molochronik
Donnerstag, 7. September 2006

Über fiktive Namen

(Eintrag No. 288: Woanders, Alltag) — Für alle, die sich schon immer fragten, woher ich meinen Nickname ›molososvksy‹ hab. Im Forum von SF-Netzwerk hab ich das Geheimnis gelüftet.

Musiktips für Cynx

(Eintrag No. 287; Alltag, Musik) — Über musik schreib ich bisher wenig. Freu mich deshalb, daß Cynx das Afro Celtic Sound Project in seinem blog empfiehlt. Hab gleich mal entsprechende weitere gute mukke empfohlen dort. Wer also neugierig ist, wie das klingt, wenn orient und okzident sich musikalisch treffen, klickt hier.

Dienstag, 29. August 2006

Endlich ist Schickelgruber weg von Platz eins…

…meiner Most Read-Liste. (Eintrag No. 286; Alltag) — Alle Blogger sind wohl mit einer zu guten Portion Eitelkeit geschlagen. So auch ich. So ungefähr-spätestens einmal die Woche guck ich nach, was die am meisten gelesenen Einträge hier sind. Laaaange Zeit führte ein Bericht über die »Endstufe«-Lesung und das Geschnatter der alertophilen Drittreichs-Fetischisten. Heut seh ich, daß ein anderer Beitrag (Übersicht SF-Filmberwertungen) auf Platz eins vorgerückt ist. Endlich.

Da fällt mir auf: hab die Überschreitung der 1000-Leser gar nicht vermeldet. Sowas aber auch.

Unentbehrliche morgendliche Tollschocks

(Eintrag No. 285; Woanders, Gesellschaft) — Mein Hauptleseterrain ist Phantastik. Eine der Ausformungen derselben, die man nur selten als Phantastik wahrnimmt ist politisches Gerede. Fragen wie »Wo kommen wir her?«, »Wie ist die Lage?«, »Was sind die dringenden Dinge, was die entbehrlichen?«, »Wie hängen diese und jene Dinge zusammen?« und »Wo wollen wir hin?« bis hin natürlich zum allgemeinen »Warum ich?« gelten zwar bei vielen als nüchterne Themen, dabei übersieht man doch gerne, daß all solche Fragen grundsätzlich im phantastischen Modus beantwortet werden. »Siehst Du dort die neue schöne Welt, die gerechte und freie Zukuft?« — So in etwa.

Albrecht Müller hat in den letzten Jahren mit »Die Reformlüge« und »Machtwahn« zwei Bestseller über die propagandistische, oder schlicht dumme Chicago-Boys-Phantasmagorie-Melange in den Hirnen und Herzen der deutschen Politik geschrieben. »Reformlüge« hab ich gelesen (gibts als leistbares Taschenbuch): kurz gesagt beschreibt es die allgemeine mediale und informative Panik- und Desinformations-Front, mit der die Bevölkerung knetbar-angstweich gemacht werden soll, für die Gestaltungsabsichten der New World-Pfadfinder (die Obergänserichen wie Carl Schmidt, Hayek und Friedman hinterherwatscheln).

Vor ein paar Wochen habe ich die <a href="www.nachdenkseiten.de" target"=_blank">Nachdenkseiten von Albrecht Müller (und Team) entdeckt. Eine sehr feine und nützliche Einrichtung. Hier gibts Montag bis Freitag die dicksten Hämmer der schiefen Kopfverdrehargumente kritisch kommentiert aufbereitet. Bisher die zentralste Übersichts- und Nachlessammelstelle im deutschen Netz, wenn man z.B. unheimlichen Macht-Monstern wie der Krake Bertelsmann auf die Pseudopodien gucken will.

Dienstag, 22. August 2006

Exemplarisch unterlassene Spoilerwarnung!

(Alltag) — Blätter nichts Böses ahnend in der »F.A.Z.« und was macht Felicitas von Lovenberg? Spoilt ohne zu warnen über die bald auf DVD bei uns zu habende letzte (5.) Staffel von »Six Feet Under«. Trascht raus, welche dicken Hämmer diesmal über die Bühne gehen. Hemmungslos. Weiß nicht mal die einfachsten Forums- und Blog-Höflichkeiten in einem gedruckten Elite-Glosar zu pflegen. Schockierend das.

Felicitas – setzten! Schämen! Bessern! (Warum muß ich an die kleine grüne Elfe vom Beginn des CGI-Kurzfilms »Shreck 3-D« denken?)

Nachtrag vom Donnerstag, den 24. August 2006: Wie erklär ich mir das (denn nur)? Möglichkeit A) Felicitas konnte vor lauter SFU-Begeisterung nicht an sich halten und mußte raushängen lassen, daß SIE die 5, Staffel schon gesehen hat. Möglichkeit B) Uns Deutschen darf die Serie mit ihren wilden Plotwendungen nicht übermäßig gigantisch ins Gemüth gewittern, weshalb Frankieboy der Filli die freimaurerische Psychohygieneweisung gab, daß sie (die Filli) halt mit Spoilern vorbeugen soll. Zumindest die »F.A.Z«-Stammleserschaft ist nun gefeit und weiß also, ab welcher Folge die Großpackung Taschentücher bereitzuliegen hat.

Montag, 14. August 2006

Begrüßenswerter Beschleunigungswahn

(Alltag, Wartung im größerem technischen Sinne)Andrea ist nun mit Raketenrucksack ausgestattet und ich häng an der Gürtelschnalle mit drann.

Das ist eine tolle Nachricht für Molochronik-Leser (und für mich Molochronik-Macher erst recht), denn die lahme Erneuerungspraxis hier beruht zu einem nicht geringem Teil auf meiner bisherigen 54k-Schneckentempo-Leitung ins Netzel. Jetzt flitzten hier ich weißnicht wieviele Bitse und Bytse durch die Kabel … mehr als bisher. Das macht nun vieles leichter und weniger stressig.

Foren-Freunde und Bekannte beware! Werde wohl durch diese segensreiche Stand-Breit-Leitungshaftigkeit des neuen Anschlusses nun noch mehr Stuss in den von mir heimgesuchten Gefilden der Community absondern.

Sonntag, 13. August 2006
Dienstag, 25. Juli 2006

Sie tun es wieder

(Ankündigung) — Beste Nachrichten über ein kommendes neues Projekt von Godfrey Reggio und Philip Glass:

SAVAGE GARDEN / HOLY SMOKE

Thema –MUS Der Gegenstand des Filmes ist mehr wirklich denn wahr: die -ismen in uns allen. Das Thema leuchtet in jedermanns Augen, Ergebnis der sorgfältig gezielten Medien-Projektile. ISMEN- die Fehlwahrnehmung, daß ein Glaube, eine Wahrheit, ein Weg die ganze Menschheit beherrschen sollte. Die Verlockung der –ISMEN, der Sirenengesang der Gewissheit, konvertiert Ideen in Ideologien, Versprechen in Versklavung, Geschichte ins Schicksal; treibt einen Keil zwischen den Einzelnen und die Realität. Religiöse, nationale, revolutionäre, utopische und technologische –ismen tragen Dein und mein Gesicht als Masken für die Öffentlichkeit. In einem Wilden Eden das brennt, hat der cybernetische Primat eine markante Wahl: umarme die Flame der –ismen, oder fliehe frei vor deren blendenden Licht.
Donnerstag, 6. Juli 2006

Vladimir Sorokin: »Ljod. Das Eis«, oder: Herzen mit dem Eishammer aufklopfen

Eintrag No. 279 — Vladimir Sorokin (1955) war vor fast 20 Jahren für mich als Teen einer der ersten modernen, gesellschaftskritischen Gegenwartsautoren, die ich als Ergänzung und als Abwechslung zu meinen geliebten Phantastik-Lektüren entdeckt habe. Damals beeindruckten mich seine Romane »Die Schlange« und »Marinas dreissigste Liebe«, in denen Sorokin vom Moskauer Alltags-Wahnsinn der Perestoika-UdSSR erzählte. »Die Schlange« (1985, dt. 1990) schilderte ›in Echtzeit‹ (und konsequent mit weißen Seiten bei Bewußtlosigkeit der Hauptfigur) und sehr dramamäßig (nur mit direkter Rede) die abstrusen Ereignisse in einer der aberwitzig langen Warteschlangen vor einem Moskauer Lebensmittelgeschäft. Sorokin war von Beginn seiner Schriftstellerlaufbahn an in seiner Heimat ein umstrittener Autor, dem z.B. von putintreuen Jugendorganisationen vorgworfen wird, ein obzöner, lästerlicher und moralzersetzender Autor zu sein. Der Schriftsteller als Nestbeschmutzer und peinigender Satiriker … was dabei herauskommt, wenn so einer Phantastik aufführt, konnte man schon in Sorokins burlesker Klon-Farce »Der himmelblaue Speck« (1999, dt. 2000) bestaunen.

Für »Ljod. Das Eis« hat sich Sorokin eine bitterböse Parabel über Auserwähltheitswahn, unheimliche Untergrundsekten und lichtmystische Heilsutopien ausgedacht. Kein Tüdelkram, sondern ein richtiggehend fieses Buch für Leser mit starken Nerven und strapazierfähigen Geschmacks-Knospen (sowohl was Schilderungen, als auch was Ideen betrifft). Die ideologie-krtische Heftigkeit ist für manche Leser sicherlich zu doll; die ein oder andere Gewalt- bzw. Sex-Szene zu unerträglich; die pathetisch-übertriebene Bloßstellung von mythischem Mumbojumbo zu ätzend. Zarte Gemüter sind hiermit ausdrücklich gewarnt! »Ljod. Das Eis« liefert keine Entspannungsphantastik, sondern trachtet danach, dem Leser den Teppich der Gewißheiten unter den Füßen wegzuziehen. Passenderweise ist dem Buch ein Motto aus dem Buch Hiob vorangestellt.

Der erste von vier Teilen (21. Kapitel auf ca. 170 Seiten) ist ziemlich ›filmisch‹ und wechselt munter zwischen mehreren Handlungssträngen. Angesiedelt in einem Datums-technisch nicht näher bestimmten Gegenwartsmoskau, werden hier die ersten Tage-des-Übergangs im Leben von drei jüngst Initiierten ausgebreitet. Die Sprache ist knapp, oft protokollarisch, das beobachtende Auge unsentimental. Der Anfang liefert ein markantes Sound-Beispiel:

23:42 Mytischtschi bei Moskau, Silikatnaja uliza 4, Gebäude II. Neues Lagerhaus der Moskauer Telefongesellschaft Mosobtelefontrest.
Ein dunkelblauer Geländewagen, Marke Lincoln Navigator, fuhr ein. Stoppte. Im Scheinwerferlicht zu sehen: Betonfußboden, Ziegelwände, Trafokästen, Rollen mit Erdkabel, ein Dieselkompressor, Zementsäcke, ein Bitumenfass, eine zerbrochene Tragbahre, drei leere Milchtüten, ein Brecheisen, Zigarettenkippen, eine tote Ratte, zwei eingetrocknete Kothaufen.

Fünf Männer steigen aus dem Wagen. Zwei von ihnen werden einem buchstäblich schlagkräftigen Test unterzogen: mit einem großen Hammer dessen Schlagkopf aus Eis ist, haut man den beiden Entführten auf die Brust. Der Ältere entpuppt sich als ›hohl‹ und erliegt der Tortur. Ser Jüngere — Lapin, ein slacker-artiger Student, Internet- und Filmfreak — überlebt, denn sein Herz antwortet, wurde vom magischen Eishammer aufgeklopft. Nach der brutalen Aufnahme kümmern sich die Eis-Auserwählten um ihren ›Bruder Ural‹ (wie in so mancher Sekte pflegt man untereinander Ordensnamen). Noch zwei weitere Frischlinge des Eises begleitet der erste Teil: eine junge Frau zwischen Disko, WG und Hurerei; und einen ›modernen Geschäftsmann‹ zwischen Paranoia und Pragmatismus.

Teil zwei (ca. 40 abschnitte, ca. 150 s.) bietet die ich-erzählerische Lebenserinnerungs-Rückblende einer heute alten Frau. Sie erzählt von ihrer Kindheit auf dem Land, von deutschen WW II-Besatzern, ihrer Eishammer-Initiation durch einen SS-Offizier, ihrer Lehre in der Sprache des Herzens, bis zu ihren andauernden Missionen im Namen des Eises. — Hier erfährt der Leser nun mehr über die geheimnisvolle Sekte der Eishammerklopfer. Ein sagenhafter Brocken des jungen 20. Jahrhunderts darf die Quelle des magischen Eises spielen: der sibirische Tunguska-Meteorit. Er ist das heilige Zentrum einer weltumspannenden Jagd und Suche nach den wenigen reinen Herzen, die, wenn sie erstmal alle beieinander sind, kosmische Wunden zu heilen beabsichtigen. Für die Ottonormalsterblichen freilich wäre diese Heilung kaum zu unterscheiden von einem Weltuntergang.

Teil drei beginnt mit einer Gebrausanleitung und läßt auf ca. 30 seiten sechzehn unterschiedlichste Personen zu Wort kommen. Ein verwirrendes Panoptikum vom Filmregisseur, Duma-Abgeordneten, Renter, über einen Arbeitslosen, einen Studenten, einen Anarchisten bis hin zu einem Priester, einer Verkäuferin und einem Webdesigner gehts einmal quer durch die Mileus. Diese Leute babbeln wie ihnen der Schnabel gewachsen ist drauf los, und wer Auslandsnachrichten und Reportagen über das heutige Rußland (bzw. die Ex-UdSSR) auch nur oberflächlich verfolgt, kann wie ich vielleicht ebenfalls schmunzeln über diese O-Ton-Kolportage. Wie ein guter Kabarettist (oder unbestechlich gewitzte Moral-Fackeln wie Karl Kraus) führt Sorokin hier vor, und zwar — trotz all des durchaus ernsten Engagements — köstlich, wie ich finde.

Der vierte Teil mit seinen nur 5 Seiten mag einem einleuchten oder auch nicht. — Ich finde es aufregend, wie Sorokin hier ganz zart mit einem unschuldig vor sich hinspielenden Kind einen schaurigen Blick in Abgründe inszeniert. Beim ersten Fertiglesen dachte ich mir nach diesem vierten Teil spontan: »Jau, das ist fetzige Kunst«, — auch wenn das so hingeschrieben nun ein bischen überzogen klingt. Die Art wie »Ljod. Das Eis« mich beunruhigt, empfinde ich als spannend, deftig und nährstoffreich.

Nur ein paar Mal waren mir Handlungsverlauf, Milieuschilderung und Tonfall zu rotzig-gallig. Spannend geschrieben sind vor allem Teil eins und zwei. Mit den kürzeren Teilen drei und vier haut Sorokin dem unbedarften Leser mächtig auf'n Dötz. Ich mag solche durchaus gröberen Dimensionssprünge zwischen verschiedenen Stilen, Betrachtungswinkeln und Erzählhaltungen. Sorokin ist halt ein talentierter Stimmenimitator, und warum sollte so einer gemäß altbewährter Achterbahnroutinen seine Plot-Linien oder Roman-Strukturen absolvieren, wo dies doch bei vorsichtigeren (oder lahmeren) Autoren mit weniger artistischen Mumm eh Gäng und Gebe ist? — So kann man als Leser sein Vergnügen daraus ziehen, die vier eigenständig-unterschiedlichen Teile selber zu einem großen Bild zusammen zu setzten.

Wer zudem Sympathie für künstlerisch-unterhaltsame Querulanten erübrigt, oder ebenfalls immer neugierig auf Darstellungen ›des Bösen‹ (bzw. entsprechend kontrastierend: ›des Heiligen‹) ist, hat eine gute Chance, mit »Ljod. Das Eis« gewinnbringend zurechtzukommen.

•••

Vladimir Sorokin: »Ljod. Das Eis«; (Ersterscheinungs-Jahr des Originals 2002); Berlin Verlag (gebundene Ausgabe, 2003), BTB (Taschenbuchausgabe 2003); Übersetzt von Andreas Tretner; ca. 352 Seiten.
Sie sind nicht angemeldet