Molos Wochenrückblick No. 41
Eintrag No. 700 — Es freut mich, dass mein für den Golkonda Verlag erstelltes Portrait der Brüder Strugatzki Verwendung findet auf der Website ›Life in the 22. Century‹ von Andreas Reber.
Lektüre / Film: Habe »Unendlicher Spass« zur Seite gelegt, aber nicht abgebrochen. Mir ist was dazwischen gekommen, nämlich die Krimi-Serie »Castle«.
Ich teste immer wieder mal TV-Serien an, und finde da auch so einiges, was ganz amüsant ist, aber es ist schon eine Weile her, dass mich eine Serie so schnell so begeistert hat wie diese ziemlich klassische Krimi-Kiste mit einer Priese Screwball Komödie. — Man nehme ein Pärchen und kehre die Geschlechter-Rollenklischees um: also hier einen selbstverliebten & plapperhaften Thriller-Autor, Rick Castle, dort eine herbe & abgebrühte Kommissarin, Kate Beckett, beide erfolgreich auf ihrem Gebiet, verbandle die beiden in einem Geflecht aus gegenseitiger Faszination und vorsichtiger Distanz und schicke sie los im Gewimmel von New York um Mordfälle zu klären.
Was mich nun unter anderem arg angefixt hat, ist das Metafiktion-Spiel, das die Sendung veranstaltet: Castle begleitet Beckett vor allem deshalb, weil sie seine Inspiration für seine neue Romanfigur, Nikki Heat, ist. Und den ersten Nikki Heat-Roman, »Heat Wave«, gibt es schon in Echt als Taschenbuch, und den habe ich letzte Woche unterwegs schwupps verschnabbuliert. Keine hohe Prosa, sondern ebenso wie Brunetti, Jury und Co schlicht gute kurzweilige Krimi-Unterhaltung. — Die Serie und das Buch zeichnen sich durch flotte Dialoge und geschickt konstruierte Fälle aus. Ein großes Vergnügen.
Netzfunde
- Brillanter Beitrag von Jürgen Ertelt zum Thema »Sachliche Argumente wider den Quatsch populistischer Aktionen planloser Politiker« erschien im ›Medienpädagogik Praxis‹-Blog: Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – ein Ungetüm stolpert über die Internet-Evolution (Teil 1) und JMStV reloaded – Strategien für einen akzeptablen Jugendmedienschutz (Teil 2).
- Henning Tillmann berichtet in seinem Blog: Bundesregierung bestätigt: teure IT-Umstellung geplant.
- Matt Ruff erzählt über seine Familie, und die Einflüsse seiner Eltern auf sein Schreiben: »An Interesting Moral Education«.
- Gideon Lewis-Kraus erklärt in der ›Die Welt‹Woody Allen, die Nanny, Thomas Bernhard und ich, dass junge New Yorker Juden den österreichischen Übertreibungskünstler als humoristischen Autoren zu schätzen wissen. Wie kann man das auch nicht? Ich habe Bernhardt immer auch als einen der ganz großen Komiker der deutschen Nachkriegsliteratur verstanden.
- Zwei Mal Arno Schmidt: Für ›Glanz & Elend‹ schreibt Wolfram Schütte Die Entzauberung des Überbuchs; und Ulrich Stock hat für ›Die Zeit‹ Zettel’s Traums Leser besucht.
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
- Maschine weihte für das (gelungene, neue) Blog der ›Bibliotheka Phantastika‹ eine neue Kolumne ein: Der Zwerg liest fremd: »The Windup Girl«.
Rüge
- Der Science Fiction-Podcast Schriftsonar nervt mich ungemein mit seiner platten viel zu langen Elektropampenmusik. Und in der jüngsten, der 40. Ausgabe, fröhnen die Macher einem simpel gestrickten Anti-Intellektualismus, dass die Schwarte kracht, anlässlich des Romans »Anathem« von Neal Stephenson (ca. ab Minute 24:00):
Michael Schneiberg: Ich fand Umberto Eco immer furchtbar. Für mich ist das ein eingebildeter Bildungsbürger. Kann ich nichts mit anfangen. Und Neal Stephenson, so leid es mir tut, ich liebe ihn für seine frühen Bücher (auch wenn das wieder ein Klischee ist), der entwickelt sich echt zum verdammten Besserwisser.
F. C. Stoffel: Es hat sich bei mir über die vielen Jahrzehnte, wo ich wirklich schon viel gelesen habe, eine sehr provokante These verfestigt, die ich auch an sehr vielen Science Fiction-Autoren bestätigt sehe, nämlich: richtig gute Schriftsteller dürfen nicht zu intellektuell sein. {…} Autoren dürfen nicht zu intellektuell werden, weil dann werden sie selbstverliebt.Allerdings wird in dieser Ausgabe dann auch »Die gelöschte Welt« von Nick Harkaway begeistert gelobt, was mich wieder ein wenig versöhnt mit der Sendung.
Zuckerl
- Das Blog ›Lost & Taken‹ präsentiert: 19 Alte Bücher-Strukturen.
- Wieder mal Johann Sebastian Bach, diesmal in Form einer Interpretation mittels Floppy-Laufwerk-Orgel, die in den letzten Tagen im Netz herumempfohlen wurde, unter anderem von Cory Doctorow bei ›Boing Boing‹: Floppy drive organ plays toccata.
- Will zeigt uns in seinem ›A Journey Round My Skull‹-Blog einige wunderschöne pop-ige japanische Apokalypsen aus den frühen Siebzigern von Takabata Sei: The Collapse of a World Condemned.
- Wahnsinnsmeldung bei ›Dark Horizons‹: Möglicherweise verfilmt Paul Thomas Anderson als nächstes Thomas Pynchon!
- Zum Schluss ein Filmchen, eine wüste wilde nicht-sequentielle Aneinanderreihung aberwitziger Szenen, des Künstlers David OReilly. Warnung: nichts für schwache Gemüter oder Menschen, die eng gezogenere Geschmacks-Grenzen haben. Teilweise verstörender und/oder ekliger Inhalt. Dennoch wollte ich diese Gemme nicht unempfohlen lassen.
The External World from David OReilly on Vimeo.
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simifilm
O'Reillys Film ist in der Tat grossartig. Ich hatte anlässlich der Kurzfilmtage Winterthur das Vergnügen, mit der Produzentin des Films ein Q&A zu führen. Der Film gewann dann prompt den Hauptreis.
molosovsky Besitzerin
ob ich "The External World" hier verlinke, denn ich bin mittlerweile sehr milde und vorsichtig, was Geschmacks-Provokationen angeht. Aber meine Liebe für absurden Humor schlug dann durch.
Und natürlich bin total begeistert von der Tatsache, dass man in Winterthur als Gewinner mit einem Hauptreis bedacht wird. Da hat man was von und wird satt .-)
Sie nannten Ihn Kangaroo
So, hab mir den Podcast jetzt auch mal angehört und kann auch die Kritik an Stephenson überhaupt nicht nachvollziehen. Für mich ist es grade zu ein Qualitätsmerkmal seiner Bücher, das ich intellektuell gefordert werde, was für mich eine eher Seltenheit in Büchern darstellt. Ich begleite ihn jetzt auch schon seit seinen ersten Büchern und "Anathem" war für mich die logische Konsequenz seines Schaffens und für mich eine Offenbahrung. Er wird einfach von Buch zu Buch besser und ich weiss jetzt nicht, wo ich die ihm angedichtete Selbstverliebtheit finden soll. Sicherlich ist es kein "einfaches" Buch, aber das ist kein Stephenson, aber da wo "Diamand Age" für mich noch ein wenig zu konfus und unstrukturiert war, schafft er es mit Anathem perfekt Struktur in in seine wirklich komplexe und intellektuell sehr fordernde Weltenschaffung zu bringen.
Ich freue mich schon wahnsinnig auf sein nächstes Werk. Gibt es da eigentlich schon irgendwelche Infos ?
molosovsky Besitzerin
Ich nehme mal an, dass die ›Schriftsonar‹-Leuz sich halt nicht für gewisse Aspekte interessieren, die bei Stephensons bereits seit »Snow Crash«, »Diamond Age«, »Cryptonomicon« und dem »Barock-Zyklus« eine Rolle spielen, und die in »Anathem« weiterentwickelt werden. — Bestimmte Kritikpunkte kann ich akzeptieren, z.B. dass die Ich-Erzählerperspektive es erschwert, sich auf die Figuren einzulassen (nicht, dass es mir so ging, aber ich kann verstehen, dass es nicht jedermanns Sache ist).
Von nächsten Stephenson weiß ich nur, dass er als »Reamde« (oder »Readme«, ???) im November auf Englisch erscheinen, und ein Thriller sein soll.
thefallenangel
freut mich total das dir »Castle« gefällt, molo, ich bin ja riesenfan der serie und da ist dein lob wie ein ritterschlag irgendwie *g
wobei ich aber schon sagen muß das die qualität/originalität der einzelnen fälle teils stark schwankt, es gibt einige imho herausragende folgen, aber auch einige teile die höchstens durchschnitt sind, aber (!) zum glück funkioniert die chemie der beiden hauptdarsteller immer (!)
die castle-bücher (ich glaub es gibt sogar schon 2 davon) hab ich allerdings noch nicht gelesen, mach ich aber (hoffentlich) bald
gruß -TFA-
molosovsky Besitzerin
In der Tat sind es nicht immer die Kriminalfäll, die die Folgen tragen. Ich würde schätzen, dass ein Drittel ganz bis sehr gut ist, ein Drittel ist so la-la, und ein Drittel eher zum gleich wieder vergessen. — Aufgefallen ist mir allerdings, dass es in allen von mir bisher gesehenen Folgen keine darstellerische Enttäuschung gab.
In der Tat ist neben dem ersten Richard Castle-Roman »Heat Wave« mittlerweile auch ein zweiter, »Naked Heat« erschienen. Den gibt es aber bisher nur als Hardcover. Ich warte auf die günstige (und umknickbare) Massenmarkt-Ausgabe.
P.S.: Habe mir erlaubt, Deinen Kommentar formatierungsmäßig etwas aufzubrezeln.