Ist das die Zukunft?: Pynchon, der mysteriöse Mann
(Eintrag No. 352; Comic, Woanders, Literatur) — Mal was kleines, albernes für Zwischendurch. Im vergangenem Jahr bin ich, als begeisterter Wanderer durch den fetten Roman »Gegen den Tag«, ja unter die Pynchonianer gegangen. Toooodsicher werde in den kommenden Monaten und Jahren auch noch die fünf Vorgängerromane (und den einen Kurzgeschichtenband) dieses ungebändigten Rundum-Erzphantasten verköstigen. — {Ergänzung: Vor ein paar Minuten habe ich die englische Ausgabe von »The Crying of Lot 49« beendet. Ist schon enorm, was dieses dünne Büchlein da leistet, noch dazu weil die alten Thurn & Taxis hier als Partei eines sinisteren Kräftemessen auftreten dürfen. Kann diesen kürzesten Pynchon mit gutem Gewissen als Einstiegslektüre in die einzigartige Prosawelt dieses Meisters empfehlen. Nicht vergessen: zieht vielleicht ein bischen mehr an, wenn ihr euch auf eine Runde Strip Botticelli einlasst.}
Im Zuge meiner Pynchon-Begeisterung bin ich über die Reihe »Is This Tomorrow?« von Kelly Shane & Woody Compton gestolpert. Die beiden betreiben ihre lobenswerte Seite mit Pikto-Literatur seit 14. Juli 2003.
Hier nun meine (schnelle) Übersetzung der Folge vom 21. Juli 2003, welche eben Thomas Pynchon gewidmet ist.
Kästchen 2; Oben: Es gibt nur wenige bekannte Photographien des Schöpfers von »Die Versteigerung von No. 49«, »Die Enden der Parabel« und »Mason & Dixon«, und alle zeigen ihn als jungen Mann. Unten: Man vermutet, dass der Autor sich nach der Veröffentlichung seines Debut-Romans »V.« 1963 die Zähne richten ließ.
Kästchen 3; Oben: Es wird gemunkelt / dass Pynchon in den 60ern-Jahren einmal / Torten im Wert von 50$ erwarb / und eine Tortenschlacht vom Zaun brach. Bild: Don’t fuck with the rocketman {Deutsch im Original: Fickt nicht mit dem Raketenmensch.}. Unten: Er war auch dafür bekannt, in dieser Zeit ein kleines Plastikschwein bei sich zu haben.
Kästchen 4; Oben: In einem Playboy-Artikel schrieb der Autor Jules Siegel, dass Pynchon / ganz versessen war auf die Shirley Tempel-Nachahmung / von Siegels Ehefrau. Bild: On the go-go-od ship lollipop … Unten: Das ähnelt einer Szene in »Die Enden der Parabel«. / Siegel behauptet auch, / dass Pynchon eine Affäre mit seiner Frau hatte.
Kästchen 5; Oben: Pynchon ließ den ulkigen Professor Irwin Corey den National Book Award für »Die Enden der Parabel« in Form einer komischen Stehgreifnummer entgegennehmen. Bild: … akzeptiere ich diese finanzielle Verfügung – ah – das Stipendium im Namen von, uh, Richard Python für seinen großen Beitrag, und um einige der Geschosse die er geliefert hat zu ziteren … Unten: Während Corey sprach / flitzte ein nackter Mann / über die Bühne.
Kästchen 6; Oben: 1994 wollte die John Larroquette Show eine Referenz bezüglich einer Pynchon-Sichtung und kontaktierte deswegen den Agenten des Autors. Unten: Pynchon ließ ausrichten, man solle ihn beschreiben als jemanden, der ein T-Shirt trägt auf dem ein Bild der TX Rocklegende Roky Erikson aus Austin zu sehen ist.
lucardus
Den Pynchon bewirbst Du ja nicht zum ersten Mal. Ich klebe leider immer noch beim Mason & Dixon fest. Das hat anfangs Spaß gemacht, mich dann aber irgendwann nur noch ordentlich angestrengt. Da werde ich wohl meine Rente abwarten, ehe ich mich mit Gegen den Tag beschäftige. Es dauert wohl noch, bis ich Pynchon-Fan werde.
molosovsky Besitzerin
…bieten die Romane von Pynchon, da gibts nichts drann zu rütteln, lucardus. — Warum das bei mir nun so gut klappt wage ich nicht mit endgültiger Sicherheit zu sagen. Was ich sagen kann, ist, dass ich »Against the Day« in einem Rutsch weggefressen habe. Ganz so, als ob es nicht das Spätwerk eines mordswichtigen modernen Autors ist, sondern eher wie einen kunterbunten Abenteuer-Reisser, der mich Seite für Seite überraschte (auch überforderte). Aber vielleicht hatte ich damit Glück, denn ich habe ziemlich schnell aufgehört, den Überblick behalten zu wollen und ließ mich fallen. Ganz ähnlich, wie man große Wimmelbilder betrachtet habe ich beim ersten Mal einfach die Details Stück für Stück registriert und den Roman die Führung überlassen. Jetzt, wo ich den Roman auf Deutsch noch Mal nach Lust und Laune durchschlendere, macht er nochmals großen Spaß.
»Mason & Dixon« habe ich vor einigen Jahren auf Deutsch begonnen, und bin damit auch gleich recht weit gekommen (wiederum ziemlich flott das Teil als Reisser lesend). Allerdings habe ich dann den Band verlegt und bin nach dem Wiederfinden nicht mehr zu Potte gekommen. Werde wohl von Vorne anfangen müssen (diesmal Englisch). Ich komme wohl mit diesem von Pynchon imitierten Erzählklang des 19. Jahhrunderts ganz gut zurecht. Ganz ähnlich wie bei Stephensons »Barock-Zyklus«, wo ich zwar nachvollziehen kann, wenn andere mokkieren, das Werk mute Längen zu. Jedoch: für mich ist das alles köstlich und interessant und ich erfuhr diese Ausführlichkeit und Abschweiferei keineswegs als anstrengend. (Umgekehrt habe ich mit den für eingängigere Literaturen üblichen Redundanzen, Wiederholungen und wiederholten und/oder offensichtlichen Zaunpfählen so meine liebe Not.)
»Die Enden der Parabel« habe ich mir Ende letztes Jahres vorgenommen, als ich mit »Against the Day« fertig war. Derweil habe ich etwa ein Drittel des dicken Dings durch und mache nun erstmal Pause. Bisher kann ich sagen, dass DEDP um einiges komplexer und schwieriger ist, als die anderen bereits genannten Pynchontitel. Bei einer längeren skatologischen Passage hatte ich arg mit meinem Geschmacksempfinden zu kämpfen. Das wurde aber aufgewogen durch die reichlichen, aberwitzigen und sehr überdrehten phantastischen Einlagen.
Bleibt mir, noch Mal auf »Die Versteigerung von No. 49« als überraschend eingängig und leicht zu konsumierendes, ideal kurzes Einsteigerwerk zu Pynchons Prosa hinzuweisen. Auf Deutsch ist der Spuk nach ca. 180 Seiten vorrüber, und man hat einen übersichtlichen Parkour ausgesucht schönen Verschwörungswahnsinns hinter sich gebracht, großzügig garniert mit atmosphärisch dichten Szenen, ulkigsten Einlagen und jenem spekulativ-phantastischen Kitzel, der alle meine bisherigen Pynchon-Lektüren zu einem besonderen Genuss machte.
Ach ja: wer Lesenhilfe brauchen kann und des Englischen mächtig ist, dem seien die nützlichen Wikis zu Pynchons Büchern empfohlen. Jedes der sechs Wikis bietet eine allgemeine (Spoiler-)Übericht zum jeweiligen Buch, eine Zusammenstellung von Besprechungen, (spoilerfreie) nach Kapiteln geordnete Annotationen (Seite für Seite) und so manchen weiterführenden Artikel.