molochronik

Hans-Peter Siebenhaar: »Die Nimmersatten – Die Wahrheit über das System ARD & ZDF«, oder: Aus der Kirche kannste austreten, aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht.

So sehr ich dem Autor auf fast jeder Seite zustimme bei seiner Abrechnung mit dem degenerierten System der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands, muss ich leider gestehen, dass sein Buch auf mich den Eindruck macht, kaum mehr als ein schneller Rundgang durch die vielfältigen empörenden Probleme der ›Nimmersatten‹ zu sein. Das kreide ich dem Autoren nicht an, sondern glaube, dass dies der Größe des Themas bei begrenztem Umfang des Buches (240 Seiten) geschuldet ist. — Anders gewendet: kompakter, gut zu lesender Überblick darüber, dass etwas schwer nicht stimmt bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Es gibt nun mal so viel galoppierenden Schwachsinn bei den Öffentlich-Rechtlichen, dass Siebenhaar auf kaum mehr eingehen kann, als die logistischen, finanziellen und politischen Missstände. Was leider weitestgehend fehlt, sind Wortmeldungen oder kritisches Abklopfen, wie bei ARD und ZDF Programminhalte und -entscheidungen versemmelt werden (und warum das Programm so schlecht ist; wie Drehbücher verpfuscht werden; warum Gemmen im Spätprogramm versauern).

Aber die Lektüre der Generalkritik lohnt sich, und zusammengedampft und um eigene Gedanken ergänzt klaube ich folgende Kernforderungen und Reformvorschlägen heraus:

  • Bevölkerung wendet sich vom ÖR-System ab, vor allem jüngere Zuschauer bleiben fern (Es gilt bei ARD und ZDF schon als sportliches Ziel, den Altersdurchschnitt der Zuschauer auf 60 {sic!} zu senken). Wie auch die Politiker-Kaste haben sich die Macher & Mitarbeiter der Öffentlich-Rechtlichen von den Lebenswelten der Bevölkerungsmehrheit entfremdet. Ein bitterer Umstand, Wirtstier für einen Parasiten zu sein.
  • Da inzwischen die Rundfunkabgabe für jeden Haushalt einheitlich als Pflichtabgabe gilt, ist die ehemalige GEZ gesonderte Organisation nicht mehr notwendig. Als Rundfunksteuer kann diese Aufgabe das Finanzamt übernehmen.
  • Erstaunlich, dass die Landesmedienanstalten der Länder, zuständig für die Kontrolle der privaten Sender, ebenfalls von der Rundfunkgebühr finanziert werden. Zudem sollte eine Bundesmedienanstalt reichen. (Problem erinnert an die Kultusministerkonferenz und Bildungspolitik.)
  • ARD und ZDF betreiben einen undurchschaubaren Dschungel privatwirtschaftlicher Tochtergesellschaften. Größte Brocken sind hier Bavaria Studios und Studio Hamburg. — Mich stört zum einen, dass einige dieser privatwirtschaftlichen Vorstöße von Töchtergesellschaften in weiter Ferne zum eigentlich Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen agieren (Information, Bildung, Unterhaltung) & stattdessen die vom Gebührenzahler gestellten Mittel als quersubentionierendes oder gar spekulierendes Kapital verwenden (haarsträubendes Beispiel: ZDF beteiligt sich via ›ZDF Enterprises‹ und ›Mainstream Media Aktiengesellschaft‹ an ›Romance TV Polska‹).
  • Öffentlich-Rechtliche sollten sich auf Qualität und gesellschaftlichen Nutzen, sowie Unterhaltungsformate konzentrieren, die sich vom stromlinienförmigen Populärmarkt abheben. Damit meine ich nicht nur gut ›klassisch‹ Bildungsbürgerliches sondern auch das, was da inzwischen dazugehört: anspruchsvolle Genre-Ware. In den Siebzigern und Achtzigern konnten die das noch! — Man stelle sich z.B. vor, welch großartiger, wirkungsvoller investigativer, kritischer Journalismus bei der ARD möglich wäre, gäbe man deren Reportern ein Budget in der Höhe der derzeitigen jährlichen Lizenzkosten für Fußballbundesliga (420 Millionen €, macht ca. 8,07 Millionen € pro samstaglicher »Sportschau«).
  • Kompletter Verzicht auf Werbung. Wer wie ich jeden Tag auf der Arbeit beim Hören von HR3-Radio mit jeder ›Mömax‹-Werbung an den Rand eines Amoklaufs getrieben wird, versteht wohl, welch einzigartiges Alleinstellungs- und Qualitätsmerkmal dies im Vergleich zu den Privatsendern wäre.
  • Öffentlich-Rechtliche müssen aus ihrer Abhängigkeit von und Gängelung durch die Politik befreit werden. Statt nach Parteiengefälligkeit gehören Kontroll- und Aufsichtsratsgremien mit unabhängigen Personen besetzt. Auch ist nötig, die eigentlichen Geldgeber (= Gebührenzahler) gegenüber den Sendeanstalten in eine kontrollierende Machtposition zu versetzten (Vorstellbar ist ein von der Hauptversammlung der Gebührenzahler eingesetzter Aufsichtsrat). — Transparenz und Auskunftsrecht müssen dringend ermöglicht werden (Schaffung eines mit richterlichen Befugnissen ausgestatteten Ombudsmannes der Zuschauerinteressen vertritt wäre löblich).

Kleines Extralob gebührt Siebenhaars Augenmerk für die Lokalitäten, an denen sich Entscheider, Beweger und Schüttler der Öffentlich-Rechtlichen zum Plausch und Stelldichein verkehren, und was da so gereicht wird. Teure Hotels, Restaurants, Hinterzimmer, Sekt, edle Häppchen.

Gelesen als eBook. Vier von fünf zornesroten Goodreads-Sternchen.

ZUCKERL:

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Siebenhaar, Hans-Peter: »Die Nimmersatten – Die Wahrheit über das System ARD & ZDF«: Acht Kapitel auf 240 Seiten; e-Book; Eichborn Verlag, 2012; ISBN: 978-3-8387-2027-2. Auch als Taschenbuch erhältlich. ISBN: 978-3-8479-0518-9.

Molo kommentiert Finale der Eurovision 2013. Malmö. #esc

Hatte am Samstag Arbeit und mir deshalb erst am Sonntag die Eurovision-Beiträge via YouTube anguggen & auf Twitter kommentieren können. Hier mein gesammelter Senf.

  1. Frankreich: Morphing-Mitte zwischen Tina Turner & Barbara Streisand. Mitstampf-Klage, vermutlich (kein kein Französisch).

  2. Lithauen: Och ist der süüüß. Holt der schon Stöckchen? Kann’er Männchen machen?

  3. Moldavien: Lavakönigin mit Sahnetopping liefert brauchbaren Galaauftritt ab.

  4. Finnland: Lollipop-Chainsaw CosPlay ohne Kettensäge?! Geh mir fort!

  5. Spanien: Trotz sehr feinem Gaita-Tröten sowas von harmlos. Putze Fingernägel.

  6. Belgien: Brautloser Sänger dem zwei Hupfdohlen aus Palmers »Addicted To Love«-Video zugelaufen sind.

  7. Estland: Haben vergessen, die Farb-TV-Gebühr komplett zu zahlen. Bisher domierten die biederen.

  8. Belarus: Das Zeug auf den Beinen der Trällermaus ist sicher auch gut für Edelholz- & Lederpflege.

  9. Malta: Soll das ein Song sein oder ein Pitch für eine freundliche Vorabendserie über Social Media-Nutzer?

  10. Russland: Ach diese Tartarinnen die ›bauwer‹ statt ›power‹ singen.—Kein Kaviar mehr im Kühlschrank. Argh! Grumpf!

  11. Deutschland: Wiederhole; Puntschkrapfen-Umpfta-Pop von der Stange (nach der Mode des vergangenen Jahres).

  12. Armenien: LeZepp & Black Sabbath als Inspiration? Wenigstens gibts mal eGitarren. Männer-Duschgelwerbung-tauglich.

  13. Niederlande: Erster Sympathie-Bonus von mir für gnadenloses Moll & vom Dach purzelnde toooote Vögel. Ich freu mich!

  14. Rumänien: Als Ming der Grausame noch Haare hatte! Der Schmerz! Bleib mir weg mit dem Gom-Jabbar!

  15. England: Bonnie Tyler liefert unvermeidliche Hausfrauen-Ballade. Gott ist das öde & fad & unendlich langweilig.

  16. Schweden: Der Junge mit der Ereaserhead-Frisur hat seine Mutti verloren & will aus dem Jodelparadies abgeholt werden!

  17. Ungarn: Mitleid überflutet mein kleines karges Gemüt. In Ungarn Herzeige-Nerd sein ist wohl echt hart.

  18. Dänemark: Diese Flöte hat nur eine Melodie. Der Rest ist auch von exquisit weichgebügelter Monothonie.

  19. Island: Oh, der Labrador kann auch singen. Diese Hundepreisschauen werden immer raffinierter.

  20. Azerbajian: Unterm Strich schmerzen orientalische Schwiegermütter-Träume mich nicht so sehr wie die westlichen.

  21. Griechenland: Ne Niedersauffhymne mit trad. Akkustikinstrumenten & SkaRhythmus. Gebongt!

  22. Ukraine: Hodor! Boah. Das ist die fröhlichste Nihilisten-Hymne, die ich seit langem gehört habe.

  23. Italien: Na, dieser gutangezogene, geschmackvolle Schmachtfetzen hat wenigstens mal Hand & Fuß. Trotzdem: ital. Robbie-Williams-Klon

  24. Norwegen: Wenigstens EIN Titel mit fett Elektromukke, wenn auch das Lied selbst mega-mäh ist.

  25. Georgien: Liefern diesmal den Albano & Romina Power-Tribute. Alarmsirenen-Idyllik, bäh!

  26. Irland: Man merkt, daß die Iren richtig gut Übung haben im planlos peinlich sein.

Unser Song für Malmö

Superaktuell mit ein paar Tagen Verspätung hier mein Schnelldurchlauf der Teilnehmer des Vorentscheides zum diesjährigen Eurovisions-Wettbewerb. — Ursprünglich pro Song als Einzelzwitscher in meinem Twitter-Kanal abgesetzt. — Sortiert in der Reihenfolge der Endwerdung. Tippfehler-Bereinigt (hoffentlich alle gfenuedn.)

Cascada: Puntschkrapfen-Umpfta-Pop von der Stange (nach der Mode des vergangenen Jahres).

LaBrass Banda: Blechbläser-Sca von den Wohlfühlbayern. Schlechte Intonation, dafür voll Red Bull mit Weizen-kompatibel.

Söhne Mannheims: Leerer Poser-Pop, so über-cool, dass die Seelenlosigkeit als Eis-Skulptur geschnitzt werden könnte.

Saint Lu: Aus einer Kneipe, wo die spielen, würd ich nicht fliehen … trotz der Möchtegern-Antastasia-Knödelei. {NonTweet-Ergänz: Also, die hätten meine 12 Punkte bekommen. (Lessest of twelve evils)}

Nica & Joe: Albano & Romina-Power Mk. 2 Reloaded als überschwerer Floskel-Cluster der droht, zu einem schwarzem Loch zu implodieren.

Blitzkids: Angriff der nostalgisch-depressiven Elektropop-Romulaner mit Mirrorball-Fell tragender Kampfbarbie.

Ben Ivory: Depri-Gegreine (verkrampfter männlicher Gaga-Refflex) getarnt als Roboter-Popper Abzählreim-Elektropop.

Betty Dietrich: Werbejingle-taugliches Retro-Trällerchen mit (Achtung: Originalitäts- & Individualitäts-Alarm!) Ukulele.

Finn Martin: VHS-Trommelgruppe übt für mögliches Aid-für-Jeansjacken-Konzert.

Die Priester: Wer so was für den Bewerb zulässt, braucht sich nicht wundern, wenn kurz darauf irgendwo auf der Welt Meteore runterknallen.

Mobilée: Scheitert am musikalischen Grundmissverständnis, man bräuchte beim (in diesem Fall Rock)Rezitativ keine Noten zu treffen.

Mia Diekow: Viel zu unautentisch-verkopft für Gutelaune-Pettycoat-Liedchen (»Skrupel« im Refrain, sag ich nur).

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