molochronik
Freitag, 22. Oktober 2010

»Eine andere Welt« (3) – Kap. I: Die Teilung der Erde von Grandville & Plinius dem Jüngsten

Eintrag No. 663Zur Inhaltsübersicht.

Die Illustrationen einer alten französischen Ausgabe habe ich dem flick-Album von blaque jaques entnommen.

I. Die Teilung der Erde.

Weder Wappen noch Kopf.

Woraus man, neben anderen Offenbarung über die Neugötter, erfährt wie sie aus Mangel an einem Viergroschenstück genötigt wurden, sich freundschaftlich in die Erde zu teilen.

Krack gab sich für einen pensionierten Rittmeister aus und Schwadronarius für einen Kapellmeister. Rittmeister Krack von Krackenheim, Krackmandel’scher Linie auf Krackendorf, gehörte zu den Leuten, deren Alter zwischen der Zahl von fünfunddreißig Jahren und der Ewigkeit auf und ab schwankt. Er trug einen Lerchenspieß voll Orden aller Farben, die er Gott weiß in welchem Befreiungskriegen sich erkämpft. Da übrigens jedes Individuum einer gesellschaftlichen Stellung bedarf, so führte er, obwohl einarmig, Karten, auf denen zu lesen war:

Krack von Krackenheim

Rittmeister à la Suite in Fürstlich Unterdemmond’schen Diensten, Professor der Reit-, Fecht-, Schwimm-, Turn- und Tanzkunst.

Schwadronarius, ehemaliger Capellmeister, hatte früher versucht, die Tonleiter zu revolutionieren und dem alten Klavierschlüssel seine philosophische Bedeutung wieder zu geben, aber seine Anstrengungen waren erfolglos geblieben. Keine Bühne wollte seine Oper »Der Geist und die Materie«, kein philharmonischer Verein seine große Symphonie »Das Ich und das Nicht-Ich« in C-dur aufführen. Nacheinander Maler, Musiker, Optiker und Mathematiker, hatte er sich eben auf die Mechanik der Himmelskörper geworfen, als ihm Puff eine Stelle als Gott anbot, die er ganz so wie es Krack getan, und ohne große Umstände zu machen, annahm.

Puff hätte sich wirklich seine Collegen nicht besser aussuchen können. Sie befanden sich Beide in Verhältnissen, welche das Bedürfnis einer totalen Umwandlung höchst fühlbar machten. Hut, Wäsche, Kleider, Stiefel, Alles riet ihnen, sich von Kopf zu Füßen in Götter umzugestalten. Als Ober-Neu-Gott berief Puff seine Mit-Neu-Götter zur Götterversammlung in dem gewöhnlichen Lokal und richtete hier, mit derselben großartigen Beredsamkeit, als ob er zu einer Versammlung von Eisenbahnactionairs oder ordentlichen Casinomitgliedern spräche, folgende Worte an sie:

»Verehrte Mit-Neu-Götter!
»Wertgeschätzte Neu-Mit-Götter!

»Ich habe Sie eingeladen, um mit mir die Vorteile der höchsten Macht zu genießen, aber ich würde zum Verräter an meiner Pflicht werden, wenn ich Ihnen die Schwierigkeiten unserer Stellung verheimlichte. Als ich allein war, fürchtete ich zu verhungern; wie soll es jetzt werden, da wir unserer Drei sind? Denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir, obwohl constitutionelle Götter, keine Civilliste haben. Daher geht mein unzielsetzlicher Vorschlag dahin:

»Wir teilen uns in die Welt und das Los entscheide, wem von uns der Himmel, wem das Meer, wem die Erde zufallen. ― Dann vereinen wir die Documente, die Jeder von uns gesammelt hat, und verkaufen sie an einen speculierenden Verleger. Wäre ich nicht ein Gott, so würde ich sagen: ›Behagt Euch mein Plänchen?‹«

Krack und Schwadronarius verbeugten sich schweigend und gaben dadurch ihre Zustimmung zu erkennen.

»Lassen wir das Los entscheiden, wer den Himmel bekommt. Kopf oder Wappen?«

»Wie sollen wir das möglich machen?«, fiel ihm Krack in die Rede, »denn keiner von uns Dreien ist Herr auch nur eines lumpigen Viergroschenstücks.«

»Ach, das ist leider nur zu wahr!«, seufzte Puff. »Aber wir besitzen doch einen Hut. Wir werfen drei Lose in diese Filz-Urne und ziehen dann.«

»Der Boden unseres einzigen Hutes hat sich abgelöst«, bemerkte Schwadronarius, »das Geschick würde durchfallen.«

»Gut denn, so sei es ein freundschaftliches Übereinkommen«, sagte Puff feierlich. »Dir, Krack, das Meer, das tiefe geheimnisvolle Meer! Dir, Schwadronarius, den Himmel! Die Kometen wedeln Dir mit dem Schweife schon ungeduldig zu, und Luna, geborene Selene, streckt Dir die Arme entgegen. Ich, ich bleibe auf der Erde; diese Partie passt sich am besten für mich. ― Ist Euch das recht?«

»Ja, ja!«, riefen die beiden Mit-Neu-Götter.

»Nun denn«, fuhr Puff fort, »reist ohne Verweilen ab und schreibt mir bald. Ich erwarte Krack’s Observationen, Schwadronarius’ Inspirationen mit Ungeduld. ― Kommt noch einmal in meine Arme und lebt wohl. Lasst die Schnupftücher stecken; Ihr könnt sie ein anderes Mal anwenden, wenn wir mehr Zeit haben.«

Krack hing die Flasche um den Hals, in welcher er seine Entdeckungen dem Ober-Neu-Gott wollte zukommen lassen, ließ seine Pfeife ausgehen und sprang kopfüber in das Weltmeer.

Schwadronaius, mit seinem Album und Bleifedern versehen, öffnete einen Taschenluftballon, blies ihn auf und schwang sich im Raume empor. Bald schwebte er hoch über den Feueressen und den Rücksichten der Menschen; ehe er jedoch ganz den Blicken der Sterblichen entschwand, richtete er noch folgende Abschiedsworte an sie:

»Ich verlasse Euch ohne Reue, o Menschen, die ich in den Tagen der Torheit meine Freunde nannte; Ihr gleicht jenen Springern, die ich in diesem Augenblicke ihre Künste auf dem Markte machen sehe. Lebe wohl, verwünschte Erde und du, Stadt des Dampfes und Kotes, Heimat der Tagediebe, der Gaukler und Gauner; treibe dein Wesen nur fort, was kümmert es mich; mich trägt mein Flug zu besseren Gestirnen!«

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