Molos Wochenrückblick No. 44
Eintrag No. 705 — Der Auszubildenden unseres Betriebes erste Lektionen in er Kunst des höheren Sprach-Blödsinns vermittelt. Man nehme eine Sache und verknüpfe sie mit einer Tätigkeit. Beides darf nicht zueinander passen. Die Kombo sollte nach Möglichkeit zudem ein extra unsinniges oder gar unmögliches Bild vor dem geistigen Auge heraufbeschwören. Aus der Erinnerung fallen mir noch folgende Beispiele ein: Ich gehe mal ein paar Pflastersteine aufblasen. … mal eine U-Bahn bügeln. … Gurken dressieren. … Sockenlöcher stapeln. … Autounfall föhnen.
An der Uni für höheren Blödsinn kann man entweder als ›Dr. jux‹ oder ›Dr. wirr‹ abschließen.
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Lektüre: Lese wie besessen Mervyn Peake. Habe in der letzten Woche sowohl den dritten und (aus dem Nachlass von Peakes Frau komplettierten) vierten Band seiner ›Titus‹-Bücher, sowie die Titus-Novelle »Boy in Darkness« gelesen. Großartige Bücher, bei denen es mir schwer fällt, auf den Punkt zu bringen, was ich an ihnen so toll finde … genauer: es ist schwer, die Vorzüge der Bücher von Peake so zu benennen, ohne dass man klingt, als wolle man eigentlich schwache Werke verteidigen. Die ›Titus‹-Bücher (auch bekannt als ›Gormenghast‹) lassen sich mit den gewöhnlichen Bewertungs-Markmalen, die heutzutage populär sind, schlecht fassen.
(Inzwischen finde ich die Umschlagsgestaltung der neuen Ausgaben so schrecklich, dass ich überlege die Schutzumschläge wegzuwerfen. Auf dem Cover von Band 3 – dem violetten Band – beispielsweise ist ein Ritter auf nem Zombiepferd zu sehen, und im ganzen Buch taucht so eine Figur nicht auf! Ich finde, man darf verlangen, dass ein Umschlagsgestalter den Stoff, den er illustrieren soll, gefälligst zumindest aufmerksam querliest!)
Ach ja: da fällt mir ein, dass ich jüngst eine heftige Abneigung entwickle gegen die Feststellung bei Buch- oder Filmkritiken, die (Haupt)Figuren einer Geschichte wären keine Sympathieträger, mit denen man sich identifizieren könne. Kritiker und Schreibhandwerk-Ratgeber behaupten ja, dass es wichtig sei, sympathische Figuren zur Identifikation anzubieten. Ich finde das empörend flach, zudem hält man damit das Publikum für doof. — Was wichtig ist, sind Figuren die nachvollziehbar sind. Sympathisch müssen sie nicht sein. Im Gegenteil: bestimmt finde nicht nur ich es spannend und unterhaltsam, wenn unsympathische Figuren gut dargestellt werden.
Netzfunde
- Interessanter Abgesang auf der ›GQ‹-Magazin-Website von Mark Harris: The Day the Movies died. Warum gibt es nur noch wenige anständig gemachte Filme für Erwachsene? Weil Markteingtypen, für die »Top Gun« ein Klassiker ist, die Entscheidungen in den Studios treffen. Und weil wir – das Publikum – nicht mehr so gern teuer ins Kino gehen, wenn man sich die Filme mit ein bischen warten auch zuhause auf der feinen Anlage angucken kann.
- Die (für mich) besten Texte zum Fetzenschädel-Thema Guttenberg, erschienen beide in der ›FAZaS‹ vom 06. März 2011: Volker Zastrow (im Politikteil): Wie Ken den Kopf verlor: Guttenbergs verschleppter Rücktritt; — und Nils Minkmar (im Feuilleton): Guttenwahn: Zwei Wochen deutsches Psychodrama.
- C. Hulverscheidt für die ›Süddeutsche Zeitung‹: Laxe Steuerprüfung: Millionäre bevorzugt.
- Robert Buchacher für das österreichische Magazin ›profil‹: Drogenmissbrauch: Sind die USA für die Rauschgiftkriminalität verantwortlich?
- Regensburger Bischöfe und der Wirbel den sie machen: F.L. fasst für ›Humanistischer Pressedienst‹ zusammen: Gerichtsurteil: Auch Bischöfe müssen bei der Wahrheit bleiben und kurz darauf dann meldet das ›Regensburger Wochenblatt‹: Nach Urteil geht Bischof in Revision.
- Naika Foroutan für ›der Freitag‹:Das eigentliche Tabu.
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
- Mistkäferl stellt als Buch des Monats im Blog der ›Bibliotheka Phantastika‹ den wunderbaren Roman »Drachenfels« von Jack Yeovil (= Kim Newman) vor (einem meiner Lieblingsromane, der mein Verständnis dessen, was ›Fantasy‹ sein kann geprägt hat).
- Zwei feine ›Weird Fiction‹- & Architektur-Interviews habe ich dank eines Link-Hinweises von micro_robert entdeckt: »Unsolving the City« An Interview with China Miéville; — und »Science Fiction and the City« An Interview with Jeff Vandermeer im ›Bldg Blog‹.
- Frank Böhmert legte wieder einen seiner ganz großen Blog-Beiträge hin: Jeden Tag eine halbe Stunde lang Schraffuren setzen. Über Leidenschaft.
Wortmeldungen
- Habe Klaus Jarchow in seinem ›Stilstand‹-Blog ob seiner Nervenstärke komplimentiert, da er es schafft, ganze Jan Fleischhauer -Texte zu lesen und anschließend auseinanderzunehmen.
Zuckerl
- Jetzt muss ich auch mal auf die süßen und sehr lustigen Zeichentrickffilme von Simon Tofield hinweisen: Simon's Cat. Mein Lieblingsfilm ist »Fly Guy«.
- Das Blog von Florian Kuhlmann: original kopie fälschung wirklichkeit lüge wahrheit collage und das netz.
- Goodnight Dune von Julia Yu.
- Nette Wertung der Verfilmungen von P. K. Dick-Geschichten bietet ›io9‹: Every Philip K. Dick Movie Ranked from Best to Worst von agentorange.
- Dank eines Hinweises von Simifilm im SF-Netzwerk wurde ich auf diesen Text von Anja Jardine aufmerksam, die für das ›NZZ Folio‹ mit Liebhaber -- Blem, blem, stun blem über einen James Joye-Lesezirkel (um Meister Fritz Senn!) schreibt, der sich gegenseitig »Finnegans Wake« vorliest und über dieses seltsame Buch diskutiert.
- Zum Schluss der Trailer eines Filmes, auf den ich erst am Wochenende aufmerksam wurde: »Super«, einem weiteren Beitrag zum Thema ›normale‹ Menschen wollen Superhelden sein (siehe »Kick-Ass« und »Defendor«). Große Hoffnungen mache ich mir, weil der exquisit durchgeknallte Rainn Wilson (bei uns vielleicht am bekanntesten als Arthur aus »Six Feet Under«) hier mit dem Spruch »Halts Maul, Verbrechen!« (»Shut up, crime!«) aufmacht, seine Freundin Liv Tyler (sic!) von Kevin Bacon zurückzuerobern. Ellen Page und Nathan Fillion sind auch mit dabei. Wird bei uns wohl nur auf Festivals und DVD/Blue Ray erscheinen.
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simifilm
Zum Thema «normale Menschen als Superhelden» kann ich den Film Special mit Michael Rapaport sehr empfehlen. Der Film hat es leider in unseren Breitengraden nie in die Kinos geschafft.
EDIT: Ach ja, Kevin Bacon – Schinken, nicht Leuchtturm. ;)
molosovsky Besitzerin
Danke für den Hinweis (Bacon, nicht Beacon). — Ich sollte zumindest für mich hier mal einen ›vor die Stirn klatsch‹-Smiley einpflegen.
Eosphoros
Und nun erreicht mich die traurige Nachricht, dass del Toros At the Mountains of Madness gekillt wurde. Dabei hatte der Artikel über GdT kürzlich mich erst neugierig drauf gemacht …
molosovsky Besitzerin
…wurde (nach meinen Quellen) erstmal wieder abgesagt, weil del Toro nicht abweichen wollte von seinen Plänen, einen 150 Millionen Dollar-Film mit R-Rating daraus zu machen. Da hat das Studio kalte Füsse bekommen und wieder abgesagt. Jetzt ist die Produktion erstmal wieder auf unbestimmte Zeit ›verschoben‹.
demaya
Hm... 'Super' erinnert mich mit seinen Comic-Montagesequenzen und der Superhelden-over-the-top-ich-nehm-mich-nicht-ernst-Manier schon ziemlich an 'Scott Pilgrim vs. the World'. Lustig, denn dort hat Michael Cera die Hauptrolle gespielt (der mit Ellen Page 'Juno' gedreht hat). Ähnliches ist mir auch schon bei Jared Padalecki und Milo Ventimiglia aus den 'Gilmore Girls' aufgefallen, die beide ihre 'eigene' Mystery-Serie bekommen haben (Padalecki --> Supernatural, Ventimiglia --> Heroes). Bloßer Zufall? Sorry, falls dieser Moviestar-Gossip hier am falschen Ort ist.
Und apropos Blödeluni, mein Lieblingswitz: Sitzen zwei Hochhäuser im Keller und stricken Honig. Was ist daran falsch? --> Gurken haben gar keine Gräten!
Bekomme ich dafür schon einen Master of Farts?
Grüße!
molosovsky Besitzerin
Willkommen demaya.
Wenn sich die Wege von Darstellern in ähnlichen Produktionen kreuzen, liegt das wohl daran, dass a) diese Leute eine persönliche Vorliebe für die entsprechenden Stoffe hegen, oder b) ihre Agnten glauben, damit den Darsteller zu einer Marke aufbauen zu können. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem.
Sie nannten Ihn Kangaroo
Grüße Herr Molosovsky,
ich hätte da mal eine Frage abseits dieses (mal wieder) wunderbaren Wochenrückblicks. Der gute Jesse Bullington hat ja mittlerweile sein neues Buch "Enterprise of Death" rausgebracht und da ich damals von dir den wunderbaren Tip der Brüder Grossbart bekommen habe, frage ich mich ob das Buch auch demnächst auf deine Liste steht und wir hier eine Rezension erwarten dürfen ?
Grüße
molosovsky Besitzerin
Ich habe den Roman bei meinem örtlichen englischen Buchhändler bestellt (bin in der Hinsicht eine treue Seele des Einzelhandels). Leider geht die Lieferung nicht so flott von statten, wie ich hoffte.