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(Eintrag No. 290: Alltag) — In der »Die Welt« hats heute einen kleinen IQ-Test. Nächsten Samstag bietet der Hochbegatenverein Mensa kostenlos umfangreichere Tests an. Wer den besteht, darf Mitflied werden in diesem Club. Ich kratz mir etwas Selbstwertgefühl zusammen, weil ich laut Testauswertung ›gute Chancen‹ hätte, bei Mensa aufgenommen zu werden.
Was ich mich frag: Was soll die Mitgliedschaft bringen? Können DIE mir einen richtigen Job vermitteln, mich beraten was meine Zwangsrechtshändigkeit betrifft‡. Ich denke nicht, und das mag mein typisch molosovsky'scher Pessimismus/Fatalismus sein. Immerhin: am Samstag bin ich am Hartz-IV-Schaffen und hab gar keine Zeit für diesen Umsonsttest.
Wers wissen will: bei dem Text hab ich die Aufgaben 4, 11 (Schlamperei), 19 (halte d und e für genauso plausibel wie die richtige Lösung a und d) und 32 in den Sand gesetzt.
‡ Ich bin zwangsumgelernter Linkshänder. Ab und zu geht mir dieser Fakt durchs Gemüth und ich hadere und ringe mit mir. Soll ich da was machen? Oder soll ich mich nun als 34-Jähriger besser mit meiner Rechtshändigkeit abfinden? Ist das nicht eh alles neumodischer Mumbojumbo? Oder ist diese Verpfuschung meiner natürlichen Ausrichtung der tatsächlie Hauptgrund meiner ›Versagerhaftigkeit‹? Bin ich überhaupt ein Versager (ich fühl mich zumeist zufrieden)? — Mal bieten diese Dinge also netten Trost für meine ›Erfolgslosigkeit‹, mal knabbern diese Gedanken an meiner Laune und machen mich mürbe. Mürbe deshalb, weil durch dieses von anderen Verpfuschtwordensein die eigene (meine) Ohnmacht deutlich macht.
Obernervfakt: ob Rückschulung zur Linkshändigkeit oder sonstige Therapien gegen meine Unzulänglichkeiten, alles kostet Geld. Und als Hartz-Vierling mag ich einiges haben, auf das die ›Erwerbsbevölkerung‹ neidisch sein mag, aber Geld für derartige Hilfe hab ich keins und bekomm ich auch nicht. Ich frag mich jetzt schon, wie das vierte Quartal dieses Jahres wird, wenn ich eine Zahnkrone für 400 bis 500 Euronen löhnen soll. Hab mich auch überreden lassen, denn nach meiner Sicht ist dieses Zähneersetzten eitler Wahn. Ich fand das Programm von Wolfgang Neuss immer sehr vernünftig: wenn die Zähne ausm Mund sind, bleiben sie draußen.
Irene
Ich bin auch umgebogene Linkshänderin, was bei mir aber nur beim Schreiben (und Stricken) geklappt hat. Gezeichnet und gemalt und gekocht und gebügelt und geklickt wird mit links.
Mich hat das Thema früher auch interessiert, weil ich manchmal das Gefühl hatte, dass irgendwas verbogen ist und ich meine Fähigkeiten nicht recht ausschöpfen kann. Aber das Thema Händigkeit kam mir etwas überschätzt vor, und eine Rückschulung zu gezwungen. Mittlerweile habe ich einen anderen Ansatz gefunden, der für mich stimmt und auch zu dem passen könnte, was Du schreibst. Wenn es Dich interessiert, dann schreib mir einfach eine Mail, die Adresse ist im Blog verlinkt. (Andrea kennt mich soweit, dass ziemlich klar ist, dass ich Dich nicht für eine Sekte anwerben will ;-))
Mensa kenne ich vom Hörensagen, bin eher nicht hochbegabt. Allgemein gesagt schadet es nie, Leute zu kennen, die wissen, was man auf der Pfanne hat, gerade wenn man sonst zu wenig Gelegenheiten hat. Und vielleicht hat der Verein ja ganz praktischen Nutzen, Beratungen oder sonstwas.
molosovsky Besitzerin
… am 02. august in Deinem blog. Nach vor wenigen wochen hätt ich mich gar nicht so weit zurück durch den schönen schaafsinhalt geklickt (wg. mikriger netz-leitung).
Prinzipiell finde ich, ist diese ganze hochbegabten-kiste eine schöne facette aktuell beobachtbarer mythologie. Und an der tatsache in der händigkeit umgeknetet worden zu sein, lassen sich eitelkeiten als auch für kümmernisse prismatisch brechen — was ich immer recht praktisch fand. Wieder-umlernen erschien mir immer zu vergeblich, aber mehr ersterhand-gedanken (no pun intendet) über die angelegenheit im allgemeinen erfahren? Tu ich Immer gern.
Irene
das ist aber eine Graugans aus ungewohnter Perspektive.
Nachdem Du sowieso schon Dein Gehirn in Frage stellst (und so schöne Gedankenschweifer zeichnest :-)), denke ich ernsthaft daran. Kann man als Fokussierungs- und Reizfilterschwäche oder als Sonderbegabung ansehen, je nach Situation und Aufgabe. Typisch sind große Probleme bei Kleinkram und Routineaufgaben, aber schnelles Erkennen von größeren Zusammenhängen, die für andere nicht auf Anhieb nachvollziehbar sind. Gilt in Deutschland immer noch als unspezifische Modediagnose, ist aber in Nordamerika längst anerkannt.
Persönlicheres dazu aber doch lieber per Mail. (Dass Du das nicht gleich gemerkt hast, gibt einen zusätzlichen Punkt bei eventuellen Tests ;-))
molosovsky Besitzerin
Bin als kind furchtbar gewesen. Meine mutter wird heute noch bemitleidet, weil ich ein superwildes kind war. — Ich schreib Dich per email noch an.
Ach ja: ich bin enten- teichhühner-, gänse- und überhaupt ein vogelvieh-fan. Gans oder ente … ist doch blunzn (= deutsch. blutwurscht, also egal).
yiyippeeyippeeyay
Hi molo
Nach langer Abwesenheit kam ich heute mal vorbei und traf gleich auf diese meine "pet hate" Initialen: IQ-Tests sind Ausgeburt der Wissenschaftsgläubigkeit unserer Gesellschaft, aber keine Wissenschaft. Sie testen etwas, das wissenschaftlich undefinierbar ist, um gar nicht erst zu reden von messbar. Mensa ist also eigentlich so ein ähnlich frei-religiöser Verein wie die Freimaurer, allerdings eher WENIGER nützlich, würde ich sagen. (Ich war mal kurz in Afrika Mitglied und ließ es nach dem ersten Treffen dann schnell sein.)
Zum Thema IQ und was das (nicht) bedeutet, empfehle ich dir sehr das Buch "Der falsch vermessene Mensch" von S. Gould.
P.S.: Ich halte dich nicht für einen Versager!-)) Ich denke Versagertum ist etwas, das man sich selbst (oder evtl. noch die Familie, wenn man in unserem Alter noch auf die hört) aufobtruiert. Freunde per definitionem nicht (wobei berechtigte Kritik unter Freunden nichts Fremdes sein kann).
molosovsky Besitzerin
Klingt ja nach einer langweiligen runde, die hochintelligenten auf der anderen halbkugel. Allerdings, daß Du so neugierig (und offenkundig befähigt) warst als mitglied mal reinzuschnuppern beeindruckt schon.
IQ-tests sprießen heut so, wie einst die emblemats und »Weg des Herzens«-büchleins. Prinzipiell find ich solche tests, clubs usw immer auch ein bischen spooky. Immerhin machen da auch so medien mit und weiß nicht was. Da kommt mir gleich diese maritime sprachmetaphorik in den sinn, wenn die einen fang- oder treib-netzte auswerfen, um die anderen an bord zu ziehen. Nun ja, ich nehme nicht an, daß die Mensa-Leute ihre netzte auswerfen, um die ergatterten dann zu verspeisen!
Aber so für 20 minuten kurzweil geh ich gelegentlich gern solche testes durch. Das schlimmste was passieren kann ist, daß man merkt, daß der test blöd ist. Der kleine Mensa-test hier war ganz netto.
ERGÄNZUNG wegen ›versagerhaftigkeit‹: Yippie, ich weiß so nette gesten zu schätzen und kann beruhigen. Für mich ist der umstand, sich ab und zu selbst des versagertums zu verdächtigen eher was umsichtiges, auch etwas, daß ich der abwechslung halber mach. Ich weiß nicht, ob das ungewöhnlich ist, aber ich denke, nicht nur ich klopfe auf diese art weltbilder ab, indem man sich fragt: »Wäre ich fähig ein guter arzt zu sein? Oder, würd ich als pionier-siedler bestehen?«. — Vielleicht hängen da noch denkwolken über ein vorstellungsgespräch von letzter woche nach. Telefon-klingelputzerei für sachen, bei denen ich mit schlechter laune den löschknopf auf dem AB drück.
andreaffm
Ich hab immerhin 27. Aber so Kniffeltests konnt ich ja noch nie gut, deshalb versag ich immer bei Intelligenztests. Irgendwie denk ich mir da immer andere Regeln aus, als die vorgeben.
Dafür räum ich bei den Sprachkompetenztests ab. Nur kommt man damit halt nicht zu Mensa. Wahrscheinlich nicht mal nach Klagenfurt.
molosovsky Besitzerin
…ist der schwerpunkt des schnupper-Mensa-tests. Gewisse symmetrien und schrittfolgen zu erkennen mit mustern und strukturen liegt mir. Sprachtests gehn auch so, nur da kommt mir öfter unter, was Du zu grafik-tests schreibst: ich komm auf andere gesetztmäßigkeiten, als die test-ersteller im sinn haben. Jetzt wo Du mich drauf aufmerksam machst, wärs interessant genauer zu eruieren, ob die richtigen Mensa-tests mehr vielfalt bieten, oder ob die ehr mit einem engegen netz auf fischfang gehen.
Wie yippie so schön schrieb, ist ›Intelligenz‹ ja so eine sache, über die gelehrtere als wir hier einen feinteiligen und unentschiedenen diskrus führen. Da gibt das wörtchen intelligent anderen begriffen wie ›Bewußtsein‹, ›Willensfreiheit‹ und Persönlichkeit‹ die hand und tanzt munter um die menschlichen phantasie-kameras.
yiyippeeyippeeyay
... auch "Intelligenz" oder anders benannte Teilaspekte davon, aber das heißt noch lange nicht, dass es wissenschaftlich irgend etwas bedeutet. Intelligenz ist NICHT messbar, wenn ein unwiederholbarer Papiertest das Maß ist. Man kann zwar schön Testergebnisse untereinander korrelieren, aber eine hohe Korrelation sagt höchstens aus, dass eine (von evtl. mehreren!) Ursache des Effekts die gleiche sein wird. Weil dies immer wieder vergessen wird, und die Tests an sich das eigentlich zu Messende ersetzen (soll heißen IQ-Tests DEFINIEREN Intelligenz - ich lach mich tot!), kommt dann so ein Quatsch zu Stande wie mehrfache "wissenschaftliche" Aussagen im letzten Jahrhundert, dass Afro-Amerikaner dümmer seien als weiße Amerikaner. (Neulich - vor ein paar Monaten - kam ja auch wieder der "Beweis", auf Basis solcher Tests, dass Migrantenkinder weniger auffassungsfähig seien als Kinder deutscher Eltern. Ach ja? Hm, fällt mir da eine andere Ursache ein? Z.B. die allgemeine und spezifische Scheiße, die der dt. Staat vielen Migranten als Begleiterscheinung zumutet?)
Nochmal: Intelligenz als eigenes, unveränderbares TALENT, das man eindeutig messen kann, gibt es nicht. Also ist ein hohes IQ oder eine Mitgliedschaft bei Mensa auch nichts Beeindruckendes. Im Gegenteil, ich halte es für den Beweis eines fetischistischen Glaubens an die Macht von "wissenschaftlich" abgesegneter gesellschaftlicher Etikettierung, also Ausdruck des Wunsches einer Elite an zu gehören. Puh! (Alles klar? ;-))
molosovsky Besitzerin
Ich seh die problematik der eingrenzung des großen möglichkeitsfeldes ›was ist intelligenz?‹ durch das messen bzw. beobachten. Da ähneln sich quantenphysik und bewußtseinsforschung.
Klar versorgt man (ich) sich mit positiven elitärkicks, wenn man sich das lösen von IQ-tests (oder der FAZ-quadratur) gönnt. Man kann sich ›intelligenz-tests‹ ausdenken, bei denen z.B. ich gut abschneide, die aber eher abwegig sind. Nehmen wir das nachahmen von instrumenten, oder das improvisieren von fugenartiger musik.
Allein schon folgendes: unter intelligenz werden zumeist aktive, expressive, tatenlastige entscheidugnen, verhalten usw verstanden. Dabei kann sich intelligenz auch dadurch zeigen, daß man etwas unterläßt. Zum Beispiel Mensa beizutreten :-)