Molosovsky … bisweilen ein Reflex-Depp
(Woanders, Literatur) – Frau Jelinek hat den Literaturnobelpreis 2004 zugesprochen bekommen und im deutschsprachigen Raum rappelt es nun gehörig … viele sind enttäuscht, einige sogar vor den Kopf gestoßen … die Jelinek ist doof-Kritiker stehen jetzt als Banausen da (berechtigt) und giften entsprechend (unberechtigt) … nur ganz wenige haben sich öffentlich narrisch gefreut, über die Anerkennung einer unbequeme Literatur schreibenden Kollegin bzw. Autorin.
Eigentlich habe ich zu der Angelegenheit kein Mandat, denn außer einer gewissen Sympathie aus der Ferne und dem Vorsatz, mal was von Frau Jelinek zu lesen, kenne ich weder Bücher noch Theaterstücke von ihr. Halt. Nein. Moment. Stimmt gar nicht. Als Phantastik-Freund habe ich ihren Text über die »Alien«-Filme gelesen, und nach neuer Spartenlehre würde man diesen Text womöglich unter Gender Studies einordnen. Ein guter Text, der sich eben der Filme annimmt, statt nur (wie sonst unter Lüteratön oft anzutreffen) auf ihn hinabzublicken.
Nun habe ich aber eine gewisse ablehnende Haltung gegenüber allen Auszeichnungen und gegenüber dem Nobelpreis erst recht. Das ist weniger begründete Meinungsäußerung, sondern wahrscheinlich Ergebnis der Tatsache, daß ich als Jugendlicher sehr früh über Arno Schmidt gestolpert bin, und einiger seiner harschen Äußerungen immer noch auffällig unreflektiert in meinen Gehirnrillen bappen.
Entsprechend lapsig fiel mein Beitrag in Hellas Höherenwelten aus, in dem ich mein d'accord zu einem Beitrag des Kollegen David von den Randnotizen zum Ausdruck bringe. Inzwischen habe ich auch Hellas komentierte Collage wüster Schimpfereien über Frau Jelinek und die Nobelpreisverleiher gelesen und finde mich wieder an der Grenze zum Schamrote Backen-Land. Kann ich nur sagen, daß der Literatur-Nobelpreis 2004 in zweifacher Hinsicht doch seinen Wert hat: • privat, weil ich nun einen Anlass habe, in Bälde ein Buch von Frau Jelinek azugehen – Wer hat einen guten Fang mit dem Buch an-Tip für mich? Gibts phantastisches von ihr? • und überhaupt, kann man dem Scheuklappen-Mob sowohl auf Publikums- wie Literaturbetriebs-Seite kaum eleganter eins reinwürgen und deren Arroganz abwürgen, als wenn man die auszeichnet, die sie nicht mögen.
andreaffm
Eine lustige Geschichte zum Thema Jelinek und ihre Kritiker gibt es hier: "Republik Österreich läßt sich von der ZEIT niedermachen!"
molosovsky Besitzerin
denn diese Story hatten wir ja im Haushalt wahrgenommen. Danke für die Ergänzung.
david ramirer
würde dir ihren romanerstling "wir sind lockvögel baby" als einstieg empfehlen. ein sehr radikales stück frühe popliteratur (aus österreich!).
auch zu empfehlen ist "gier" und "lust", wofür sie von der fpö (und von sich selbst) als pornografische autorin eingestuft wurde. sie wollte, sagte sie, bei "lust" einen "weiblichen porno" fabrizieren, und sei damit gescheitert. aber sie ist auf hohem niveau gescheitert, das muss ich schon sagen.
vielleicht hat sie deswegen auch einen so guten draht zum ver-schlingen.sniff (von wegen scheitern auf diversen niveaus) ...
ob du allerdings jelineks werke als phantastisch nach absolvierter eigenlesung einstufen wirst, darauf bin ich sehr gespannt, ... vergiss bitte nicht dann erneut die eigenreflexion erneut zu reflektieren...
molosovsky Besitzerin
… verstehe ich ja nicht außschließlich jene Fiktionen, welche sich einer ontologischen Kreation und Artistik und damit Abweichung von der sogedachten Faktenwelt gönnen … sondern empfinde auch so manche Fiktionen, die sich mittels Sprach- und anderer Dichtungs-Artistik zu eigenen Welten zu texten vermag, als spannende Exempel einer sehenmachenden, erscheinen lassenden Kunst.
Vielen Dank für die Orientierung … auf jeden Fall durchstöbere ich derzeit die im Internet zugänglichen Texte. Finde es ja immer spannend essayistsische Beiträge von Fiktions-Autoren zu lesen.
david ramirer
ich habe auch nur gespannt und abwartend harrend die aussicht als "fiktion" in den raum gestellt, dass du ihre kladden als phantastisch einstufen wirst... dass dein phantastik-begriff sich über den engen raum der gemeinhin gemeinten schwert-, unterhosen und gnomlitertur emporhebt bis zu joyce, arnoschmidt und kubin, das weiss ich schon, seit du mir damals dankenswerterweise den großstadt- rave-, und internetphantasten rainald "the woblogg"goetz ans herz legtest, den ich seither (nicht nur aufgrund seines romanes "irre") sehr schätze.
auf jelineks sehr umfangreicher homepage findest du einen ganzen a**** voll texten, die komplett zu sichten sicher recht lange vorhällt...
menteith
Ich habe ja nur ein Buch von ihr gelesen und das auch noch - erstaunlich genug - in der Schule: Die Klavierspielerin.
Ich fand es damals als erfrischende Abwechslung im Schullektürealltag (Danke deutsche Sprache). An den Inhalt kann ich mich zwar kaum noch erinnern, ein Satz hat mich damals aber beeindruckt, den hab ich mir gemerkt. Er lautet:
tine
ich kann dir gerne "gier" ausleihen, das hatte ich gerade erst im sommer gelesen. ausserdem hat daniel "die klavierspielerin" auf video, war da nicht eine video-revange fällig?
molosovsky Besitzerin
@David: Ha, gut daß Du den Rainald Goetz erwähnst, über den wird derzeit auch verhandelt, aber in einem etwas anderen Zusammenhang … Blogs, Lesungen aus selbigen, Popliteratur und ihr Siechtum und so. – Bleibt also dem Textbergsteiger in mir nur noch zu »Jelinek ho!« (demnächst) oder so zu sagen.
@menteith: Guter Satz aus der Klavierspielerin … eben auf solche Beispielsätze von Frau Jeliniek stüzte ich meine Sympathie aus der Ferne. Aus dem Satz hab ich ein waschechtes Quote formatiert. Verzeih den formatierenden Eingriff.
@tine: Aus schon erwähnter Ferne weiß ich, daß »Die Klavierspielerin« (I know, Hr. Haneke und Md. Huppert) nicht gerade ein seichtes Filmchen ist … aber neben Filmchenschaun gabs da auch noch was wegen Essen und so. Und jetzt am Wochenende bin ich (sind wir) erstmal weg, aber am Sonntag wieder da.
Hmmm, »Die Klavierspielerin« … düster düster.