Eintrag No. 710 — Nun also, mit einem Tag Verspätung, der Wochenrückblick. Ich bin derzeit für eine Woche in Berlin, um mich in der dortigen Phantastik-Szene zu tummeln. Gerade sitze ich in der »Brezelbar«, gleich gegenüber vom »Otherland«-Buchladen, wo ich endlich ›meinen‹Golkonda-Verleger Hannes Riffel kennen gelernt habe.
Jetzt lass ich es mal offiziell werden: Florian Breitsameter von SF-Fan hat sich in dem Thread »Was kommt da auf uns zu?« erfreut gefragt, was deutsche Leser aufgrund dieser Meldung des SF-Magazins »Locus« erwarten dürfen:
German rights to three stories from »Stories of Your Life and Others« by Ted Chiang plus the novella »The Merchant at the Alchemist's Gate« and the story »Exhalation« went to Golkonda Verlag, Berlin via Christian Dittus at Paul & Peter Fritz in Zuerich.
Mit der gebotenen Demut (aber auch völlig enthusiasmiert) kann ich verkünden, dass ich in den letzten Monaten für Golkona fünf Kurzgeschichten von Ted Chiang übersetzt habe, die im weiteren Verlauf des Jahres als Teil des Projekts, bemerkenswerte Kurzgeschichtensammlung neuer Science Fiction-Autoren anzubieten (nach David Marusek und Angélica Gorodischer) erscheinen werden. — Demütig bin ich, weil dies meine erste Arbeit als Übersetzer für einen Verlag ist, ich entsprechend nervös bin, was die beiden Korrekturleser mir an Rückmeldungen geben werden; demütig auch, weil ich hoffe, den feinen Geschichten von Ted Chiang gerecht zu werden; enthusiasmiert, weil diese Geschichte wunderbar sind, mir großartig gefallen, da sie wunderbare Exempel für das Genre SF (im Sinne von ›Speculative Fiction‹) sind. Da kommen zusammen: kosmologische Erkundungen in frühgeschichtlicher Epoche; eine Verbeugung vor den Geschichten aus 1001 Nacht; eine Erstkontaktgeschichte aus Sicht einer Linguistin; eine Gegenwart, in der es Engelserscheinungen gibt; zuletzt eine wahrhaft großartige Parabel anhand einer Roboterwelt. — Ich halte Euch auf dem Laufenden.
Hier nun die Links der Woche, diesmal ohne große Unterteilung. Ich hatte viel zu tun, deshalb kann ich keinen großen Fang bieten.
Netzfunde
Was es nicht alle gibt im Internet. Ein ganzes, langes Blog mit Bildern aus Filmen, in denen Computer vorkommen: Access Main Computer File.
Hübsch schräg geraten ist China Miévilles Vorschlag zu einer sechsteiligen Comic-Miniserie für Marvel: Scrap Iron Man (Altmetall-Mann).
Tolle Comic-Kunst bietet Dan Hipp in seinem Blog. Als erstes aufgestöbert habe ich seine Überkreuzung von Tim & Struppi mit Alien: Tin Tin: The Hugged Face, aber großartig finde ich auch diesen Hellboy.
Matt Roeser gestaltet für die Bücher, die er liest, eigene Umschlagsentwürfe, zu sehen in seinem New Cover-Blog. Finde ich sehr schade, dass derartig geschmacksvolles Design derzeit einfach nicht Mode bei den Verlagen ist. Wie gerne würde ich in einer Alternativwelt leben, in der Könner wie Roeser die offiziellen Titelbilder anfertigen.
Neues aus der deutschen Science Fiction-Szene: Uwe Post und Sven Kloepping haben ein Portal für Deutsche Science Fiction eröffnet. Bisher macht es einen guten Eindruck.
Makoto Azuma ist ein japanischer Blumenkünstler, der sehr seltsame Dinge mit Pflanzen anstellt. Hier ein paar Beispiele:
TOKYO FIBER '09 (Auftragsarbeit); — Black Pineeee (Auftragsarbeit); — Hand Vase (Privatarbeit); — Armored Pine (Privatarbeit).
Unter dem Titel Diese Suche ergibt keinen Treffer hat die ehemalige Community-Managerin von ›Der Freitag‹ , Teresa Bücker, für selbige Zeitung über ihre Erfahrungen berichtet. Als jemand, der selbst (für SF-Netzwerk) als Globalmoderator wurschtelt, spricht sie mir aus der Seele, wenn Frau Bücker schreibt:
Communities entstehen entlang von Interessen, Fragen oder ähnlichen Gewohnheiten, etwa dem Konsum von bestimmten Medien und Produkten. Für Außenstehende sind die Verhaltensweisen innerhalb dieser Gemeinschaften nur schwer zu fassen, denn homogene Verbünde neigen zu Gruppendynamiken und Riten, die codiert sind, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben. Der ausschnitthafte Blick auf digitale Gemeinschaften von „interessierten Beobachtern“ führt dann zu Fehlinterpretationen, zu stark selektiven Wahrnehmungen, an deren Ende steht: das Netz ist voller Rüpel, Dummköpfe, lichtscheuer Nerds, Magermädchen aus pro-anorektischen Foren oder passiver Sonntagssurferinnen.
Don Alphonso hat ein schiaches Haus in meiner unmittelbaren frankfurter Nachbarschaft dazu genutzt, ein paar orientierende Stilkritik-Watschen unter dem Titel Ornament und bürgerliches Verbrechen in seinem ›F.A.Z.‹-Blog »Stützen der Gesellschaft« anzubringen.
Nochmal ›F.A.Z.‹: Jetzt erst von mir entdeckt wurden die wunderbaren alliterierenden Non-Sense-Kurzkurzgeschichten Dudenbrooks von Jochen Schmidt, mit wunderschönen s/w-Illustrationen von Line Hoven. Hier geht es zum derzeit neuesten Buchstaben K wie Karla.
•••••
Flattrn Sie diesen Eintrag, wenn Sie der Meinung sind, dass er etwas wert ist.
Eintrag No. 662 — Film: Hinke ja arg weit hinterher, was das Liefern von Film-Rezis oder zumindest Film-Kurzreszis angeht. Also hohle ich mal nach, zumindest von meinen jüngsten Kino-Besuchen zu berichten
Vor ca. zwei Wochen war ich in »Ponyo – Das große Abenteuer am Meer«, und wieder mal bin ich überwältigt von der Macht, die ein ›Studio Ghibli‹-Film über mich hat. Der Film richtet sich unverkennbar zuerst mal an Kinder von etwa 4 bis 7 Jahren, aber wie meine Begleiterin Andrea so trefflich sagt: »Bei einem Miyazaki-Film dauert es etwa zwei Minuten, und ich bin wieder am Staunen wie eine Fünfjährige«. Wie immer bin ich mitunter am meisten von den stillen Momenten fasziniert, wenn ›eigentlich‹ nix passiert. Die kann Regisseur Miyazaki inszenieren, wie kaum jemand sonst. Und fast das Herz gesprengt hat mir natürlich der große Äktschn-Höhepunkt, wenn Ponyo auf wilden Meerenwogen parallel zum einem Auto der Küstenstraße folgt.
— Kurz: ca. 9 bis 10 von 10 Punkten.
Und dann hatte ich letzte Woche Gelegenheit, mir den neuen David Fincher »The Social Network« anzuschauen. Wieder erstaunlich, wie mühelos Fincher sich in einem neuem Genre tummelt. Im Grunde funktioniert »The Social Network« wie ein Theaterstück oder ein Woody Allen-Film. Leute sitzen herum und reden, nicht zu knapp. Der Film veranschaulicht gelungen, wie man als Macher eines Projekt getrieben wird von dem Verlangen, etwas gestalten und bewegen zu wollen, und natürlich, wie im Zuge des Begehrens, Ruhm und Geld anzuhäufen im juristischen Slalomlauf so manche Freundschaft auf der Strecke bleibt. Dass freundschaftliche Bindungen der Erschaffung einer sozialen Netzwerk-Plattform geopfert werden, ist nur die offensichtlichste Ironie des Filmes.
— Wertung: ca. 7 bis 8 von 10 Punkten.
Interessanten Einblick in den Buchkaufhaushandel bietet das Hugendubel Verdi Info-Blog. Besonders gefallen mir die ›Sprachlos‹-Einträge, die ergreifend den Frust engagierter Buchverkäufern, die bei Hugidubi arbeiten, bebildern.
Für ›Jungle World‹ legt Alex Feuerherdt mit Hauptsache Religion einen feinen Kommentar zu den derzeit abgegeben Profilierungsschwachsinn der ›C‹-Parteien vor.
Apropos ›jüdisch-christliche Wurzeln‹: Jeder, der sich auch nur halbwegs mit Kultur- und Religionsgeschichte beschäftigt, und dabei nicht durch Interessens-Doktrinierungen gehirngewaschen wurde, weiß, dass die Rede vom ›jüdisch-christlichen‹ Fundament des Hauses Europa einfach Quatsch ist. Man konsultiere einfach mal ein Kulturgeschichtswerk, in dem Begriffe wie ›Volksreligion‹ und ›Elitenreligion‹ vorkommen. (Zum Beispiel »Lebensformen Europas« von Wolfgang Reinhard.) — Über Holger KleinsStackenblochen-Blog fand ich meinen Weg zu einem Kommentar von Don Alphonso in seinem F.A.Z. Stützen der Gesellschaft-Blog, den ich gerne auch hier zitieren möchte:
Christliches Abendland heisst immer: Ich bin zu blöd, die Schattenseiten der letzten 1200 Jahre zu kennen.
Jüdisch-Christliches Erbe heisst oft mitunter: Ich finde es geil, mein Herrenrassentum so zu verkleiden, dass ich mich notfalls auf Deinen Antisemitismus rausreden kann, wenn Du mich für den stinkenden Fascho hältst, der ich bin. Dabei wird es schwer sein, einen Juden zu finden, der sich auf dieses angebliche Erbe berufen möchte: Als ob es noch nicht genug Geschlichtsklitterung und Fälschung in dem Bereich gegeben hätte.
Klar gesagt: Es gibt kein jüdisch-christliches Erbe. Die allerwenigsten, denen das aus dem Maul trieft, kennen vom Judentum mehr als die Kipah. Christentum und Judentum sind allein schon wegen der Frage des Messias absolut unvereinbar gewesen, und das Verhältnis hat sich von 800 bis 1945 dann auch merklich verschlechtert, um es höflich zu formulieren.
Auch wenn ich, nein: gerade weil ich ja ein bekennender und überzeugter Atheist bin, kann ich nur den Kopf schütteln über diesen Blödsinn: Nicht nur Kirchenaustritt, auch Enttaufung möglich. Zugegeben: nachdem viele ja ohne gefragt zu werden als Kleinkinder getauft wurden, fände ich es nur angebracht, wenn es die Möglichkeit gäbe, sich als Erwachsener, der eine entsprechende Weltsicht angenommen hat, zeremoniell Ent-taufen lassen zu können. Andererseits kann man das ja auch selbst gestalten und vornehmen, sei es alleine, oder im Kreise entsprechend Gleichgesinner. Ohne, dass man einen umgemodelten Föhn kaufen muss. — Durchaus originell finde ich allerdings den im Artikel vorgeschlagenen Gerbauch der Verse von Catull (aus »Carmen 85«) als Ent-Taufungs-Formel, auch wenn diese Zeilen, typisch für diesen römischen Dichter, etwas zu zerknirscht für meinen Geschmack sind:
Odi et amo. Quare id faciam, requiris Fort Asse? Nescio, sed fieri Sentio et excrucior.
Ich hasse und liebe. Du fragst vielleicht, warum ich das tue. Ich weiß es nicht, aber ich fühle, dass es geschieht und ich quäle mich.
Und Marc Fabian Erdl jubiliert in ›Der Freitag‹ ausführlich über die erste komplette deutsche Ausgabe der geheimen Tagebücher von Samuel Pepys (einer durchaus wichtigen Nebenfigur in Neal Stephensons »Barock-Zyklus«): Geiler Bock, Staatsbeamter.
Der großartige Jeff Vandermeer berichtet in seinem Blog flappsig aber erhellend davon, wie sein diesmaliger Anlauf Thomas Pynchons »Gravities Rainbow« (dt. »Die Enden der Parabel«) zu lesen nun vergnügt von statten geht: This Book Is Restoring Mah Brain Powers to Mah Brain und Reading Gravity’s Rainbow: First 75 Pages, Initial Contact. Ich selber gurke derweil irgendwo auf Seite 300 herum, und kann mich nicht so recht entscheiden, ob ich den Roman auf Englisch oder Deutsch lesen soll und pendle entsprechend zwischen beiden Sprachen.
Da beleibt mir nur, mich der Hoffnung anzuschließen, die Daniel Domscheit-Berg für ›Der Freitag‹ in seinem Text Der gute Verrat zur Sprache bringt, nämlich, dass als Ausgleich für solche Sehnsüchte der Gestaltungsmächtigen in Zukunft vermehrt mutige Geheimnisverräter rechtzeitig zur Kenntnis genommen werden, und dass die Anerkennung von solchen Petzer-Helden zunehmen wird.
(Deutschsprachige) Phantastik-Funde
Klaus Jarchow liefert seinem ›Stilstand‹-Blog einen feinen kleinen Text über die Tugend von die Phantasie kitzelnden Leerstellen in Texten, Ehret die Lücken!, illustriert anhand der Geschichte »Die Grube und das Pendel« von Edgar Allan Poe.
Holger M. Pohl hat eine neue Kolumne für ›Fantasyguide‹ verfasst: Proll vs. Niemand. Auch wenn mir HMPs Text ein wenig zu gehässig geraten scheint, finde ich es trefflich, wie er die in SF-Genrekreisen typische Erregung einiger über den Erfolg anderer kommentiert. Stein des Anstoßes war dieser Thread bei SF-Netzwerk: Kritik an SF Neuerscheinungen, Iwoleit vs. Heitz oder schaden Autoren wie Heitz der SF?, aus dem dann dieser allgemeinere Thread hervorging: Exploitation SF, Annäherung an ein Phänomen. Ich denke ja, es ist unfair, sich bei der Klage über die Verflachung des geliebten Genres lediglich auf die erfolgreichen Autoren einzuschießen. Immerhin ist es das Zusammenspiel von Autoren-Ambition, Programmgestaltung und Vermarktungstrategien der Verlage, sowie der Nachfrage von Kunden, die dazu führen, dass enervierend seichtes Zeugs das Feld dominieren.
Wie immer empfehle ich das neuste RSAnimate-Filmchen. Diesmal illustrieren die Meister von ›cognitive media‹ einen Vortrag von Sir Ken Robinson zum Thema Changing Education Paradigms, und besonders gelungen finde ich, wie das noch übliche Schulsystem mit der Logik von Fabriken verglichen wird.
Sobald ich mein PayPal-Konto entsprechend aufgepimpt habe, werde ich das hier bestellen: The Science Tarot. Obwohl ich mit ›Eso-Kram‹ nichts mehr (oder nicht mehr viel) am Hut habe, hege ich immer noch eine Schwäche für originelle Tarot-Karten. Ich verstehe das Tarot als eine Art interaktives Comic, das sich immer wieder zu neuen Geschichten auslegen lässt.
Mike Shaughnessy hat für ›BoingBoing‹ einen bewegenden Text zum Thema ›der Blick von Immigranten auf die neue Heimat‹ geschrieben, und es geht nicht um Muslime in der westlichen Welt, sondern um einen Deutschen in Amerika: My Man Anton Schutz: An Immigrant's View of the New York.
Dem ›Wall Street Journal‹ hat der geniale Scott Adams — der als Schöpfer der »Dilbert«-Strips dafür sorgt, dass Büromalochern dank Humor emotionelle Gesundheit bewahren — ein Interview gegeben: How to Write Like a Cartoonist.
Als sichere Weihnachtsbeglückung für mich darf ich mich auf den nächsten Film der Coen-Brüder freuen: True Grit, und ich bin schon sehr gespannt, wie sich dieser Rache-Western machen wird. Hier der bisher zweite, längere Trailer.
Flattrn Sie diesen Eintrag, wenn Sie der Meinung sind, dass er etwas wert ist.
(Eintrag No. 573; Gesellschaft, Woanders, Werbung, »Netz Zwei Null Drei Vier und Alle Schunkeln!!!«) — Ums kurz zu machen. Habe mich hinreissen lassen, auch meine zwei Pfennig Gedanken zum Rehlaunsch einer Marke zu schreibseln.
Also Reklame. Kostet zwar mehr als jemand, der mal ans Telefon geht, belästigt aber gleich viel mehr Menschen, weil die Republik damit zugepflastert wird. Und was ist zu sehen auf der Reklame? Leute, die ins Internet schreiben. Für die hat sich Vodafone auch einen neuen Namen ausgedacht, Generation Upload nennt man das jetzt, das hat vermutlich auch ganz schön was gekostet.
Ein Spektakel auf allen Kanälen, das zukünftigen Werbern als 200 Millionen teures Beispiel dienen wird, wie man sich im Internet umfassend, oder wie man in der Branche sagt, 360 Grad, den Ruf ruiniert.
Aber zurück zum eigentlichen Thema, zur “Generation Polemik”. Ich finde die aktuelle Situation in Deutschland einfach nur bedauerlich. Wir haben keine Kultur des Respekts vor Engagement. Keine Kultur der Anerkennung. Keine Kultur der Differenzierung. Überall wird sofort Raffgier und rein wirtschaftliches Interesse vermutet, streng nach dem Motto: “Vodafone tut ja nur so, als ob sie sich öffnen, damit sie uns besser bescheißen können – aber nicht mit uns!” {…} Ich finde, Vodafone hat Anerkennung verdient. Sie haben keine Anerkennung für eine tolle “Social Media Aktion” verdient, die war tatsächlich schlecht. Und ich halte die Testimonials auch für nicht unbedingt glücklich gewählt.
Ein Gedankenpferd hat mich wohl getreten, dass ich nun ausgerechnet in Herrn Langes Talkabout-Blogeintrag meinen Senf abgelassen habe.
Hier das Allgemeine meiner Gedanken, damit Ihr Molochronikleser Euch den Weg sparen könnt:
Wenn ein Großunternehmen wie Vodafone eine Absichtserklärung aufwändig in den Raum strahlt, heißt das ja noch nix. Mit der PR-Veranstaltung hat Vodafone sich mit ihrem vogonenhaften Auftreten, dem geballten Bullshit-Denglisch auf jeden Fall zur leicht treffbaren Zielscheibe gemacht. Was nun nach der stilistisch (für manche) peinlich bis schleimig wirkenden Absichtserklärung folgt, bleibt abzuwarten.
Es ist wohl nicht übertrieben anzunehmen, dass ein kommerzieller Großbetrieb wie Vodafone zuvörderst an Geld und Marktanteilen interessiert ist. Es wurde ja auch klar geäußert: der Kunde soll im Mittelpunkt stehen, weil zufriedene Kunden die besten Aquirierer neuer Kunden sind usw. Wiegesagt: ob das gelingt bleibt abzuwarten. Für viele ist aber der Auftritt, weil nicht authentisch, bisher schon mal in die Hose gegangen. Muss ja auch nicht sein, dass Vodafone sympathisch rüberkommt. Reicht ja schon, wenn Leistung und Service stimmen.
{…}
{S}oweit ich zu verstehen glaube was › Corporate Social Media‹ sein soll (denn auf die schnelle finde ich dazu nichts erhellend Erklärendes), bin ich dem Konzept gegenüber seeehr skeptisch. Klingt für mich nach einem weiteren Versuch, als Großunternehmen die Kunden gleich selber einzuspannen was Werbung und Marktforschung betrifft. Der Start des Blogs macht keine Hoffnung: irgendwelche Tüdel-Konzerte und Formel 1. Danke, aber solch seichter Schmu ist der Grund, weshalb ich im Netz nur sehr selektiv unterwegs bin und seit 15 Jahren kein TV gucke
Was Vodafone macht, ist mit 180 Millionen Aufmerksamkeit heischen. Nebenbei: Warum denkt keiner daran, die Steuern auf Werbung zu erhöhen. Ganze U-Bahn-Stationen in Frankfurt sind zugekleistert mit den Vodafon-Gedöns. Ich finde das einfach nur obszön. — Mit so viel Kohle kann man, auch als Unternehmen a la Vodafone, Klügeres machen
Ach ja: wo sind eigentlich die konkreten Produktangebote? Davon bekomme ich nirgendwo etwas mit. Es geht Vodafone derzeit wohl nur darum zu posaunen: »Wir empowern jetzt die Netzgemeinschaft, so die uns denn will«.
Und gebashed werden ist nun mal die Gefahr für alle, die sich breitbeinig mitten in der schönsten Gesellschaft an den Flügel setzten und drauf los klimpern. Natürlich ist es schön, wenn jemand Musik machen möchte, denn Musik ist etwas zutiefst Feines. Aber dann sollte man auch musikalisch sein, ein Instrument spielen können und die Mukke spielen, die zur jeweiligen Gesellschaft passt. Oder um bei Douglas Adams-Metaphern zu bleiben: ›die Netzgemeinschaft‹ ist eher Zaphod Beeblebrox, und Vodafone führt sich halt auf wie Vogonen. Kein Wunder, dass Zaphod genervt abschätzig reagiert.
Wahrscheinlich bin ich durch langjähriges »Dilbert«-Lesen einfach taub geworden für solche Werbeaktionen.
(Eintrag No. 535; Woanders) — Nur kurz bescheidgegeben, dass es unter den vielen F.A.Z.-Blogs mittlerweile schon zweie {EDIT-Ergänz: 19. Juli 2009} dreie gibt, die ich gebookmarkt habe.
Und letzte Woche {Januar 2009} habe ich als Unterkunftsgastgeber am Rande die historische Entwicklung miterlebt, wie der notorische F.A.Z.-Schelterer Don Alphonso nun selber zum F.A.Z.-Blogger wurde, mit seinen »Stützen der Gesellschaft«, heute eröffnet mit dem Eintrag »Darüber spricht man nicht«. Allein der absatzlange Satz, welcher in der rechten Spalte das Blog-Thema zusammenfasst, ist göttlich. — Interessant, wie der Don in seinem eigenen Blog »Rebellenmarkt« die persönliche ›Misere‹ darlegt, wie er, für den F.A.Z. ein Feindbild ist, dazu kommt für eben dieses zu bloggen. — {EDIT-Ergänz:} Ganz furchtbar dringend unbedingt empfehlen muss ich den Eintrag »Herr Burda ist ein kunstsinniger Mann«.
Das neueste F.A.Z.-Blog in der Runde ist »Ding & Dinglichkeit« von Andrea Diener das vorgestern, am Freitag den 17. Juli online ging mit dem ersten Eintrag über »Die Ikone der Werktätigkeit: Der Spaten«. Ich bin schon gespannt, was da noch alles kommen wird!
Sollte die F.A.Z. noch weitere dolle Blogs einrichten, werden die hier ergänzt.
(Eintrag No. 526; Woanders, Alltag) — Namensvetter Alex von »Cynx Cynical World« hat mich die Molochronik lieb, und deshalb darf ich dieses wunderschöne Loge nun hier prangen lassen und mich an folgende Regeln halten:
Der nominierte Blogger darf das Logo in seinem Blog präsentieren;
Verlinke die Person, von der Du den Award bekommen hast;
Nominiere mindestens 7 weitere Blogs;
Verlinke diese Blogs mit Deinem Blog;
Hinterlasse eine Nachricht bei den neu Nominierten;
Die Begründung von Alex, warum er mich unter seine Nominanten-Schar erkoren hat, geht mir ans Herz:
Molochronik: Für jede seiner Buchvorstellungen kann ich nur dankbar auf die Knie fallen, da mir sonst was wichtiges entgangen wäre. Die ausführlichen Analyse diverser Werke der fantastischen Literatur sind dann noch das Sahnehäubchen oben drauf.
Obwohl … ich dachte, meine Mundmukke und meine Sribbels sind die Sahnehäubchen hier und meine Literatur(wut)schaumschlägereien eher nervig anstrengendes weil überspanntes Labersackgeisttötungsgeschwätze.
Wie auch immer, hier sind meine Kandidaten:
Andreas »Reisenotizen aus der Realität«: Wegen der dollen Schreibe, der exzellenten Photos, dem wunderschön unterschnitten zuckerglasierten Menschenhass, wegen der Pflanzen und Hasen, wegen der Buchemmesse-, Bachmannwettlesen- und Schokotest-Berichte.
Davids »Randnotizen«: Wegen der anbetungswürdigen Zeichen- und Photo-Kunst, der schönen Fundstellen mit gallopierendem Schwachsinn, und der ab und zu rausgelassenen wilden Prosasau, wenn David sich über etwas aufregt oder seinen Spott anbringt, und weil er dem besten Kastenkontent der Welt bringt.
Volkers »Randomnotes«: Weil er der einzige echte Gonzo- & Spider Jerusalem-Typ in meinem Umfeld ist, weil er wunderbar über den Kampf gegen die Süchte schreibt, weil er dolle Spielerezis schreibt und weil er wunderbar ätzend gegen die Dummen und Wohlbehüteten anstänkern kann.
Olis »Film- & Buch-Blog«: Weil er einen seeeehr guten Phantastik-Geschmack hat (auch wenn ich auf dem Auge für die von Oli so geliebten Bollywood-Kino bisher größtenteils blind bin), weil er mich immer wieder auf gute Bücher aufmerksam macht (und er dabei z.B. ein Herz für Kurzgeschichten-Bände zeigt), weil keiner so wie er die Geduld aufbringt um verschiedene Versionen eines Films miteinander zu vergleichen, und weil er einen Seitenstandanzeiger bei seinen derzeitigen Lektüren hat.
Hannes »Otherland-Blog«: Weil er nun endlich wieder bloggt und mich damit an seiner Lesewelt teilhaben läßt, denn Hannes hat einen richtig guten Genre-Geschmack und hadert entsprechend unterhaltsam öffentlich mit dem Grabbelkram auf dem Phantastikmarkt und gibt Hinweise auf beachtenswerte Gemmen.
Eintrag No. 143 – Meine Amazon-Wertung und Rezi zu dem Buch »Blogs! – Text und Form im Internet«.
Fünf Sterne für Kai Pahl und Don Alphonso und den Verlag Schwarzkopf und Schwarzkopf.
•••
Ein dickes tolles Buch haben Alphonso und Pahl da zusammengestellt. Grob bietet es zweierlei: Information und Anthologie und das nicht zu knapp, sondern mit einer durchgehenden vierfarbigen Fülle, so daß ich nach meiner ersten Lese-Session mit dem Augenweiden-Ideengewimmel-Buch angenehm satt war.
Die Blogosphäre – also die sehr heterogene Gemeinschaft der Blog-Autoren und Autorinnen – trägt ja bisweilen heftige Profilierungsstreitigkeiten aus ... »Blogs! - Text und Form im Internet« bietet da einen erfrischenden Überblick auf dem nicht-digitablen Träger Papier, quasi auf einem Analogbildschrim. Zum Fenster raus sind da die interaktiven Elemente und informations- und interaktionsbetonte Blogs machen in so einer Sammlung wenig Sinn. Das mag man als Manko ankreiden, aber die Herausgeber machen ja fairerweise auch kein Geheimnis daraus, daß die Auswahl der 18 deutschsprachigen Blogs eben eine subjektive Zusammenstellung der Herren Pahl und Alphonso ist. Genießen lassen sich also vielmehr: Texte, Gedanken, Ideen, Bilder, gestaltet getreu dem Netzauftritt der einzelnen Blogs. Jedes Blog wird abgeschlossen mit den Antworten der Autoren und Autorinnen auf die Fragen: was der erste Anreiz zum bloggen war; warum man heute bloggt; was die eigenen Texte darstellen; wie sie zur Anonymität oder Offenheit des bloggens stehen; was ihnen die eigenen Leser bedeuten; warum man Kommentare zuläßt; was Blogs im Gegensatz zu anderen Medien bieten.
Obwohl die 18 vorgestellten Blogs sehr unterschiedlich sind, macht das Buch neugierig auf mehr ... neugierig auf mehr Texte und Einträge des ein oder anderen Blogs der Auswahl ... neugierig auf die Möglichkeiten von Blog-Literatur überhaupt ... (oder sollte man von Blog-Kunst, Blog-Pop oder eben der Blogosphäre sprechen?).
Der Infoteil bietet hilfreiche Handreichungen für jeden, der selbst versuchen möchte ein Blog zu machen ... aber auch Stoff für Auseinandersetzung, zum Beispeil mit den 12 Thesen von Don Alphonso »...warum Blogs den Journalismus aufmischen werden«.
Also, wer es als Leser von Anthologien auf Füllhornqualität abgesehen hat, wird diesen dicken, bunten, wirren, sensiblen, arroganten, lakonischen und vor allem facettenreichen Ziegel mögen.
Reinzend wäre es, wenn dieses Buch als Pionier eine (oder verschiedene) jährliche Blogs!-Anthologie(n) anregt. Wie auch immer: die junge Literaturform gibt mit »Blogs!« eine würdige und gloriose Vorstellung auf der hiesigen Printbühne.