niemals weit, steigert sich meisterhaft sachte und ich beginne mich abseits der Lektüre bereits hektisch nach Zeichen der Invasion des Übernatürlichen umzugucken … so gut ist Danielewski. — Blinde Mystiker, fiktive Werke über fiktive Werke und vor allem die prominente Rolle die der mythische Minotaurus spielt, dürften reichen, damit Borges-Freunde bei »Das Haus« aufhorchen. Wenn Borges eine Neigung zur langen Strecke des Romans gehabt und sich in Arno Schmidt'scher Manier für Schriftgestaltungsspielerein begeistert hätte, so wäre ihm womöglich ein Buch gelungen, daß sich wie Zwilling von Danielewskis beeindruckendem Debut ausnimmt.
- Die frankoberlgischen
Comic-, äh, Graphiknovellen- & Weltenbau-Magier Francois Schuiten (Illus) und Benoit Peeters (Text) bieten üppige Ausflüge in Welten, die in vielerlei Hinsicht an die Borges'sche Phantastik anknüpfen. Die für sich stehenden und auf lockere Weise einen großen Zyklus ergebenden Einzeltitel der Reihe »Les Cities Obscures« (Die Geheimnisvollen Städte) verführen bei uns seit ca. 20 Jahren zu Reisen in eine von Architektur und Bücherwahn geprägte Parallelwelt. {In geschwungenen Klammern und kleiner Schrift stehen die Titel, die ich noch nicht genauer kenne, weil sie zu teuer sind, als daß ich sie meiner Sammlung derzeit einverleiben könnt}.- In »Der Turm« (Feest Verlag, 1988). S/W mit einigen farbigen Sprengseln. Der Turm ist alt, der Turm ist gigantisch. Weit unten darbt der Instandhalter Giovanni Baptista und ärgert sich. Lange schon bekommt er keine Rohrpost-Nachrichten aus den höheren Gefilden der Turmbauern; seine benachbarten Kollegen sind verschwunden oder gestorben und Giovanni kommt nicht mehr zurande, die bröckelnden Stellen des Turmes auszubessern. Er macht sich auf die Suche nach den Turmbauern, und entdeckt auf seiner Reise durch die Turmwelt, daß die alte Hierarchie kaporres ist.
- »Das Fieber des Stadtplaners« (Feest Verlag, 1989). S/W. Der Urbitekt Eugen Robik ist ein ungeselliger Technokrat, der niemand außer sich selbst für fähig genug hält, die verwinkelte Altstadt von Urbicande zu modernisieren. Doch Robiks Leben gerät völlig aus den Fugen, als er ein mysteriöses Würfelgitter findet, das unaufhaltsam und in unvorhersehbaren Schüben wächst, und schließlich auch das Gefüge von Urbicande selbst völlig durcheinander wirbelt.
- »Die Mauern von Samaris« (Feest Verlag, 1990). Farbig. Franz Bauer wird von den Stadtführen Xhystos in das ferne Samaris geschickt, da keiner der dorthin entsannten Botschafter Rückmeldung gab. Samaris entpuppt sich als unheimliche Kulissenstadt und Franz ist bald nicht mehr in der Lage zu unterscheiden, was Maskerade ist und was Wirklichkeit.
- {»Der Archivar« (1991). Großer S/W & farbiger Prachtband. Hier ist ein Doppelgänger von Borges selbst die Hauptfigur. Als Archivar will er den Mysterien der Welt der Geheimnisvollen Städte auf den Grund gehen. Hier der entsprechende Eintrag aus dem englischen Obscure Dictionary zu der Reihe (Stegreifübersetzung von Molo):
- »Der Weg nach Armilia« (Feest Verlag, 1992). Farbig. Ohne zuviel verraten zu wollen, hat diese Story über eine Luftschiff-Reise quer durch die Welt der Geheimnisvollen Stadt eine erstaunliche Ähnlichkeit mit den Cyberpunk-Thema, das z.B. in »Welt am Draht« und »The Matrix« behandelt wird.
- »Brüsel« (Feest Verlag, 1993). Farbig. Hier treten Schuiten & Peeters am deutlichsten als Kritiker des modernen Städtebaus auf, wenn sie in ihrer fiktiven Doppelgängerstadt des realen Brüsel einen einfachen Blumenhändler durch intrigenreichen Gesellschaftswirren stolpern lassen. Inklusive elektrischer Kuren und Bombenlegerinnen. Womöglich der flotteste Band der Reihe.
- {»Das Stadtecho« (1994). Großfarmatiger quasi-dokumentarischer Prachtband mit vielen S/W, Farb und Photoabbildungen.}
- »Mary« (Feest Verlag, 1996). S/W und manipulierte Photographien. Zwei Wege kreuzen sich: In der Welt der Geheimnisvollen Stadt gerät das persönliche Gravitationsfeld der jungen Dame aus bestem Hause, Mary, aus dem Lot, und von da an schräg daherkommend fäll sie aus ihrem Milieu. In unserer Welt findet ein Maler in einer verlassenen Villa einen Übergang in die Welt der Geheimnisvollen Städte.
- »Der Führer zu den Geheimisvollen Städten« (Feest Verlag, 1998). Quasi-enzyklopädisches Nachschlage- und Schmökerbuch mit ausführlichen Städteportraits, Dossiers über Geschichte der Geheimnisvollen Städte-Welt und einigen ihrer berühmten Persönlichkeiten, zu zu denen auch irdische Leute wie Jules Verne und eben J. L. Borges gehören.
- »Der Schattenmann« (Feest Verlag, 2000). Farbig. Albert Chamisso ist ein höherer Manager und verliehrt während einer alptraumdurchfieberten Krankheit seinen Schatten, genauer: er wird durchscheinend. Dieser Band erzählt, was der Gute aus seiner Misere macht.
- »Jenseits der Grenze 1 & 2« (Edition Moderne, 2002-2004). Farbig. Der junge Karthograph Roland von Cremer trifft bei dem kolossalem Kuppelbau der großen karthographischen Zentrums ein. Im Lauf der beiden Bände kommt es zu einer informationstechnischen Revolution und einem Staatenkrieg. Wunderbar wird hier mit dem Borges-Motiv der ›Karte des Reiches im Maßstab 1:1‹ gespielt (naja, nicht ganz 1:1, aber aberwitzig detailierter Maßstab halt).
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ANMERKUNGEN:
Sprecher B {Fragen & Einwände} (begreifend): Achso ! — Durch das chemisch gereinigte Haupt-Paar in Vordergrunds Mitten, wird das ‹Über=Ich› des Lesers auf's respektabelste beruhigt; so daß dann im breiten Rahmen=Rankenwerk allerlei Schalkisches vor sich gehen darf : ‹da Wir ja doch nur träumen, kommt's darauf auch nicht an›.
Sprecher A (bestätigend): Ergibt sich der Satz : ‹Im Viktorianischen Roman sind die Neben=Figuren immer die Haupt=Figuren›.
Arno bringt hier etwas auf den Punkt, daß nicht nur für den Viktorianischen Roman, sondern (da diese Epoche den heutigen Publikumsroman bis heute stark prägt) auch für viele viele Mainstream-Narrationen immer noch gilt. Jüngstes mir genehmes Blockbusterbeispiel gibt da die »Piraten der Karibik«-Trio ab. Keira Kneightly und Orlando Bloom geben die sich anhimmelnden Lämmerlein treffend, und bleiben doch für mich nebensächliche flache Figuren, da die eigentlich interessanten Helden die zwielichtigen, irren und monstösen Figuren sind wie Jack Sparrow, Davy Jones, Barbosa & Co. ••• Zurück
lucardus
Warum muss ich jetzt auf diesen Bücherturm aufmerksam gemacht werden, der mir sicher entgangen wäre, hätte ich nicht mal wieder beim umtriebigen Molosovsky halt gemacht? Wie schaffe ich mir einen Stellvertreter, der alles unwichtige erledigt, das Geld heranschafft und mir das Lesen übrig lässt und natürlich das Stöbern und Erkunden? Molosovsky, Du Verführer! Elender!
Aber gut Ding will Weile haben. Erst die "Confusion", dann "Vellum" und den Band von VanderMeer ...
Und wehe, es gibt dann wieder einen neuen Lockruf, noch ehe ich all das erledigt habe.
molosovsky Besitzerin
Meine Empfehlungen verstehe zumindest ich selbst nicht als superaktuelle Kauf- und Konsumtipps. Noch hab ich das Gefühl, lauter Lücken zu füllen und eher ausnahmsweise zum Mainstream-Palaver beizutragen.
Die Babelbücher sind ja bestimmt länger zu haben, und wiegesagt: die ganze Reihe ist eine Lebensanschaffung, denn man hat damit eine große Auswahl an eher kürzeren Texten, also vielen Ideen, Stimmlagen, Stilen.
»Comfusion«, na viel Spaß auch. Ich habs ja durch (englisch) und les nun immer wieder mal die deutsche Fassung. Immer Sommer mehr von mir im MAGIRA dazu, obwohl es eigentlich den dicken, überquellenden Barock-Zyklus-Büchern gerechter würde, wenn man jedes einzelne von ihnen mit einer vollen Rezi behandelt. — Meine langsamere dt. Zweitlektüre wird vielleicht noch entsprechende »Extended Rezis« zeitigen. Immer ist meine Meinung, daß dieser Barock-Zyklus enorm viel Zündkraft hat und sowohl im literarischen als auch im genre-phantatischen Terrain interessante Einsichten und Fragen provoziert.
»Vellum« steht auf meiner möcht ich mal näher reinschaun-Liste. Die guten Meinungen dazu, z.B. im ersten PANDORA, machen mir Hoffnung. — Ich hoffe ja, daß Du irgendwie wieder einen Weg zum bloggen findest, Lucardus, damit ich vielleicht auch Deine Re-Aktion auf »Vellum« mitbekommen kann.
Und zum Schluß: (frech) zum sich-verlocken-lassen gehören zwei. (Wieder nüchtern) Falls ich also zu kaufbefehsmäßig rüberkomm, mach ich was falsch (hrmpf), also einfach nicht so arg verlocken lassen oder halt sparen. — Ich hoffe ja, mit meinen kommenden »Bibliothek von Babel«-Ausflügen noch genauer ausdeuten zu können, welche Einzelbände sich für welche spezielleren Phantastik-Narr-Interessen eignen (könnten).
Noch leb ich selbst noch fern der Welt, wo man aller Medien die einen reizen, mehr oder weniger problemlos habhaft werden kann; kurz: ich muß verdammt knapsen mit der Kohle und denk sehr genau nach (Spontankäufe … was soll das sein?). Zum großen Sparen bin ich ja zu lasch, aber das kleine Sparen hab ich drauf, auch wenn es sich halt schon mal über Jahre zieht, bevor ich mir einen 100 Euronen-Schinken leisten kann. Hier in Frankfurt (und einigen anderen Antiquas anderswo) hab ich inzwischen einen ca. 15 Jahre lang trainierten Jagdriecher für Sonderposten und gebrauchte Bücher entwickelt.
Ach ich verplapper mich und bevor ich davon anfange, daß ich mich eh nicht für tagesaktuelles NewsNewsNews-Empfehlen für geeignet halte, will ich lieber froh sein um Deine etwas auf den Kopf gestellte Begeisterung für die Babel-Empfehlung,
Danke brav und sag gut Nacht und süße Träume für heut.
Alex / molo
merzmensch
Oh ja,
Danielewski ist genau das, was ich mir längst wünschte zu entdecken: diese Verschachtelungen, diese metatextuelle Selbstironie, diese Intertextualität und vor allem - so viel Vergnügen beim Lesen, das alles erlebt man leider nicht so oft. Das letzte mal hab ich's erlebt, als ich vor ein Paar Monaten meinen Lieblingsmystiker Tommaso Landolfi zum x-ten gelesen habe. Zwar ist er, was das Typographische angeht, eher bescheiden. Doch die Mysterien seines Alltages sind wunderbar.
molosovsky Besitzerin
Deinem Jubel kann ich nur rundum zustimmen, merzmensch.
Danielewski ist halt ein echter Glücksfall. Einerseits hochintellektuell und vertrackt, andererseits aber auch lebensnah und gesegnet mit einem weitgefächerten Stilregister. Da wirds (zumindest mir) dank der Abwechslung nie langweilig und trotz des gedanklich hohen Niveaus nicht zu anstrengend.
Allein die Kontraste zwischen den verschiedenen Erzähler/Kommentator-Stimmen sind ein Genuß: dort der nüchterne »Navidson Bericht« mit seinen tiefschürfenden Gedanken über z.B. Echo oder die verschiedenen Arten von Rätseln; da die hemdsärmeligen Notizen von Johnny Turant über sein Dasein als Tattooklitschen-Schlappenschammes. Ein gelungenes Ping-Pong zwischen exzentrisch-›objektiver‹ und slackerisch-›subjektiver‹ Welterfahrung. Hinzu kommen ja noch weitere Stimmen. Die Briefe von Johnnys Mutter hab ich bereits hinter mir. Grand! Nebenbei enthalten die auch das erste ›Spielbuch‹-Angebot, dem ich folgte, denn »House of Leaves« joungliert ja auch noch mit versteckten Geheimbotschaften (siehe z.B. die Anfangsbuchstaben der Fußnoten).
molosovsky Besitzerin
Ich weiß, es ist eigentlich etwas verwirrend, dass meine Empfehlung zu diesem Schmöker hier im Eintrag zu Borges »25. August 1983« versteckt ist.
Jetzt hat sich drüben, im Bücherblog von Bernd Sperber, hat sich ein kleiner Dialog zwischen Bernd und mir entwickelt. Bernd ist etwa so weit wie ich vorgedrungen in das Dickicht dieses ungewöhnlichen Romanes, aber unsere Eindrücke divergieren: er kratzt sich am Kopf und fragt sich, ob er Nepp auf dem Leim ging, ich bin begeistert und verlauf mich gern in dem Labyrinth von Danielewski. Trotzdem hab Bernd loben müssen, weil er es trotz Missfallen versteht fair über diesen Megaeintopf von einem Buch zu lästern.