molochronik
Montag, 26. November 2012

Endlich mal wieder eine OV-Vorführungen im Frankfurter Metropolis zu Zeiten, in denen auch ich Arbeiter ins Kino kann. Hab mir gegönnt, gleich am zweiten Abend nach Eröffnung in den neuen Bond zu gehen. Großes Glück: letzte Karte (returnierte Reservierung) der ausverkauften Vorstellung bekommen.

Kurz: Ich bin sehr zufrieden mit »Skyfall«. Der Titel-Vorspann ist vielleicht der beste seit ... ich weiß nicht seit wann, aber seit langem. Der Song von Adele gefällt mir von Mal zu Mal besser.

Stärkster Eindruck nach dem ersten Genuss: »Skyfall« ist optisch der edelste Bond aller Zeiten. Einige Strecken des Films sind so stilisiert und entrückend wie eine Vorspann-Sequenz. Regiesseur Sam Mendes präsentiert gleich mit der ersten Einstellung seine visuelle Visitenkarte: Bond kommt aus den Schatten auf uns zu, nur ein schmaler Lichtstreifen erhellt die Augenpartie von Bond (siehe die Szene in »American Beauty« mit Chris Cooper in Garage). Auch die Musik von Thomas Newman versteht mich zu begeistern und ist immer wieder (was heutzutage selten ist) sehr geschickt punktgenau auf die Äktschn angepasst.

Die Story ist vor allem im Mittelteil eine etwas vorhersehbare Mischung aus Routine und Wirrniss, aber das fällt angesichts der Genre-Konventionen, der überzeugenden Figuren und immer wieder feinen Dialogszenen nicht so sehr ins Gewicht. Ein paar der coolen Einzeiler nach Erledigung von Gegnern waren mir zu billig, kann ich aber verzeihen (der volle Saal fand’s witzig).

Wie so oft bei Bond-Filmen ist der ideologische Unterton des Filmes ein Problem. Zwar fand ich es großartig, dass ›M‹ (Judi Dench) im Mittelpunkt der Handlung steht (sprich: sie soll für die Sünden ihrer Vergangenheit büßen), aber ein wenig Kopfschmerzen bereitete es mir schon, wie unverhohlen der Film mit Pathos den britischen Geheimdienst samt seiner clandestinen Mordbuben a la Bond rechtfertigt. Immerhin ein netter Anlass für Dench Zeilen aus dem feinem Gedicht »Ulysses« von Lord Tennyson zu zitieren (Zeile 66-70):

We are not now that strength which in old days Moved earth and heaven, that which we are, we are; One equal temper of heroic hearts, Made weak by time and fate, but strong in will To strive, to seek, to find, and not to yield.

Aber im Sinne einer Selbstverhandlung & -Vergewisserung des Bond-Mythos geht das ganze »Alter Hund, neue Tricks«-Gedöns in Ordnung, wenn der Film uns mit Retro-Glorie z.B. des »Goldfinger«-Astin Martins inkl. klassischen Bond-Musikthema beschert. Erfrischend auch die Abkehr vom Gadget-Wahn vergangener Filme. Die letzten beiden Bonds mit Daniel Craig hielten sich in Sachen Technik-Spielereien ja schon merklich zurück, aber »Skyfall« macht aus dem Verzicht auch ein begrüßenswertes Nebenthema (und »Skyfall« kann sich mit dieser »Zurück zu den Anfängen«-Programmatik erfolgreich vom Franchise-Konkurrenten »Mission Impossible« abgrenzen).

Überhaupt überraschend, wie der Film die Struktur-Tradition von Bond-Filmen umkrempelt. Der Film hakt die größte, übertriebene Äktschn-Materialschlacht gleich im ersten Akt ab, absolviert im zweiten Akt dann exotische Schauplätze mit kleinerem Handgemenge und gönnt sich im dritten Akt ein Finale mit Geballer in einem für Bond-Maßstäbe unspektakulärem gewöhnlichen Verhandlungssaal, einer Verfolgung zu Fuß mitten durch londoner U-Bahn-Gedränge und improvisiertem Stellungskampf in einem alten Haus. Bei ungeschickter Inszenierung wäre das wohl ziemlich fad, aber wie gesagt: so schön und edel wie das alles gefilmt wurde, macht »Skyfall« richtig Laune.

Meine Lieblingsszenen:

  1. Natürlich der erste Auftritt von Javier Bardem als Silva;
  2. Der Fitniss- und Psychotest von Bond im provisorischen Ausweichquartier des MI6;
  3. Das Thekengespräch zwischen Bond und der mysteriösen Sévérinne im Drachen-Casino. Bérénice Marlohes eigentlich völlig überzogene Theatralik kommt wunderbar rüber.

Am meisten aber hat mich verblüfft, dass der Film sich immer wieder mal anfühlt, wie James Bond goes Harry Potter: Hirsch-Symbole, Fackelleuchten-Lumos-Zauber, Drachen-Symbole, Echsen-Ungeheuer, Bunker- und U-Bahn-Dungeons, ein Haus in Schottland in dem Voldemort wohnen könnte, ein Bösewicht der aussieht wie ein Angehöriger der Malfoy-Familie, eine auf Asia-Edelgoth geschminkte Slytherin-Schönheit. — Hat mich (zu meinem Amüsement) ein wenig irritiert.

Fazit: Kurzweiliger dritter Eintrag in den Daniel Craig-Abschnitt von Bonds Karriere. — 9 von 10 Punkten.

Bonus #1: Nicht verpassen sollte man die »Skyfall«-Folge der brillanten Web-Show »Half in the Bag« von Mike Stoklasa und Jay Bauman. Lasst Euch von den ersten Minuten nicht an der Nase herumführen. Nach dem launischen Genöle und der exzellenten Aufzählung der Logik-Löcher beginnt die ernsthaftere Besprechung ab ca. Minute 7:40.

Bonus #2: Ebenfalls sehenswert ist <a href=www.youtube.com" target=_blank">Jeremy Jahns knappe und knackige Besprechung.

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10 + + + + + Maßstabsetztendes Meisterwerk; Olympisch. 09 + + + + Überwiegend exzellent; Packend. 08 + + + Bemerkenswert mit leichten Schwächen; Anregend. 07 + + Befriedigendes Handwerk; Kurzweilig. 06 + Unterhaltsam mittelprächtig; Akzeptabel. Unsichtbare Grenze der absoluten Mittelmäßigkeiten 05 - Brauchbar mittelprächtig; ganz nett, aber insgesamt lau. 04 - - Überwiegend mittelprächtig; Anstrengend bzw. langweilig. 03 - - - Bis auf wenige Momente daneben gegangen; Nervig. 02 - - - - Ziemlich übeles Machwerk; Zeitverschwendung. 01 - - - - - Grottenschlechtes übles Ärgernis; Pathologisch.

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Ray Bradbury

Dauert nicht mehr lange, und es erscheint Ausgabe 24 von »SF-Personality« im Shayol Verlag Berlin. Es war schon seit längerem geplant, dass dieser Band sich Ray Bradbury widmen wird. Der traurige Zufall wollte es, dass Bradbury im Sommer dieses Jahres verstarb, und Band 24 von SFP somit eine höhere Relevanz aufgebürdet wurde. Was ich so aus der Werkstatt höre, wird es die bisher umfangreichste Ausgabe.

Hier aber mein Autorenportrait für das Cover: Ray Bradbury

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