Plakatverbot — Fortsetzung
Den Anfang der Geschichte um das Verbot des »Wir machen's gleich«-Wahlplakates der Grünen könnt Ihr hier nachlesen. Nun die Fortsetzung (aus Diskretion habe ich den Namen des netten Ordnungsamtmitarbeiters außen vor gelassen):
Königstein an mich:
es war das erste Mal, dass ein Plakat in Königstein verboten wurde. Es war auch sicher das erste Mal, dass eine Partei ein derartiges Wahlplakat hat drucken lassen. Zwischenzeitlich wurde die Verbotsverfügung jedoch aufgehoben, um den Bundestagswahlkampf nicht zu beeinflussen.
Falls Sie weiter Interesse an den Beweggründen haben, übermitteln wir Ihnen nachfolgend die Begründung:
»Die Darstellung von zwei unbekleideten Frauen gemeinsam mit zwei unbekleideten Männern auf einem Wahlplakat mit der zweideutigen Aufschrift "Wir machen's gleich" lässt zu (oder beabsichtigt), dass darunter der Geschlechtsakt verstanden wird. Das Wahlplakat überschreitet mit seiner Aussage die Grenze zu einer ornographischen Schrift bzw. Darstellung.
Da dieses Wahlplakat im öffentlichen Verkehrsraum oder auf einem öffentlich zugänglichem Grundstück aufgestellt auch von Kindern und Jugendlichen jeden Alters gesehen wird, darf es deren seelisches Wohl nicht beeinträchtigen.
Nach den allgemein geltenden Moralvorstellungen ist die Darstellung von sexuellen Handlungen nicht für Kinder und Jugendliche geeignet. Daher ist durch § 6 JÖSchG des Gesetzes zur Neuregelung des Jugendschutzes in der Öffentlichkeit-Jugendschutzgesetz (JÖSchG) festgelegt, dass Filme für bestimmte Altersklassen freigegeben werden müssen und nur vor diesen vorgeführt werden dürfen. Dies gilt nach § 7 JÖSchG ebenso für Videokassetten, Bildplatten und Bildträger. § 8 Abs.5 JÖSchG verbietet die Aufstellung von Unterhaltungsspielgeräten, mit denen sexuelle Handlungen dargestellt werden, an für Kinder und Jugendliche zugänglichen Orten.
Diese Aufzählung belegt, dass die bildhafte Darstellung von sexuellen Handlungen für Kinder und Jugendliche nach dem JÖSchG als seelische Gefährdung zu werten ist. Gemäß § 1 JÖSchG haben die zuständigen Behörden die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn sich Kinder an Orten aufhalten, an denen Ihnen eine Gefahr für ihr seelisches Wohl droht. Kinder und Jugendliche von den betreffenden Orten, z.B. der Ausfahrt des großen öffentlichen Parkplatzes in Königstein gegenüber dem Haus Hauptstraße 13 ist nicht möglich, da viele die in unmittelbarer Nähe befindlichen Bushaltestellen im Rahmen Ihres täglichen Schulweges benutzen müssen. Daher ist es ein geeignetes Mittel, die restlose Entfernung der betereffenden Plakate aus dem öffentlichen Verkehrsraum zu fordern.«
Mit freundlichen Grüßen im Auftrag
Ich wieder an Königstein:
… vielen Dank für Ihre Antwort-eMail, ich kann mir vorstellen, die Stadt hat besseres zu tun, als Neugierigen seltsame eMails zu beantworten. Sehr sympathisch Ihre Gesprächsbereitschaft.
Ich gebe zu, daß mich als weitgereisten Bayern das Vorgehen der Königsteiner Ämter doch ehr belustigt als ärgert. Die Entscheidung das Verbot derzeit nicht anzuwenden ist vernünftig.
Einfach ausgedrückt ist es doch sehr schmerzhaft zu sehen, wie einerseits auf mannigfaltige Art für kommerzielle Zwecke sehr agressiv sexuelle/koitusative Motive verbunden mit sprachlicher Mehrdeutigkeit eingesetzt werden können, andererseits aber eine Partei (egal welche) nicht auf Sexuelles verweisen darf, wenn es denn Gegenstand ihrer Politik ist.
Das Wahlplakat empfinde ich in erster Linie als spielerisch; dann durch den Verweis auf das klassische Louvre-Bild etwas bemüht; schließlich technisch sauber gearbeitet und in seiner Aussage angemessen.
Zuletzt möchte ich anmerken, daß ich zwar ein Verteidiger (guter) Pornographie und Erotica bin, der aber bedauert, daß (wie Alfred Döblin sagte) das größte Fenster zu unserer Seele, die Erotik und Sexualität, wie selten was zugepflastert worden sind, von dem Geschrei der Leute.
Meine Komplimente an Sie (und an Ihren Auftraggeber), mit freundlichem Gruß Molosovsky
Königstein wieder an mich:
Da Sie ansonsten wohl recht sachlich dieses Thema diskutieren gebe ich Ihnen die Freigabe zur Veröffentlichung der Antwort (Bitte entfernen Sie nur vorab meine Kontaktadresse; einer Überflutung mit Emails und Telefonaten bin ich leider nicht gewachsen).
Mit freundlichen Grüßen im Auftrag
Ich wieder an Königstein:
… vielen Dank für Ihre Antwort. In der Tat versuche ich alle Perspektiven auf dieses Problem zu verstehen und bin nicht an einseitiger Polemik interesiert, dafür ist mir das Thema des Konfliks zu sehr mit dem echten Leben verbunden.
Es muß mehr kommuniziert werden heutzutage, viele ausgeblendete Differenzen in der Gesellschaft wollen geklärt werden.
Meine Vorstellung des Verbotsursprungs ist natürlich stark von der polemischen Berichterstattung zB der Bild-Zeitung beeinflußt. Die Information, daß es Ihr Bürgermeister war, der das Verbot anregte, stammt ebenfalls aus der Presse (die den Vorfall hauptsächlich auf seine Skalndalträchtigkeit hin aufbreitet).
Im nächsten Teil werde ich mich selbst als "kleinen Panikhuber" hinstellen, bei dem sofort die Alarmglocken im Gemüth losgehen, wenn er zB CDU-Machtmißbrauch wähnt. Eben diese meine (aber leider auch allgemeine) Verstörtheit ist es, die ich zu thematisieren versuche.
Darum wird es mit bei meiner Berichterstattung gehen: darzustellen, daß es hier um Probleme/Differenzen der Kultur geht, letztendlich um das (Selbst)Verständnis Menschsein und Gemeinschaft.
Ich danke Ihnen nocheinmal für Ihre Bereitschaft zum ›Gespräch‹ und kann Ihnen versichern, daß ich desweitern keine Anliegen (blöde Fragen pp) in dieser Sache habe. Sie können mir aber mailen, falls Sie mit meinen kommenden Berichten Probleme haben. Ergänzen Sie bitte ruhig über die Kommentarfunktion, wenn Sie meine Darstellung ergänzen, relativieren wollen.
Ich bin mehr als froh über Ihr Engagement um Klärung und Sie sind viel weiter auf mich zugekommen, als ich erwartet hätte. Und auch darum geht es: zu zeigen, dass man doch noch ruhig über ideologische Positionen reden kann, ohne gleich in Ressentiments zu verfallen. Alleine, daß Sie mich nicht böswillig verstehen, trotz meiner Sprache, ist ein tolles Zeichen, daß Königstein hiermit setzt (denke ich mal).
Kontaktadresse wird natürlich nicht genannt. Wer es selbst nicht schafft, sowas zu recherchieren, bekommt von mir keine Anweisung/Anleitung zum Amtsbelästigen.
Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende, mit freundlichem Gruß Molosovsky (in glücklicher Hetero-Partnerschaft lebend).
Irene
Mir ist ein Fall bekannt, da hat eine Kindergärtnerin ihren Job im kath. Kindergarten verloren, weil sie mit einem geschiedenen Mann zusammenlebte - Eltern hatten sich darüber beschwert....
molosovsky Besitzerin
...verbreiten immer noch ihr menschenfeindliches Mittelalterweltbild. Großer Spaß, falls Du mal eine 800 Seiten Aufregung plus spannender Story dazu lesen willst: Jürgen Lodemanns "Siegfried und Krimhild" bei Klett-Cotta.