molochronik
Sonntag, 30. November 2003

Doch noch ein Fragebogen

Eintrag No. 35 — Freund David hat zehn Fragen zum Thema Bücher beantwortet (hier) und schon bin ich animiert, meine eigene Prognose in den Wind zu schießen, daß es hier wohl kaum mehr als einen Fragebogen geben wird.

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1. Welches ist das längste und/oder langweiligste Buch, durch das Du Dich, aus welchen Gründen auch immer, erfolgreich hindurchgekämpft hast?

Tad Williams »Der Drachenbeinthron«-Fantasy-Saga. Vier mal ca. 700-800 Seiten oberöder Tolkien-Abschklatsch. Wollte wissen, was für Fantasy im Mainstream so gelesen wird.

2. Von welchem Autor/Autorin kannst Du behaupten: Von dem/der habe ich wirklich jedes Buch gelesen?

Matt Ruff (sind nur drei: Fool on the Hill / Sewer Gas & Electric / Set This House In Order); J.K.Rowling (sind nur fünf, die Harry Potter-Bücher eben); Laurece Norfolk (sind nur drei: Lempriers Wörterbuch / Ein Nashorn für den Papst / In Gestalt eines Ebers); Helmut Krausser (8 Romane, 2 Kurzgeschichtensammlungen, eine Anthologie, 2 Gedichtbände, 10 Monatstagebuchbände und ein Bilderbuch); China Mieville (wieder nur drei: Perdido Street Station, The Scar, King Rat); Arthur Schopenhauer (was es gibt: also Hauptwerke; Vorlesungen habe ich noch nicht so lang; Handschriftlichen Nachlaß suche ich noch)

3. Welches ist Dein liebster Klassiker (vor mindestens 50 Jahren veröffentlicht)?

Derzeit wohl Balthasar Gracian »Das Kritikon«, erschienen 1651.

4. Welchen Titel hast Du in den letzten Jahren sicherlich am häufigsten verschenkt?

Komme kaum zum Buchverschenken.

5. Von welchem Autoren würdest Du nie wieder freiwillig ein weiteres Buch in die Hand nehmen?

Martin Walser (Tod eines Kritikers gelesen und Auszüge aus Lebenslauf der Liebe, Mesmers Reisen).

6. Welches Buch hast Du mehr als zweimal gelesen?

Ulysses von James Joyce (3 mal englisch, 2 mal deutsch); Melodien von Helmut Krausser (3-einhalb mal und steigend); Welt als Wille und Vorstellung von Schopenhauer (derzeit beim zweitenmal); Unser Kosmos von Carl Sagen (mindetens 3 oder 4 mal seit 15 Jahren); Name der Rose und Foucaultsche Pendel von Umberto Eco (ersteres 3, zweiteres 2 mal). Man sollte öfter Bücher mehrmals lesen. Beim ersten Lesen weiß man doch gerade mal, worum es geht.

7. Welchen Titel hast Du erst nach einigen Seiten beiseite gelegt und dann tatsächlich später nochmals in die Hand genommen und durchgelesen?

Praktisch alle Bücher. Lese sehr viele Bücher gleichzeitig und nur ganz ganz ganz wenige sind dergestalt, daß ich sie ratz fatz an einem Stück von vorne nach hinten lese.

Bemerkenswert war aber »Thanatos« von Helmut Krausser. Das Buch hat nach ca 100 bis 200 Seiten begonnen, mich persönlich anzupöbeln, hat mich fertig gemacht, beschimpft, ausgespottet und ich mußte mich erst eine Weile zurückziehen um genug zu sammeln, dieses schwarze Buch weiterlesen zu können; entwickelte sich noch zu einer düster-euphorischen Lesereise.

8. Wenn man Dich drei Wochen in eine Mönchszelle in Klausur stecken würde, und Du darfst nur drei Bücher mitnehmen, welche drei Titel würdest Du wählen?

Drei Wochen ist doch lächerlich. Aber wenn ich könnte und da demnächst der dritte Teil erscheint nehme ich Peter Sloterdijk Trilogie Sphären (1. Blasen; 2. Globen; 3 Schäume).

9. Bei welchem Titel sind dir schonmal ernsthaft die Tränen (nicht vor Lachen!) gekommen, obwohl es doch nur ein Buch war?

Owen Meany von John Irving; Girlfriend in a Coma von Douglas Coupland; Göttliche Zwischenfälle (Biographie Philip K. Dick) von Laurence Sutin; Der Glöckner von Notre-Dame von Victor Hugo; Besessen von Antonia S. Byatt; ... ich weine, lache, wüte, häme gern schnell und laut beim Lesen.

10. Welches sonst recht erfolgreiche Buch ist Dir bis heute ein großes Rätsel geblieben, d. h. Du hast es einfach nicht verstanden?

Da es mir nicht um ›das Verstehen‹ geht, ›verstehe‹ ich diese Frage nicht ganz. Ich ›verstehe‹ für mich zwar, warum Tolkiens "Der Herr der Ringe" so erfolgreich ist, aber nicht verstehe ich, warum die neue schlechte verzerrende Übersetzung von Wolfgang Kerge so viele gekauft und gelesen wird, und finde den Tolkien insgesammt einen kuriosen Autor, mindestens so wichtig und marginal zugleich wie Joyce.

Ebenso »Minima Moralia« von Theodor W. Adorno. Sicherlich ein interessantes, gedankenanregendes Buch, doch dermaßen hermeneutisch, daß man nach einiger Zeit beginnt, seine eigene Nase zu suchen.

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