Antwort Umfrage »bzgl. deutsch- & englischsprachiger Titel — Science-Fiction & Fantasy«
Der geschätzte Übersetzer-Kollege Markus Mäurer fragt in seinem Blog ›TranslateOrDie‹ für einen kommenden Artikel für ›Phantastisch‹, wie es mit dem Leseverhalten bezüglich deutsch- & englischsprachiger Titel auf dem Gebiet der Fantasy & Science-Fiction aussieht.
Hier meine Antworten.
- Lest ihr auf Deutsch, Englisch oder beides? Beides.
- Lest ihr in Deutschland abgebrochene Serien/Reihen auf Englisch weiter? Lest ihr nicht übersetzte aber interessante Titel auf Englisch? Da ich Serien weitestgehend meide, habe ich dieses Problem nicht mehr. Als Teen und noch Anfang meiner Zwanziger ist mir das einige Male passiert und war ein Grund dafür, dass ich meine Unsicherheit Englisch zu lesen überwinden wollte. — Was ›interessante Titel‹ angeht lese ich das allermeiste auf Englisch, weil es dort weit mehr Titel gibt, die mich interessieren: sprachlich, literarisch, thematisch ungewöhnlichere (aber immer noch) Unterhaltungsliteratur. Gramvoll beobachte ich, wie Autoren, die dann doch übersetzt bei uns rauskommen, regelmäßig floppen oder bei weitem nicht den Ruf bzw. die Leserschaft gewinnen, die sie im englischsprachigem Raum haben. (Ich hoffe ja, dass es z.B. mit Jeff Vandermeer dieses Jahr klappen wird, wenn der Kunstmann Verlag die ›Southern Reach‹-Trio bringt.)
- Wenn ja, lest Ihr trotzdem auch noch deutsche Titel bzw. Übersetzungen? Ich lese noch deutsche Titel. Übersetzungen lese ich auch: (a) wenn ich weiß, dass der englische Text sprachlich nicht sooo einzigartig ist, dass ich etwas vermisse, wenn ich zur deutschen Ausgabe greife und ich (b) sicher bin, dass die Übersetzung von guter Qualität ist (Beispiele: John Irving bei Diogenes, oder die neue Melville-Übersetzungen bei Hanser); (c) bei von mehr sehr geschätzten Autoren lese ich gerne Englisch und Deutsch, um die Übersetzung mit dem Original zu vergleichen und meinen Spaß daran zu haben, die Entscheidungen und Strategien des Übersetzers zu beobachten.
- Wer liest nur noch auf Englisch? Und warum? Nicht der Fall.
- Wer liest weiterhin ausschließlich auf Deutsch? Seid ihr mit dem Angebot zufrieden? Nicht der Fall.
- Wie seht ihr die aktuelle Lage auf dem Fantasy und SF-Buchmarkt? Zu wenig gute Bücher finden zu den entsprechend guten Lesern. Fandom-Leser oder Fantasy/Science-Fiction-Fans sind nicht zwangsläufig gute Leser. Die Genre-Phantastik krankt daran, dass sie zu viele schlechte Leser hat. Ohne ausreichend gute Leser verfestigt sich bei Verlagen der Eindruck immer mehr, dass Fantasy/Science-Fiction-Leser vor allem Ex & Hopp-Franchise-Zeug genießen wollen. Entsprechend eintönig ist das Angebot.
Frank Duwald
Zur letzten Frage: So wie du habe ich es noch nie gesehen. Ich habe das Interesse an den gängigen SF/Fantasy-Programmen völlig verloren, seit praktisch keine "Grenzromane" mehr erscheinen. Bücher wie "Barfuß auf Glas" und "Die Brücke" von Iain Banks oder "Der weiße Raum" und "Der schöne Schein" von Christopher Priest sind nur einige Beispiele für literarische Romane, die eigentlich keine wirkliche SF/Fantasy sind, für Mainstream-Leser aber zu seltsam sind. Allen ist aber gemeinsam, dass sie hohe literarische Qualität haben. Aber leider findet man so etwas nicht mehr. Dass die "Qualität" der Leser seit damals abgenommen hat - so habe ich es noch nie gesehen.
molosovsky Besitzerin
Ich denke nicht, dass es früher ›besser‹ war, es kommt durch das Internet nur eine andere Art von Öffentlichkeit zustande, als die guten alten Print-Fanzines generierten, mit denen ich aufgewachsen bin. Angesichts der großen Popularitätsschübe, welcher sich die Genre-Phantastik im neuen Jahrtausend erfreut, finde ich es erstaunlich, dass auf dem hiesigen Buchmarkt das Angebot der Publikumsverlage arg eintönig und formelhaft ist. Bis auf wenige Ausnahmen, die auf wenig Interesse zu stoßen scheinen (zumindest was meine Auswertung im Internet angeht), scheinen die großen Verlage sich auf Stangenware zu konzentrieren, während Kleinverlage mit interessanteren Titeln punkten.
Meine Antwort spiegelt sicher auch meinen Frust über das dominante Gebaren beim öffentlichen Austausch in der deutschsprachigen Genre-Phantastik-Szene wider: ich habe mich aus allen Foren zurückgezogen, denn Anti-Intellektualismus, Trollerei & unreflektierte Franchsise-Durchhechelei herrschen vor. Mich dünkt, dass weite (oder zumindest die umtriebigsten) Stimmen der deutschen Szene sich als ehrenamtliche Marketing-Stimmen der Vermarktung von Serien & IPs oder als Wächter des U-Lit-Fundamentalismus verstehen.