molochronik
Freitag, 12. März 2010

Belgien, Brüssel: Tag 1 & 2

Eintrag No. 607 — Am Mittwoch angekommen. Gestaunt, wie gut die Belgier ihr Umland vor der Autobahn verstecken. Von der vollbeleuchteten Autobahn-Allee aus könnte man glauben, durch ein Niemandsland zu fahren. Links und rechts nur Bäume oder Lärmschutzwall. Ganz wenige sachte Gewerbe- und Industriegebietsandeutungen und – tada – plötzlich rollt man auf Brüssel herab.

Das Hotel in der Rue Traversie ist schnuckelig. Ich fühle mich wie Jeeves & Wooster oder wie Hercule P. Am ersten Tag sind Andrea und ich einfach nur durch die Innenstadt gelaufen und haben gestaunt.

Belgien-Urlaub: Molo im Park.

Am meisten haut mich um, wie Architektur-crazy die Brüsseler sind. Nach 10 Minuten spazieren komme ich mir vor wie in einer Filmkulisse, wie in den Mauern von Samaris. Wie sich hier Neo-Gothik, Gründerzeit-Klassizismus, Art Deco, Betonkunst und Jugendstil gegenseitig um die Hausecken scheuchen ist nicht weniger als eine große Schau.

Habe in der königlichen Passage (St. Hubert) einen Laden mit Westen gesehen. Überlege Schulden zu machen. Anschließend einen großen Pott Muscheln verspeist; im nächsten Cafe noch’n Kirschkuchen druff und supersatt und plattgelaufen um sage und schreibe 21:15 ins Bett gefallen.

Gestern, Donnerstag, dann erster Kulturhubertag.

Ich bin ja kein religiöser Mensch, aber das Comicmuseum weckt in mir schon Gefühle der Ehrfurcht und des Heiligen.

Belgien-Urlaub: Molo vor dem Comic-Museum.

Es ist wirklich erstaunlich, dass man von Frankfurt aus nur um die 300 Kilometer fahren muss, um inmitten von Menschen zu sein, die Comics ganz selbstverständlich als Kunst und Literatur schätzen, die ihre Schulklassen ins dafür gewidmete Museum schicken usw. — Ich habe unter anderem Originale von Andre Franquin, Francois Schuiten, Emile Bravo und Yslaire gesehen und wispere beeindruckt: »Die können zeichnen! So würd ich auch gerne mal zeichnen können.«

Belgien-Urlaub: Molo im Comic-Museum.

Neben der Dauerausstellung über Herge, Jacobs, Peyo und etwa ein Dutzend weitere franko-belgische Klassiker konnten wir zwei tempöräre Ausstellung sehen: einmal über die Mummins (dolle Hitler-Karikatur von Tove Janson), und über die 20 ›besten‹ Comics der letzten 20 Jahre.

Dannach dann ein wahnsinnig heftiges Limobier (Burger Witbeer) im wunderschönen Cafe Horta des Comicmuseums getrunken.

Zu Fuß dann nach Norden, die Chaussee de Haecht hinauf. Blöderweise trotz iTouch-Photo der Google-Map zu doof gewesen, auf Anhieb das Maison Autrique zu finden. Grummelig also nochmal heim, gucken, wie das Haus aussieht und wo es genau steht. Schließlich stehen wir davor und klingeln.

Belgien-Urlaub: Molo vor dem Maison Autrique.

Das Maison Autrique war der erste bedeutende Bau des großen Jugendstil-Architekten Viktor Horta. Unter anderem auf Initiative des großartigen ›Die geheimnisvollen Städte‹-Teams Francois Schuiten und Benoit Peeters wurde dieses bürgerliche Haus restauriert und dezent-theatralisch zu einem Erlebnis hergerichtet.

Belgien-Urlaub: Maison Autrique, Foyer.

Besonders entzückend für mich als Fanboy der ›Cités Obscures‹, dass die schräge Mary im ersten Stock herumsteht und sich im Dachkammerl inmitten einer Menge obskuren Gerümpels Eugen Robick findet. Und wenn an einen Blick durch den Türspion des Obergeschosses riskiert, dann kann man in die andere Welt der geheimnisvollen Städte gucken, in den (ich nenns mal so) ›Maschinenraum der Narration‹.

Belgien-Urlaub: Maison Autrique, Maschinenraum.

P.S.: Tausend Dank Andrea!, dass Du so nett warst, die Photos zu machen auf denen ich zu sehen bin.

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