Deutsche Gegenwartsliteratur
(Alltag) - Habe einen Kommentar platzieren müssen, in einer interessanten Diskussion in Andreas Reisenotizen.
(Alltag) - Habe einen Kommentar platzieren müssen, in einer interessanten Diskussion in Andreas Reisenotizen.
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Februar |
Hella
Moin Molosovsky,
weil die Diskussion in Andreas Blog nun beendet ist und ich dort nicht das letzte Wort haben will, danke ich dir mal eben hier für deine Reaktion betr. BvSB, der - wie ich hier noch einmal betonen will! - wirklich 1000mal mehr im Kopf hat und ein ungleich besseres Deutsch schreibt als die Seminarren aus den Autorenfabriken. Schade nur, daß die Leute, die meine Prosa hymnisch besungen haben, es nicht öffentlich tun. Faules Pack das.
Gruß aus dem eisheiligen HB!
molosovsky Besitzerin
Hallo, und ja die Ein- und Auslassungen zu Gerstenberg, den öden Sound der Hollow (hu)Men und BvSB bei Andrea drüben ist nett. Übrigens hast Du derzeit dort das letzte Wort {grins}.
Klarstellen muß ich aber ganz heftig, daß ich die Bücher von BvSB abstoßend finde und mich ermahnen muß, Benjamin als Menschen nicht zu verachten. Wie ich bei Andrea in den Kommentaren schon andeutete, habe ich mir spätestens ab Livealbum Gedanken über den Kokser (oder damals noch nicht drogengeilen Drogenverherrlicher) BvSB gemacht. Moritz von Uslar, Christian Kracht und er sind da meine Lektüre- und Medienbojen, wenn es um diese säuerlich-bittere hedonistische Gralsritterschaft geht. Der Umstand, das die schmählich unscharfe Drogenapologetik (damals) niemandem aufgefallen ist, viellerlei Sozialneid (auch allgemein wegen der Adelsnamenschwemme im jungen deutschen Lit-Stall), sowie die Tatsache, daß ich diese Realitätsabklapperei popliterarischer Facon so überhaupt nicht mit Vergnügen goutieren kann, machen es wiegesagt schwar für mich, mich zu mäßigen in meinem Ausdruck. Das Verhöhnen, ironische Zwinkern und das Organisieren eines Laufstegs des Ennui und der eitlen Abgeklärtheiten auf einer Adabei-Folie erscheint mir so kleinlich, feige und leer. Mit fast schon jesuitischer Selbstgerechtigkeit halte ich mir zugute gar nix erzäheln zu wollen, wenn ich denn schon unfähig bin, richtige Geschichten zu stricken.
(Herrn Kracht muß ich übrigens ausklammern von solch pauschalen Anwürfen, denn Faserland und 1979 zeichnen eine sehr interessante Entwicklungslinie. Selbst wenn seine Sprache selten die meine ist, so sind seine Kontrastdioramen auf kleinem Raum eine an- & aufregende Lektüre. Und entweder ist Kracht ein besser zur Verstellung befähigtes zynisches A-Loch das mich täuschen konnte, oder ich habe bei seiner CD-Lesung von 1979 zurecht die angenehme Überraschung machen dürfen, daß er ein vertrauenswürdiger Zeitbeobachter ist.)
Unterm Strich kann ich mit Rainald Goetz (der neben Max Goldt wohl die Vorbildpole für alle Nachfolgenden bildet, zwischen denen diese sich in verkrampfter Nachahmung üben, aber so, daß es nicht zu augenfällig und dennoch [I]irgendwie[/I] so toll ironisch, so schillenrd analytisch sein möge) sagen: der Stil machts, in ihm schreibt sich das Wesen, die Person, ganz direkt das Leben des Autoren ein. Und so wie Goetz (Abfall, Seite 516) seine Abneigung gegen Martin Walser über diese Sicht des Stils begründet, so kann ich nur offenlegen, daß es ein BvSB-Text in Remix 1 über Ferienjobberei war, der mich hart und unangenehm mit der Tatsache konfrontierte, daß ich BvSB in einem Maße als unvertrauenswürdig und unangenehm empfinde, daß ich ihm wohl nur mit äußerster Höflichkeit und Schüchternheit begenen könnte. - Dennoch, seine TV-Sendung bei MTV war großartig. Mit dem aus dem Fenster werfen von Ulla Hahns unsäglichem Prosabrei hat er für einen Abend mein Herz erobert.
(Ich lese zu viel Leibniz derzeit. Das ist einer festen polemischen Meinung abträglich.)
Vor die alte Micki Maus oder Donald Duck, Kain oder Abel usw-Frage gestellt, wähle ich die Seite auf der Helmut Krausser, Thor Kunkel, Georg M. Oswald zu finden sind, von mir aus zähle Alban Nicolai Herbst und Rainald Goetz hinzu.
Aber dieses Land ist ja eigentlich zu schrecklich, unsere Sprache zu verstümmelt und am Sterben, und Literatur selbst mittlerweise zu anachronistisch, als daß es meiner Meinung überhaupt noch Sinn macht, etwas anderes hier und heute als denkender Autor schreiben zu wollen, wenn nicht einen großen, Ragnarök-Text auf den Niedergang der speziefischen Weise deutscher Weltfremdheit. Die Gestalter der Menschheit träumen in Englisch, Chinesisch und Arabisch, in Spanisch und Russisch, aber nicht auf Deutsch. Wir verziehren mit Sargnägeln, die auf den Kopf zu treffen unsere Sprache geeignet ist, die Sepulkralkultur der Historie. Ein de facto nur noch als zuckender Zombie wankender Kulturkörper wie der Deutsche, hat dennoch keine oberflächliche, schamtüchende Ironie als Grabspruch verdient.