molochronik
Mittwoch, 19. Dezember 2007

Poetikvorlesung mit Helmut Krausser

(Eintrag No. 427; Woanders, Literatur, Pathos) — Eine der regelmäßigsten Stiche meines schlechten Gewissens, bzw. meiner selbstwahrgenommenen Unzulänglichkeit gründet darin, dass mir bisher noch viel zu wenig Einträge über Helmut Krausser gelungen sind. Immerhin ist er einer der wichtigsten lebenden Kreativen für mich.

Da freut es mich, nun »Die Sprachspielerin« gefunden zu haben. Sie berichtet nämlich über die Poetikvorlesungen von Krausser. Es geht um »Pathos und Präzision«.

Erster Teil vom 08. Nov. 2007:

Er feiert das Pathos nicht, aber er befürwortet es besonnen, möchte es wieder aufgenommen wissen ins Repertoire stilistischen Handwerkszeugs, gerne gepaart mit Ironie, verteidigt es gegen Kritiker, die nur noch Textökonomie unterstützen und Klarheit. Pathos sei eine Übertreibung und Verdeutlichung, eine Unterstreichung der Wichtigkeit, ein Schritt an die Kante, bewege manche Menschen, während es für andere nur schwer erträglich sei. Kinder und Jugendliche würden magisch vom Pathos angezogen, es scheine etwas natürliches zu sein, was den Menschen erst später ausgetrieben werde. Und schließlich: Kunst ohne Pathos sei unmenschlich und blutleer.

Zweiter Teil vom 09. Nov. 2007:

Ganz anders als Alban Nikolai Herbst in seiner Heidelberger Poetik-Vorlesung befürwortet Helmut Krausser eine Trennung zwischen U- und E-Literatur überhaupt nicht und meint sogar, die E-Literatur sei zumeist marginal, beleidigt, von sich selbst eingenommen und messianisch, obwohl sie ein Randdasein friste. Man solle doch lieber den Reichtum des Nebeneinander anerkennen und genießen. Krausser ist der Meinung, gute Literatur müsse es auch mit Harry Potter oder einem Computerspiel aufnehmen bzw. auch eine Dreizehnjährige ohne viel Leseerfahrung begeistern können.

Dritter Teil vom 06. Dez. 2007:

Kraussers Blick auf die Zukunft: eine neue Romantik, ein neuer Idealismus, ein Sturm-und-Drang des Inneren deute sich zumindest an (auch wenn eine neue Epoche sicher neue Benennungen hervorbrächte). Die Behauptung, nach Joyce könne man nicht mehr auktorial schreiben, stamme von Autoren, die weder auktorial nocht sonst wie schreiben könnten. Ein Autor könne niemals etwas für die Nachfolgenden einengen, die einfachste Definition von Kunst sei schließlich immer noch ‘Bereicherung der Welt, Erweiterung des Horizonts’, das stünde ganz im Gegensatz zu einer Einschränkung.
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