Molos Votum beim »Deutschen Phantastik Preis« 2010
Eintrag No. 634 — Heute endlich mal daran gedacht, meine Stimme beim »Deutschen Phantastik Preis« abzugeben. Die jeweils 5-Nominierten der Preis-Kategorien stehen ja schon seit einiger Zeit fest.
Bester deutschsprachiger Roman: Für mich kein preiswürdiger Name / Titel dabei. Frank Schätzing, Kai Meyer und Marcus Heitz sind Autoren, die aufgrund der Bücher, die ich von ihnen kenne nicht in Frage kommen; und von Hennen kenne ich bisher nichts, was mich überhaupt dazu verlocken konnte, was von ihm zu lesen.
Bestes deutschprachiges Romandebüt: Habe nur Victoria Schlederer: »Des Teufels Maskerade« gelesen. Bekommt entsprechend meine Stimme.
Bester internationaler Roman: Wiederum bekommt meine Stimme das Werk, welches ich überhaupt gelesen habe, also Dan Simmons: »Drood«.
Beste deutschsprachige Kurzgeschichte / Beste Original-Anthologie/Kurzgeschichten-Sammlung: Keine der genannten Anthos gekauft oder gelesen, damit auch keine der Geschichten.
Beste Serie: Ich lese prinzipiell keine Serien.
Bester Grafiker: Arndt Drechsler hat mir zu oft schräckliche Cover vorgelegt um wählbar zu sein; — Timo Kümmel ist wohl ein Gnadenvorschlag (allein schon wegen seiner »Gor«-Cover nicht mal satisfaktionsfähig); — die Sachen von Ernst Wurdack und Mark Freier sind mir zu flach (auch wenn Freier wenigstens noch gut Ahnung von Typo- und Farbakkorden hat); — bleibt also nur Dirk Schulz (auch wenn es mich wurmt, damit einen Perry Rhodan-Illustrator gewählt zu haben).
Bestes Sekundärwerk: Völlig unbescheiden wähle ich »Magira – Jahrbuch zur Fantasy«.
Bestes Hörbuch/Hörspiel: Keines der Werke gehört.
Beste Internet-Seite: Bei den Internetseiten hadere ich am meisten. »Geisterspiegel« und »Zauberspiegel« sind so gar nicht meine Wellenlänge. — »Bibliotheka Phantastika« und »SF-Netzwerk« sind ›nur‹ Foren. Bei der »Bib-Phant« hat sich seit der letztjährigen Nominierung exakt nichts Neues getan, der Rezensionsbereich ist tot, für mich somit nicht preiswürdig. Und bei »SF-Netzwerk« bekommt man die Film- und Buch-Datenbanken auch seit Ewigkeiten nicht mehr Gang, ein Wiki-Projekt ist begonnen worden, rohrkrepierte aber aufgrund naiver Vorstellungen darüber, wie ein solches Projekt funktionieren soll. — Bleibt also von den Nominierten nur »Fantasyguide« als wahlwürdig übrig, denn die haben mit HMP einen halbwegs regelmäßigen liefernden und ziemlich interessanten Polemiker / Kolumnisten, sowie ab und zu hervorragende Spezial-Seiten, beispielsweise Oliver Kotowskis »Phantastische Weltreise«. Leider ist das Lay-Out von »Fantasyguide« schröcklich und die lesenswerten Rezensionen sehr sehr selten.
lapismont
Moin Molo,
das Problem mit Rezensionen ist mangelndes Feedback. Der FG versucht ja, Rezis nicht ins Zentrum der Seite zu stellen, aber sie bilden einen wichtigen Teil. Jedoch gibt es fast nie konkrete Hinweise. Kritik kommt eher von kritisierten Autoren, aber das reicht selten, um als Schreiberling zu wachsen und bessere Rezis zu verfassen. Es ist eine Crux.
So schreibt man die Rezi meist nur für den PR-Agenten/Verlag und ist entsprechend motiviert essayistische Großtaten zu vollbringen. Durchaus schade, da man ja doch ab und zu kleine Chilischoten hineinstreut, nur verschluckt sich niemand daran oder fängt gar Feuer.
Immerhin hat der FG so inzwischen eine große Backlist, was doch oft bei Artikeln hilft, besonders da wir von manchen Autoren schon die ersten Tippelschritte begleiteten.
Man müsste irgendwie mehr ins literarische Gespräch unter uns Rezensenten kommen.
molosovsky Besitzerin
Jau, lapsimont. Eine Gesprächsplattform für Rezensenten wäre was feines. Ich habe ab und zu den Eindruck, als ob literarische Gespräche im Phantastik-Fandom immer mehr zurückgehen. Auch frag ich mich, ob ich schlicht keine Ahnung habe, wo (wenn) die Gespräche stattfinden, also, ob ich in den falschen Foren unterwegs bin.
molosovsky Besitzerin
Ich komme nicht umhin mich hin und her gerissen zu wähnen. Einerseits möchte ich mich nur zu gern hingeben eine Klage anzustimmen, dass die Wohlfühlbeschäftigung mit Büchern (und Filmen) überhand nimmt. Andererseits verdächtige ich mich selbst, dass solch Klagen vor allem auf subjektiven Befindlichkeiten meinerseits gründen, und die Lage sooo schlimm nicht ist.
Dennoch schade, dass es zwar erstaunlich viele Foren, Blogs, Portale für Phantastisches gibt, aber eben wenig Diskurs. Denn dass es an dem mangelt, halte ich eben nicht für eine Sache meines persönlichen Empfindens.
Wie gesagt: ich werde mich in Zukunft bei Cons und Kongressen mal tummeln, mehr Vernetzung bestimmter Autoren anzuregen. Die *Wohlfühl*-Leser mögen sich zwar genervt zeigen, über Streitlustige, die es wagen, eine starke Meinung zu vertreten. Ich mag das, selbst wenn der Meinende eine mir nicht genehme Ansicht vertritt (solange sie nachvollziehbar oder lebendig präsentiert wird).
Folgenden dominierenden Tendenzen gilt es meiner Meinung entgegenzuwirken:
Pogopuschel
Interessante Diskussion. Früher habe ich noch regelmäßig Rezensionen geschrieben. Aber irgendwann hatte ich das Gefühl, dass die sowieso niemand liest. Die Reaktionen auf meine Rezis kann ich an einer Hand abzählen. Nur für ein kostenloses Reziexemplar möchte ich auch nicht schreiben.
Obwohl es unzählige Rezensionsseiten gibt, bin ich mit dem Reziangebot eher unzufrieden. Meistens werden die üblichen (anglo-amerikanischen oder deutschen) Mainstreamtitel abgehandelt. Vielen geht es auch mehr um die Masse der Rezis und weniger um deren Inhalt, was oft zu 08/15 Kritiken führt. Die interessantesten Rezis gibt es meist auf Blogs wie Oliblog oder diesem hier. Eine Plattform die diese Ausnahme Rezensenten zusammenführen würde und mehr als nur einfache Rezis bieten würde, eine kritische Auseinandersetzung, Streitgespräche etc., wäre eine tolle Sache. Das wäre endlich mal was Neues.
Gruß Markus
lomax
Ich frage mich gerade, ob es sich bei den Rezensionen nicht genauso verhält wie bei der Fantasy an sich. Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umsehe, dann finde ich überall Kritik am Status Quo, und da entsteht schnell der Eindruck, dass sich "andere", "bessere" Fantasy verkaufen müsste wie blöd - oder dass zumindest ein anständiger Markt dafür vorhanden sein dürfte, eben unter all jenen, die etwas anderes wollen als die Mainstream-Bestseller.
Tatsächlich aber verkauft sich das "andere" eher mau - zumindest in keinem sinnvollen Verhältnis zur Zahl jener, die laut Lippenbekundung was anderes wollen.
Der scheinbare Widerspruch erklärt sich ziemlich schnell, wenn man mal genauer in die Diskussion hineinhorcht, sich die konkret genannten Titel anschaut und dann feststellt, dass die Kritik am "Mainstream" fast das einzige ist, was die zahlreichen Kritiker eint. Sobald es darum geht, was besser ist, was "vorbildliche" Werke wären, zerfällt die Szene der "kritischen" Leser dann schnell wieder in kleine bis kleinste Subfraktionen, die sich nur in Einzelfällen mal über einen Titel einig werden können. Aber leider kann man Bücher nur an Leute verkaufen, die positiv etwas lesen wollen, nicht an Leute, die etwas anderes nicht lesen wollen.
Und darum haben die "Mainstream"-Leser die Nase vorn, weil sie in der Lage sind, sich auf eine "Positivliste" gewünschter Titel zu einigen, die dann auch gekauft werden, während die zahlreichen unzufriedenen Leser sich über zahllose Alternativen verteilen.
Meine Überlegung nun: Lässt sich diese Beobachtung nicht auf Rezensionen übertragen? Mündet diese Unzufriedenheit mit der bestehenden Situation tatsächlich in einen Konsens über eine tragfähige Alternative? Jeder hat bei vielen Rezensionen etwas auszusetzen, die Frage ist nur, ob über gewisse Grundkriterien für völlig indiskutables Niveau hinaus tatsächlich klar wäre, was man "besser" haben will.
Wenn sich zwar alle einig sind, dass es zu viele zu wenig qualifizierte Rezensionen gibt, aber der Streit losginge, sobald dann "bessere" Rezenionen geliefert würden, weil zu viele zu unterschiedlicher Ansicht wären, ob eine konkrete Rezension auch tatsächlich besser ist, dann ließe das Problem sich auch durch eigene Plattformen nicht lösen. Solche Plattformen hätten dann einfach zu wenig Masse, wenn die konsensfähige "Peer Group" zu klein wäre, oder sie würde wiederum als zu überfrachtet mit zu schwachen Rezensionen angesehen werden, wenn man versucht, zu viele im Grunde unvereinbare Bedürfnisse zu vereinen.
Empirische Grundlage für meinen Verdacht ist eben die Beobachtung, dass alle sich darüber einig sind, dass die Qualität der Rezensionen überall zu wünschen übrig lässt. Da denke ich mir, wenn so viele Aktive was besseres wollen und selbst "anderes" bringen, dann müsste allein durch ihre Mitarbeit an den einschlägigen Plattformen auch ein gewisser Sockelsatz an akzeptablen Rezensionen dort zu finden sein. Da alle sich einig sind, dass das nicht der Fall ist, sehe ich zumindest einen Anfangsverdacht dafür, dass ein gewisses Maß an geschmacklicher, individualistischer Zersplitterung bei der Qualitätsvorstellung vorliegt, der dafür sorgt, dass jeder zumindest einen Teil der Rezensionen, die andere als gehaltvoll einstufen würden, nicht so sieht.
"Insellösungen" kenne ich aus dem Fandom wie aus der Politik zur Genüge. Sie entstehen in der Regel dadurch, dass einzelne sich nicht hinreichend in einer größeren Gruppe vertreten fühlen und denken, wenn sie nur "ihr eigenes Ding" aufmachen, würden jede Menge Gleichgesinnte zu ihnen stoßen, die sich bisher nur mangels "Leuchtturmposition" für die eigene Position nicht sammeln konnten. Das erweist sich meist als Irrtum.
Bevor man über eine Faktionierung nachdenkt, sollte man vielleicht eher über eine Stärkung der eigenen Position innerhalb bestehendere Gruppen nachdenken. Solange man es nicht schafft, eine Interessengruppe auf die Beine zustellen, die den Anteil "guter" Rezensionen auch nur bei einer der schon bestehenden Plattformen spürbar anhebt, habe ich Zweifel, ob man gleich an ganzes Konkurrenzunternehmen mit attraktiver Masse stemmen kann. Ist die Tatsache, dass man sich bei allen vorhandenen kleinen und großen Rezensionsplattformen nicht ausreichend vertreten fühlt, tatsächlich eine gute Grundlage für die Annahme, dass es genug Gleichgesinnte gibt, um "sein eigenes, großes Ding zu stemmen"?
molosovsky Besitzerin
Wie so oft bei Deinen Beiträgen freue ich mich über die profunden Argumente, Lomax!
Du hast vollkommen recht: Nörgeln bringt wenig, Negativ-Listen können Positiv-Listen was Ausstrahlung angeht nicht das Wasser reichen.
Einspruch erhebe ich gegen die Klage, dass es ›keine‹ gescheiten Rezis gibt. Die sind durchaus vorhanden, verstreut über zig Plattformen, Blogs und Foren-Diskussionen (denn so manche Leserunde leistet Lobenswertes!). Ich klage aber, dass z.B. ich selbst bisher nur selten solche lesenswerten Beiträge finde, und leite davon meinen Verdacht ab, dass die ›guten Rezischreiber‹ zu wenig aufeinander verweisen, sich gegenseitig stützen.
Es scheint mir in der Natur kritischerer, sorgfältiger Rezensierei zu liegen, dass entsprechende Rezensenten sich nicht so schnell bei ihrem Meinen einig werden, wie die glückliche Schaar der ›Wohlfühlleser‹. Deshalb betone ich ja, dass ich von meiner Meinung abweichende Rezensionen durchaus mit Gewinn lese, wenn ihre Darlegung und Argumentation mehr ›Fruchtfleisch‹ haben. — Beispiel: Ich selbst habe eine sehr kritische Haltung gegenüber Tolkiens Werken, stöhne wegen seines (für meinen Geschmack) zu mächtigen Einfluss, vor allem, wo er vom Zweit- und Dritt-Acolyten verströmt wird. Das schmälert aber nicht mein Interesse für kluge Auseinandersetzung mit Tolkien und seinem Werk.