Ein Schwarzer Schwan und das Vermächtnis des Tron
Eintrag No. 695 — Endlich mal wieder im Kino gewesen. Das Angebot englischsprachiger Filme hat sich in Frankfurt ja leider vermindert. Mit einem Doppel-Pack habe ich gestern also meinen Rückstand ein wenig gutmachen können, so richtig mit Maxi-Kübl (salziger) Popkorn und 1,5-Liter Pott Pupsi-(rülps)-Cola.
Lustig, dass, obwohl die beiden Filme kaum unterschiedlicher sein könnten, beide auf ihre Art sich um das Thema Perfektionismus drehen.
»Tron Legacy« Mit dem ursprünglichen Film »Tron« aus den Achtzigern verbinden mich nostalgische Erinnerungen, denn ich hatte das Hörspiel zum Film (mit Volker Kraeft und Orginalgeräuschen aus dem Film!). »Tron« habe ich erst einige Jahre später auf Video gesehen. Obwohl ich den Film als Pionierleistung wertschätze, muss ich zugeben, dass er mich nicht so doll vom Hocker gerissen hat, wie wohl viele SF-Fans meiner Generation. Dazu ist die Story zu wirr-naiv und selbst für mich, der ich nur oberflächliche Kenntnisse über Informatik und das kybernetische Innenleben von Computern habe, zu platt und haarsträubend. Ich halte es auch für überspannt, »Tron« als Cyberpunk- oder Science Fiction-Vertreter einzustufen. Der Weltenbau ist m.E. eindeutig Science Fantasy oder, wer darauf besteht, Cyber-Fantasy.
{Hier meine Kurz-Rezi aus der SF-Datenbank von einst: Ein Hoch auf Mœbius, Syd Mead und Co, die eine feine Computer-Fantasywelt entworfen haben.
Respekt für David Warner, der sich hinreissend entblödet, und seinen Saft vom KI-Obermotz geben und nehmen lässt.
Der Kaugummifaktor ist hoch, aber der Charme der exotischen Virtuel-Reality-Bilder hat für mich bis heute wenig eingebüßt.
Besonders ist mir auch noch das sehr gute Sound-Design aufgefallen (immerhin ‘ne spannende Frage: was machen z.B. schwebende Zerstörer in einer VR für Geräusche?) — 7 von 10 Punkten.}
Nun also, nach viel Trubel auf dem Comic Con und einem von »Tron«-Pfadfindern geschürten Wahnsinns-Erwartungs-Hype wurden wir mit der Fortsetzung »Tron Legacy« beschenkt. Ein enttäuschendes Geschenk, wie ich finde. Die Story ist noch wirrer und dünner als die des ersten Teils. Zwar macht es Spaß, Jeff Bridges und Oliva Wilde zu sehen, aber die Texte, die die Darsteller aufsagen müssen, machten meinem Hirn Aua. Und Michael Sheen beweist wieder einmal, dass er nicht nur ein exzellenter Drama-Mime sein kann, sondern auch das Fach des überzogenen Genre-Wichts bis zum Gottserbarm auszureizen versteht (Gut so!!!). — Die langen Dialogfoltern wären nicht sooo schlimm, wenn die Äktschn richtig funzen würde. Tut sie aber nicht. Selten habe ich so aseptische Verfolgungsjagdten und Kämpfe gesehen. Der eine Kampf in der ›End Of The Line‹-Bar, an dem auch Wilde beteiligt war, gehört zu den lahmarschigsten die ich seit langem gesehen habe.
Groß getönt wurde über die revolutionäre computergezauberte Verjüngungskur, mittels der man aus Jeff Bridges den nach Perfektion strebenden Bösewicht CLU gemacht hat. Zwar fasziniert das Ergebnis, bleibt aber merklich hinter der bereits vorgelegten Leistung von Finchers »Benjamin Button« zurück und ist damit irgendwie peinlich-spooky. Auch die 3D-Qualität war eher mau, verglichen mit der, die ich von »Avatar« kenne.
Was bleibt Gutes zu sagen? Die Design-Leistungen (sowohl Optik als auch Sound) sind durchaus gelungen (auch wenn ich gestehen muss, dass mir die Grid-Welt mir zu steril ist), und die Musik von Daft Punk hat mir gefallen, auch wenn sie stellenweise die übliche Mainstream-Soße über alles schüttet.
Ergänz (03. Februar 2011): Auf DVD oder Blue Ray besorgen werde ich mir »Tron Legacy« aber schon, und zwar, wenn, dann die Ausgabe, mit richtig viel ›Making of‹-Bonus. Ich bin jetzt schon sicher, dass (wie bei »Tron«) diese Berichte aufregender sind als der Film selbst. Das meine ich jetzt nicht zynisch oder lustig. Ich habe mich immer schon begeistern können, für die Kunst und die kreativen und technischen Leistungen, die nötig sind, um effekt-reiche Filme auf die Beine zu stellen.
Fazit: Erstaunlich lahmes und lebloses Effekt-Kino, dessen Schau- & Klangwerte die Makel nicht wett machen können. — 5 von 10 Punkten. (7 von 10, wer auf ›cool‹ und ›Monomythus-Pathos‹ steht)
(Und für Chester A. Bum ist »Tron Legacy« wieder mal der beste Film, den er je gesehen hat!)
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»Black Swan« Ich habe keine Ader für Ballett (genauer: gibt tolle Ballettmusik, aber der Tanz lässt mich normalerweise kalt). Da bin ich freilich baff, wie intensiv es der Film verstand, mich mitzunehmen auf die Krisen-Achterbahn einer perfektionistischen, zerbrechlichen und neurotischen Tänzerin, die mehr als nur ein bisschen ins Trudeln gerät, angesichts der selbst und von anderen gestellten Ansprüche.
Am ehesten kann ich die Geschichte beschreiben als gelungen gerührten Mix aus Oscar Wildes »Dorian Grey« und Finchers »Fight Club«. — Ninas (Portman) Sicherungen brennen durch, bei ihrem Versuch, künstlerisch über sich hinauszuwachsen. »Schwanensee« soll inszeniert werden, und die Rolle des unschuldig-romantischen, fragil-grazilen weißen Schwans passt ihr wie angegossen. Die Inszenierung baut aber auf den Clou, dass eine Tänzerin nicht nur den weißen Schwan, sondern auch den dämonisch-verruchten schwarzen Schwan geben soll, und das darzustellen, ist für die verklemmte Nina schwer … womöglich zu schwer.
Der Film ist ein gefundenes Fressen für alle Zuschauer, die in der Gruppe oder für sich allein gerne herumpsychologiesieren, oder es lieben mutzumaßen, was denn nun vom Gezeigten Wirklichkeit, was Wahntrugbild war. — Für mich ist der Film vor allem ein starkes, berührendes und doch schock-schonungsloses Anschauungsstück dazu, was es bedeuten kann, wenn das Leben sich der Kunst unterzuordnen hat, wenn die eigene Persönlichkeit nur Büttel für den unbedingten Willen zur großen Artistik ist.
Es hilft freilich, wenn nicht nur die Hauptdarstellerin überzeugt, sondern sich auch in den Nebenrollen lauter gute Leute von ihrer besten Seite zeigen, unter anderem Barbara Hershey als Mutter die vehement erzwingen will, dass ihre Tochter jene Karrierehöhen erreicht, die sie selbst aufgeben musste, eben weil sie Nina bekommen hat; — Vincent Cassel, der den Ensembleleiter des Balletts spielt, als künstlerlisch-manipulativen Vater-Mephistopheles; — und in einer kleinen Rolle endlich mal wieder Winona Ryder, richtig durchgeknallt und verzweifelt. Bravo!
Der kritische Phantast in mir begeistert sich natürlich dafür, wie geschickt »Black Swan« seine Spezieleffekte dosiert, um erscheinen zu lassen, was man normalerweise nicht sieht, nämlich die Innenwelt einer Person (nebenbei: es gibt Spiegel-Metaphern zum Saufüttern!!!). Und ich bin begeistert von der Tempo-Gestaltung des Filmes, der sich genug Zeit lässt, mich erstmal mit der noch halbwegs intakten Nina vertraut zu machen. Um so wuchtiger dann der Stimmungswechsel, wenn Nina die Souveränität gegenüber ihren Phantasien und Trieben einbüßt, und sich zu allen bisherigen Stressierungen auch noch verborgene Sehnsüchte gesellen, die nach Erfüllung drängen.
Zu Mäkeln habe ich lediglich, dass mir die Kameraarbeit nicht durchgehend gefiel. Die Bildgestaltung und Führung waren exzellent, aber bei einigen Szenen wurde eine sehr körnige Bildqualität verwendet, die mir nicht liegt.
Fazit: Natalie Portman trumpft auf mit einer Bravourleistung in diesem Mädchen-Psycho-Fantasy/Horror-Flick der schmerzhaft-poetischen Sorte. — 9 von 10 Punkten.
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Pogopuschel
Schöne Kritik. Inzwischen tendier ich dazu, mir "Tron-Legacy" doch nicht anzuschauen. Dann lieber ein zweites Mal "Black Swan". Filme die nur auf Schauwerte bauen, funktionieren bei mir leider nicht mehr.
Gruß Markus
molosovsky Besitzerin
Danke Pogo. — Ein kleiner Einspruch, bzw. ein Eingeständnis meinerseits. Ich finde schon, dass es ein ›Form dominiert Inhalt‹ wunderbar funktionieren kann, also vulgär gesagt, dass es z.B. Filme gibt, die hochgradig schwachsinnig sind und eine unausgegorene, platte Handlung haben, was aber nicht stört, weil die Schauwerte und der Stil so grandios konsequent dominieren und klappen, dass es unterm Strich ein Genuss ist. Mir gefallen z.B. Luc Bessons »The Fifth Element« oder »Speed Racer« von den Wachowskis deshalb enorm. — Bei diesen beiden Beispielen herrscht allerdings eine Vitalität, eine Quirrligkeit und (mehr oder minder) eine Lust zum Geblödel, dass ich deren Groove verstehen, akzeptieren und goutieren kann. »Tron Legacy« allerdings versucht genau die entgegengesetzte Stimmungslage anzustimmen: kühlen Pathos. Und naiver, unvitaler Pathos mit dummer Story und langen Durststrecken ist nun mal letztendlich einfach nur öde.
empfindungspirat
Mein lieber molo,
das machst Du schon geschickt; zwar hat sich mein täglicher Browserdurchklickradius ganz schön verkleinert, aber jedes Mal, wenn ich wieder mit großen Kindsaugen (Miyazaki-Style) Deine Chronik ansteuere, erwacht das Von-Deiner-Schreibe-Hin-Und-Weg-Sein, dasses schon vor Jahren gab. Soviel erstmal als Glibberbatzen vorweg.
"Tron Legacy" hast Du mir allerdings jetzt ein bisschen ausgetrieben (wie auch schon mein geschätzer yippi'esker Vorposter). Augenzucker-Filmchen immer mal gerne (BITTE schau' mal "Scott Pilgrim" - wenn Du Computerspiele magst), aber dann doch lieber ohne viel Dialogstyropor im bunten Karton. :-/
PS: Nur eins noch - was'n das für'ne neue Schriftart hier? Da sehen plötzlich alle "e"s aus wie kleine "c"s? Also gut, ich weiß ja, eine Dame, deren Blog wir beide schätzen, erklärte einst: "Man weiß ja, daß es da, wo "exklusiv" mit ceh geschrieben wird, richtig teuer wird. Je mehr ceh, desto teurer. Chices ist teurer als einfach nur schickes." - dennoch...Vcrwirrungcn nicht ausgcschlosscn!
molosovsky Besitzerin
MoinMoin Pirat. — »Scott Pilgrim« hätte ich wahnsinnig gerne im Kino gesehen, aber der lief hier nicht auf Englisch (oder wenn, dann nicht zu Zeiten, zu denen ich konnte … habe schon »Machete« verpasst, weil der nur 1 x am Tag um 22 bis 23 Uhr lief. Unding!).
Jemanden die »Tron«-Filme zu vermiesen ist wohl mein Schicksal. Die »Tron«-Welt ist halt nicht so mein Ding. Ich habe mir bei den Spielen alter Schule nie vorgestellt ›drin‹ zu sein (nicht mal bei »Elite«). Bei den heutigen Spielen, die grafisch und ›AI‹-mäßig ausgereifter sind, fällt mir das schon leichter. Aber dazu sind die »Matrix«-Filme die besseren ›Cyber Fantasy‹-Weltbauten. — Vielleicht kann ich es so auf den Punkt bringen: 80er-Jahre-Nostaglie … hats bei mir sehr schwer. Meine Kultfilme aus der Zeit sind eher solche Streifen wie »Das Ding« (da bin ich vielleicht nervös, wenn im Herbst dieses Jahres das Prequel ins Kino kommt) oder »Der Dunkle Kristall« (den wieder zu gucken ich aber seit Jahren meide, denn ich fürchte, in meinen Augen ist der Film nicht so gut gealtert … ich bleibe lieber dabei, den entsprechenden Brian Froud-Bildband zu genießen).
Wegen der Schrift: Deine Meldung war der FassüberlaufTropfen den ›IM Fell English‹-Font wieder abzuschaffen. Statt weiterhin zu hadern, also erstmal zurück zu lesbaren Serif-Schriften für Beitrags- und Kommentar-Texte.