Gott ist rund und der Pöbel will ihn getreten sehen.
EDIT 28. Januar 2008: Um Skribbel-Illu ergänzt.
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(Gesellschaft) - Heute will ich mir gönnen, meiner Intoleranz freien Lauf zu lassen, und tue deshalb offen kund: ich hasse Fußball als Phänomen der Massenunterhaltung; die dieser Tage allgegenwärtige Europameisterschaft widert mich an; nichts zwingt mir so heftig ein Winston Smith-Lebensgefühl auf, wie diese mich umgrindende Volksbegeisterung fürs runde Leder. Der Leser weiß nicht, wer Winston Smith ist, und was für ein Lebensgefühl ich meine? Na dann google mal, lieber Nichtkenner von Orwell.
Dieser Eintrag ist also nur für meine Brüder und Schwestern im Leiden und der Angenervtheit, für jene, die Fußball ebenso ablehnen wie ich. Für eure Erheiterung hier ein paar schöne Zitate aus Sphären II - Globen von Peter Sloterdijk:
»Die Faszination von Turnieren {…}: Bei ihnen wird, analog zur Tierzucht, das Eliminationsverfahren zu einer menschgemachten Selektion. Er oder ich, wir oder sie – das wird in der Arena wie in einer Versuchsanordnung künstlicher Selektion eingeübt.« •••Seite 330
Die einzigen Turniere, die ich ertrage zu gucken, sind Schach- Golf und Snooker-Wettkämpfe, weil sie so unaufgeregt verlaufen, meditative Gegenstimmung zum Daumen rauf-, Daumen runter-Spiel bieten. Schön wären auch Dart-Wettkämpfe im Fernsehen; hats aber nie gegeben in meiner Zeit als Fernsehgucker. Dabei ideal fürs Fernsehen mit Splitscreen: links die Scheibe mit einschlagenden Pfeilen, rechts der Werfer im Bild. Tja, bleiben als Ersatz nur die seltenen Bogenschießenübertragungen bei den Olympiaden.
»Wenn das griechische Leitwort lautete: Erkenne dich selbst, so heißt das römische: Erkenne die Lage. {…} Als Theater der Selektion appellieren die römischen Spiele methodisch an die Notwendigkeit, einzusehen, daß die Grausamkeit immer recht hat. {…} Die Götter selbst sind zum Opportunismus verdammt; ihre Gläubigen müssen lernen, sich den Resultaten von Spielen, im Kleinen wie im Großen, wie Offenbarungen zu fügen. Nichts anderen meint Fatalismus als Religion: die Bereitschaft, in die vulgärsten Zufälle den Götterwillen involviert zu sehen.« •••Seite 334
Take what you can. Give nothing back … diese Weisheit liegt all dem Zugrunde, und wir kennen diese Worte als das Motto der Piraten aus dem Johnny Depp-Film. Ich fühle mich bei so was nicht wohl. Auf der Realschule als Teen habe ich beobachten können, daß, wo wir zum Spaß an der Freude Fußball kickten, noch alles fair und gesittet verlief. Vor den Ferien war es üblich, statt Zirkeltraining oder kompliziertem Gehüpfe, die ganzen drei Sportstunden durch ein Turnier abzuhalten, und das Spiel der Wahl war natürlich meistens Fußball. Hierbei sprangen dann bei denen aus der Klasse, die auf ihrem jeweiligen Dorfkaff in einer Jugendmannschaft spielten, die Profikonditionierungen an, die ihnen dort als Esoterik der Vereinsgemeinschaft antrainiert wurden. Faule, schubse wie wild und wage überhaupt jedes unfaire Manöver, reize den Handlungsraum hin zum Regelverstoß aus, soweit es möglich ist, lerne dann die Rüge durch den Schiri als behämmerte kleinmütige Ungerechtigkeit aufzufassen, und schleife dein Mitleid für den humpelnden Gegener, erst recht, wenn du selbst ihn getreten hast.
»Ohne Zweifel liegen in den Unterhaltugsexzessen der römischen Theater die Ursprünge der Massenkultur: mit ihm entstand eine frühe und komplette Form von Faszinationsindustrie, die gereizte oder dekadente Gesellschaften mit Erregung versorgt und in Verzauberung bindet. Der Amüsierfaschismus {…} nimmt funktional zahlreiche Merkmale der modernen Massenregie durch Erregungsmedien vorweg.« •••Seite 334/335
Mir ist die entsprechende Arena des Lichtspielhauses lieber, denn wenigstens muß ich hier nicht dem Zufall beim Schußern zuschaun, sondern habs mit einer (mehr oder weniger) durchdachten, komponierten, gestalteten Sache, ja sogar Narration, zu tun. Wirklich rätselhaft ist es mir, wie man sich als Fußballpublikum auch noch mit den Dingen jenseits des Rasens beschäftigen kann: mit den Ein- und Verkäufen der Vereine, der Tages-, Wochen- und Saisonverfassung von Spielern, Trainern und Ehefrauen, den Analysen vor und nach den Spielen, dem Gewese über Gruppenpsyche der Mannschaft, der Starspieler, der Fans, der Betreuer usw.
Früher, zu Breitners und Rummenigges Zeiten habe ich selbst noch mit dem naiven Interesse des Kindes neben meinem Vater jeden Samstag mitgeschaut und die Genervtheit meiner Mutter, daß das Abendessen wieder mal vorm Fernseher verzehrt wird, zuerst abgelenkt übersehen, später willentlich verdrängen müssen. Als junger Teen verflog mein Interesse für Sport dann und ich wandte mich Büchern und Kultur zu.
Nur Nick Hornby war fähig, mir in seinem Fever Pitch unterhaltsam von dem Wahnsinn der Fußballfans zu erzählen, ohne daß mein Ekel mir dabei dazwischenfunken konnte. Das wars aber auch schon an Fußballaufmerksamkeit bei mir, in den letzten 20 Jahren.
Nein, gar nicht wahr: Bei der letzten WM habe ich mich mit einem Weizen in Frankfurts Sachsenhausen in eine Kneipe gesetzt, und irgendein Deutschlandspiel (gegen England glaub ich) inmitten der Begeisterungsgruppe angeschaut … aber mehr der Athmo eines Sommertags wegen, wo mir das WM-Pahöö als Grund für ein Mittagsweizen zupaß kam. Außerdem kann ich, trotz dem ich ein Fußballverachter bin, sagen, daß ich dieses ganze taktische Finkelgedribble öde finde und den Spielstil, wie er als Klischee den Engländern und Schotten zugewiesen wird, als Zuschauer bevorzuge: Vorbolzen, nachlaufen, unterwegs rempeln wie Rammbock. Alles andere ist doch so unharmonisch, wie Achaier im Tütü vor Trojas Mauern, oder als ob Sturmtruppen mit Teekannen einen Bunker stürmen wollten.
WARNUNG: Alle Apologien des Fußballs, oder gar Erwiderungen gegen meine Fußballverachtung, wird nicht geduldet als Kommentar zu diesem Beitrag. Dieser Beitrag ist nur für Leidensgenossen. Dies ist mein hunderster Molochronik-Eintrag, und da will ich mal so'ne Arschigkeit zugestehen. Aber nur dieses eine Mal, sonst werde ich natürlich jeden Kommentar belassen wie er ist (so er nicht rüd die hochzuhaltenden Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung überschreitet).
Was der Architekt sagt
Eintrag No. 28 — Die deutsche Synchro kenne ich nicht, aber Bekannte und Freunde versicherten mir, daß man ihr kaum folgen kann. Hier also mein Versuch einer eleganteren - wenn auch nicht lippenbewegungskongruenten — Eindeutschung des (Des?)Informationsschwalls vom Architekten in »Matrix Reloaded«. Ich freue mich über jeden Verbesserungsvorschlag.
Nebenbei: Das runde Monitorzimmer des Architekten kommt ganz kurz schon in »The Matrix« vor. Auf der DVD zu finden als Beginn des Kapitels ›Unable to speak‹, wenn wir von den vielen Monitoren aus drei Agenten (darunter Smith) beobachten, die Neo in ein Verhörzimmer bringen.
Ganz nebenbei: der den Architekten sehr fein darstellende Australier Helmut Bakaitis wurde 1944 in Lauban geboren, vor allem seine Stimme ist göttlich.
Architekt: Hallo, Neo.
Neo: Wer sind sie.
Architekt: Ich bin der Architekt. Ich erschuf die Matrix. Ich habe auf dich gewartet. Du hast viele Fragen und obwohl die bisherigen Ereignisse dich verändert haben, bleibst du doch unwiderruflich menschlich. Ergo wirst du einige meiner Antworten verstehen, andere nicht. Dementsprechend, während deine erste Frage am gebotensten erscheinen mag, begreifst du vielleicht (oder auch nicht), daß sie auch die irrelevanteste ist.
Neo: Warum bin ich hier?
Architekt: Dein Leben entspricht dem Rest einer nicht aufgelösten Gleichung, die der Programmierung der Matrix eigen ist. Du bist die Möglichkeit einer Anomalie, die ich trotz meiner ernsthaftesten Bemühungen nicht in der Lage war aus etwas, das ansonsten eine Harmonie mathematischer Präzision ist, zu eleminieren. Während sie weiterhin eine beharrlich vermiedene Belastung darstellt, tritt sie nicht unerwartet auf und entzieht sich damit nicht einer Kontrollmaßnahme. Was dich unerbittlich hierher geführt hat.
Neo: Sie haben meine Frage nicht beantwortet.
Architekt: Völlig richtig. Interessant. Das kam flotter als bei den anderen.
Bildschirm-Neos: Andere? Welche anderen? Wie viele? Antworte mir?
Architekt: Die Matrix ist älter als dir bekannt ist. Ich ziehe es vor, vom Auftreten einer innewohnenden Anomalie bis zum Auftreten der nächsten zu zählen, wonach dies hier die sechste Version ist.
Bildschirm-Neos: Fünf Versionen? Drei? Man hat mich belogen. Das ist Blödsinn.
Neo: Es gibt nur zwei mögliche Erklärungen: entweder hat es mir niemand gesagt, oder niemand weiß das.
Architekt: Genau. Wie du zweifellos begreifst, gehört die Anomalie zum System, verursacht Abweichungen sogar in den einfachsten Gleichungen.
Bildschirm-Neos: Du kannst mich nicht kontrollieren. Fick dich. Ich werde dich umbringen. Du kannst mich nicht alles tun zu lassen.
Neo: Wahl. Das Problem ist Wahl.
{Schnitt zu Trinity die gegen einen Agenten kämpft und zurück}
Architekt: Die erste Matrix die ich entwarf war von Natur aus ziemlich perfekt, ein Kunstwerk, makellos, großartig. Ein Triumph der nur mit ihrem monumentalen Scheitern vergleichbar war. Mittlerweile leuchtet mir die Unvermeidlichkeit ihres Untergangs ein, als Konsequenz der Unvollkommenheit die allen menschlichen Wesen eigen ist, deshalb gestaltete ich sie um, ausgehend von eurer Geschichte, um die wechselnden Ungeheuerlichkeiten eurer Natur genauer wiederzuspiegeln. Wie auch immer, ich wurde wieder durch Mißerfolg enttäuscht. Seitdem habe ich begriffen, daß sich mir die Lösung entzieht, da sie einen geringeren Verstand voraussetzt, oder womöglich einen Verstand, der sich weniger nach den Maßstäben der Vollkommenheit richtet. So stolperte jemand anders über die Lösung, ein intuitives Programm das ursprünglich geschaffen wurde, um bestimmte Aspekte der menschlichen Psyche zu erforschen. Wenn ich der Vater der Matrix bin, ist sie zweifelsohne seine Mutter.
Neo: Das Orakel.
Architekt: Ich bitte dich. Wie ich sagte, sie stolperte über eine Lösung, bei der 99,9 % aller Testpersonen das Programm annahmen, solange ihnen eine Wahl gelassen wurde, auch wenn sie diese Wahl lediglich auf einem fast unbewußten Niveau bemerkten. Obwohl diese Lösung funktionierte, war sie offensichtlich grundsätzlich fehlerhaft, da sie andererseits die innewohnende entgegenwirkende Anomalie schuf, die, falls nicht behandelt, das System selbst bedroht. Dementsprechend erzeugen unberücksichtigt jene, wenn auch eine Minderheit, die das Programm verweigern, eine eskalierende Wahrscheinlichkeit zur Katastrophe.
Neo: Das bezieht sich auf Zion.
Architekt: Du bist hier, weil Zion davor steht zerstört zu werden. Alle lebenden Einwohner werden terminiert, ihre ganze Existenz wird gelöscht.
Neo: Blödsinn.
Bildschirm-Neos: Blödsinn!
Architekt: Verweigerung ist die vorhersagbarste aller menschlichen Reaktionen. Jedoch, sei dessen gewiß, wird dies das sechste mal sein, daß wir sie {die Stadt Zion} zerstören, und wir sind äußerst tüchtig darin geworden.
{Schnitt zu Trinity die gegen einen Agenten kämpft und zurück}
Architekt: Die Aufgabe des Einen ist nun in die Quelle zurückzukehren, eine zeitweise Verbreitung des Codes den du trägst ermöglichend, das Hauptprogramm wiedereinführend. Danach ist es deine Pflicht 23 Individuen aus der Matrix auszuwählen, 16 Frauen, 7 Männer, um Zion wiederzuerrichten. Scheitern dieses Verfahren zu erfüllen, führt zu einem zerstörerischen Systemzusammenbruch der jeden an die Matrix Angeschlossenen tötet, was verbunden mit der Auslöschung von Zion letztendlich zum Aussterben der gesamten menschlichen Art führt.
Neo: Das werden sie nicht geschehen lassen, das können sie nicht. Sie brauchen menschliche Wesen um zu überleben.
Architekt: Es gibt Ebenen des Überlebens, die wir bereit sind zu akzeptieren. Wie auch immer, die relevante Frage ist, ob du bereit bist die Verantwortung für den Tod allen menschlichen Lebens auf dieser Welt zu tragen, oder nicht.
{Der Arichtekt schaltet Bilder von Menschen aus der ganzen Matrix mit seinem Kugelschreiber auf die Monitore}
Architekt: Deine Reaktionen zu beobachten ist interessant. Deine fünf Vorgänger wurden aufgrund ähnlicher Annahmen erschaffen, einer möglichen Affirmation, die dazu gedacht war eine tiefe Verbundenheit zum Rest deiner Art zu schaffen, um die Aufgabe des Einen zu erleichtern. Während die anderen diese Erfahrung sehr allgemein erlebten, ist deine Erfahrung um sehr vieles bestimmter. Vis-a-vis, Liebe.
{Schnitt zu Trinity die gegen einen Agenten kämpft und zurück}
Neo: Trinity.
Architekt: Übrigens, sie hat die Matrix betreten um dein Leben zu retten, um den Preis ihres eigenen Lebens.
Neo: Nein!
Architekt: Das führt uns schließlich zum Moment der Wahrheit, worin der grundsätzliche Makel sich letztendlich offenbart und zeigt, daß die Anomalie sowohl Anfang als auch Ende ist. Es gibt zwei Türen. Die Tür zu deiner Rechten führt zur Quelle und der Rettung von Zion. Die Tür zu deiner Linken führt zurück in die Matrix, zu ihr {Trinity} und zum Ende deiner Art. Wie du es angemessen ausgedrückt hast, das Problem ist Wahl. Aber wir wissen bereits, was du tun wirst, oder? Ich kann bereits die Kettenreaktion sehen, die chemischen Vorboten die das Auftreten von Emotionen signalisieren, eigens dafür geschaffen Logik und Vernunft zu überwältigen. Eine Emotion die dich bereits blind macht für die einfache und offensichtliche Wahrheit: sie wird sterben, und es gibt nichts was du dagegen unternehmen kannst.
{Neo geht zur linken Tür.}
Architekt: Grummelseufzt. Hoffnung, die vollkommenste menschliche Selbsttäuschung, sowohl die Quelle eurer größten Stärke, wie auch eurer größten Schwäche.
Neo: Wenn ich sie wäre, dann würde ich hoffen, daß wir uns nicht wiederbegegnen.
Architekt: Das werden wir nicht.
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Versäumen Sie nicht diese anderen Beisträge zur Matrix-Trilogie:
• Material zum Kapieren
• Gedanken zu MATRIX
Excerptien aus Richard Tarnas: »Idee und Leidenschaft«
Eintrag No. 21 — Zusammenfasungen der Zusammenfassungen des Buches »Idee und Leidenschaft — Die Wege des Westlichen Denkens« von Richard Tarnas (›The Passion of the Western Mind‹; HC zuerst bei Roger & Bernhard; als TB bei DTV; dann unter dem Titel »Das Wissen des Abendlandes« bei Patmos). 1991 auf Englisch, 1997 auf Deutsch erschienen, bietet einen guten groben Überblick über viele Themen/Spannungen die in Sachen Weltenbau, Magietheorie usw von Bedeutung sind. — Tarnas möchte ich mal als Steinbruch vorstellen, denn sein Buch ist mir mittlerweile als nützlich aufgefallen. Da bemüht sich einer, möglichst umfassend eine Kultur- und vor allem Ideengeschichte zu beschreiben, und legt dabei (soweit ich das abschätzen kann) wert darauf, nüchtern und objektiv zu bleiben. Meistens kann ich seinen Vereinfachungen und Aussagen zustimmen. Er versucht nicht polemisch zu sein, trübt aber damit auch den Blick auf heikle und exotischen Aspekte.
Aus sieben Teilen setzt sich Tarnas Buch zusammen:
I. Griechisches Weltbild / II. Transformation der klassischen Ära / III. Christliches Weltbild / IV. Transformation des Mittelalters / V. Modernes Weltbild / VI. Transformation der Moderne / VII. Epilog.
Die erste Zusammenfassung findet sich im ersten Teil und umreißt das duale Vermächtnis des Weltbildes der Antike. Zwei Fünfheiten stehen sich umkreisend gegenüber.
ERSTE FÜNFHEIT: Griechischer Rationalismus und griechische Religion wie vor allem durch Platon geprägt (S. 83f):
Die Welt ist ein geordneter Kosmos, dessen Ordnung mit der des menschlichen Geistes verwandt ist. Eine rationale Analyse der empirischen Welt ist deshalb möglich.
Der Kosmos als Ganzes ist Ausdruck einer planvollen Intelligenz, die der Natur Sinn und Zweck verleiht, und diese Intelligenz ist dem geschulten und gereiftem menschlichen Bewußtsein direkt zugänglich, wenn es sich ganz auf diese Intelligenz ausrichtet und konzentriert.
Eine durchdringende geistige Analyse offenbart auf ihrem Höhepunkt eine zeitlose, ihre temporären und konkreten Manifestationen übersteigende Ordnung. Die sichtbare Welt trägt eine tiefere, sowohl rationale als auch mythische Bedeutung in sich, die von der empirischen Ordnung widergespiegelt wird, aber aus einer ewigen Dimension stammt, die Quelle und Ziel aller Existenz ist.
Zum Begriff ›mythisch‹ und ›Mythos‹: ist für mich zuvörderst die Geschichte, wie sie von den Gewinnern (fast immer Aggressoren und Betrüger) geschrieben wurde. Mythen dienen also zur Propaganda, bzw. dem Vertuschen von (Betriebs-)Geheimnisen, sowie dem Überhöhen der eigenen und dem Herabsetzten der anderen Seite. — Verständigungsproblem beim Bau von Fantasy-Welten und Kulturen. Soll ein Mythos den man sich ausdenkt als ›Wahrheit‹ im Sinne des antiken Weltbildes verstanden werden, oder, wie durch moderne Augen gesehen, als pathetische Verklärung, Über-Untertreibung?
Die Erkenntnis der grundlegenden Struktur und Bedeutung der Welt erfordert Übung und den Einsatz einer Vielzahl von kognitiven Fähigkeiten — rationalen, empirischen, intuitiven, imaginativen und moralischen.
Die unmittelbare Verstehen der tieferen Wirklichkeit der Welt befriedigt nicht nur den Geist, sondern auch die Seele: es ist seinem Wesen nach eine erlösende Vision, ein dauerhafter Einblick in die wahre Natur der Dinge, intellektuell entscheident wichtig und zugleich spirituell befreiend.
Zumindest ich bin ein bischen baff, wie sehr diese ersten 5 Positionen noch virulent sind; in meinen misanthropischen Stimmungen nehm ich an, daß ›die Masse‹, das Gemensche sich kaum von diesen Ansichten gelößt hat.
ZWEITE FÜNFHEIT: Kritische Antipoden zu diesem idealistischen Realismus stellen folgende geistigen Annahmen und Tendenzen der griechischen Welt-Denkerei dar (S. 84f):
Wahres Wissen ist nur durch die strikte Anwendung von menschlicher Vernunft und empirischer Beobachtung erreichbar.
Die Basis wahren Wissens liegt in der gegebenen Erfahrungswelt, nicht in einer unbeweisbaren jenseitigen Wirklichkeit. Die einzige Wahrheit, die dem Menschen zugänglich und nützlich ist, ist immanent, nicht transzendent.
Die Ursachen natürlicher Phänomene sind unpersönlicher und physikalischer Art und sollten innerhalb des Bereichs der Naturbeobachtung gesucht werden. Mythologische und übernatürliche Elemente sind als anthropomorphe Projektionen aus kausalen Erklärungen herauszuhalten.
Tja, in Fantasy-Welten ist nun z.B. genau das die Spielwiese :-)
Jeder Anspruch auf ein ganzheitliches theoretisches Verstehen muß sich an der empirischen Wirklichkeit des konkreten Einzelnen in all seiner Verschiedenheit, Veränderbarkeit und Einzigartigkeit messen lassen.
Auch irdische Weisheit kennt den kontinuierlich gemahnenden Basslauf, daß der Mensch sich besser nicht selbstverständlich auf die Wiederholbarkeit von etwas verlassen kann und soll.
Kein Denksystem ist endgültig, und die Suche nach Wahrheit muß sowohl kritisch als auch selbstkritisch sein. Menschliches Wissen ist relativ und fehlbar und muß im Licht neuer Befunde und weiterer Analysen immer wieder revidiert werden.
Die nächste Zusammenfassung widmet sich der christlichen Transformation des klassischen Denkens, und stellt eine Sechsheit an Differenzen zum griechisch-römischen Denken vor. Tarnas weißt darauf hin, daß solche Zusammenfassungen immer ungenau sind. (S. 206f)
Durch die Anerkennung eines höchsten Gottes, dem dreieinigen Schöpfer und Herrscher über die Geschichte, hat das Christentum eine monotheistische Hierarchie im Kosmos geschaffen, die den Polytheismus der heidnischen Religionen überwand …
{naja, man könnte auch ›verdrängt‹ sagen}
… und in sich aufnahm, während sie der Metaphysik der archetypischen Formen ihren Vorrang nahm, sie aber nicht eliminierte.
Monos gegen Pluris. Darf ich das so platt gegenüberstellen?
Der platonische Dualismus von Geist und Materie wurde verstärkt durch seine Verschmelzung mit der Lehre von der Erbsünde, dem Fall des Menschen und der Natur, der kollektiven menschlichen Schuld. Eine weitere Zuspitzung kam dadurch, daß die Natur jede immanente Göttlichkeit, ob poly- oder pantheistisch, weitgehend abgesprochen wurde, ohne ihr aber dabei die Aura übernatürlicher Bedeutung zu entziehen — sei sie göttlich oder satanisch; sowie durch die radikale Polarisierug von Gut und Böse.
Die Beziehung des Transzendenten zum Menschen wurde dramatisiert als Gottes Herrschaft über die Geschichte, als die Erzählung vom auserwählten Volk, als historisches Erscheinen Christi auf Erden und als seine letztliche Wiederkehr, um die Menschheit in einem künftigen apokalyptischen Zeitalter zu erlösen. So entstand ein neuer Sinn für historische Dynamik, für die göttliche Logik der Erlösung innerhalb einer linear, nicht zyklisch verlaufenden Geschichte, der jedoch durch die schrittweise Verlagerung dieser erlösenden Kraft in die institutionelle Kirche implizit wieder zugunsten der Restauration eines statischeren Geschichtsverhältnisses zurückgenommen wurde.
Den heidnischen Mythos von der großen Mutter-Gottheit verwandelte das Christentum in eine historisierte Theologie mit der Jungfrau Maria als menschlicher Mutter Gottes und in die beständige historische und soziale Wirklichkeit Kirche als Mutter.
Das Beobachten, Analysieren und Verstehen der natürlichen Welt wurde abgewertet und damit die rationalen und empirischen Fähigkeiten gegenüber den emotionalen, moralischen und spirituellen vernächlässigt oder negiert, wobei alle menschlichen Fähigkeiten den Anforderungen des christlichen Glaubens und dem Willen Gottes untergeordnet waren.
Das Christentum verzichtete auf die Fähigkeit des Menschen, die Bedeutung der Welt selbstständig intellektuell oder spirituell zu durchdringen, aus Ehrfurcht vor der absoluten Autorität der Kriche und der Heiligen Schrift, denen die endgültige Bestimmung der Wahrheit überlassen bleibt.
Nun die Achtheit an Grundlagen des modernen Weltbildes. Versimpelt umreißt Tarnas folgenden Bogen: Die Antike war Bunt, das Christentum ist ‘ne Art von strenger Auskristallisierung bestimmter Aspekte und nun schwingt das Pendel wieder in die andere Richtung. Tarnas konzentriert sich auf die Aspekte des modernen Weltbildes, durch die es sich am stärksten von den Vorgängern abhebt (S. 359ff — Ich zitiere nur die ersten, bzw. markantesten Sätze der einzelnen Punkte):
Im Gegensatz zum mittelalterlich-christlichen Kosmos, den ein persönlicher und allmächtiger Gott nicht nur geschaffen, sondern auch stets und unmittelbar regiert hatte, war das moderne Universum ein unpersönliches Phänomen. {…} Er war nun weniger ein Gott der Liebe, des Wunders, der Erlösung und der historischen Intervention als eine höchste Intelligenz und erste Ursache, die das materielle Universum und seine unveränderbaren Gesetzte zwar geschaffen, sich dann aber jeder weiteren direkten Einflußnahme enthalten hatte. {…} Während in der mittelalterlich-christlichen Auffassung der menschliche Geist die im Grunde übernatürliche Ordnung des Universums nicht ohne die Hilfe der göttlichen Offenbarung verstehen konnte, war der menschliche Geist nach moderner Auffassung kraft seiner eigenen rationalen Fähigkeiten dazu in der Lage, die Ordnung des Universums zu verstehen; und diese Ordnung war ganz und gar natürlich.
Markant an der Zeichendeuterei der Vormoderne ist für mich, daß sie oft bis zur Lächerlichkeit naiv, hysterisch und paranoid war. Man muß nur mal bei den zivilierten Heiden (z.B. Griechen) gucken, was denen alles als Orakelmaterial diente. Zukunft vorhersagen anhand der Art wie Käse gerinnt, wie jemand lacht, anhand der Asche eines abgebrannten Feuers, anhand der Art wie eine Spinne ihr Netz gebaut hat. Immerhin glaubte man, dass Gott (oder Götter) noch dauernd in der Schöpfung rumfummelte und versuchte mit Zaunpfahlwinkerei die Schäfchen ins Trockene zu lotsen.
Die christlich-dualistische Betonung der Vorrangstellung des Spirituellen und Transzendenten vor dem Materiellen und Konkreten wurde jetzt weitgehend umgekehrt und die physische Wirklichkeit zum zentralen Bereich des menschlichen Interesses. {…} Der christliche Dualismus von Geist und Materie, Gott und Welt wurde allmählich in den modernen Dualismus eines subjektiven und persönlichen menschlichen Bewußtseins und einer objektiven und unpersönlichen materiellen Welt verwandelt.
Schönes Beispiel von extremistischen Pendelbewegungen in Sachen Ideologie. Wo der Verstand (weil zu bedrohlich kritisch) hinantgestellt wurde, zerrt man ihn in der Reaktion überprominent in den Vordergrund. Entsprechend kommt es in der Postmoderne (Stichwort: Negative Dialektik) zu einem scheinbar anti-rationalen Umkehrbild einer Kritik des Aufklärungsprozesses.
Die Wissenschaft ersetzt die Religion als überragende, das kulturelle Weltbild definierende, beurteilende und überwachsende geistige Autorität. {…} Mit einer transzendenten Wirklichkeit assoziierte Vorstellungen … galten als nützliche Beruhigungsmittel für den emotionellen Anteil des Menschen; als ästhetisch befriedigende Schöpfungen der Phantasie; als potentiell brauchbare heuristische Annahmen; als notwendige Bollwerke für Moral und gesellschaftlichen Zusammenhalt; als politisch-ökonomische Propaganda; als psychologisch motivierte Projektion; als die Lebendigkeit unterdrückende Illusionen; als abergläibisch, irrelevant oder sinnlos.
Dieser Punkt umreißt knapp die Funktionen und Restrinnsale des Religiösen (im europ.-westlichen Kerngebiet der Säkularisierung). Die nun entmonopolisierte Spiritualität wird zunehmend kommerzialisiert und privatisiert, von Freimaurei, Magierkreisen, über Popkultur & Rock'n Roll & Fandoms, bis hin zur Kunst, auspendelnden Körnerfresserei usw.
Ähnlich wie in der klassischen griechischen Anschauung besaß das moderne Universum eine immanente Ordnung. {…} Die moderne Weltordnung war keine transzendente, alles beherrschende Einheitsordnung, die sich im Inneren des Verstandes genauso wie in der äußeren Welt widerspiegelte und in der die Erkenntnis des einen zwangsläufig das Wissen des anderen nach sich zog. {…} Das Universum an sich war nicht mit bewußter Intelligenz oder Zwecken ausgestattet; allein der Mensch besaß solche Eigenschaften.
Hier bröckelts ja auch seit einiger Zeit (siehe ›Kultur bei Tieren‹). Aber ich behalte den Punkt ›bewußte Intelligenz‹ im Augenwinkel.
Im Gegensatz zu der integierten Vielfalt von Erkenntnismethoden der klassischen Antike war die Ordnung des modernen Kosmos prinzipiell allein den rationalen und empirischen Fähigkeiten des Menschen zugänglich. {…} Die Erkenntnis des Universums war jetzt in erster Linie eine Angelegenheit nüchterner, unpersönlicher wissenschaftlicher Forschung. War sie erfolgreich, so endete sie nicht so sehr mit Erfahrung spiritueller Befreiung … sondern mit der intellektuellen Beherrschung der Natur und der materiellen Verbesserung des Lebens.
Hier sind wir wieder beim Flackerbegriff der Magie bzw. Technik. Ich finde, man kann beides zusammenhaun und diesen Audruck ›intellektuelle Beherrschung der Natur‹ als Kernpunkt beider Disziplinen nehmen. Magie ist Technik, von der so getan wird, als wäre sie etwas Übernatürliches, Wundersames (siehe Hüten von Betriebsgeheimnissen).
Die Kosmologie des klassischen Zeitalters war geozentrisch, endlich und hierarchisch; sie nahm die Himmelskörper als Orte transzendenter archetypischer Kräfte wahr; deren Bewegung bestimmten und beeinflußten die menschlicher Existenz. {…} Anders als im antiken und mittelalterlichen Weltbild besaßen die himmlichen Körtper des modernen Universums keinerlei geistige oder symbolische Bedeutung; sie waren nicht dazu da, dem Menschen sein Schicksal zu zeigen oder seinem Leben Sinn zu verleihen. {…} Ähnlich wurden auch alle Zeichen des Göttlichen in der Natur als Symptome eines primitiven Aberglaubens und wunschgeleiteten Denkens bewertet und aus dem ernsthaften wissenschaftlichen Diskrus entfernt.
Vieles, vor allem praktisches Wissen ging verlohren, einzelne Wissenschaften machen sich nun wieder auf, die brauchbaren Aspekte dieses alten ›Wunderglauben-Wissens‹ zu suchen und zu sammeln. Meiner Einschätzung nach, war aber vieles was im Fortlauf der Moderne als Aberglaube verunglimpft wurde, wirklich kaum der Erkenntnis wert.
Dank der Integration der Evolutionstheorie und ihrer vielfältigen Auswirkungen auf andere Gebiete ließen sich das Wesen und der Ursprung des Menschen sowie die Dynamik des Wandels in der Natur jetzt ausschließlich natürlichen Ursachen und empirisch beobachtbaren Prozessen zuschreiben. {…} Die Struktur und Entwicklung der Natur war kein Ergebnis eines wohlmeinenden göttlichen Plans und Zwecks, sondern eines amoralischen, zufälligen und brutalen Kampfes ums Dasein, in dem nicht der Tugendhafte, sondern der Taugliche Erfolg hatte. {…} Das moderne Universum war jetzt ein ausschließlich säkulares Phänomen, das immer weiter fortfuhr, sich selbst zu verändern und zu erzeugen. Es besaß keine göttlich konstruierte Finalität mit einer ewigen und statischen Struktur, sondern war ein sich entfaltender Prozess ohne absolutes Ziel und ohne absolute Grundlage, außer Materie und ihren Verwandlungen.
Anders als das mittelalterlich-christliche Weltbild bestätigte das moderne radikal die Unabhängigkeit des Menschen — ob geistig, psychisch oder spirituell. {…} Das klassische griechische Weltbild hatte die Vereinigung — oder Wiedervereinigung — des Menschen mit dem Kosmos und dessen göttlicher Intelligenz als Ziel der intellektuellen und spirituellen Tätigkeit des Menschen hervorgehoben. Das christliche Ziel war es, den Menschen und die Welt wieder mit Gott zu vereinigen. {…} Im Vertrauen auf die Kraft seines autonomen Intellekts ließ der moderne Mensch die Tradition weitgehend hinter sich und machte sich alleine auf den Weg, entschlossen, die Prinzipien seines neuen Universums zu entdecken, dessen neue Dimensionen zu erforschen und zu erweitern sowie seine Erfüllung hier und jetzt zu finden.
Oder anders betrachtet: Die Menschheitsgeschichte ist die der zunehemend enger werdenden Nachbarschaft; die Kulturgeschichte ist die Geschichte des von Menschen umzingelt werdenden Menschen. Die älteste Lösung dieses Engeproblens ist die Flucht nach Außen (territoriale Flucht), die Flucht nach Innen (mystisch-asketisch-ekstatische-usw Flucht) und die Flucht in die Zukunft (bzw. Schuldenabschieben auf Nachfahren).
Als hier vorläufig letzte Zusammenfassung folgt ein Sprung über Jahrhunderte, ins kalte Wasser Bucheepilogs, wenn Tarnas eine postmoderne Theorie zum Mutter-Kind ›Double-bind‹ — also über wechselseitig sich widersprechende Forderungen die dazu führen, das Menschen schizophren werden — auf das Verhältnis Welt-Mensch umformuliert (S. 526f):
Die Beziehung des Kindes (Menschen) zur Mutter (Welt) zeichnet sich durch vitale Abhängigkeiten aus (ist durch vitale Abhängigkeiten geprägt), was es für das Kind schwierig macht, Mitteilungen der Mutter richtig einzuschätzen (was es schwierig für den Menschen macht, die Beschaffenheit dieser Welt richtig einzuschätzen).
Das Kind empfängt auf verschiedenen Ebenen widersprüchliche oder unvereinbare Informationen von der Mutter, indem beispielsweise eine explizite verbale Botchaft durch einen nonverbalen Kontext zugleich wieder dementiert wird — etwa wenn eine Mutter ihrem Kind mit feindseligen Augen und verspanntem Körper sagt, »Schatz, du weißt, daß ich dich sehr lieb habe«. Beide Signale lassen sich nicht in Übereinstimmung bringen. (Der menschliche Geist empfängt in sich widersprüchliche oder anderweitig unvermeidbare Informationen über seine Situatiuon in bezug zur Welt. Unter anderem stimmt seine innere psychologische und spirituelle Wahrnehmung der Dinge nicht mit der allgemeinen — auch von ihm selbst anerkannten — wissenschaftlichen Sicht der Dinge überein.)
Das Kind wird keinerlei Gelegenheit gegeben, der Mutter Fragen zu stellen, die die Kommunikation klären oder den Widerspruch auflösen kann. (Erkenntnistheoretisch ist es dem menschlichen Geist unmöglich, in eine direkte Kommunikation mit der Welt zu treten.)
Das Kind kann das Feld, das heißt die Beziehung nicht verlassen. (Existentiell ist es dem Menschen unmöglich, das Feld zu verlassen.)