molochronik
Dienstag, 3. August 2010

Molos Wochenrückblick No. 13

Eintrag No. 641 — Nicht lange rumlgelabert. Hier die dieswöchigen Links.

NETZFUNDE

  • Peter Sloterdijk, den manchen ja nur für einen bedenklichen Dampfplauderer halten, dessen Bücher mir aber großes Vergnügen bereiten, hat in »Der Welt« ein Interview gegeben: »Wir leben in einer Frivolitätsepoche«. Interessant ist, dass Sloterdijk dieses Gespräch dazu nutzt, irrige Interpretationen zu Äßerungen von ihm aus dem letzten Jahr zu relativieren. Sloterdijk hatte (flappsig umschrieben) in der jüngsten Vergangenheit vom verbrecherischen Akt erster Aneignungen und dem Steuerstaat als großen etablierten Dieb von Privatvermögen gesprochen und schließlich davon, dass es wünschenwert wäre, man käme weg von einer Zwangsabgabe hin zu einer neuen Kultur des Mäzenatentums und Spendens. Jetzt nun sagt er deutlich, dass der Staat sich durch irrationale Wirtschaftsideologien entmächtigen ließ, in der Finanzkrise aber wieder als einziger Milliardär der importiert rettend auftreten dürfe.
  • Othmar Keel lieferte für die »NZZ« einen Essay über die tierischen Ursprünge der Engel: Unheilabwendende Schlangen und geflügelte Löwen. Lustig, wie kurz skizziert wird, wie aus Schlangen (griechisch: ›seraphis‹) kleine nackte Bürschchen werden (römische Eros-Figuren).
  • Endlich: das Prospekt zum gesetzten »Zettel’s Traum« von Arno Schmidt als PDF . Auch wenn ich fürchte, dass ich kaum Zeit haben werde, mich ab Herbst dem Monsterschmöker mit gebührender Hingabe zu widmen, freue ich mich schon darauf, mir das Teil endlich ins Regal zu stellen und damit meine Schmidt-Werksausgabe zu kompletieren.
  • Auf dem letzten Comic-Con saßen J. J. Abrams und Joss Wheadon (Teil 1 von 7) gemeinsam auf dem Podium und beantworteten Fragen zum Thema Geschichtenerzäheln. Höhepunkte: Joss wuppt Maximal-Komplimente in Richtung J. J. für dessen »Star Trek«-Film. — J. J. fällt schockiert in sich zusammen, als Joss erklärt, dass er beim Drehbücherschreiben ohne Überarbeitung auskommt.

(Deutschsprachige) PHANTASTIK-FUNDE

  • Zufällig entdeckt, dass Georg Seeßlen seit einem guten Jahr unter die Blogger gegangen ist. Seeßlen schreibt sonst sehr gute Filmrezis für die großen Feuilletons, und ist mir seit langer Zeit als Sachbuchautor bekannt (legendär z.B. sein »Lexikon der Unterhaltungsindustrie« aus den Siebzigern). Sein Blog hat den ›verstörenden‹ Titel Das Schönste an Deutschland ist die Autobahn, und entdeckt habe ich es über den Eintrag CONTRA NATURAM: oder Die Weltordnung und das Wunder, einem gehaltvollen Kurzessay zum Thema Phantastik, Fantasy und Weltbilder.
  • Entdeckt habe ich das PDF-Magazin von Literaturzirkel. Monatlich reichlich Rezis, Schwerpunkt zwar auf Phantastik, aber immer wieder auch zu literarischen Titeln. Werd ich im Auge behalten.
  • In der »NZZ« erschien am 29. Juli eine unterhaltsam zu lesende Rezi von Leopold Federmair zum zweiten Borges & Casares-Band der neuen Hanser-Werkaushabe (ich habe die Fischer-Taschenbuchausgabe der Erstauflage): Dumme Detektive. Vor allem stimme ich dem Lob zur Anmerkungs-Poetik von Gisbert Haefs zu.
  • ›Thomas Sch‹ hat für »Roter Dorn« eine Rezi »Die Zimtläden« von Bruno Schulz (dtv-Taschenbuchausgabe der Neuübersetzung bei Hanser) geschrieben.
  • Sehr gefreut habe ich mich über Oliver Kotowskis Rezi bei »Fantasyguide« zu dem schmalen aber feinem Büchlein »Die Erscheinungen im Weißen Hotel« von Herbert Rosendorfer (Text) und Fabius von Gugel (Illustrationen). Leider gibt es im Internet kaum Bilder des 2000 verstorbenen Phantastik-Künstlers Fabius von Gugel zu sehen. Ich hatte vor Jahren das Glück, den Bildband »Das graphische Werk« aus dem DuMont-Verlag günstig zu bekommen. Tja deutsche Phantastik-Feinschmecker, stöbert herum und lernt von Gugel kennen!!!
  • Bei »Literaturkritik.de« erschien eine Rezension von Torsten Mengen zum Buch »Der Vampir-Mythos – ein Medienphänomen?« von Erik Butler.
  • Für die »Literarische Welt« schrieb Elmar Krekeler eine Empfehlung zu »Handbuch der Detektive« von Jedediah Berrys. (Ich selbst bin, aus Mangel an Kenntnis des Werkes von Tschechow, ein Borgesianer). Dank an Oliver Naujoks für den Hinweis!
  • Bescheidgeb: Hier gehts zum PDF vom Fandom Observer No. 254; enthält unter anderem eine Rezi zu Dan Simmons »Drood«.

ZUCKERL

  • Der ›Narr im Wald‹ berichtet von seiner Begeisterung für die Collage-Romane von Max Ernst: Drive-In Saturday: Ernst Enough For Us. Viele Links, unter anderem zu …
  • … dem Künstler Dan Hiller, der die Tradition von Max Ernst weiterführt, speziell für alle heutigen Fans von Belle Epoche-Klamotten tragenden Hybrid-Wesen. In seinen Gallerien gibt es z. B. einen Vogelgentlemen mit hutlüpfendem Hut; — einen Waldgeist in blauer Nass in Nass-Technik; — und ganz blöd zusammengewachsene siamesische Brüder.
  • Das neueste RSAnimate verbildlicht einen Vortrag von Slavoj Zizek, der u. a. mit Zitaten von Oscar Wilde über die finsteren ethischen Implikationen der Wohlfahrtsidee spricht (and so on, and so on).

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