molochronik
Mittwoch, 21. Juli 2004

Fantasy aus der Kirchengeschichte: Warum dominiert das Kreuz den christlichen Altarraum?

(Gesellschaft) – Im Zuge eines Thread über Tolkien bei SF-Fan habe ich nicht nur versucht, ein wenig die katholischen Elemente im »Herr der Ringe« freizulegen, sondern war bemüßigt, der Frage nachzugehen, warum das Kreuz das dominierende Symbol der Christenheit darstellt. Dazu blätterte ich mich durch meine Kulturgeschichten und biete folgende respektlose-flockige Zusammenfassung.

Hatte Jesus Menschen- oder Gott-Natur, oder beides?

Wie das Pentagramm den Pythagoräern als »Hey Leute, hier befindet sich ein Info-Netz-Forum, wo was man über die Geheimnisse des Goldenen Schnitts klönen kann«-Zeichen an Türen und Hauswänden, und bei sich getragen zur gegenseitigen Idendifizierung diente, so war im Urchristentum der Fisch und das entsprechende griechische Wort ichthys , das sich aus den Anfangsbuchstaben für Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser zusammensetzt, viel beliebter als beispielsweise das Kreuz. DAS Kreuz gabs und gibts eh nicht, sondern unzählige Varianten, vom einfachen roten, übers katholische oder orthodoxe, bis zum templerischen, maltekischen ect. pp. ff. (und wer ganz übereifrig paranoid interpretiert, darf sogar die » X-Men« als Mutanten-Apostel deuten.)

Immerhin wurde erst 325 n.Chr. beim ersten Konzil von Nicäa die römische Todesstrafe der Kreuzigung aus Respekt vor Jesus Christus abgeschafft. Man denke an St. Andreas und andere, die als Märtyrerpioniere medial von der Ähnlichkeit ihrer Hinrichtung mit der des Originals profitierten. Man unterschätze die Propagandawucht der narrativen Märtyrerschuldscheine gegen das grausame heidnisch-imperiale Rom nicht, und welch wichtiger Aspekt dies beim Bilderstreit- und Menschennatur-Gekabbels war, mit dem sich das Christentum zwecks Aufstieg zum Weltbildhegemon zu beschäftigten hatte. ••• Nebenbei: Im Islam ist dieser Streit bekanntlich genau andersrum ausgegangen, als beim katholisch-orthodoxem Christentum, allerdings um den Preis linguistischer Exklusivität: »Übersetzungen des Prophetenwortes bleiben immer minderwertiger und des Arabischen nicht Mächtige haben im Islam kein Mandat.« •••

Bis heute mutet die katholische Kirche ja zwei den Verstand beleidigende »Ist echt und wirklich so gewesen«-Frechheiten als Kathechismus zu: die jungfräuliche Geburt und Jesus' Auferstehung von den Toten. Diese zwei Speziealeffektorigien des katholischen Films entfachten freilich ein heftiges Gerzerre um die Gegensätzlichkeit der Mensch- und/oder Gott-Natur von Jesus. Die unterschiedlichen Meinungen und widerstreitenden Phantasien dazu, entluden sich dann 431 n. Chr. beim dritten ökumenischen Konzil von Ephesos, auf dem der Bischof von Alexandria dem Bischof/Patriarchen von Konstantinopel eins auf die Mütze gab, und Maria vollends mit dem Titel »Gottesmutter« ausgezeichnet wurde (statt nur: »Erlösermutter«). Ganz abgefrühstückt war das Thema aber deshalb nicht für alle, Räubersynoden und Much Ado about Nothing folgten, und wenig Ruhe herrschte im Schoß von Mutter Kirche.

451 n. Chr. beim Konzil von Chalkedon kam man also wieder zusammen, diesmal, um die Lehre vom Leiden Christi am Kreuz zu verhandeln. Wie schon in bei der Mission-Impossible »Befruchtung Marias durch den Heiligen Geist«, wo man sich für die hygienisch-sexlose aber wunderträchtigere Formel »so rein wie Wasser durch ein makelloses Rohr« (und lieber via Ohr in den Uterus, als über die kürzere Pfui-Deifi-Route) entschieden hat, setzte sich wiederum die hierarcho-realo Fraktion der Psyagogie-Praktiker gegen die Bischöfe mit den un-wunderlicheren Ideen durch, die z.B. meinten, daß einer von Jesus Anhängern – möglicherweise Judas Ischariot oder Simon von Kyrene – statt Jesus am Kreuz gestorben sei. Andere klamüserten, daß Jesus die Kreuzigung überlebt hat, weil er nicht wie üblich mehrere Tage am Kreuz hängen musste, sondern bereits nach einigen Stunden abgenommen wurde. ••• Man denke auch an später noch virulentes Gemurmel, wie die Südfrankreich-Merowinger-Connection a la Templergeheimnisse, oder die Barnabas bzw. Thomas war Zwillingsbruder/schwester von Jesus-Theorie und dergleichen. •••

••• »Befruchtung durch den Heilien Geist« ist ja wieder Ideologie-Sprengstoff auch auf dem Gebiet der Science-Fiction geworden, wenn man Heiliger Geist als genetischen Programmcode und – wie zuerst schon die Kabbalisten – Gott als Onto-Informatiker begreift, und sich somit der geklonte Mensch unter zeugungstechnischen Gesichtspunkten als Jesus-analog entpuppt. •••

Endgültig zementiert wurde dann 787 n. Chr. auf dem siebten Konzil von Nicäa, durch eine Art byzentinischer Angela Merkal, als nämlich die oströmische Kaiserin Irene im Bilderstreit entschied, daß die Bilderverehrung erlaubt (erwünscht) sei. Erst mit dieser Genehmigung des Kreuzes, konnte es sich als zentraler Vereehrungsmagnet in den Kirchenräumen etablieren, und begann dessen Siegeszug als primäres christliches Firmensymbol. Wir leben also in gewisser Weise hier und heute auch im Jahre 1217 des Kreuzes.

Marienverehrung und Kreuzverehrung markieren also die Bereiche des abgedreht Wundersamen, die aber für entsprechend Strenggläubige als harte Fakten zu gelten haben. Damit tritt der kommunitaristische Aspekt der Gleichheit des menschlich-Seienden und des Respekts gegenüber der Schöpfung zurück – und z.B. der entsprechend konnotierte Fisch verschwindet für lange Zeit aus der Hitliste christlicher Symbole. Vollends infiziert von den Machtroutinen zentralistischer Ideologien, entschied man sich für eine grelle Superheldengeschichte mit Coverzeichnungen von »Wundergeburt, Blut, Tränen und Todesnichtung«. Damit kann man mehr Angst beschwören und bringt sich ohnmächtig Wähnende dazu, sich williger benasenringen zu lassen.

Eine zentrale Aussage, die entsprechend von Christenmacht-Ausübern gern verbreitet und bedient wird, ist die Absegnung zur Unmündigkeit und Verführung zur Verantwortungs-Befreiung: »… ihr müßt werden wie die Kinder«, im ursprünglichem Sinne von infantil, bedeutet: »kann (noch nicht) nicht sprechen«; siehe auch Thronfolger-Infanten als »noch nicht Macht sprechende«, und Infanterie als Befehle nur empfangende Einheiten, die selber nix »zu sagen haben«.

•••

Die Illus zu diesem Beitrag sind Details von der Zeichnung »Der Teufel hatte eine Idee«.

Sie sind nicht angemeldet