molochronik
Mittwoch, 11. August 2004

Selbstberuhigungsversuch

(Alltag) – Liebes Blog, heute mußt Du als Abladeplatz für meinen Seelenmüll herhalten. Morgen früh habe ich einen Termin bei der Arbeitsagentur und bin schrecklich nervös. Eine Gespräch über meine berufliche Situation steht auf der Tagesordnung, und eine detaillierte Aufstellung meiner Eigenbemühungen soll ich mitbringen. Knapp gesagt habe ich keine Vorstellung bei wem ich mich wie als was bewerben soll. Zwei meiner Ausbildungen sind wegen finanzieller Engpässe des Lehrherren abgebrochen worden, also habe ich vor drei Jahren Hilfe beim Arbeitsamt gesucht. Man hat mich damals zu einer Fortbildung zum Fachangestellten für Medien- und Infomationsdienste (Fachrichtung: Information und Dokumentation) vermittelt. Das klang gut und gab mit Hoffnung. Seit ich 14 bin strebe ich nach einem Job, der mit Büchern zu tun hat. Die zweijährige Fortbildung (die in meinem Fall als Ausbildung zählte) war ein Scheingeschäft, schlecht organisiert. Mit Hängen und Würgen wurde hinter den Kulissen geschoben und gedeixelt und den Schülern am Ende der Abschluß nachgeworfen. Wert ist das Papier nichts. Am Ende der zwei Jahre hatte ich nicht nur nichts gelernt, sondern ging verstört und eingeschüchtern nach Hause, orientierungslos, entmutigt und kaum noch zum selbstständigen Arbeiten im Stande. Es ist niederschlagend, von bestimmten Lehrern Komplimente für rasche Auffassungsgabe und originelles und kritisches Denken zu bekommen, aber von Klassenkollegen und Organisatoren schief angeschaut zu werden mit der Aufforderung das Maul zu halten, keine Unruhe zu verbreiten. Und mit Unruhe verbreiten war zum Beispiel mein Appell gemeint, daß die Schüler, welche über den zu anspruchsvollen Englischunterricht jammern, lieber beginnen sollen ein Vokabelheft zu führen, statt sich über zuviele unbekannte Wörter zu beschweren.

So sitz ich seit einem Jahr herum, mit einem gigantischen Minderwertigkeitskomplex, da ich mich selbst wahrnehme als jemanden, der zu bescheuert zum Schleimen und Lügen ist, der kaum noch Vertrauen fassen kann zu Ämtern und Institutionen. Spätestens jeden dritten Tag verbringe ein bis zwei Stunden im Netz mit Durchforsten von Stellenanzeigen. Aber da ich weder Student, noch weiblich noch besonders kräftig bin, keinen Führerschein habe und keine nachweisbaren Qualifikationen für eigenständige Bürotätiogkeiten habe, finde ich sehr selten Stellenangebote, auf die ich mich bewerben könnte.

Sehnsuchtsvoll halte ich Ausschau nach Gelegenheiten nützlich sein. Gerne hätte ich einen Job in einem Kino, einem Kiosk oder einem Geschäft, das annähernd mit Dingen handelt, von denen ich eine Ahnung habe. Callcenter- und anspruchslosere Büroarbeiten habe ich drei Jahre lang in Frankfurt erledigt, immer in Bereichen, die mich auf Dauer elend fühlen ließen: Leasing, Pharmazie und Finanzen. Selbst wenn ich nur stupide Datanverarbeitung zu erledigen hatte, brachten mich zum Beispiel die Geldbeträge, die ich einzutippen hatte ins Schwitzen. Ab einem Betrag von 500 Euro verliehre ich alle Nerven und habe panische Angst vor Fehlern. Wo mein Perfektionismus früher gute Dienste leistete, wenn es ums Zeichnen oder Schreiben ging, stand er mir bei diesen mich befremdenden Dingen nur im Weg. Heute pendle ich ziellos zwischen Korinthenlegerei und nachlässigster Laschheit.

Einen Lichtblick gibt es derzeit: einen Job als Neugestalter und monatlicher Auffrischer einer Webseite. Soetwas habe ich ansatzweise schon gemacht, auch wenn ich weit davon entfernt bin, wirklich sicher mit diesen Dingen umgehen zu können. Aber wenigstens kann ich ohne großen Druck für jemanden etwas nützliches machen und werde auch bezahlt. Kann üben und Selbstwertgefühl tanken. Gut.

Um meine Nerven bis morgen zu beruhigen, bin ich heute am aufräumen, wäschewaschen, spühlen und staubsaugen und zwischendurch verschlinge ich den neuen Roman von Miéville (»Iron Council«).

Liebe Leser, ich hoffe Ihr könnt meine aufdringliche Seelenwäsche verzeihen. Über Rat und Hinweise, was ich tun soll wäre ich sehr froh.

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