molochronik
Sonntag, 24. Oktober 2004
Freitag, 22. Oktober 2004

Molosovsky … bisweilen ein Reflex-Depp

(Woanders, Literatur)Frau Jelinek hat den Literaturnobelpreis 2004 zugesprochen bekommen und im deutschsprachigen Raum rappelt es nun gehörig … viele sind enttäuscht, einige sogar vor den Kopf gestoßen … die Jelinek ist doof-Kritiker stehen jetzt als Banausen da (berechtigt) und giften entsprechend (unberechtigt) … nur ganz wenige haben sich öffentlich narrisch gefreut, über die Anerkennung einer unbequeme Literatur schreibenden Kollegin bzw. Autorin.

Eigentlich habe ich zu der Angelegenheit kein Mandat, denn außer einer gewissen Sympathie aus der Ferne und dem Vorsatz, mal was von Frau Jelinek zu lesen, kenne ich weder Bücher noch Theaterstücke von ihr. Halt. Nein. Moment. Stimmt gar nicht. Als Phantastik-Freund habe ich ihren Text über die »Alien«-Filme gelesen, und nach neuer Spartenlehre würde man diesen Text womöglich unter Gender Studies einordnen. Ein guter Text, der sich eben der Filme annimmt, statt nur (wie sonst unter Lüteratön oft anzutreffen) auf ihn hinabzublicken.

Nun habe ich aber eine gewisse ablehnende Haltung gegenüber allen Auszeichnungen und gegenüber dem Nobelpreis erst recht. Das ist weniger begründete Meinungsäußerung, sondern wahrscheinlich Ergebnis der Tatsache, daß ich als Jugendlicher sehr früh über Arno Schmidt gestolpert bin, und einiger seiner harschen Äußerungen immer noch auffällig unreflektiert in meinen Gehirnrillen bappen.

Entsprechend lapsig fiel mein Beitrag in Hellas Höherenwelten aus, in dem ich mein d'accord zu einem Beitrag des Kollegen David von den Randnotizen zum Ausdruck bringe. Inzwischen habe ich auch Hellas komentierte Collage wüster Schimpfereien über Frau Jelinek und die Nobelpreisverleiher gelesen und finde mich wieder an der Grenze zum Schamrote Backen-Land. Kann ich nur sagen, daß der Literatur-Nobelpreis 2004 in zweifacher Hinsicht doch seinen Wert hat: • privat, weil ich nun einen Anlass habe, in Bälde ein Buch von Frau Jelinek azugehen – Wer hat einen guten Fang mit dem Buch an-Tip für mich? Gibts phantastisches von ihr? • und überhaupt, kann man dem Scheuklappen-Mob sowohl auf Publikums- wie Literaturbetriebs-Seite kaum eleganter eins reinwürgen und deren Arroganz abwürgen, als wenn man die auszeichnet, die sie nicht mögen.

Schreiben, Genre und das romantische Ideal von der Einzigartigkeit

Eintrag No. 152 – Im Forum von SF-Netzwerk wird ein exemplarischer Text (von Mofou bei leselupe.de), der den romantischen Verklärungen vom Schreiben als Suche nach Einzigartigkeit anhängt, diskutiert. Das stehen solche schwammigen Sätze drinn wie:

Schreiben wäre der Zirkelschlag vom vergessenen zum gegenwärtigen Augenblick, ein von innen nach außen gekehrter Moment: Die durch Sprache transportierte Innerlichkeit gewinnt Konturen.

… Wer Wegweiser sucht, glaubt, der Wind ließe sich die Richtung weisen. Das Paradox der notwendigen Regel besteht darin, dass der, der aus der Flut des Geplappers auftaucht, sie bricht. Erzählen gewinnt im Regelbruch seine Nachdrücklichkeit. Sagen wir ruhig: seine Magie.

…Literatur verweigert Plausibilität …

Und so weiter. Hier zu meiner Erwiderung.

Und hier eine wirklich gute Einführung zur Genre-Theorie von Daniel Chandler (walisischer Semiotiker), den ich für wertvoller halte.

Montag, 18. Oktober 2004

Blog-Virus Mission: Seite Dreiundzwanzig

(Alltag, Literatur) – Das Rätselspiel ist schon lange verbreitet im WWW, und wegen der Fixierung auf 23 und 5 vermute ich mal, daß es aus den Gefilden von Illuminatus!-Babys kommt. Zum ersten Mal ne Antwort geahnt habe ich hier bei editorialnotes von Thomas J.

Die Regeln: 1. Schnapp Dir das im Augenblick nächstgelegene Buch. 2. Blättere auf Seite 23. 3. Suche den fünften Satz heraus. 4. Poste den Satz und diese Regeln in Deinem Blog.

Mein Rätsel-Satz lautet:

Und es ist gewiß – und wird besonders klar, wenn wir unser Augenmerk auf die Kunst lenken –, daß mit dem Erscheinen neuer Werte und mit der feineren Ausgestaltung des Denk, - Empfindungs- und Ausdrucksvermögens manche älteren Werte verschwinden.
Kleiner Tip: es ist ein oranges Taschenbuch. So. Nun ratet mal schön.
Sonntag, 17. Oktober 2004

Doppler-Effekt und Phantastik

Eintrag No. 150 – 1842 hat der österreichische Physiker Christian Johann Doppler den Tonhöhenwechsel bewegter Schallquellen erklärt.

Dopplereffekt, akkustisch34

Der französische Physiker Armand Fizeau hat dann 1848 darauf hingewiesen, daß so eine Verschiebung auch bei den Spraktrallinien von Lichtwellen vorkommt. Stammen die Lichtwellen von einer sich vom Beobachter entfernenden Lichtquelle, werden sie gedehnt (Rotverschiedung), und entsprechend bei sich dem Beobachter nähernden Lichtquellen gestaucht (Violettverschiebung).

Solche harten wissenschaftlichen Erklärungen und Modelle von physikalischen Phänomenen übertrage ich gerne auf Gebiete der Kunst und Kultur. Zum Beispiel die fiktionale Literatur {also alle ausgedachte Geschichten, Romane, Erzählungen, Epen ect.} ist da erstmal der Schall, oder das Licht, und wirkt komprimiert oder ausgewalzt, je nachdem ob sie sich auf den Leser zubewegt oder sich von ihm entfernt. ––– Dabei gibt es immer noch genug Bestandteile von fiktionalen Texten, die man im Gedankenspiel durch die Doppler-Effekt-Brille betrachten kann …

  • sprachlich: harter oder fließender Rhythmus … harmonische oder disharmonische Melodik … einfacher oder erweiterter Wortschatz;
  • räumlich: Innenwelt oder Aussenwelt … verharrend oder reisend;
  • zeitlich: chronologisch oder durcheinander … Zeitlupe (ein Augenblick umfaßt zehn Seiten) oder Zeitraffer (zehn Jahre in zwei Absätzen);
  • psychohygienisch: herausfordernd oder entspannend … tröstend oder ängstigend … erziehend oder verführend; usw usf.

Mein liebstes Gedankenspiel ist derzeit folgender Übertragungsversuch des Doppler-Effektes:

Realistische Literatur ist vielleicht vergleichbar mit den ruhenden Licht- oder Schallquellen, deren jeweilige Wellen unverzerrt den Betrachter/Höhrer erreichen. Jede ausgedachte Geschichte ist ja in einer ausgedachten Welt angesiedelt und als realistisch bezeichnet man ausgedachte (fiktionale) Welten, die sich möglichst wenig von der faktischen Welt der Tatsachen unterscheiden.

Phantastische Literatur findet aber in ausgedachten Welten statt, die sich von der faktischen Wirklichkeit zum Teil erheblich unterscheiden. Wie aber soll hier ein Doppler-Effekt aussehen?

Eine Möglichkeiten skizziert Jürgen Mittelstrass in seinem Artikel »Sonderwelten und sonderbare Welten – Eine Kritik der virtuellen Vernunft« (NZZ vom 16. Oktober 2004) – Hervorgebungen von Molosovsky:

Alles Esoterische ist schliesslich Ausdruck von Weltflucht und des Unvermögens, sich mit dem, was ist, kritisch und produktiv auseinanderzusetzen. Die Flucht nach vorne, in Form von Science-Fiction, könnte dazu ebenso gehören wie die Flucht zurück, z. B. in die wiederentdeckten Mysterien des Mittelalters. Allerdings lässt sich hier auch ganz anders, nämlich gutwillig argumentieren: »Star Trek«, das ist die moderne Welt, wenn sie neugierig träumt, und Harry Potter, das ist der ewige Kampf des Guten gegen das Böse. Ausserdem bleibt die Welt, wie sie ist, immer die Folie, auf der sich andere Welten spiegeln: U.S.S. Enterprise hat ständig Probleme mit dem Antrieb, und in der Welt Harry Potters ist Fussball in der Muggelwelt ebenso beliebt wie Quidditch, der Sport der Zauberwelt, den man auf fliegenden Besen betreibt. Hier geht es nicht, wie in allem Esoterischen und Sektenhaften, um die Flucht aus der eigenen Identität, sondern um die spielerische, fabulierende Erweiterung einer Welt, in der sich neue Identitäten bilden. Das aber ist allemal die Leistung einer sehr weltlichen, diesseitigen Phantasie, einer Virtualität, die uns nicht vernichtet, sondern unsere Subjektivität atmet.

Ich gebe zu, daß ist alles ziemlich musenvolles Wischiwaschidenken, sowohl von Herrn Mittelstrass, als auch von mir. Mittelstrass versucht auf die Bedeutung von Vernunft auch für das Virtuelle hinzuweisen und schimpft ansonsten über Computerspinner und Modephilosophen, die von der Magie des Virtuellen faseln und dies offensichtlich nicht evangelisch-christlich genug tun für Mittelstrasses Geschmack.

Immerhin: Überraschend plausibel kann man die (entgegenkommende) auf den Leser zu- oder (ausweichende) vom Leser weg-Bewegung von Phantastik ganz platt beschreiben als triviale oder hermeneutische Verschiebung. Wobei ich trivial pfui und hermeneutisch huii nicht wertend verstanden haben möchte, sondern im Sinne von allgemein (allen Menschen im öffentlichen Raum) zugänglich und verschlüsselt, nur für Code-Initiierte verständlich. Hermeneutik ist in meiner Hau-Ruck-Ästheteik lediglich der antiquierte Ausdruck für Insider joke.

Freitag, 15. Oktober 2004

StadtLandMensch

(Grafimente) – Aus Hügeln geschnitz, auf Beton geschwitzt.

Stadt Land Mensch / Urbs Soil Humans

Urbs Soil Humans Carved out of hills, swetting down on concrete.

Shoggoth-Idylle (mit Hasen)

(Grafimente) – Herbst macht mich immer so zärtlich grausam. ••• Ich weiß, daß ich auf der Zeichnung selbst Shoggoth falsch geschrieben habe. •••

Shoggoth, Hare & Butterfly

Idyllic scene with Shoggoth Autumn is always changing me into a tenderly cruel person.

Auf besonderen Wunsch von thegrendel hier nun auch das Desktop Wallpaper.

shoggoth-idylle desktop wallpaper (image/jpeg, 265 KB)

Montag, 11. Oktober 2004

Neal Stephenson

(Grafimente, Portrait) – Der großartige Autor Neal Stephenson, dessen »Diamond Age« mich begeisterte und dessen »Baroque-Cycle« mich derzeit umhaut. Ärgerlich, daß in den Buchhandlungen Frankfurts der erste Band »Quicksilver« mit eiskalter Ignoranz in den Science-Fiction- und Fantasy-Ecken ausliegt. Naja, andererseits wird dann vielleicht der ein oder andere Science-Fiction-Leser sich mal einen Ausflug (eine Weltreise!) in die Gefilde des historischen Romans gönnen.

Und überhaupt lieber Heyne/Manhatten-Verlag: warum heißt es Quicksilver? … gerade mal zwei Buchstaben Übersetzungsarbeit, um den Roman eben Quecksilber zu benamsen.

Hintergrund basiert auf den Umschlagsgestaltungen (Randomhouse) der Baroque-Romane »Quicksilver«, »The Confusion« und »The System of the World«. Das Portrait zeichnete ich nach einem Photo aus Wired.

Neal Stephenson

The great Neal Stephenson. I loved »Diamond Age«. I currently enjoy his »Baroque-Cycle«. But I'm annoyed, that »Quicksilver« (the first part of the Baroque-Cycle) is placed in the SF & Fantasy section of Frankfurts bookstores … but, this might trick some SF geeks to travell the fields of historic novels.

The background is based on the covers of the Randomhouse edition of »Quicksilver«, »The Confusion« and »The System of the World«. The portrait is drawn after a photo in Wired.

Dienstag, 5. Oktober 2004

Helmut Krausser: »Die Wilden Hunde von Pompeii«

Eintrag No. 144 – Eine weitere Fünf-Sterne-Wertung von mir bei Amazon. Meckern geht mir zwar leichter von der Hand, aber ich achte darauf, mehr Ermunterndes denn Lästerndes zu verbreiten. Hier nun eine Extendet Version meiner Rezi.

•••

Hurrah, diesmal zaubert Helmut Krausser in Romanlänge auf der Phantastik-Bühne. Okey, Krausser verstand es schon immer zwischen scheinbar getrennten Welten zu wandern: Trash und Hochkultur, (Post)-Moderne und Altertum, engagierter Realismus und herzhafte Poesie, Zartes und Derbes.

»Ich will vor allem, daß sich jedes meiner Bücher von allen vorherigen völlig unterscheidet. 'Ein typischer Krausser' – ein Diktum, das ich hasse«,

… schrieb Helmut Krausser 1992 in seinem Mai-Tagebuch. Ich kann nicht anders und muß das Paradox mal klappern lassen: »Die Wilden Hunde von Pompeii« sind freilich ein typischer Krausser, eben weil es als neue bunte Facette seines Schreibens glänzt, und nicht etwa ein Routinewerk eines Auf Nummer Sicher-Autors ist.

Die »Wilden Hunde« ist sein bisher verspieltester und abenteuerlichster Roman, vielleicht auch sein hellster und freundlichster, den Zwölf- bis Hundertundzwölfjährige mit Vergnügen lesen können. Mit aufregend-schrägen Ideen und Bildern, grotesker und phantastischer Sprache kann Krausser jounglieren, wie sonst nur wenige lebende Hiesige ... vor allem bei seinen Gegenwartsromanen (»Thanatos«, »Der Große Bagarozy«, »Schmerznovelle« und zuletzt »UC - Ultrachronos«) war das für die Anhänger des zahmen Realismus oder der schlichten Unterhaltung manches male zu viel des Wilden und Gekrümmten.

Nun aber ist der Held ein neugieriger Hund namens Kaffeekanne und der Roman eben eine phantastische Abenteuer- und Liebesgeschichte. Alle auf Realismus Zwangsfixierten können sich also diesmal entweder gleich brausen gehen, oder es bleibt, ihnen die Daumen zu drücken, daß sie sich an den Eigenheiten von Phantastik nicht wehtun.

Soviel Freude am Zusammenflechten von kurzweiligen Ideen, flotten Dialogen, Laut-Loslach-Klamauk, verbunden mit gewitzten Verbeugungen vor Mythologie und Kunst verbinde ich sonst ehr mit anglo-amerikanischen Autoren wie Terry Pratchett (»The Bromeliad«), Matt Ruff (»Fool on the Hill«) oder Neal Gaiman (»American Gods«) ... und wer an Mainstream-Phantastik wie J.K. Rowlings Harry Potter zu schätzen weiß, wie im Lauf der Bände aus dem Hintergrund der Erwachsenenwelt eine sehr ernste Geschichte über Intoleranz, Reinblütigkeit und fatalem Elitarismus hervortritt, sei »Wilde Hunde« als eine spannende, bunte Lektüre ans Herz gelegt.

••• Für das Skibbel von einem pompeiischen Zebrastreifen orientierte ich mich an einer Photographie in GeoEpoche »Das Römische Imperium«. Den entsprechenden Artikel über Pompeii kann ich als gelgene Ergänzung zu den »Wilden Hunden« empfehlen. •••

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