Bald auch Gebühren für Molochronik?
Eintrag No. 625 — Ich weiß gar nicht wohin mit mir. Die Ministerpräsis haben beschlossen, nun auch von mir Fernsehverweigerer (aber Radioliebhaber) ab 2013 den satten Satz an Rundfunkgebühren zu kassieren (also ca. 18 statt bisher ca. 8 € im Monat!). Die Begründungen sind sehr dünn, und ich rechne damit, dass da noch eine Petition, eine Klage oder ein Aufstand losbricht.
Wenn ich schon für den ganzen Schiet von ARD und ZDF mitzahlen soll (also nicht nur für die von mir so geliebten Wort- & Klassik-Radiosender), dann will ich auch ein Mitspracherecht! Dann will ich bestimmen können, dass man z.B. »Father Ted« endlich mal auf Deutsch bringt, dass Herr Gottschalk in Rente geschickt wird, weniger Neoliberale und Neocons herumpropaganderln dürfen usw.
Oder anders: ich will bestimmen können, welchem Programm-Segment meine Kohle zugute kommt. Ich gäbe gerne meine ca. 18 € an die Öffentlich-Rechtlichen, wenn meine Kohle ausschließlich für gescheite Literatursendungen, Kulturzeugs das nicht nur zur Unzeit läuft, für feine Hörbuch- und Hörspielproduktionen, Radiofeatures usw ausgegeben wird. Aber es grämt mich und macht mich zürnen, wenn ich daran denke, welche Fetzenschädel den Löwenanteil der Gebührengelder bekommen werden, und für welchen Dünnpfiff die rausgeballert werden (»Wetten Dass?« aus Dubai und Fussball-EM/WM-Rechte bis 2075 sichern … würg).
Überhaupt, da ich keinen Fernseher habe: Darf ich annehmen, man will dafür sorgen, dass ab 2013 alle öffentlich-rechtlichen Sendungen (Radio und TV bitteschön!) dann jederzeit per Internetzugang abgerufen werden können? — Das würde mich freuen, denn dann komme ich endlich an das »G.A.S.«-Hörspiel des WDR nach dem Roman von Matt Ruff rann! Bisher darbt das in den Tiefen der Rundfunkarchive.
Zuletzt ein lustiges Paraphrasen-Gedankenspiel (basierend auf dem Kirchhof-Gutachten wie es in Robin Meyer-Luchts »Spiegel«-Artikel vom 10. Juni »Gebühren für jede Pommesbude« zitiert wird): meine Molochronik-Inhalte kommen auch »allen zugute, und deshalb sollten sie zukünftig auch durch alle finanziert werden. Man kann jederzeit auf molochronisch-öffentliche Inhalte zugreifen und das ist ja ein ›individualnutziger Vorteil‹ für jeden.«
Da die vollen Rundfunkgebühren auch für internetfähige Geräte erhoben werden, habe ich als Beiträger der ›Gesamtveranstaltung Rundfunk‹ fairerweise auch Anspruch auf einen Teil der neuen Pauschalgebühren, oder darauf, selbst welche zu erheben, oder? Kann man das nicht einfach rückverrechnen? Ich verzichte darauf, für die Molochronik Gebühren zu erheben und zahle also weiterhin nur für die öffentlich-rechtlichen Inhalte, die tatsächlich nutze (nämlich Radio und ganz superselten mal ein Website-Feature).
lomax
"Darf ich annehmen, ... dass ab 2013 alle öffentlich-rechtlichen Sendungen dann jederzeit per Internetzugang abgerufen werden können"
Darauf hoffst du vermutlich vergebens, denn immerhin hat man rechtzeitig vorher ja schon zum Schutz der Privaten die Regelung durchgebracht, dass die Verfügbarkeit von Öffentlich-Rechtlichen Angeboten im Netz zeitlich beschränkt wird ;-)
Ansonsten - materiell leide ich auch unter der Änderung und werde dann demnächst wohl auch mehr bezahlen. Und dass, obwohl ich auch niemals öffentlich-rechtliches Fernsehen schaue, sondern vor geraumer Zeit schon den Fernseher gegen DVD-Player + Empfangsteilfreien Beamer eingetauscht habe. Genaugenommen höre ich nicht einmal Radio, obwohl ich bedauerlicherweise welche hier stehen habe und dafür bisher auch bezahlt habe (man kriegt ja leider die Tuner so schlecht aus den Kompaktanlagen heraus) :-/
Aber trotz der materiellen Nachteile für mich persönlich muss ich feststellen, dass ich die neue Regelung grundsätzlich als Verbesserung empfinde. Das alte System inklusive Miniaturstasi war schlichtweg unzumutbar; und die Abrechnungen mit ihren undurchschaubaren Sonderreglungen in Bezug auf Arbeitszimmer, Mitbewohner, Fahrzeuge etc. waren förmlich eine Einladung fürs Grenzenaustesten und unberechtigte Abzocke (ich erinnere mich da beispielsweise an einen Bekannten, der vor einigen Jahren mal Besuch von der GEZ erhielt und dann für jeden einzelnen Bildschirm in seinem Arbeitszimmer extra die volle GEZ-Gebühr bezahlen sollte) :-O
Dass das alles wegfällt, dass das System übersichtlich wird und damit auch der Verbraucher genau weiß, auf welcher Seite er steht, und dass sich das System ohne Verletzung der Privatsphäre überwachen lässt, halte ich für einen deutlichen Fortschritt. Da zahle ich dann gerne auch zur Wahrung wünschenswerter Prinzipien etwas mehr, und ich würde es schon bedauern, wenn durch Klagen oder anderes alle oben genannten Missstände erhalten blieben, nur damit diejenigen, die vom alten System profitiert haben, ein paar Euro sparen.
Andere Punkte, wie die Frage, ob die Gebühr überhaupt noch angemessen ist, und vor allem ob sich das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen nicht entschieden ändern müsste, damit sie angemessen wäre - da gebe ich dir inhaltlich in jedem einzelnen Punkt recht. Aber das halte ich für ein anderes Schlachtfeld.
Denn immerhin darf man nicht vergessen, dass auch schon nach dem alten System auf breiter Front für dieselben schlechten Leistungen bezahlt wurde, von vielen Leuten, die diese Leistungen weder wollten noch sie in Anspruch genommen haben. Da ändern sich durch die Neuregelung eigentlich nichts - nur dass ein paar einzelne jetzt in eine günstigere oder in eine ungünstigere Nische des Gebührensystems rutschen.
Und ist es nicht im Grunde die Ursache für die meisten Missstände in unserer Gesellschaft, dass jede Minderheit auch gegen für die Gesamtgesellschaft vorteilhafte Änderungen ankämpft, sofern sie dadurch Vorteile verliert, die sie zuvor vielleicht nur durch zufällige Systemlücken bekommen hat?
molosovsky Besitzerin
Irgendwo im Netz, habe ich eine genauere Stichpunktliste der neuen Regelung gelesen (hab im Augenblick keine Zeit, die zu suchen), und ich vermute, dass was Robin Meyer-Lucht in seinem oben verlinkten Artikel schreibt, eher mal stimmt, dass nämlich die ›Miniaturstasi‹ weiterhin gebraucht wird, um zu kontrollieren, ob eine Wohnung leer steht, ob eine Wohnung dem verminderten Tarif für Zweit- & Ferienwohnungen entspricht, ob und wer die Haushaltsabgabe übernimmt, wenn die zuerst herangezogene Person nicht zahlen kann usw.
Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum viele Leute so einen Bammel, oder Abscheu oder schlechte Vibes wegen den Kontrollfuzzis haben. Die dürfen klingeln, aber nicht in die Wohnung. Sind also in etwa zu lästig wie Zeugen Jehovas.