molochronik
Sonntag, 1. März 2009

Gott, christliche Männer, Todesstrafe & Soldaten

(Eintrag No. 542; Gesellschaft, Religion, Fundamentalismus, Großraumphantastik) — Lobenswerterweise hat Gerd Langguth in der »Die Welt« in gesetzten Tönen schon am Freitag darauf hingewiesen, dass es hierzulande neben islamischen Fundamentalisten, links- und rechtslastigen Extremisten auch christliche Querprediger gibt, die es dank ihrer zu steilen gesellschaftlich-politischen Thesen verdient hätten, mal genauer vom Verfassungsschutz beäugt, und gegebenenfalls verboten zu werden.

Gemeint ist (natürlich) die in den letzten Wochen bekannt gewordene Piusbruderschaft, welche zum einen Holocaustleugner in ihren Reihen kennt, die aber zum anderen vom Papst wieder zurückgeholt wurde an die Brust von Mutter Kirche.

Ich habe mir nun den von Langguth vorgestellten Text mittlerweile angesehen. Er stammt vom Oberhaupt der deutschen Piusbrüder Pater Franz Schmidberger und findet sich in »Civitas. Zeitschrift für das christliche Gemeinwesen« No. 1/2008, Seite 47 - 51.

(Im »Civitas-Institut« haben sich christliche Laien zusammengetan um »um ihren Beitrag zur Verwirklichung des sozialen Königtums Jesu Christi zu leisten«)

Was hat einer wie Schmidberger für Vorstellungen, wenn es um »Grundsätze einer christlichen Gesellschaftsordnung« geht? — Hier meine (angesichts der Materie für manchen vielleicht arg respektlose) Zusammendampfung und Auslegung der 18 BastaAxiome.

  1. Es gilt das von GOtt kommende Naturrecht (¿des Stärkeren?), und somit die übernatürliche Heilsordnung der Mutter Kirche ohne Wenn und Aber für alle Menschen nach dem Sündenfall (damit sind wir gemeint).
  2. Der Boss im Staat ist nicht die Regierung, auch nicht das Volk, sondern eben GOtt, der ja alles lenkt und waltet (»Es gibt keine Gewalt, die nicht von GOtt käme.« Damit sind auch gemeint alle Grippeviren, Selbstmordattentäter, Autounfälle, Meteoreinschläge und alle dargestellte Gewalt in Ballerfilmen und Killerspielen). — Auch Regierungen, welche nicht demokratisch und offen gewählt wurden, können somit für diesen Christenmenschen legitim sein. Erwähnt wird als Beispiel die Erbmonarchie, aber eigentlich könnten damit alle gemeint sein, die es irgendwie geschafft haben, sich an die Spitze einer lokalen materiellen Hackordnung zu hieven.
  3. Wählen sollten nur noch Familienoberhäupter dürfen. Keine Singels, keine Frauen. Unfruchtbare und anderwertig Kinderlose haben Pech gehabt.
  4. Parteien sind des Übels, denn sie spalten das Volk. Christliche Männer, sittlich reif und reich an Lebenserfahrung sollten sich um das Gemeinwohl kümmern.
  5. Weltlicher Zentralismus ist böse, außer natürlich wahrscheinlich, wenn der der Zentralismus vom Vatikan ausgeht. (ABER: Metaphysischer Zentralismus mit dem einen GOtt in der Mitte ist supergut.) Die Obermonsterform des weltlichen Zentralismus ist der Internationalismus, denn er macht alle eigenständigen Völker und Kulturen kaputt. Nicht fruchten sollen also alle Ideen von einer gleichberechtigten Weltgemeinschaft. Weltbürgertum ist übel. Schön findet der Christenmensch a la Schmidberger aber einen Zustand, der dem Gestaltungsprinzip des ›Teile und Herrsche‹ folgt. Ich vermute mal ins Blaue, dass man dann auch wieder Latein als die einzige weltweite Amtssprache einführen will; nicht ohne zuvor alle Lateinlehrbücher, die sich außerhalb des christlichen Zugriffs befinden, zu vernichten.
  6. Ehen sind unauflösbar, punktum. Jegliche sexuelle Handlung außerhalb der Ehe ist des Teufels (aber letztendlich ja auch wieder auf GOttes Wirken gegründet, siehe Punkt 2.) Und Verhüterlis müssen alle weg.
  7. Ach ja, wenn man schon mal dabei ist: Gotteslästerung, Homosexualität, Pornos, Abtreibung, »das schöne Sterben« und Drogen sollen weg. ¿Wie, kein Wein mehr, kein Kaffee, keine Medikamente, gar nix mehr? Nur noch Oblaten? (Panik) — Freimaurer und Geheimgesellschaften sollen auch weg. Gilt das dann auch für christlich-katholische Geheimgesellschaften, oder was? Dürfte man in einer Welt, die Schmidbergers Thesen folgt, erwarten, dass Opus Dei und Co ihre Türen und Tore weit aufmachen, um allen offen und frei zu zeigen, was man so den lieben langen Tag macht? Keine geheimen Sitzungen mehr, nirgendwo? Auch nicht bei der Papstwahl? Alles auf den Tisch!! Perdauz, die Idee finde ich gut.
  8. Außer der katholisch-christlichen Kirche und ihrer Religion hat kein anderer ›Kult‹, keine andere Religion ein Naturrecht auf Existenz. —(Sprache ist doch was feines. Kann man einfach so hinschreiben: »Eingewachsene Nasenhaare haben kein Naturrecht auf Existenz.«)— Warum gibt’s dann trotzdem andere Kulte und Religionen? Weil der liebe GOtt, der oberste Gewaltensteuerer, nun mal die wunderbare Vielfalt liebt, denk ich mir in meinen religiös durchhauchten Augenblicken.
  9. Gemeinwohl soll sein: geistlich-geistiges Wohl, Tugendhaftigkeit, Ruhe und Ordnung. Keine Widerworte, keine mehr oder minder chaotischen Debatten, keine Meinungsvielfalt. Status Quo macht alle froh.
  10. Die Familie sie die Kernzelle so eines Christenstaates. Erziehung und Bildung soll in deren Hand und der der Kirche liegen. Nix mehr öffentliche Schule und weltlicher Bildungskanon. Aber durchaus her mit Grundbesitz und Privatinitiative. Wenn geistig alles gleichgeschaltet wird, brauchen die Leute ja was, worum sie sich raufen können.
  11. Juristisch soll erstmal die Rache im Mittelpunkt stehen, dann erst die Läuterung des Verbrechers. (Von Opferhilfe ist gar nicht die Rede, außer freilich wenn es um Rache geht.)
  12. Dazu passt, dass die Todesstrafe als geeignet betrachtet wird, um Schwerverbrechern beizukommen (Abschreckung). Ganz nebenbei könnte man auch wieder dolle Spektakel mit Blut und Grauen auf den Marktplätzen bieten. Merke: wo keine allgemeine Unterdrückung und Brutalität auftritt, da ist’s auch mit der heiligen, zitternden GOttesfurcht nicht weit her.
  13. Schluss soll sein mit der Tyrannei der Banken und des Kapitals (diesen elendigen Konkurrenten der Kirche). Finanzielle Spekulation ist Sünde (unhaltbare Spekulationen der Kirche über einen absoluten, obersten Mono-Gott oder ein Leben nach dem Tod aber sind erlaubt, ja sogar erwünscht).
  14. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen mit ihrem kleinlichen Gekabbel aufhören, zusammenkommen und sich um ihre gemeinsamen Interessen kümmern. — (»Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt«, die der unwissentliche GOttes-Prediger Marx schon wußte.) — Klingt ja schön, denn eine lebenserhaltende Umwelt oder friedliche Zukunft liegt ja im Interesse aller. Nur: wie soll das funktionieren, wenn Privatinitiative und Grundbesitz noch gelten sollen? Oder will der Kirchenstaat alle, die zu groß werden um noch gemeinwohlverträglich zu agieren, enteignen und auf ein gesundes Machtmaß zurechtstutzen?
  15. Unternehmer sollen (geistig-moralische) Väter ihrer Arbeiter sein, was sie dadurch erreichen, dass sie vorbildlich Sonntags in die Kirche gehen, Sakramente empfangen, und zum Arbeitsbeginn vor versammelter, mitbetender Belegschaft den Segen GOttes herabrufen.
  16. Überhaupt sollte wieder die Agrarwirtschaft DIE Grundlage eines Landes sein. Agrarfabriken und Kolchosen sind aber des Übels (ich nehme aber an, dass Schmidberger sich ein Wiederaufblühen der Klöster erhofft). Vielleicht ist damit auch gemeint, dass es statt Autobahnen und freier Fahrt dann Schrebergärten für alle geben geben soll.
  17. Völker sollen den Willen haben, das Reich Gottes verteidigen, was sie erreichen indem sie den Willen haben ihren Glauben (ihre Grenzen, ihre Kultur, ihre Bewohner) zu verteidigen. Oh wie innig verbunden, weil sich einander ähnlich, sind doch die ehrwürdige Missionars- und Soldaten-Berufung. Sie verteidigen: nach Innen, nach Außen, nach Überallhin, wo durch GOttes kecken Humor die Gewalten des Bösen und der Sünde angestoßen wurden uns Erbsünderherde zu versuchen.
  18. Lieben sollen wir die Erde (siehe Agrarwirtschaft), die Natur (wohl bei einer Wallfahrtswanderung), das Volk, die Arbeit, die Heimat mit ihren Bräuchen und Traditionen (und so etwas wie freie Meinungsäußerung, Skeptizismus, Atheismus, Heidentum usw. hat freilich keinerlei Anspruch darauf, sich als eine Tradition zu bezeichnen). — Entwurzelung (von der einen selig machenden Kirche und ihren GOtt), Landflucht (aus Gegenden, wohin die dolle christliche Gesellschaftsordnung ihre Krisen und Notstände hinverlagert hat), und Großstädte (Herd allen weltlichen, kirchenkritischen Denkens) sind ein Fluch.

Wenn ich noch lange genug lebe, und es Christenmenschen dieser Denke schaffen die Macht wieder an sich zu reißen, dann freue ich mich schon auf die Ehre, von denen an den Pranger gestellt zu werden. Mit einer munteren Beethoven-Ode auf den Lippen würde ich zum Scheiterhaufen gehen. Bis dahin bleibt mir nur, mich zu gruseln.

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