Belgien, Brüssel: Tag 3
Eintrag No. 608 — Gestern abend zum ersten Mal derbe belgische Frittches mit Curry- bzw. Remouladetunke gegessen. Fein fein, obwohl … danach etwas unruhig geschlafen.
Heute dann früh raus, bei nicht mehr ganz so kalten (weil windstillen) 5° über Null. Urlaub mit mir ist, bis auf meine Frühaufsteherei, eigentlich ganz unkompliziert. Ich renne gerne durch die Gegend, auch planlos und mit viel versicherndem Geplapper darüber, dass ich mich nicht verlaufen aber Hunger & Durst habe. Museen, Zoos, Galerien, Geschäfte aller Art immer gerne. Architektur auch. Leute gucken aus der Deckung hinter einer Tasse Schoko oder einem weizenartigem Getränk. Alles fein. Abends dann bitte Theater, Kabarett, Kino, oder einfach zuhause bleiben. Kneipe oder ›Disko‹ bitte nicht unbedingt.
Heute kaum aufberochen, gleich hier beim Gemeindehaus Saint-Josse-ten-Noode eingebremst, wegen dieser netten Figur eines typischen ›Bürgers‹. Keine Ahnung, wer der Künstler ist. Hatte nichts zu Schreiben dabei heut.
Dann auf die Rue de Louvain zugehend denk ich mir: »Nanu, Bauarbeiten?« Aber nein. Auch hier wieder Kunst im öffentlichen Raum. Diesmal eine rote Holzstruktur mit grauen Einsprengseln. Was für eine irre Arbeit. Da hätte ich gerne zugeschaut, wie die das willenlos zusammenhämmern.
Und diese Struktur geht handbreitnah bis an die Gebäude heran. Würde bei uns kein Brandschutz zulassen! Aber für Kunst, so scheint’s mir, pfeifft der Brüssler auf alles. — {Nachtrag: Es handelt sich hier um die Skulptur »The Sequence« von Arne Quinze.}
Diese Struktur kann man sogar bei Google Map / Google Earth erkennen.
Weiter gings durch einen Park, dessen Grundriss aus 1342 Freimaurersymbolen besteht, und in dem krass kitschige und riesige neo-barock Kindchen-Nackedeis herumstehen und unerträglich Raffael-mäßig süß sind, so dass ich flüchten musste und mich danach über ein eigentlich ziemlich prosaisches Loch im Park freute wie nicht gescheit.
Runter gekommen von der Kitschpanikattacke bin ich dann im Magritte-Museum. Durfte dort keine Photos machen. Aber es lohte sich fett. Ich bin vor allem vom frühen Magritte beeindruckt, und auch seine Zeichnungen sind m.E. schwer unterschätzt. — Seit in der Schirn die pro-punkige Kuh-Periode (Periode Vache) zu sehen war, ist meine ohnehin schon große Sympathie zu Magritte nur noch gewachsen.
Per Kombi-Ticket gings nach dem Magritte weiter ins Museum der Schönen Künste. Im Museumsshop fast bei den Bosch Aktion Figures zugeschlagen. Naja, ein ander’ Mal vielleicht. — Für diesmal reichen mir drei Lesezeichen und zwei Breughel-Poster (»Kampf Karneval vs. Fasten« für mein Arbeitszimmer und »Höllensturz der gefallenen Engel« fürs Schlafzimmer).
Was sehe ich dann im großen Foyer des Museums für Schöne Kunst? Einen maglomanischen Samsa-Traum?
Geht ein paar Schritte zurück …
… und ihr erkennt, dass hier die Welt von Insekten erobert wurde.
Als Erholungskontrast hier eine kecke Keulenmuse. Leider hab ich keine Ahnung mehr, wer die gemalt hat (siehe Schreibzeug vergessen). Sie ist zu sehen auf einem Bild, dass eine Frauengruppe im Malatelier darstellt und dies ist die Schönheit in der Mitte, die Modell steht.
Die revolutionäre Entdeckung des Tages ist für mich das Kirschbier, sogenanntes Kriek, das verschiedene Brauereien anbieten. Warum muss ich erst selbst mit fast 40 drauf kommen, dass es Kirschbier gibt??!! Warum hat man mir das nicht schon viel viel früher mal gesagt???!!!
Meine größte Sorge ist nun, ob ich im heimatlichen Frankfurt irgendwo dieses Zeug aufstellen kann.
P.S.: Gerade noch mal Tippfehler ausgemerzt. Dabei festgestellt, dass Kirschbier eien furchtbaren Schädel macht, der aber sehr schnell verfliegt. Bin nicht sicher, ob das nun eine gute oder eine schlechte oder eine gute & eine schlechte Nachricht ist.
therealstief
Im Wäldches (Ginnheim) gab's ein selbstgebrautes Kirschbier, das sogar irgendwo zu Vizeweltmeisterehren gekommen war. Nachdem die Nachfolgewirtschaft im Westhafen gar nicht erst aufmachen durfte, weiß ich leider nicht, ob und wo es noch Wäldchesbier zu kaufen gibt.
Ach, dieses Internet weiß natürlich wieder alles (in- bzw. exklusive charmant verschusselten s'): http://www.waeldches.de/produkte/kirchbier.html
molosovsky Besitzerin
Oh lieber guter echter Stief.
Sie wisse schon, dass Sie mir mit ane Möglichkeit in Frankfurt a Kirschbier zu dringe sozusagen also echt das Leeeeebe rett’n!!!
Bisher habe ich (noch in Brüssel) die Krieks von Belle-Vue (sehr süß), Lindemans (nicht ganz so süß, aber immer noch), Mort Subite (herber) und einem Edelstoff im Cafe, Bood, die habn’ne Goldmedaillie des Belgischen Gedönsverbandes für Lebensmittel gewonnen (auch herber und sehr sehr süffig).
NACHTRAG: Das Kirschbier von Wäldchens hat ›weniger Allolhool‹. Kann das dann Kriek-artiger Stoff sein, der immerhin mit 4 bis 6 Bumms auf die Glocke haut?
Fragen über Fragen.
schmerles
Schöner Bericht. Warum fahren von den Frankfurtern (Main) jetzt so viele nach Belgien? Ist das genetisch verankert?
molosovsky Besitzerin
Ich wollte schon nach Brüssel, da war ich noch Ingolstädter, bzw. Zivi-Marburger, bzw. Gast-Wiener. Ich will nach Brüssel, seit ich die Schuiten & Peeters-Comics über »Die Geheimnisvollen Städte« kenne; seit ich weiß, dass es dort ein Comicmuseum gibt.
Dass ich jetzt (erst) als Wahl-Frankfurter mal in Brüssel war, ist also reiner Zufall (oder ist vielleicht doch ein dunkler Schicksals-Sog aus der anderen Welt verantwortlich?).