molochronik
Dienstag, 4. April 2006

Literatur- und Fantasy-Diskurse

(Literatur, Fantasy, Landeskunde) — Wenn ich all meine Beitrage die ich in den verschiedenen (rechts in der Linkliste aufgeführten) Phantastik-Foren hier in der Molochronik verlinken würde, hättet Ihr — liebe Molochronikleser — bald zu jammern, was für einen Haufen Geblah ich in die Tasten klapper.

Bin nun mal einer, der (frei nach Nietzsche) ›von Wahrheitsspannungen lustvoll erregt wird‹. Therapheuten kann ich mir nicht leisten. So schlimm, daß ich einen aufgedrückt bekomme, führ ich mich als materieller Echtweltmensch nicht auf, also molo ich halt die Comment-, Forum- und Blogosphäre zu. Ich hab das Informationszeitalter nicht auf den Weg geschickt, schuld ist also wer anderes.

Diskurse sind was feines. Schon als Kind hab ich mich verwundert gefragt, warum die Menschheit ihre Konflikte nicht nur mit unblutigen ›Wettbewerben‹ und ›Gottesentscheidungen‹ bewältigt. — Immer schön in meinen Augen, wenn hochvirulente Dissonanzen leidenschaftlich und klug durch kontrahierende Duell-(oder Pluri-)lanten zum klingen gebracht werden.

Heute also dazu drei Links zum Thema Diskurse, Konflikte, Streiterein, der erste in eigener Sache.

• Mit meiner launischen Besprechung von Tad Williams »Der Blumenkrieg« hab ich vermutlich einige Fantasy-Leser vor den Kopf gestoßen. Eine längere Kritik ließ mir Thomas Harbach bei SF-Radio angedeihen, worauf ich im comment hier reagiert habe. — Weil das nun so unaufgelößt dasteht, möchte ich allen, die sich fragen, wie der Thomas Harbach nun auf meine Erwiderung reagiert hat mitteilen, daß in den letzten Wochen ein anregendes kollegiales Privat-eMail-Ping-Pong zwischen Thomas und mir stattgefunden hat. Wir zwei haben über Rezischreiben, Genre und die Welt geplauscht und fanden das interessanter, als uns zu Grollen, NUR weil wir unterschiedlicher Meinung sind. — An dieser Stelle nochmal Dank an Thomas Harbach. Gattung: Fruchtbarer Diskurs.

Andrea hat brilliant die derzeitigen Hick-Hacks des hiesigen Literaturbiotops zusammengefaßt und den Kinnners ausgedeutet, wie sie ihren Krampf entknäuln sollten. Bei all meinem Amüsement über dieses Gnostiker-Emphatiker-Gewirks, muß ich ganz leise gestehen, daß ich diesen UNTERSCHIED einfach nicht ins Hirn oder Herz kriege. Also abstrakt schon, aber nachvollziehen … hmmm. Ich kann mir das nur damit erklären, daß ich noch nie wirklich dazu gezwungen wurde (oder willens war) ein mir nicht gefallendes Buch zu lesen, und also frei nach eigener Schnauze meine Fühlerchen in alle erdenklichen Literaturen gesteckt hab. (Wo sie immer noch stecken und weiterumhertasten.)— Unterm Strich fasse ich den bangen Restrinnsel meiner wegrationalierten Spiritualität damit zusammen, daß der große basso continuo der mich an Literatur (und Kunst und Kultur ect pp ff) so fesselt, eben die Phantastik ist. Diskurs-Gattung: obskurer aber spaßiger Langzeitfrontenkrieg, von dem man nur ab und an solche Gaswolken in den Massenmedien mitbekommt. Um was gehts nochmal? Die deutsche Gegenwartsliteratur. Ach so, dacht schon, s'wär was wichtiges.

• Jeff Vandermeer, mein Liebling der postmodernen, traditionsbewußten und doch avantgardistischen, literarisch vielklingigen ›Magischen Realismus‹-Fantasy hat für Emerald City einen Essay über Fantasy und Politik geschrieben. Jeff schildert in seinem Essay ungefähr diesen Gedankenbogen: »Früher als wilder Teen und Twen dachte ich, ›Kunst der Kunst wegen‹ reicht voll als Quell und Rechtfertigung für z.B. Literatur. Dann im Laufe der Jahre, vor allem in diesen chaotischen Zeiten, beschlich mich immer mehr der Verdacht, daß Literatur in der sich die Gegenwart aus der sie stammt wiederspiegelt, erkennen läßt, schon relevanter ist, als nur für sich und auf sich selbst bezogene poetische Höhenflüge. Nun ja, BEIDES hat seinen Reiz und Wert.« — Der vielgepriesene Vertreter neuer ›Epic‹-Fantasy Scott Bakker war entsetzt, und hat entsprechend (ebenfalls bei Emerald City) mit Redux erwidert. Akademiker und sicherlich konturierter politisiert als Jeff, hat er die alte »Alles ist politisch!«-Kiste aufgemacht und unterschiedet krass zwischen ›richtig‹ (Kunst muß politisch sein, sich gesellschaftlich positionieren ectppff) und ›falsch‹ (Kunst die sich um die Echtwelt einen feuchten Kehricht schert). — So zumindest meine Interpretation dieses lustigen Hin und Hers, daß erst im Blog von Jeff Vandermeer so richtig abgeht, wenn Jeffs Evil Monkey und einige Leser mitbabbeln. Gattung: aufgrund der schriftlichen e-Kommunikation verfahrener Diskurs, der am Thresen mit’m Bier sicherlich als angenehmer Gedankenaustausch verlaufen wäre (wie Jeff und Scott selber vermuten).

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