Flix: »Faust. Der Tragödie erster Teil« als Comic, oder: Ramazotti! Denn GOtt hat Kreislauf.
Eintrag No. 612 — Goethes »Faust« ist für alle leidenschaftlichen Exklusivfreunde klassischer, ernster Geschichten — die jedoch mit misstrauischem und gramvollem Blick die phantastischen Fabulationen beäugen — ein mitunter peinliches Prunkstück, denn die moralische, allegorische, romantische, tragische und zuweilen tollkühn burleske Mär über die Wette zwischen GOtt und Mephisopheles um eine treue aber zweifelnde Seele ist und bleibt trotz all ihrer wahren, guten und schönen Eigenschaften ein Glanzstück deutscher Phantastik.
Mit großer Freude habe ich letztes Jahr auf den Webseiten der F.A.Z. die in täglichen Fortsetzungen erstveröffentliche modernisierte Fassung dieser Geschichte durch Meisterfeder Flix genossen. Flix hat mich schwer beeindruckt mit seinem autobiographisch angehauchten Band »held«, indem unter anderem Monster und Ängste auf wunderbare Art mit den veranschaulichenden Kniffen, die dem Erzählen in Comicform zuhanden sind, auftreten.
»Faust« von Flix holt den hehren, für heutige Gemüter stellenweise schwer verdaubaren Stoff des Olympiers herab von den Säulen marmorner und äääääärrrrrnster Schwere und macht daraus ein Slapstick-Bravourstück, löblicherweise ohne die nachdenklichen Nuancen vollends einzubüßen. Die Götter werkeln in einem Bürokomplex, GOtt-Vater ist wegen seines mauen Kreislaufs ein Ramazotti-Dauerschlürfer; Gutelaune-Profi Mephistopheles ein Denglisch radebrechender Lifestyle-Coach; Softie Faust ein gutmütiger Taxifahrer in Nöten; Wagner ist ein nerviger Rollstuhl-Neger und das Gretchen eine von ihrer konservativen türkischen Familie drangsalierte Biokost-Verkäuferin. — Hilfreichere Orientierung als ich bieten könnte liefert die Inokulierung von Andreas Platthaus anlässlich der F.A.Z.-Fassung: »Quadratnase für Faust«.
Diese schnelle Empfehlung will ich auf den Punk bringen, indem ich meine absolute Lieblingsszene nachzuerzählen versuche:
(Seite 35): {Zusammenhang, in den weiteren Klammern folgt die Kästchen-Nummerierung} Mephisopheles, kurz: Meph, hat Faust betüdelt einen Vertrag mit ›Happy Life‹ zu unterschreiben. Leistung soll sein: Faust glücklich zu machen, was Goethe mit »Augenblick verweile doch, Du bist so schön« umschrieb. Gegenleistung: ›Happy Life‹ soll die exklusiven Nutzungsrechte an Fausts Seele nach dessen Abbleben erhalten. Nun soll es ans Unterschreiben gehen.
{Zwölfer-Gitter mit 3 Kästchen pro Zeile: 1} Fausts Hand führt einen Stift zur Linie für die Unterschrift. {2} Faust und Meph (mit Kaffee) erschrecken, denn der Papierblock des Pakt-Vertragswerks steht plötzlich in Flammen. {3} Meph zückt ein zweites Pakt-Werk. »Das passiert manchmal«, meint er fidel, »Zum Glück habe ich noch ein feuerfestes Exemplar dabei.«
{4} Himmel: GOtt, so ein blonder Pferdeschwanz- und Schnauzbarttyp in hellgrauem Anzug mit Krawatte, überm Kopf schwebt das ›Auge im Dreieck›-Symbol, steht am Himmelsgeländer ›snippt‹ mit den Fingern. Hinter ihm fliegt sein kleiner Sekretärs-Engel, feister Baseballkappen-Typ mit Zigarette und Headphone. {5} Bei Faust und Meph flattern nun auf einmal die Seiten des Paktes herum. {6} Himmel: Headphone des Sekretärs klingelt. »Käpt’n! Ein interner Anruf.«
{7} Chaos aus durcheinander fliegendem Papier bei Faust und Meph. Zweiterer versucht hektisch die herumschwirrenden Blätter einzufangen. »Ups! Da ist wohl … irgendwo … ein … Fenster … auf.« {8} Himmel: GOtt snippt und fragt: »Wer ist dran?«. Der Sekretäts-Engel hält immer, wenn jemand anruft, eine Stellvertreterhandpuppe des Anrufers hoch, diesmal einen kleinen Papst. »Kollege Benedikt. Wann Sie Zeit hätten, mit ihm vor seinen Vortrag für die Präsentation am Sonntag durchzugehen.« — »Morgen. Morgen früh«, antwortet GOtt. {9} Faust beim Versuch zu unterschreiben meint nun: »Hm. Schreibt nicht«, und Meph hält schon einen Füller hoch: »Der vielleicht.«
{10} Himmel: GOtt, hochkonzentriert, snippt und snippt. {11} Faust unterschreibt mit dem Füller, hat dabei einen Indianerkopfschmuck auf und Meph trägt einen Cowboyhut. {12} Himmel: GOtt sagt bedröppelt: »Mist« und sein Sekretät kommentiert trocken: »Versnippt.« — Voila!
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Savall
"Hechel, hechel!"
Da geb ich doch glatt einen Ramazotti für das neue Design aus. :-)
Aber der Flix-Faust ist wirklich eine Offenbarung. Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß so etwas möglich sei, bis ich es sah. So traumhaft sicher, intelligent und witzig ist das gemacht. Ich hab damals immer nach der neuesten Fortsetzung gegiert und war am Freitag immer stinksauer, daß ich wieder bis Dienstag warten mußte. Na, der Buchhändler wird bald liefern, wie ich sehe. Auch von mir eine dicke Empfehlung für das Buch.
molosovsky Besitzerin
Das freut mich nun aber sehr, Sie hier begrüßen zu dürfen, lieber Savall.
Die WPS-Dichte* von dem Flix seinem »Faust« ist in der Tat enorm. Dabei wohltuend stil- und geschmackssicher. Mein innerer Vorurteilsverbreiter klagt ja gerade über das flache oder hirnrissige Witze-UnNiveau das deutsche Comics für mich oftmals so unlesbar macht. — So erinnere ich mich noch mit Grausen an den vulgär-spätpupertären Witzeduktus von »Hektor Umbra«, der mich so arg entkräftete, dass ich den Sammelband unfertiggelesen verschenkte.
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* WPS = Witz Pro Seite