Verlag mag nicht: Zu Thor Kunkels »Endstufe«
Eintrag No. 44 - Vor wenigen Jahren im Cafe-Rowohlt der Frankfurter Buchmesse: ich hochnervös weil armer Hund stehe inmitten dieser gutgelaunten, einander ästheteisch taxierenden Gesellschaft, es gibt riesige Shrimps auf knoblauchgebutterten Baguetts, netter Cool- oder Bar-Jazz aromatisiert die Athmo. Verschiedene Autoren kommen in der Stehgruppe vorbei, zu der mein Herzelieb Andrea, ich und Freund HelK gehören. Beispielsweise wurde mir da der Herr Spinnen sympatisch wie Lottogewinn, als er mir gestand: »Ja, auf das Nikolaus Heidelbach-Umschlagbild für ›Belgische Riesen‹ bin ih sehr stolz … ja, ich würde mir gerne Originale von ihm zu Hause aufhängen, aber ein echter Heidelbach ist nicht billig.« »Ist er ja auch wert.« »Oh ja, gewiss« — ect.
Normale Gespräche und Begenungen dieser Art, bis auf einmal (endlich) auch ein waschechter irrer Autor für einige Zeit bei uns bleibt. Er redet schnell aber klar, wuschelt ab und an in seinen schulterlangen blonden Wuschelhaaren und erzählt, wie sehr ihn die Schreibarbeit freut, wie geil es ist sich vollkommen dem Manuskriptgebähren hinzugeben, vor dem Textprogramm zu verkriechen, Tür zu, HirnHerzBauchSchwanz auf und klapperdiklapperdiklapper die Buchstaben in das Manuskript hacken. Ich hatte Glück, denn dieser kleine Schreibteufel war Thor Kunkel und ich hatte erst vor wenigen Tagen seinen Erstling »Das Schwarzlichtterrarium« fertiggelesen. Ein großartiger Roman der Ende der Siebziger in Frankfurt/M spielt, und der - ganz kurz gesagt - es durchaus mit Pulp Fiction und Co aufnehmen kann. Ohne daß ich es merke, sind Thor Kunkel und ich am schnellschwätzen und loben/lästern über das Glasaugenschwemme-Cover von Schwarzlichtterrarium und irgendwann beginnt er zu umreißen, was sein derzeit in Arbeit befindliches Buch so bringen werde. »Da gehts umd die Pornogeschäfte der Nazis.« Seit damals gab es in meinem Hinterköpfchen einen Balkon, von dem aus ich manchmal in heimlicher Vorfreude in die Zukunft blickte und mich auf eben dieses Kunkel-Buch freute. Nix da. Nun, Jahre später, sollte endlich im März 2004 (sozusagen wieder als Geburtstagsbuch extra für mich - manchmal muß man sich die Welt zurechtinterpretieren, damit man noch was auf sich halten kann) dieser Roman unter dem Titel »Endstufe« erscheinen. Doch jetzt, so kurze Zeit vor Erscheinensollen macht der Rowohlt-Verlag einen Rückzieher, weil die Matrerie zu heikel ist oder was weiß ich. Genaueres erfährt man wie immer nicht in diesem Dünkelland und so werde ich weiter harren, auf eine Geschichte, in der Nazis mit Projektoren (Klack-Klack-Klack) in Wüstenzelten Scheichen Lichtspiele mit poppenden Herrenmenschen vorführen, in der Hoffnung, daß man für mehr solch rassige Naturkunst Rohstoffe tauschen kann. Wie bei vielem aus der Zeit des Dritten Reiches, glaubte ich zuerst, daß dies fiktiv sei, aber Thor versicherte, daß dies wirklich geschah, er hätte recheriert und sich einige der Pornos vorführen lassen, wäre herumgefahren und was nicht noch.
Romane von Maxim Biller (»Esra«) und Alban Nicolai Herbst (»Meere«) gerichtlich verboten, weil sich Ex-Lebenspartnerinnen der Autoren zu sehr in den Büchern abgebildet wähnen. Wirbel in der Die Andere Bibliothek um das Annonymia- (»Eine Frau in Berlin«) und das »Manieren«-Buch von Asserate, weil einigen Journalisten zu hoch ist, wie Bücher entstehen; oder private bzw. Freimaurerlogen-Pissigkeiten sorgen hier dafür, daß es eine Zeit lang heißt: nicht echt, kolportiert, Mosebach-Ghostwriterei usw.
Und bei anderen Verlagen sind Lektoren und Programmmacher wirklich so blind, dumm und geil, daß sie sich auf sensationelle Enten einlassen (obwohl, z.B. ein ganzes aus der Nase gezogenes Buch eines angeblichen Ex-Stasi James Bond ist keine Ente mehr, sondern eine ausgewachsene Gans).
Angesichts dieser Entwicklung (Donalds Des-Informationskader arbeitet offenbar mal ruckelzuckellos) kann man verstehen, daß Rowohlt Muffensausen hat und »Endstufe« erstmal wieder hintanstellt. Ein bischen Pa-hö um ein Buch ist ja ganz fein fürs damit man darüber spricht und das Ding bekannt wird, aber so mit Gericht und Verbieten und vom Markt nehmen wird das teuer und am Ende hat bustäblich niemand was davon.
Gar grimmig ärgert mich das diesmal, denn Thor Kunkel ist ein sehr guter Autor, ihm traue ich zu, diesen Nazi-Porno-Irrwitz adäquat zu erzählen. Mal schauen: vielleicht wird Endstufe gleich auf Englisch in Übersetzung erscheinen, denn Engländer und Amis sind bestimmt hochbegeistert, wenn sie diese Geschichte in die Hand bekommen. Ich drück Thor Kunkel die Daumen, wünsche dem Rowohlt-Verlag Mut und Glück und Herzeruck, das Buch doch noch zu veröffentlichen: ich habe Ende März Geburtstag.
(P.S. Bericht zu all dem stand heute in SPIEGELonline. Da die aber früher oder später alle Artikel auf Bezahlen-dann-Lesen stellen, habe ich jetzt keinen Link gelegt. Aber bei <a href="hoehereweltenblog.twoday.net" target=_blank">hoeherewelten berichtet auch darüber.)
Nachbemerkung: Inzwischen hat sich - hurrah - der Eichborn-Verlag gefunden und wird nun im April Endstufe erscheinen lassen. Selbst wenn Thor Kunkel sich entpuppen sollte als politisch bedenklich verantwortungsloser oder unumsichtiger Autor, überrascht davon können nur Leute sein, die seine zwei bisherigen Bücher nicht kennen, denn die erfrischende, ihm künstlerische Autorität verleihende Qualität ist gerade seine Amoralität - frisches klares Menschendenken, daß den Chor der Moral im Angesicht des faktisch Realen als heuchlerisch begreift.
Ich sage: Beweist ein Künstler Talent und Können sind seine Werke über Kritik erhaben, Wurscht was für ein Charakterschwein oder Extremist der Küstler ist … natürlich mit Ausnahmen, aber ich denke nicht, daß Thor Kunkel ein Künstler ist, der sich einen Krieg, Genozid oder Weltenuntergang herbeisehnt, ja ihn herbeischreiben will … er scheint mir vielmehr bewußter als die meisten zu spühren, daß unsere so selbstverständliche Zivilisation bereits all dies längst ist und zeigt halt auf Dinge und Probleme, die er interessant findet. Mehr kann/darf man von einem Künstler nicht erwarten.
Die massenhaften Vergewaltigungen der deutschen Frauen sind schlimmer als der Holocaust. Das reizt natürlich das morallische Empfinden, und stellt die geschriebenen und ungeschriebenen Hierarchien an Greul und dem was wir das Böse nennen in Frage. Deutungshoheit muß deshalb verteidigt werden. So aber ist die Kunst: sie deutet auch ohne Hoheit, aus bloßer Faszination widmet sie sich auf Leben und Tod einer erzählerischen Sache, bietet letztendlich immer nur Phantastik.
Letztendlich ist das Thema so ungeheuerlich, daß wohl jeder weiß: Liebe Leut', vergleichen hat hier eigentlich keinen Sinn. Wie ich aus den Berichten erfahre, wird es aber nicht nur solche Vergleiche zwischen Kriegsverbrechen verschiedener Parteien geben, sondern auch solche zwischen damals und heute. Ich vermute mal ins Blaue, daß dieses Buch viel Ablehnung erfahren wird, wegen der zweiten Art von Vergleich, denn keiner möchte aufgeschreckt werden aus seiner Gewißheit, mit den Verbrechen der Nazis liege sowas wie der absolute Nullpunkt der Zivilisationsscheußlichkeiten vor. Jaaa, damals hat die Weltgemeinschaft wirklich mal nicht aufgepaßt, als eben ausgerechnet in Deutschland alle Sicherungen im Mitmenschlichkeits-Sicherheitskasten durchbrannten. Aber seitdem konnte es ja Gottlob nicht mehr SO weit kommen.. Naja, zumindest nicht mehr so offensichtlich. Solange wir aber weltgemeinschaftlich in einer merkantilen Technokratie und nicht in einer altruistischen Amoenokratie leben, wird Menschenverachtung und -mord ein wesentlicher Bestandteil der Zivilisation bleiben.
Hella
... habe ich eben gerade in meinem hoehereweltenblog notiert. Wir dürfen bannich gesbannt sein, wie's weitergeht.
Gruß ausse twoday-Nachbarschaft
Hella
molosovsky Besitzerin
Blues.
Gibts das.
Grüße zurück aus den niederenwelten.
phaeake
Letztendlich ist das Thema so ungeheuerlich, daß wohl jeder weiß: Liebe Leut', vergleichen hat hier eigentlich keinen Sinn.
Wenn das so ist (was ich nicht glaube), dann müsste doch Kunkels Aussage "Die massenhaften Vergewaltigungen der deutschen Frauen ist schlimmer als der Holocaust. " sinnlos (weil vergleichend) sein. Sollte man sinnlose Aussagen wirklich als " frisches klares Menschendenken" bezeichnen?
Warum lässt sich Mord und Vergewaltigung nicht miteinander vergleichen? In allen Staaten, in denen ich leben möchte, wird Mord härter bestraft als Vergewaltigung. Die Staaten, die beides gleich bestrafen, dürften ausnahmslos für beide Verbrechen die Todesstrafe vorsehen. Eine Frau, die sagt, sie würde lieber ermordet, als vergewaltigt, muss von einem absolut lebensfeindlichen Ehrenkodex ausgehen. Solche Thesen ("Lieber das Leben verlieren als die Ehre verlieren") wurden von nationalozialistischen Lehrern an deutsche Schülerinnen nach dem Einmarsch der Roten Armee ausgegeben - mit dem Effekt, dass sich die vergewaltigten Mädchen das Leben nahmen.
Im übrigen ist das Argument, dass Broder in indirekter Rede von Kunkels Lektorin wiedergibt ("Kunkel habe gemeint, der Tod in der Gaskammer sei der Vergewaltigung durch Russen vorzuziehen. Wer das erlebt habe, müsse damit ein Leben lang umgehen, was den Juden "erspart" geblieben sei. ") schon deshalb schlicht falsch, weil es genügend Überlebende des Genozids gegeben hat, die an den Verbrechen ihr Leben lang leiden mussten.
Ja, ich habe auch Kunkels offenen Brief an Spiegel online gelesen. Ich konnte ihn stellenweise nicht nachvollziehen, so in der Behauptung, Broder unterstellte Kunkel das Leugnen von Ausschwitz. Das Belastungsmaterial Broders wurde m.E. nicht entkräftet.
Dicki
Der Vorwurf des Revisionismus beinhaltet m.E. auch das Leugnen der organisierten Ermordung von Millionen jüdischer Menschen. Aber was meinen Sie mit "Belastungsmaterial" - Absätze wie diesen?
Kunkel spricht von den "Amerikanern", die "ihre Devisen wie Geschlechtskrankheiten in gesunde Volkswirtschaften einschleppen", behauptet, die Amerikaner und die Briten hätten Hitler so lange herausgefordert, "bis es krachte", und klagt darüber, dass den Deutschen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges "eine gesalzene Gasrechnung präsentiert" wurde. Revisionismus pur.
Das ist Interpretation eines uns nicht vorliegenden Originaltextes und kann als berechtigte Behauptung gelten, wenn der Verfasser redlich ist und nicht Textpassagen nach seinem eigenen Sinn zurechtbiegt. Aber bewiesen ist damit gar nichts. Es ist also im Grunde müßig, über die Äußerungen Kunkels zu diskutieren, da wir sie nur in der Broderschen Version kennen.
Vielleicht hat Thor Kunkel alles so gemeint, wie es Henryk M. Broder mit einem Gemisch aus Zitat, Kolportage, Interpretation und Unterstellung als des Autors Absicht ausgibt, aber ich mißtraue dem Broder. Zu oft hat er Richtiges mit Falschem vermengt, um zu beweisen, was er als wahr zu sein beschlossen hat. Er ist ein "Rasender". Weshalb beispielsweise diese dauernden Anspielungen auf tatsächliche und vermeintliche Rechtsgerichtete: Herr Broder kennt eine rechtsradikale Band namens 'Endstufe'; ich frage mich, ob ihm außerhalb der rechten Szene überhaupt Bands bekannt sind (außer den Ikonen des Rockgeschäfts, an denen man auch als Desinteressierter schwerlich vorbeikommt).
Was bitte soll der denunzierende Hinweis auf Martin Walser (der auch erst durch Denunziation zu einem Antisemiten gemacht wurde, also als Belastungszeuge nicht einmal taugt)?:
Zwischendurch äußert er "Nachtgedanken", die sich so anhören, als hätte er sein Kopfkissen mit Martin Walser geteilt [etwa auch noch schwul? Heilige Sau! D.]. "Deutschland hat keine Gestapo mehr, dafür eine Gedankenpolizei, ironischerweise freiwillige Selbstkontrolle genannt. (Wehe mir, da ich diese Zeilen zu Papier bringe ...) Mit verbalen Brandzeichen wie 'politisch korrekt', 'rassistisch' und 'antisemitisch' steht heute ein ganzes Arsenal der polemischen Unterdrückungs-Instrumentarien bereit ..."
Da kann ich Herrn Kunkel nur recht geben. Und Herr Broder ist einer der Führer einer Gedankenpolizei. Gerade weil Herr Broder sich auch in der Angelegenheit "Kunkel verharmlost das Nazi-Regime" als Gerechtigkeitsapostel aufspielt, möchte ich das Buch von Thor Kunkel selbst lesen. Ich lass mich von Wirrköpfen wie Broder in der Wahl meiner Lektüre nicht bevormunden. Das 'in dubio pro res' scheint in der deutschen Publizistik in Vergessenheit zu geraten; es muß nur eine Meute rasen und jemanden bespucken, dann gilt er als überführt.
Seltsam, daß Herrn Broder die Folter im Dschungel-Camp nicht an gewisse Lager erinnert. Da wäre eine mahnende Stimme in der Öffentlichkeit doch äußerst wünschenswert. Aber vielleicht durfte er da nix sagen, weil SPIEGEL-online täglich vom ekligen Geschehen profitieren wollte und Kritik unerwüscht schien? - Im Übrigen gefällt mir an den wenigen Zitaten aus Kunkels Roman die derbe bildhafte und politisch unkorrekte Sprache. Es kann eine sehr unterhaltsame Lektüre werden. Lieber rasender Irrtum in einem Buch als irre Rasende in der deutschen Öffentlichkeit, sag ich nur.
david ramirer
trotz aller tiefen differenz der quellen und der anlässe ist es für mich doch auch erwähnenswert, dass heute thomas bernhards geburtstag ist, der ja auch mit buchbeschlagnahmungen und einer ganzen reihe von gerichtsverhandlungen zu kämpfen hatte. bücher zu zensieren, nur weil darin gewagte, falsche, dumme, kontroversielle inhalte drinstehen erzeugt genau das, was man dem buch damit nehmen will: publizität. mein misstrauen in den ganzen kunst/literaturmarkt ist soo gross, dass ich allen zusammen zutraue (broder, autor, verlag in gemeinschaft), dass das alles nur zum auflagensteigern inszeniert ist, denn: "es gibt keine amerikaner, es gibt keine russen, es gibt keine araber und juden, es gibt nur ein gewaltiges holistisches system der systeme, das system der wirtschaft: dollars in jeder form" (sinngemäßes ziat aus dem film network).
molosovsky Besitzerin
Hallo pheake: Danke für Deinen Beitrag.
Ich muß zuvörderst gestehen, daß ich zweifle eine genauere Auseinandersetzung über ein Buch im Voraus führen zu wollen. Zu Endstufe werde ich vielleicht/wahrscheinlich meine(n) Meinung(Eindruck) nach dem Gelesenhaben kundtun … derweil fibbere ich, weil imho Kunkel einer der besten deutschen Gegenwartsautoren ist und ich endlich diesen Roman lesen will … siehe Anfang meines Eintrages, wo ich mir so eine Mühe gebe, ein bischen Adabei-Athmo aufkommen zu lassen.
Das Tohuwabohu im Fäulnisthohn ist sozusagen mein Privatfernsehen-Wahnsinn, weil ich kein TV mag, weil ich lieber kluge Leuten beim Dummsein verfolge. Allein deshalb kann ich allen Strängen z.B. zu diesem Dschungel-Camp-Ding nur mein fransiges Fädchen als theoretischer Amoenokrat einflechten und da muß ich dann Grenze ziehen und sagen, schwätzt all ihr anderen darüber, denn meine filigrane Schwerarbeit bündle ich in einem anderen Text.
Zu meinem Satz: Letztendlich ist das Thema so ungeheuerlich, daß wohl jeder weiß: Liebe Leut', vergleichen hat hier eigentlich keinen Sinn, will ich aber gerne Klärung anbieten. Bestimmend ist hier das eigentlich, es soll kennzeichnen, daß mir die durch meinen Satz aufgerissene Widerspruchswunde bewußt, kundgetaner Satz also auch Quatsch ist. Meine Grundposition dahinter: die Menschheit hat einen entscheidenen Fehler, dessen Verdrängung zu immer heftigeren Krisen führt: sie denkt zu antropozentrisch. Mein moralischer Nullpunkt an Greul ist die Ermordung des Nichts durch das Alles.
Zum frischen klarem Menschendenken: die Art der Widersprüche in die ich mich bisher bei Kunkel-Büchern verstricken konnte, ist mir nun mal mehr wert, als objektiv mimendes Rumfabulieren anderer (von mir aus z.B. Broder). Ein Widerspruch kann Bestandteil von frischem, klarem Denken sein, für mich. Wenn Dir der Widerspruch auch nicht behagt, darf ich dann fragen, ob Du (irgend)einen Widerspruch in Deiner Welt mal soweit anerkannt hast? Oder bist Du ein vollkommen widerspruchs- und paradoxfreier Mesnch: wenn ja, herzlichen Glückwunsch zum Einssein, ich wie wohl sonst alle Menschen renne zusammengestopselt aus Gegensätzen durch den hinterletzten Appendix der Geschichte.
Schlußgerade: ich sehe bei Broder keine klaren Anschuldigungen, dementsprechend auch keine Notwendigkeiten Kunkels zur Widerlegung … da bin ich völlig baff, was Du alles aus dem Broderartikel konstruierst. Was ich da sehe ist eben kurioses Gebahren im Bücherstall, da scheint ein größeres Ei zu kommen und einige Hühner gackern, gackern aneinander vorbei. So what?
Mord und Vergewaltigugen sind Tatsachen,
alles andere dazu sind der Menschen Ansichten,
kess gesagt: unser Geschmack dazu.
Und die Mode ändert sich:
das ist der Lauf der Welt.
Das Pendel schlägt.
Mal ist der Mensch dem Mensch ein Wolf,
dann drängt es ihn wieder Schafe zu hüten.
molosovsky Besitzerin
Hallo Dicki: den Broder nehme ich nicht für voll, finde ihn aber amüsant. Viel ärger fand ich ja den doll dicken Ärgerhals, den sich Herr Broder mal bezüglich meines derzeitigen deutschen Lieblingsphilosophen Peter Sloterdijk freimachen mußte. - Ihr Durchschauen der Broder'schen Kunstruckaktionen gefällt mir.
Lieber David: Genau. Aber ich sehne mir dennoch nicht die Vergangenheit zurück, in der man Künstler über den Haufen ballerte, aus dem Land trieb, in Vernichtungslagern versickern ließ. So rummotzen und gackern ist mir da echt lieber, und Berhard hat ordentlich Orden auf der Kultursschaffmärtyrerbrust.
david ramirer
also ich sehne mir die Zeit wo Kulturschaffende niedergeballert wurden, schon zurück... als erster wäre dann wahrscheinlich ich selbst an der wand (schon wegen dem Vornamen und dem provok.anten Gesichtsausdruck) und ein paar andere würden wohl auch kaum eine unangenehme lücke reissen (wem würde etwa dj ötzi oder dieter bohlen fehlen?).
nein, im ernst, "spaß" beiseite: ich wollte nicht beklagen, dass es nur noch dollars und sonst nichts gibt: ich wollte es nur in den raum stellen als bild der welt, das m.e. stimmig ist. zurück in die vergangenheit: wenn, dann bitte bis in die steinzeit.
phaeake
Und auch Broder gibt in einer Redlichkeit, die für ihn leider nicht selbstverständlich ist, auch zu, den Text nur in den Passagen zu kennen,die ihm Verleger und Lektorin zur Verfügung gestellt haben.
Natürlich kann man ein literarisches Urteil erst fällen, wenn man das ganze Buch gelesen hat. Andererseits ist es ein Faktum, dass über so ein Buch spätestens nach seinem Erscheinen literarisch und politisch diskutiert wird, In den Rezensionen werden Zitate ausgepackt und mit ihnen rumgefuchtelt, große feuilletonistische Diskurse werden losgetreten, und nicht wenige, die sich mit dieser Diskussion beschäftigen, werden nur diese paar immer wieder zitierten Stellen kennen. Wenn ein Autor sich durch Amoralität auszeichnet, also frisches klares Menschendenken, daß den Chor der Moral im Angesicht des faktisch Realen als heuchlerisch begreift (so molosovsky über Kunkel), müsste er dann nicht auch die Faktizität akzeptieren, dass über ein Buch - zumal wenn es mit dem Dreifachreiz Sex, NS-Zeit, Antiamerikanismus arbeitet - anhand von Zitaten geurteilt werden wird? Wirkt es nicht heuchlerisch, oder zumindest weinerlich, wenn er die nicht ungeschickte Textmontage durch Broder beklagt?
Dicki misstraut Broder. Ich auch. (Bei gig.antville hab ich geschrieben: Wenn auch nur die Hälfte dessen stimmt, was Spon schreibt,...", Hier habe ich nur ein Kunkel-Zitate verrwendet, das molosovsky wiedergegeben hatte).
Ja, den Vorwurf des Revisionismus erhebt Broder explizit. Ein Revisionist muss m.E. nicht notwenigerweise Auschwitz leugnen, es reicht, dass, dass er die Folgen des 2. Weltkriegs für überzogen hält und danach klingt der Ausdruck der "gesalzene(n) Gasrechnung" schon.
Dicki schreibt:
Herr Broder kennt eine rechtsradikale Band namens 'Endstufe'; ich frage mich, ob ihm außerhalb der rechten Szene überhaupt Bands bekannt sind.
Das letzte tut nicht wirklich was zur Sache und das erste finde ich schon bemerkenswert. Ich sehe Kunkel damit noch nicht des Rechtsradikalismus überführt und habe auch Broder nicht so verstanden.
Ich teile nicht Dickis Ansicht, dass Walser auch erst durch Denunziation zu einem Antisemiten gemacht wurde. M.E. ist Tod eines Kritikers klar antisemitisch, die Diskussion darüber passt aber hier schlecht her.
Dicki möchte dem als Kunkel-Zitat eingeführten Satz
Deutschland hat keine Gestapo mehr, dafür eine Gedankenpolizei, ... zustimmen.
Davor warne ich. Man kann Publizisten wie Broder bestimmt kritisieren, Aber gerade weil man es auch darf, ohne um sein Leben fürchten zu müssen, ist es zynisch, sie mit der Gestapo in einer Reihe zu nennen.
molosovsky fragt, ob ich (irgend)einen Widerspruch in meiner Welt mal soweit anerkannt habe. Ja, es gibt große und letztlich nicht lösbare Widersprüche auch in meinem Weltbild. M.E. zeichnet sich aber frisches, klares Menschendenken dadurch aus, dass man Bewertungen von grundlegenden Fakten treffen kann, ohne sich in diese Widersprüche zu verstricken. Physikalisch gesprochen: Man sollte sich Licht machen können, ohne sich im Welle-Teilchen-Dualismus zu verheddern. Historisch-juristisch gesprochen: Man sollte erkennen, dass Mord ein größeres Verbrechen ist als Vergewaltigung und ein kontinentaler Erorberungsfeldzug mit gelichzeitigem Genozid ein schwereres Verbrechen ist als die Massenvergewaltigungen durch Soldaten, die einen grausamen und blutigen Verteidigungssieg errungen haben, Dazu muss man den (ohne Zweifel vorhandenen) philosophischen Gehalt von Thesen wie Mein moralischer Nullpunkt an Greul ist die Ermordung des Nichts durch das Alles. nicht unbedingt ergründen. Wer aber glaubt, die Bewertung von Vergewaligung und Mord sei eine Geschmacksfrage, unterschätzt m.E. die Stringenz, mit der man auch in Moralfragen argumentieren kann und muss,
molosovsky ist baff, was ich alles aus dem Broderartikel konstruiere. Das kann ich wiederum nicht nachvollziehen, ich hab doch gar nicht mit Broder argumentiert, sondern mit dem einen Kunkel-Satz, den molosovsky evtl. (das weiß ich nämlich gar nicht) aus dem Broder-Artikel entnommen hat. sowie mit den daran anschließenden Gedanken von molsovsky.
andreaffm
(auch wenn das hin- und herspringen zwischen 2 blogs allmählich unübersichtlich wird, aber was solls: verworrene situationen erfordern verworrene maßnahmen ;-)
Du schriebst: "Eine Frau, die sagt, sie würde lieber ermordet, als vergewaltigt, muss von einem absolut lebensfeindlichen Ehrenkodex ausgehen. "
bist Du sicher, daß das eine frage der ehre ist? nicht viel eher eine frage der verzweiflung, scham, des selbsthasses? wenn eine frau also vom gröfaz zum suizid aufgerufen wird, nutzt er eine ohnehin vorhandene disposition (schamlos) aus. denn viele frauen, das ist nunmal so, entwickeln viel eher aggresionen gegen sich selbst als gegen andere. dann braucht es nichtmehr allzuviel gutes zureden. ein verbrechen ist das trotzdem. wenn jemand auf der brücke steht, ist es auch ein verbrechen, ihm "sping doch!" zuzurufen. aber mit ehre hat das nichts zu tun, nicht auf seiten der frauen. das ist eine kategorie, die hier nicht greift.
und martin walsers buch halte ich nicht für klar antisemitisch, höchstens für unklar antisemisch. und für schlecht.
Dicki
... daß auch Sie dem Broder mißtrauen. Über manches Andere wäre in einem Gespräch zu diskutieren; im Internet schreibt man immer nur anderer Leute Blogs voll :-)
Lassen wir unsere Ansichten so stehen: das mag zum Nachdenken anregen.
phaeake
Ich denke, wir meinen dasselbe. Eine Frau, die sich lieber ermorden lässt, als dass sie vergewaltigt würde oder die sich suizidiert, nachdem sie vergewaltigt wurde, schämt und/oder hasst sich für etwas, für das sie sich nicht zu schämen oder hassen braucht, sieht ihre Ehre verletzt, obwohl sie nichts ehrenrühriges getan hat. Ich bin selbstverständlich nicht der Auffassung, dass ein Opfer egal welches Verbrechens eine geringere Ehre hätte.
Ich griff zum Ausdruck lebensfeindlichen Ehrenkodex, weil sich so am besten ausdrücken lässt, dass es sich um ein falsches "Regelwerk" handelt. Es mag sein, dass auch andere eher psychische Vorgänge wie Autoagressionen eine Rolle spielen, dass diese sogar erforderlich sind, um einen Suizid auzulösen. Die Haltung "Vergewaltigung ist schlimmer als Mord" finde ich unabhängig davon lebensfeindlich, ihre Verbreitung verantwortungslos.
molosovsky Besitzerin
Ehre: für mich ein Nullbegriff, hervorgebracht von der Selbstverliebtheit des Menschen.
Verantwortungslos: setzt EINE richtige Definition des Begriffs Verantwortung voraus … schwupps sind wir wieder bei der Selbstherrlichkeit des Menschen und dessen als Moraldiskurs getarnten Geschmackstreit.
phaeake
eine bessere Bechreibung für Verantwortung finden als sie der Philosophen-Trans aus Königsberg (Harald-Schmidt-Show) formuliert hat. Wäre es sooooo schlimm, diese Selbstherrliche Anthropozentrik in Kauf zu nehmen, wenn sich dann alle entsprechend benehmen würden.
molosovsky Besitzerin
hätte ich in der Tat nicht dagegen einzuwenden. Aber wer fragt mich schon und schafft Auto, Atombombe, Fernsehen und und und ab.
molosovsky Besitzerin
Broder ist Dir auch suspekt.
Urteil zu Werk erst nach dessen Rezeption sinnvoll. Diese Ansicht teilen wir.
Das gibt mir jetzt mal das Vertrauen, daß ich noch einmal versuchen will, meine Position zu klären zu unseren unterschiedlichen Auffassungen von frischem, klaren Menschendenken.
Recht gebe ich Dir pheake, daß man in Moralfragen mit Stringenz argumentieren sollte. Ich selbst mühe mich da ziemlich strampelnd ab (und finde diese meine und anderer Bemühungen dann wieder äußerst abstrus bis zum lächerlichen) und bestimmend ist bei mir zumindest derzeit ein tiefer Ekel vor der Zivilisation unserer Moderne, Abneigung gegen antropozentrische Sentimentalität. Aber ich halte ja auch Phantastik für die höchste, edelste Literaturform (Roman steht über Essay, Lyrik über Philosophie).
Da wähne ich mich Kunkel eben näher als einem Broder. Diese ganze Vergewaltigung schlimmer als Mord oder vice versa?-Geschichte zeigt für mich weiterhin nur verschiedene Geschmacksfragen. Ein Mensch kann hier doch nur soweit ein Urteil angehen, wie er im Kopf/Gefühlskino "Filme" (Gedanken, Bilder usw) dazu heranziehen kann. Ich krieg bei beiden das Heulen und Zittern und Dabeiseinwollen, sowohl als Opfer wie auch als Täter. Ja die Begriffe Opfer/Täter und z.B. Juden/Nazis sind da imho im Grunde völlig austauschbar.
Ich gebe zu, viel zu wenig Hoffnung und Optimismus zu haben, als daß ich mich aufmachen möchte irgendwelche humanen Werturteile aus dem Tingeltangel des Medienbetriebes ernstzunehmen: ich sehe dahinter etwas Kindliches um Kekse bitten, und das zu sehen verleiht mir erst wieder die Möglichkeit zum Schmunzeln und aus diesem misanthropischen Mitleid heraus kann ich wieder sowas wie Lebensfreude ziehen, noch weit weg von Vertrauen in Gesellschaft oder Platz darin ahnen. Deine so klar gefällten Urteile deuten für mich auf eine Stärke Deiner Person hin, die ich missen lasse, das stimmt. Da bleibt mir nur Dir Anerkennung zu zollen.
Trotzdem bevorzuge ich weiterhin die deliriöse Poesie als höhere Autorität der Vernunft einschätzen, verglichen mit der naiven Polemik des Kulturbetriebes. Meine Willkür liegt darin zu sagen: Kunkel guter Künstler (mein Geschmack), der darf Quatsch machen, weil er mich mit seinem unterhaltsamen Quatsch erfreut (und Quatsch steht hier als Platzhalter für vieles auch eigentlich sehr Ernstes), alle Schreiberlinge der Zeitungen und Magazine sind erstmal nur Wichte, die mich günstigstenfalls amüsieren, darüber können sie dann erreichen, von mir als Ausnhame (doch kein Wicht, oder: hier mal nicht wichtelmäßig) angesehen zu werden. Schließlich ist es viel weniger die inhaltliche Ebene der ganzen Auseinandersetzung die mich den Blogeintrag zu Endstufe machen ließ, als meine ganz primitive Konsumentenvorfreude die kurzfristig um ein anstehendes Bonbon gebangt hat.
Zuletzt noch eine Frage an pheake: Nimm mal an, jemand befindet sich in einer Position wo er zwei Möglichkeiten hat zu überleben: entweder jemanden ermorden, oder jemanden vergewaltigen. Welche Möglichkeit ist die bessere, wofür würdest Du Dich entscheiden? Ich für den Mord.
phaeake
Ein Mensch kann hier doch nur soweit ein Urteil angehen, wie er im Kopf/Gefühlskino "Filme" (Gedanken, Bilder usw) dazu heranziehen kann.
Ich weiß nicht genau, wie ich den Schrägstrich zwischen Kopf und Gefühlskino deuten soll. M.E. müsste auch rein rationaler MEnsch ohne jede Gefühlsregung erkennen können, dass man seine Mitmeschen nicht vergewaltigen oder ermorden darf.
Ich krieg bei beiden das Heulen und Zittern und Dabeiseinwollen, sowohl als Opfer wie auch als Täter.
Bitte sag mir, dass ich Dich falsch verstehe, wenn ich lese, dass Du da als Täter dabei sein, also mitmachen möchtest,
Ja die Begriffe Opfer/Täter und z.B. Juden/Nazis sind da imho im Grunde völlig austauschbar.
Ich halte eine Unterscheidung dieser Begriffe für ganz sinnvoll. Was soll die Behauptung der Austauschbarkeit dieser Begriffe anderes als Verwirrung stiften oder provozieren?
Kunkel guter Künstler (mein Geschmack), der darf Quatsch machen, weil er mich mit seinem unterhaltsamen Quatsch erfreut (und Quatsch steht hier als Platzhalter für vieles auch eigentlich sehr Ernstes)
Sehe ich genau anders rum: Wagner übler Antisemit, ergo schwacher Denker, ergo kein wirklich großer Komponist. Ich kann - leider - nicht ausschließen, dass ich das nicht so sehen würde, wenn mir seine Musik emotianal irgendwas bringen würde.
Nimm mal an, jemand befindet sich in einer Position wo er zwei Möglichkeiten hat zu überleben: entweder jemanden ermorden, oder jemanden vergewaltigen. Welche Möglichkeit ist die bessere, wofür würdest Du Dich entscheiden? Ich für den Mord.
Falls ich überhaupt die Rechte eines Mitmenschen verletzen würde, um meine eigene Haut zu retten, würde ich (aus meiner Sicht: selbstverständlich) eher die Vergewaltigung begehen, weil das Leben ein höherwertiges Rechtsgut ist als die sexuelle Selbstbestimmung, auch wenn man davon ausgehen muss, dass zugleich die seelische Gesundheit massiv beeinträchtigt wird. Ich würde auch selbr >>lieber<< vergewaltigt werden als umgebracht und würde es für weniger schlimm erachten, wenn Menschen, die ich liebe, vergewaltigt würden, als wenn sie umgebracht würden.
Würdest Du lieber ermordet als vergewaltigt werden? Fändest Du es schlimmer, wenn Menschen, die Du iebst, vergewaltigt würden, als wenn sie ermordet würden?
david ramirer
Was sind denn das hier für Fragen? Erinnern mich sehr an die Fragen bei einer Zivildienstkommision.
molosovsky Besitzerin
…worin der fundamentale Unterschied zwischen unserem Denken/Fühlen liegt, lieber pheake. Beginnt damit, daß mir beides gleichwertig erscheint, also Vernuft ist grad so gut wie Empfindsamkeit.
Das Verstümmeln der Wirklichkeit beginnt da, wo der Mensch beginnt zu trennen und zu werten. Für uns Menschen mag das sinnvoll erscheinen und begründet, ich empfinde aber sehr stark die Willkürlichkeit darin und habe vor langer Zeit deshalb einen Jenseitsberich bezogen in diesen Dingen.
Als Täter mitmachen… gerade als heutiger eingedoster und absortierter Quasi-Bürger sollte doch das Weg- und Mitgerissenwerden mit starken Instinken und euphorisierender Täterschaft eine unheimlich bezaubende Seite haben. Kleinjungenträume drehen sich oft um das Gozilla-sein-wollen (siehe Calvin & Hobbs). Womöglich aber darf ich in dieser Sache aber den größeren Batzen Phantasie für mich beanspruchen. Christlich gesprochen möchte ich mich in solch gewaltigen Verstrickungen der Menschen in ihr eigenes Übel nicht zum Richter machen, welches das kleinere der beiden sei, oder welches die besseren Haltugnsnoten verdient. Ich kann aber klar unterscheiden, daß ich die Nazis dafür verabscheue, was für grausame und toleranzlose Barbaren sie waren - und daß, ich die Menschheit (oder Gott) verachte, daß sie (er) es zur Vernichtung der jüdischen Kultur in Europa kommen ließ.
Zu dem ungeheuerlichen vergewaltigen oder morden Vergleich: Von Begriffen wie höheres Rechtsgut lasse ich mich natürlich nicht leiten. Die Justiz ist eine tolle Sache, und ihre Geschichte ist ein Indikator für die sich voneinander absetztenden Phasen der Geschichte. Ich habe mich ehr an meinen persönlichen Talenten, Fähigkeiten und Veranlagugen orientiert. Wie es Jack Sparrow so schön sagt, ist das einziges Gesetzt das es gibt bestimmt von der Frage: was kann ein Mann (Mensch) tuen, und was nicht?
Würdest Du lieber ermordet als vergewaltigt werden? Fändest Du es schlimmer, wenn Menschen, die Du iebst, vergewaltigt würden, als wenn sie ermordet würden?
Diesen Fragen stehe ich mit erschreckender Gleichgültigkeit gegenüber, da hier meine Vorstellungen, Vorlieben per se keine Rolle spielen. Die Frage ist also eine danach, womit ich wohl wie zurecht kommen würde, wenn dies oder das als Tatsache in mein Leben bräche. Mehr Menschlichkeit und Verständnis zeigen und zu was Nütze sein könnte ich bei einer Vergewaltigung eines Menschen den ich liebe, weniger anstrengend ist das Fertigwerden Ermordetwerden eines geliebten Menschen. Könnte ich es mir aussuchen, hinge es von der Tagesstimmung ab.
Das entscheidene über diese Modellfrage hinaus ist die Betrachtung von Gewalt dabei, denn die wird vom Menschen sehr heuchlerisch mal als unangenehm mal als schlichte Alltäglichkeit zurechtgedeutet. Wirklich abstoßend aber ist die Zivilisation in der auch ich lebe, deren Makel auch ich trage. Sie maßt sich an, sie definiert herum, sie bestimmt, lebt wie ein Vampir oder Virus und erklärt ihre Mode zur Kultiviertheit.
phaeake
..., daß mir beides gleichwertig erscheint, also Vernunft ist grad so gut wie Empfindsamkeit.
Ja, das ist sicher der Unterschied. Ich habe ehrlich gesagt bei manchen Deiner Passagen (Werten als Verstümmeln der Wirklichkeit. Einerseits Abscheu gegen die Nazis, andererseits Austauschbarkeit Nazis/Juden) sogar den Eindruck, eine gewisse Vernunftsfeindlichkeit heraus zu hören.
Diesen Fragen stehe ich mit erschreckender Gleichgültigkeit gegenüber, da hier meine Vorstellungen, Vorlieben per se keine Rolle spielen.
Wieso? Auch Deine Frage konnte doch nur als praktisch gedacht werden, wenn man sich einen grausamen Tyrannen vortellt, der seine Gefangenen besonders perfide quälen will und Ihnen verspricht, sie nicht zu töten, wenn sie einen andren umbringen oder vergewaltigen. Genauso könnte der grausame Tyrann doch auch den Gefangenen fragen, ob er lieber vergewaltigt oder ermordet würde.
Könnte ich es mir aussuchen, hinge es von der Tagesstimmung ab.
Und wenn Du gerade in einer lebensbejahenden Stimmung wärst und meinst, dass die Vergewaltigung eines geliebten Menschen leichter zu ertragen wäre als seine Ermordung (wofür ja neben den von Dir gebrachten Argumenten auch spricht, dass man mit dem geliebten Menschen weiterhin zusammenleben kann), würdest Du - in die Rolle des Täters gedrängt - Dich dann trotzdem für Mord entscheiden?
(Nein, david ramirer, das hier ist viel viel schlimmer als die Kriegsdienstverweigerungsanerkennungskommission.)
molosovsky Besitzerin
Ja, das ist sicher der Unterschied. Ich habe ehrlich gesagt bei manchen Deiner Passagen (…) sogar den Eindruck, eine gewisse Vernunftsfeindlichkeit heraus zu hören.
Richtig erkannt. Vernunft ist der Trickser des Menschengeistes, der für die gut verborgenen kleinen Schweinehundtriebe der Menschheit immer neue Ausflüchte, Kompromisse, Deixeleien, Hintertürchen, Seitenwege, Tarnanzüge, Legitimationen, findet.
Verstehe mich nicht falsch, im praktischen Leben bin ich gemäßigter Pazifist, war also nur Zivildienstleistender und kein Vollkriegsdienstverweigerer. Ich freue mich über das Potential an Wegen das die Menschheit bisher entwickelt hat (am meisten schätze ich die Musik, die Literatur und dann die anderen Künste, the rest is a nightmare), um organisch-körperliche und seelische Greul zu transformieren oder ganz zu vermeiden; - die Dummheit, Absicht oder Naivität, die die Menschheit aber immer doch noch zu Bluttaten treibt, läßt mich manchmal wünschen, als Magneto, Dr. Evil, Bloomfeld oder Mabuse, sozusagen als mit entsprechenden Mitteln ausgestatteter Künschtler mal tabula rasa mit dem ganzen Gemensche anzustellen und Happy Arcadia zu gründen. Keine Angst, dieser Teil meiner Persönlichkeit kümmert sich um meine DVDs und Comics (und ist vielleicht mit Tetsuo aus Akria passend illustriert).
Hi David Diese Fragen und das hier sind so Überlegungen in Kompositionslehre des moralischen Blattes.
anh
K l i c k e h i e r: >>>>>>
(herbst & deters fiktionäre)
molosovsky Besitzerin
Sowohl für den Hinweis/Link, als auch für die Besprechung selbst. Und Ihre Meldung hier hat mich daran erinnert, Sie in meine Links aufzunehmen. Ihre »Anderswelt«-Romane glänzen durch Ernstnehmen des Phantastischen, zu dem die hiesige Gegenwartsliteratur sich sonst kaum aufraffen kann, will oder darf. Wer weiß?