Eintrag No. 728 — Veränderung von Molos Kommunikations-Gebahren. Noch ist die Soschial-Nätwörg-Funktion ›Google+‹ in der Beta-Phase, aber ich habe mich zur Gruppe der bereits Teilnehmen gesellt. ›Facebook‹ war nie 'ne Option für mich. Zu umständlich, zu undurchsichtig, zu beschränkt, zu gierig und unterm Strich: nicht sexy, nicht Molo-like genug. Auch wenn Google zweifelsohne ebenfalls ziemlich unheimliche, sinistere Aspekte hat, macht Google+ auf mich vom Fleck weg einen besseren Eindruck. Ist eine Mischung aus Netzwerkerei (bilde Deine Kreise), Twitter- und Kurzbloggerei. Kreise kann man erstellen wie's einem taugt, aber es wird anderen nicht angezeigt, in welche Kreise man die Leuz, denen man folgt, eingeteilt hat (vorstellbar ist z.B. ein Kreis namens ›Volltrottel über deren Stuss ich mich beeumel‹) . Soviel verrate ich, dass mein erster selbst gezirkelter Kreis ›Phantasten‹ heißt.
Ab nun werde ich die Links, welche ich für einen im Werden befindlichen Wochenrückblick sammle, auf die Schnelle via meinem Google+-Konto verbreiten. Dienstags gibts dann wie gewohnt die geballte Ladung dieser Links in der Molochronik. — Neu ist auch der ›+1‹-Knopf oben in der rechten Spalte. Mit dem kann man die Molochronik ›plussen‹, sprich: empfehlen (erhört mein Ranking & wasnichtnochalles).
Schluss mit dem Getüdel. Es gibt viele Links diese Woche. Also los.
Halt. Stopp. Eines noch. Die Links sind diesmal nach etwas anderen Begriffen sortiert. Lasst mich wissen, ob Ihr die alte oder die neue Methode besser findet.
»Blödmaschinen«: Leider hatte ich selbst noch nicht die Zeit & Muse, einen eigenen Beitrag über mein großartiges Leseerlebnis mit diesem Buch von Markus Metz & Georg Seeßlen zu verfassen. Immerhin kann ich auf eine gute Rezension von Jürgen Nielsen-Sikora bei ›Glanz & Elend‹ verlinken: Die Herrschaft der Narren.
— Großer Spaß auch, wie Herr Seeßlen seinem Blog (›Das Schönste an Deutschland sind die Autobahnen‹) in einem zweiten Nachtrag zum Buch auf eine mittlerweile ausgestrahlte Radio-Rezi eingeht, die dem Buch u.a. »undifferenziertes Geraune« (und wie geht ›differenziertes Geraune‹) und »obszönen Exzess an Kritik« vorwirft.
— Nebenbei-Empfehlung: Zur Klärung & Erforschung des Begriffes ›obszön‹ verweise ich auf den enorm gehaltreichen Band »Jahrhundert der Obszönität« von Eckhard Henscheid & Gerhard Henschel. Darin auch das prächtige Herbert Marcuse-Zitat:
Nicht das Bild einer nackten Frau, die ihre Schamhaare entblößt, ist obszön, sondern das eines Generals im vollen Wichs.
Entsprechend: Nicht die analytische Untersuchung und dialektische Kritik der Blödmaschinen ist obszöner Exzess (der Kritik), sondern eben die Totalität der Herrschaft und Stupiditätsfabrikation der Blödmaschinen.
Bescheidgeb: Der Verbrecher Verlag hat die Tagebücher von Erich Mühsam ins Netzel gestellt: Mühsam Tagebuch. Die Aufbereitung ist vorbildlich. Glosar ist integriert (Klick auf’n Begriff öffnet links eine Erläuterung), und Klick auf’s Datum zu Beginn eines Tagebucheintrages öffnet Fenster zu einem Scan der Originalseite. Ganz großes Lob!
Großartige Radiostunde! BR2 »Radiospitzen« widmet eine Sendung den diesjährigen Preisträger des Salzburger Stiers: »Cordoba – Das Rückspiel« von Florian Scheuba und Rupert Henning. Schauspieler Cornelius Obonya brilliert in allen Rollen des Stückes über ostdeutsche Flüchtlinge, einheimische Österreicher, türkische Geschäftsleute, deutsche & russische Touristen ext. — Gönnt Euch die Sendung, solange sie noch im Netz steht.
Auf den Seiten des österreichischen ›Der Standard‹ bespricht Josefson in seiner diesmonatigen SF- & Fantasy-Rundschau Die Dampf-Revolution Bücher von: David Marusek (Golkonda Verlag! Yeah!), Jeff VanderMeer, Stephen Baxter, Antoine Volodine, A. Lee Martinez, Paul di Filippo, Scott Westerfeld (»Behemoth«, Yeah!), Tobias O. Meißner, Jonathan Strahan, Ronald Malfi und Stephen Hunt.
›SF-Fan‹ vermeldet die Empfänger der Kurd-Laßwitz-Preise 2011. Besonders freuen mich freilich die Preise an China Miéville (für »Die Stadt & Die Stadt«) und Juliane Gräbener-Müller & Nikolaus Stingl (für die Übersetzung von Neal Stephensons »Anathem«).
Jubiläum: Am kommenden Samstag, den 09. Juli, kann man den hundersten Geburtstag von Mervyn Peake feiern. Im Vorfeld dazu bot letzte Woche der ›Guardian‹ schon mal A celebration of the writing and art of Mervyn Peake. Michael Moorcock portatiert vor allem den Menschen Peake, seine Wiederentdeckung bei Penguin Modern Classics; — Hilary Spurling preist das zeichnerische Werk von Peake; — China Miéville beschäftigt sich mit den »Gormenghast«-Büchern; — und AL Kennedy schreibt über Peaks Verhältnis zu der Insel Sark.
Zuckerl: Popkultur & Kunst
Neues Dauer-Lesezeichen: Interessantes, simples Projekt verfolgt das ›Blog für Leser‹Fünf Bücher von Melanie Voß und Philippe Wyssen.
Kunst (1): Als wären Asteroiden in der Galerie eingeschlagen, oder als hätten gigantsche, mythisch-monströse Ur-Viecher Eier gelegt, so wirken die andersweltlichen Papierobjekte (im ›This is Colossal‹-Blog) des koreanischen Künstlers Chun Kwang Young.
Kunst (2): Grandios wandelt Kate MacDowell mit ihren (zumeist weißen) Skulpturen auf dem schmalen Grat zwischen Verstörung und Bezauberung. Meine Favoriten in ihrem Portfolio: Hase mit Gasmaske; — sezierter Frosch mit Menschenfötus; — das Wurzelhirn. — Würde ich gerne mal im Original sehen.
Schockschwerenot! Matteo Bittanti und IOCOSE haben mit der Photographin Kenzie Burchell eine erschütternde Bilderserie aufgenommen, die uns die Folgen von maßlosen Daddeln zeigen: Game Arthritis. Gottseidank stelle ich an mir selbst keinerlei erste Anzeichen eines ›Playstation Daumes‹ fest … trotzdem überlege ich, meine PS3 sofort zu entsorgen. — (Entwarnung: Das ganze ist fiese, brillante, ernste Satire, aber eben brutal verstörend dank der Arbeit der Maskenbildnerin Emma Alexandra Watts.)
Raumkunst: Der polnische Künstler Marek Tomasik hat aus Holz und Computerschrott eine Rauminstallertion geschaffen, die überwältigend ist. Hier zu einem Bericht bei ›Laughing Squid‹ (engl.) mit Filmchen, Photos und (ohne nervigen Computersound), und hier zur Raumphoto-Seite des Künstlers (mit nervigen Computersound): You sometimes have to be open.
»Der Herr der Ringe« mal anders: Wie sähe LOTR als moderne ›Kumpel auf Rundreise‹-Geschichte aus? Illustratorin Noelle Stevenson hat sich das für uns in ihrem ›A Girl And Her Demons‹-Blog die»The Broship of the Ring«. Laut gelacht habe ich über die Hippster-Hobbits (»Wie, Du weißt nicht was ein zweites Frühstück ist?!«).
Analyse: Nicht wirklich überraschend, dass Michael Bay in seinem neusten »Transformers«-Streifen Schnipsel aus seinem Film »The Island« recyled hat, aber dennoch erstaunlich, wie der Vergleich aussieht: »Transformers 3« scene from »The Island« von Jermain Odremán.
Superhelden-Humor: Die vier intelligenten Spinner der ›After Hours‹ von ›Cracked‹ streiten sich, Ob Batman schlecht für Gotham ist (engl.). Achtet auf den Asperger-Test mit den Zuckertütchen!
Zum Schluss ein Filmchen: Die Idee an sich ist nicht so prickelnd, ist aber gut umgesetzt. Auf zum wilden Springen durch verschiedene Populär-Genres mit der Plot Device (von ›Red Giant‹). Mein Favorit: Natürlich der S/W-Krimi mit kommentiernder Gedankenstimme aus dem Off.
Eintrag No. 725 — Derweil nur die Links. Leider sehe ich mich nicht vor Freitag dazu kommen, auch etwas über die Lektüren und Filmsichtungen der vergangenen 14 Tage zu schreiben.
Nur soviel auf die Schnelle: »Blödmaschinen« von Georg Seeßlen und Marcus Metz war für mich die ganzen vielen 780 Seiten spannend und ertragreich. Absolute leseempfehlung meinerseits.
Und das neue Opus von Terrence Malick, »Tree of Life«, gefällt mir zwar nicht ganz so gut wie »Thin Red Line« und »The New World«, führt aber dennoch exzellent vor, wie toll, tief und kunstvoll Kino sein kann.
Hier die Rückblick-Links, teilweise auf Hau-Ruck-Art.
Nehmt das, ihr beschränkten Acolyten jeglichen Rassenreinheitswahns. Unsere Vorfahren haben nicht nur mit Neanderthalern geschnackselt (also sich vermischt wie Pferde mit Eseln), sondern das hat uns auch immunologisch fitt gemacht für die Ausbreitung über die Erde … berichtet dieser (engl.) Artikel von Michael Marshall auf der Website von ›New Scientist‹Breeding with Neanderthals helped humans go global. — Dabei entdeckt, dass die ›Royal Society‹ einen feinen Netzauftritt pflegt, mit Artikeln, Blog, Filmen und Pi Pa Po. Warum gibt es sowas nicht auf Deutsch von unseren edlen, altehrwürdigen Forschungs-Gesellschaften? (Oder hab ich’s bloß noch nicht entdeckt?).
Die ›TAZ‹ liefert, wozu öffentlich-rechtliche Medien wohl zu blöd oder zu behäbig sind: eine wunderschöne graphische Übersicht zu den (bekannten) Finanzspritzen für die Politik: Parteispenden Watch 2009 – AB 10.000 Euro.
Noch eine aufregende Flash-Aufbereitung von Zwölf Entwicklungen die alles verändern werden (engl.) hat ›Scientific American‹ zusammengestellt. Sehr schön gemacht und ein toller Rundgang zu Dingen wie Polkappen- & Gletscherschmelze, Kontakt mit Außerirdischen, Klonen von Menschen, nukleare Bedrohung, Asteroiden, Pandemien, Schaffung von Leben, Künstlicher Intelligenz, Supraleitern bei Zimmertemperatur, Höheren Dimensionen und Fusionsenergie.
(Deutschrachige) Phantastik-Links
Jubiläum: 25 Jahre ist es (echt schon…?; : !) her, dass Alan Moores & Dave Gibbons Meisterwerk »Watchmen« erschienen ist. Guter Grund für ein Sachbuch (»Under the Hood – Die Verweis-Struktur der Watchmen« von Hans-Joachim Backe) zu diesen lecker-schmecker semiotischen Spaghetti unter den Graphic Novels und eine Besprechung desselben für den ›Tagesspiegel‹ durch Lars von Tröne: Pop-Exegese: Forschungen in der Parallelwelt.
Für ›Omnivoracious‹ unterhält der eine Meister der zeitgenössischen Phantastik, der Amerikaner Jeff Vandermeer, sich mit dem anderen, dem Engländer China Miéville, über den neuesten Roman von letzteren: »Embassytown«.
Was dein Lieblings-»Alien«-Film über Dich verrät (engl.) — Meredith Woerner hat für ›io9‹ diesen Persönlichkeits-Bespiegelung ausbaldowert. Mich spricht demnach die kalte, dunkle Welt des Unbekannten an, denn mein Favorit ist immer noch der erste »Alien« von Ridley Scott (allein schon wegen der Pionierleistung).
Zuckerl
Verrückte Skulptur-Kunst von Tim Hawkinson stellt ›Indianpolis Museum of Modern Art‹ vor: irre Mischung aus Modellbau und Mathematik, dieses Möbiusband-Schiff.
TGWTG No 1: Stimme den Entscheidungen des ›Nostalgia Critic‹ in allen Punkten zu, wenn er bei seiner neusten Ausgabe von ›Alt vs. Neu‹ der Coen-Brüder-Fassung von »True Gritt« gegenüber der John Wayne-Fassung den Sieg einräumt: Old vs New: »True Grit«.
TGWTG Nr. 2: Wer Popkorn- und Genre-Knall-Bumm mag und dennoch einen (Anstands-)Rest Geschmack und Hirn nicht missen möchte, kann sich Bestätigungswonnen verschaffen bei Mathew ›Film Brains‹ Buck genüsslicher Zerlegung von Michael Bays »Transformer 2 – The Revenge of the Fallen« (zweites Video von oben ist der fast einstündige komplette Megacut).
Laaange und sehr kluge Besprechung mit reichlich Zeitgeschichts- und Kultur-Erklärung zu Thomas Pynchons »Inherent Vice« hat John Carvill für ›Bright Lights‹ geschrieben: The ›Bong‹ Goodbye (engl.).
Filmpalaver: was kommt raus, wenn sich zwei Regiesseure, deren Werk ich sehr schätze, ungezwungen unterhalten? Gebt Euch den Wahn mit Lars van Trier und Paul Thomas Anderson (engl.) auf ›Cigarettes & Red Vines‹.
Kurz vor Schluss ließ mir Andrea einen Link-Tipp zukommen. Vorsicht: Über-Putzigkeit voraus! Hier kommt der kleine Eichhörnchen-Nachwuchs im ›flickr‹-Blog.
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(Eintrag No. 531; Gesellschaft, Geld, Großraum-Phantastik) — Große Freude macht mit ein aktuelles Interview mit Peter Sloterdijk, dessen Bücher ich ja, wie die Freunde der Molochronik wissen, durchaus sehr zu schätzen weiß. Sloterdijk ist ja gern und oft mal mit einem Kommentar in den Medien zu Stelle, und diesmal erklärt er uns den Zusammenhang zwischen dem Platzen der Finanzwirtschaftsblase und der Fantasy. Im Ernst. Es sind genau solche großen Zusammenhänge zwischen Weltbild-Illusuion und die aus ihnen folgenden knallhart durchgezogenen Praktiken der Gestaltungs- und Deutungsmächtigen, weshalb ich dafür eintrete, den Phantastikbegriff wieder in den politisch-gesellschaftlichen Diskurs zu holen.
Peter Sloterdijk: Die Finanzkrise hat ihren Grund in technischen Fehlern der Zentralbanken. {…} Was wir heute erleben, ist eine Folge davon, dass sich die Inflationisten beziehungsweise die Schuldenakrobaten auf ganzer Linie durchgesetzt haben. {…}Die heutige Wertekrise ist das Werk grauer Bürokraten, die meinen, man könne dem Verlust an Vertrauen mit der Emission von Scheingeld abhelfen.
{…}
SZ:Stimmt. Und alles geschah im Zeichen des neoliberalen Glaubens an die problemlösende Macht des Marktes ...Peter Sloterdijk: In Wahrheit im Namen eines magischen Weltbilds. Der eigentliche Held des Neoliberalismus ist Harry Potter.
SZ:Wie bitte das?Peter Sloterdijk: Weil die Potter-Romane die Fibel einer Welt ohne Realitätsgrenze darstellen. Sie überredeten eine ganze Generation, den Zauberer in sich zu entdecken. Das englische Wort Potter bedeutet übrigens »Töpfer«, einen Handwerker, der Hohlkörper verfertigt. Nur Verlierer glauben heute noch an die Arbeit, die Übrigen betreiben magische Töpferei und lassen ihre strukturierten Produkte fliegen.
SZ:Weil sie keinen Inhalt haben können?Peter Sloterdijk: Doch, sie müssen sogar Inhalt haben, aber nicht als Selbstzweck! Gefäße sind Medien, die aufnehmen, um abzugeben. Martin Heidegger hat in einer tiefsinnigen Betrachtung über das Wesen der »Dinge« am Beispiel eines Kruges ausgeführt, wie der seine Funktion nur in dem Maß erfüllt, als er hohl ist, mithin gefüllt werden kann. Was er erhält, gibt er in der Gebärde des Schenkens weiter. Der moderne Mensch hat den Schnabel des Kruges verstopft. Da fließt nichts mehr hinaus, das geht auf Dauer nicht gut.
SZ:Weshalb wir lieber mit dem Zaubern aufhören sollten?Peter Sloterdijk: Zaubern ist eine Tätigkeit, die das Verhältnis von Ursache und Wirkung verdunkelt. Die Verwirrung beginnt, wenn die Wirkung die Ursache maßlos übertrifft — ökonomisch gesprochen, wenn der Profit in keinem Verhältnis mehr zur Leistung steht. Genau diese Unverhältnismäßigkeit prägt die Grundstimmung der vergangenen Jahrzehnte. Zahllose wollten aus einer Wirklichkeit aussteigen, in der man für 40 Stunden Arbeit pro Woche kaum ein Durchschnittseinkommen erreicht, während man durch ein paar Stunden Magie in die Runde der Superreichen aufgenommen wird. Wir haben eine gefährliche Rechenart erfunden. An die Stelle von prosaischen Gleichungen treten wunderbare Ungleichungen. Das ruiniert den Sinn für Adäquation.
Was Sloterdijk und die SZ hier freundlich als ›zaubern‹ umschreiben, kann man auch schlicht als ›Beschiss‹, ›Nepp‹ und ›Bauernfängerei‹ bezeichnen. Da wird mit viel Tam-Tam und Marketingbeschwörungen mit einem Kapitalanlage-Zylinder herumgefuchtelt, will man dann aber in den Zylinder langen, findet sich kein Kaninchen mehr. Nix. Nada. Alles verpufft bis auf das, was die Trickser dem Publikum abgreifen konnten.