molochronik
Samstag, 16. Januar 2010

Deutsche (Bullshit-Bingo)Fantasy: zwei Beispiele

Eintrag No. 604 — Unsortierte Gedanken die in meinem Hirn herumschwirren, seit ich die Uffegung über deutsche Fantasy im »Reality Sucks«-Blog entdeckt und kommentiert habe.

Dem Tenor der dortigen Klage stimme zwar zu (die hiesige Fantasy ist vergleichsweise mau, denn es gibt keine Tradition auf die man bauen könne), auch wenn ich in den Kommentaren relativiere (gibt wohl eine Tradition an fantasyartiger deutscher Phantastik, nur baut man eben zu wenig darauf).

Bereits geäußert habe ich den Verdacht, dass die neuere deutsche Fantasy, vor allem da wo sie erfolgreich ist, erstaunlich und zeihenswert wenig auf literarischem (Traditions-)Bewußtsein fußt, sondern ihre Mühlen vielmehr und nervigerweise überwiegend von Franchise- und Derivat-Strömungen antreiben läßt.

Am vielleicht meisten irritieren mich dabei die Mängel, dass Figuren und Weltenbau vieler Bücher heimischer Produktion geprägt sind von minderem Oberflächenglitzer, Posertum und dadurch die gerade für Phantastik so wichtige Glaubwürdigkeit der Handlung & des Weltenbaus schnell verlustig geht.

Zwei Beispiele aus Romanen von erfolgreichen deutschen Autoren. Um dem Verdacht vorzubeugen, dass ich nur hämisch vorzuführen will, lasse ich Titel und Namen ungenannt.

  • Eine mittelalterlich anmutende Fantasywelt. Ein Verurteiler wird bestraft, man sperrt ihn in einen Eisenkäfig in dem er verhungern soll. Das ist ja bekannt aus Spielen wie »Stronghold« oder Filmen wie »Der König der letzten Tage«. Da dient diese Art der Bestrafung dazu, die Bevölkerungsmoral zu zähmen, und durch Einstreichen einer Besichtigungsgebühr Gewinn zu machen. In dem Fantasyroman aber bringt man den Käfig in einen abgelegen Teil des Waldes, womit die ganze Aktion ihre gedachte Wirkung einbüßt. Noch dazu gäbe es in dieser Fantasy-Welt eine billige Möglichkeit für Rohstoffgauner an Metall zu kommen.
  • Eine Alternativwelt-Version der 1920er-Jahre mit Fabelwesen und Magie. Im fernen Asien hat ein Tyrann in großer Berghöhe eine Palastfestung, vollgestopft ist mit wertvollem Zeug. Darunter auch ein Gemälde von Caspar David Friedrich. Der Roman erwähnt, dass es kalt ist (es ist Januar) und die Bediensteten des Tyrannen deshalb in dicken Klamotten rumlaufen. Nun sind Ölgemälde sowohl klima- als auch temperaturempfindlich. Ein Ölgemälde würde bei derart ungünstigen Raumklima schnell Schaden nehmen, die Farbe brüchig werden, reißen und platzen. Also: so ehrenwert es ist, Lesern mittels eines Homage-Cameoauftritts die schönen Künste nahezubringen, so wenig durchdacht ist die Platzierung und damit der gutgemeinte Effekt perdü.

Beiden Szenen begegnet der Leser sehr früh zu Beginn der beiden Romane. Muss ich noch extra erwähnen, dass es nach solchen Schnitzern schwer ist, den Rest dieser Bücher ernst zu nehmen?; Und dass man somit verführt wird, sie gegen den Strich zu lesen und sich seine Lesefreude dadurch zu bereiten, indem man Genre-Fantasy-Bullshit-Bingo spielt?

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