Mittwoch, 8. Dezember 2004
Cafehaus: das Skribbel
(Grafimente) – Das Paradies ist immer noch irdisch, nicht im Osten oder Westen, gar nicht in der Ferne, nein, das Paradies kann man in fast allen größeren Städten finden und sich reinsetzten, kaltes oder heißes zum Trinken bestellen, am Abend gerne auch Alkohol, gepflegt leicht oder exklusiv gereift, zum Essen Süßes und einfache Herzhaftigkeiten, Zeitungen und Magazine liegen herum, nicht immer frisch, nicht immer komplett, aber taugen schon zum Zeitverscheuchen, Lautsprecher brausen den Raum mit Musik voll, mal nette mal eigenartige kellnerhafte Engelswesen warten auf Wunschäußerungen der Gäste, Gespräche von anderen Tischen vergewissern das prinzipielle Vorhandensein von Artgenossen, Hände und Hirne ringen mit Schachfiguren oder Tarock, Straßengeräusche versuchen die Existenz der Welt nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, nur die kleinen Kläfferhunde stören und das ist schade: denn im Paradies darf man so eine Fußhupe freilich nicht einfach vor die Tür kicken.
Für mich ist ein Cafehaus ideal, wenn das Publikum von größtmöglicher Gemischtheit ist (bis auf Menschen mit besagten Kläffhündchen): Vormittags alte Menschen beim wöchentlichen Plausch, Schüler beim Schwänzten; Mittags dann Mittagsmenuverschnabbulierer und Arbeitspausenexilanten; durch den Nachmittag dann erschöpfte Einkaufsbummelanten und Einkaufsbummelantinnen; Abends dann Schwärmer und Fänger im im Meer der konvivial ausgetauschten Körperflüssigkeiten, extrovertierte Plappermörser lassen allüberall Egosplitter niederprasseln und Lauschohrphalanxen filtern sich das ihre an Vergnügen heraus.
Folgende Zeichnung entstand Anfang der Neunziger im Floriane zu Wien. Gibt auch ein schlichtes Gedicht von damals.
Dienstag, 7. Dezember 2004
Ein wenig sortiert
Erstellt von molosovsky um 13:54
in
Wartung
(Wartung) – In den letzten Tagen scanne ich nicht nur meine neuesten geskribbelten Improvisationen, sondern bringe meine Molochronik-Datenbank auf Vordermann, mach ein ausdruckbares Korrekturlese-Dokument aus allen Beiträgen … alles Vorbereitungen zum Rundumputz der Molochronik anläßlich des näherrückenden Jubiläums des zweihundersten Beitrages.
Heute hab ich einige Beiträge wieder auf die Front Page geschaltet, die ich in den vergangenen Monaten dummerweise weggeklickt hatte. Also nicht zu früh freun, von wegen was sich heut alles neues findet.
Dräuender Entropiewuschel
(Improvisation) – Und weiter gehts mit munterem Durcheinandergeskribbel auf der Rückseite von Raben-Kalenderblättern. Ich geb lieber jetzt schon Bescheid … von dieser Art abstrakter Unaufgeräumtheit folgen in den kommenden Tagen noch neun Blätter – damit Ihr Euch darauf einstellen könnt.
Für die Technik-Freaks: Größe der Kalenderblätter ist 140 x 180 mm. Zeichnen tu ich diesertage mit einem Faber-Castell PITT artist pen B, einem Pinselstift mit guter Tinte, recht robuster Spitze und erfreulicher Ausdauer.
Dawning Entropy Curl
Another improvisation on the back of a day to day calenderpage. I've got still nine other chaotic scribbeldrawings from the last days … I mention it, so you can prepare your eyes.
For the technical interested: the calender-pages on wich I draw these Improvisations measure 5,5 x 7 inch. I use a Faber-Castell PITT artist pen B, and B means Brush-Pen. Good ink, longlasting and a tough tip.
Samstag, 4. Dezember 2004
Antechambre des Kuddelmuddel
(Improvisation) – Mal eine geometrischere Kalenderblattrückseitenzeichnung. Morgen gehts weiter.
Antechambre of Kuddelmuddel
Kuddelmuddel is another dialect expression for misch-masch, confusion, mixure …
Freitag, 3. Dezember 2004
Kastlkopf
(Improvisation) – Aus meiner zwanglosen Serie: Vollkritzeln der abgerissenen Raben-Kalenderblätter.
Squared Head
Donnerstag, 2. Dezember 2004
Gedankensalat
(Grafimente, Improvisation) – Am Wochenende ein neues Moleskin-Skibbelheft begonnen. In nächster Zeit wird es mehr Improvisationen geben.
Thoughts Salad
A improvisation out of my newly bought Moleskin sketchbook.
Gedankensalat is one of my favourite German expressions. Thoughts Salad means to have a unorderly chaos of thoughts in the bowl of ones head … I think, it should be as kindly loved as Zeitgeist or Kindergarten.
Freitag, 19. November 2004
Fremden Finanzdienstleistungen andrehen?!?
Erstellt von molosovsky um 12:11
in
Alltag
(Alltag) – Neues aus dem Erwerbslosendasein.
War ich gestern bei einem Vorstellungsgespräch im Osthafengebiet. Gut, fieseliger Fusselregen und meine enorm verspannte Rückenmuskulatur hat nix mit der einladenden Firma zu tun … dennoch kann ich mich mit dem Gedanken nicht ganz anfreunden, per Telefon und Computer zu Fremden Kontakt aufzunehmen, um ihnen was von den günstigen Konditionen und vermögensmehrenden Möglichkeiten der Firma van Horne Bank† zu erzählen.
Es wäre ein Kravatten-Job mit Mobiltelefon und Laptop von der Firma. Mit Kravette sehe ich IMMER aus wie ein Konzentrationslageropfer, das sich nochmal fein herrichtet für den Fluchtversuch oder die nächste Selektionsrunde.
Der Mann – ich nenn ihn mal Cornelius† – mit dem ich gesprochen habe, war nett, hat für mich auf seinem Laptop eine Stunde lang ne Power Point-Schau abgeklickt: die Partner des Unternehmens, Versicherungen, Privatbanken und internationale Finanzhäuser … das Pyramidensystem der Aufstiegsmöglichkeiten, sowie das mit Anteilspunkten funktionierende Vergütungssystem. Cornelius ist 26, also sechs Jahre jünger als ich, strahlt immer ein wenig von der Zufriedenheit eines Buddhas aus, und rechnet mir vor, daß ich im ersten Monat mit einem Einkommen von so ungefähr 3000 Euro (Brutto) rechnen könne. Er selbst hat auch von ganz unten angefangen, wo auch ich anfangen würde, wenn ich mich zur Mitarbeit entschlösse, und er Cornelius verdient an die 8000 bis 9000 Euro, und das nach nur 6 Monaten bei der Firma! Er zeigt mir ein Programm, mit dem man flugs jedem klarmacht, daß seine alte Krankenkasse, Bausparereinlage oder Vermögensanlage aber so was von gigantisch ungünstiger ist, als die Kniffe und Tricks, welche die van Horne Bank für jeden Kunden auf Lager hat.
Doof nur, daß die ganzen Instinkte und Resonanzen meines Gemüts zu archaisch-unpraktisch sind und ich bei dem Themenfeld Finanzen so furchtbar schnell bis zum Kreislaufkollaps gelangweilt bin. Zudem müßte ich mich um einen ganzen Haufen Kram kümmern, der mir zutiefst abhold ist, wie Kravatten, Schufa-Auskunft und Führungszeugnis. Demnächst gibts ein Fortbildungsseminar in einem feinen Edelhotel in einem Kurort, und schon kommendes Wochenende einen kleinen Vortrag von 11 bis 17 Uhr, den ich mir auf jeden Fall anschauen soll.
Was ich noch rausgehört habe ist, daß Cornelius seine ersten Finanzdienstleistungen an Verwandte, Freunde und Bekannte vermittelt hat. Er hat sicherlich einen besseren Ruf als ich, denn all meine Verwandten, Freunde und Bekannten wissen um meinen Ekel vor, und meinem Ungeschick mit Geld. Wenn ich auf jemanden mir bekanntes zugehen würde mit den Worten »Ich habe da eine interessante Finanzanlage für Dich«, würde er oder sie sich vertdatzt am Kopf kratzten oder herzlich losgiggeln, oder beides.
Nun, ich werd mir am Wochende mal dieses Sonntagsseminar anschaun.
Vielleicht taugt das versprochene Buffet ja was.
Verkaufen kann ich ohnehin nur, womit ich mich auskenne, und wovon ich überzeugt bin. Schade, daß ich weder den Knabberkramthekenjob in einem (normalen) Lichtspielhaus-, noch wenigstens den Beate-Uhse-Kinoaufsicht-Job in den letzten Monaten ergattert habe.
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† Namen wurden von Molosovsky geändert.
Freitag, 12. November 2004
Zehn Etüden: Nr. Drei — Nachtspaziergang
Stücke für narratives Improvisationsklavier
»Von Dissonanzen, über Dissonanzen zu Dissonanzen.«
— Robert S. über Frederic C.
Nachtspaziergang
Die Nacht spreizt sich über den Horizont. Dezemberhauchen: wirklich frische Luft. Ich stelze über den Asphalt des schlafenden Kaffs. Die Sterne blinzeln durch das schwarz gekräuselte Gewölk. Die entscheidenden Merkmale der oberbayerischen Donauumgebung von Ingolstadt?: dösend zerschundene Ackerflächen, durchstreuselt mit einigen Partisanengrüppchen Grün, alles gut eingezäunt von den endlosen Linien der Stromleitungswächter, spätestens alle zwei Kilometer kuhfladed ein Seelenweiler, bakteriell um den kleingeistigen Großstadtdilettanten Ingolstadt herum.
Von irgendwo im Osten wispert mir die Autonbahnvene Kryptisches über Geschwindigkeit und ferne Orte zu. Die mobilen Metallzellen – von hier nur als rote und weiße Lichterpaare zu sehen – strömen an den Raumhafenlichtern der Ölraffinerien vorbei. Das Brummkörperchen streift die große Feuerdrüse. Passanten des Autoblutherzens, eingeengt und eingepfercht in die jeweilige Audiobedröhnung. Stehengeblieben schließe ich die Augen um dieses Geräusch zu verwandeln: Schon raunen sich die Bäume WinternachtsNüchternheitsNeckigkeiten zu. Ein zum Waldbach gelauschter offener Kanal murmelt stetig antike Grüße: Alles fließt, Dein Heraklid.
Es hilft nichts, es bleibt Hepberg. Ich öffne die Augen wieder, der dunkle Wald klotzt wieder als Medley geschmacksneutraler Einfamilienpomeranzen den Weg um mich zurecht. Suche nach Mond in der Wolkenscham. Die Mutter der Träume, das Auge der Nacht versteckt sich. Die wenigen Wolken werden vom Wind durch den dunklen Ozean gewirbelt, wie er es braucht. Immer nur kurze, heftig kaltschnäuzige Böen, Verdammnis der Kälte. Ich suche weiter die Unauffindbare. Einmal durch Straßen oder auf Feldwegen spazieren, ohne dabei einem Trampelgesicht oder geistigen Kartoffelsack in sein gepreßtes Grüß GOtt! zu stolpern.
Ich lustwandle ohne Absicht und Ziel durch die Nacht und verpenne tagsüber alles, gerade rechtzeitig, um das Abendessen zum Frühstück zu verlunchen. Ist ja eine ganz natürliche Gesetzmäßigkeit: Wer die Nacht nutzt, um Kopfglühwürmchen zu fangen, kann die öde Sonnenwelt mit ihren sich zum Erkennen aufdrängenden Tatsachen und Präapokalypsileins kaum noch ertragen.
Rohbauten! Bieten gerade nachts einen mitleidensheischenden, zusammengedroschenen Anblick; Ziegelsteinlegoland; primitive Höhlenmenschenkulturen, wo immer man sie abstreitet. Die engen Zeilen zwischen Einfamilienparzellen rücken zu Gängen eines Verließes zusammen. Im leichten Nebel und der Dunkelheit erscheinen die hohen Bleib weg-Jägerzäune und Hau ab-Thuyenmauern wie verfallene Wände einer leblosen Korridorwelt, aus Schatten und xenophobischem Schweigen gebaut. Der Wind fängt seinen eigenen Schweif, wirbelt herum, versucht sich übermütig selbst einen zu blasen, weht plötzlich gegen die B 13 und das Autowispern verstummt, nur die Bäume flüstern weiter. Manchmal ist mir sogar die Stille zu laut.
Bäume: Wie oft bin ich von dem da schon runtergefallen? Schlank, mikadoverbogen, verpusteter Tusche auf dunkelgrauem Karton gleich. Ich bleibe vor einem Rohbau stehen, klobige Fassade. Überquere auf wogender Planke den Baugraben und betrete die Backsteinhöhle. Der Wind bleibt wie das wenige Licht freudlos an den leer glotzenden Fenstern und gähnenden Türen hängen, aber Dreck ist genug da, knirscht unter den Schuhen. Lasse unter einer zurückgelassenen Bierflasche das glasige Knistern ertönen, das ich so liebe. Zigarette. Wie viele Zementsäcke hab ich aus hochstöckigen Rohbautenfenstern stürzen lassen? Einmal in einer dunklen Nische kauern müssen, als das junge Glück den künftigen Ehekäfig abliebäugelte. Mein achtjähriges Herz pochte in der Erregung des möglichen Erwischtwerdens.
Zigarette in den Sand, Gelbschwänzchen in die Höh´. Wieder raus fäusten sich die Hände vor der Kälte fliehend in den Jackentaschen. Aufgeregt umwedelt und behechelt mich gleich wieder der Wind. (Wer geht hier mit wem Gassi?) Und alle zwanzig Meter speien die Leuchtzahnbürsten ihren Lichtkegel auf die Straße. Nachts ist dieses Spielzeugdiorama eine erträglichere Kulisse für meine dramalose Rolle.
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Donnerstag, 4. November 2004
Überblick Baroque-Cycle
Eintrag No. 156 – Inhaltsverzeichniswahnsinn.
Hat ein Buch kein Inhaltsverzeichnis, mach ich eins. Das erste Buch, zu dem ich ein Inhaltsverzeichnis anfertigte, war »Ulysses« … natürlich mit Stichworten zu den Kapiteln, wegen Ort, Tageszeit, mythologisches Motiv, Farbe, Organ und so weiter … der ganze hermeneutische Trash halt.
Gestern bin ich mit einem besonders großen Inhaltsverzeichnis-Brocken fertiggeworden … dem bisher längsten Inhaltsverzeichnis in meinem Hause: den dreibändigen, achtbuchigen historischen Großroman »Baroque-Cycle« von Neal Stephenson.
Mein Inhaltsverzeichnis des »Baroque-Cycle« ist 160 cm lang. Lesend bin ich derzeit ca. bei Zentimeter 80 des Inhaltsverzeichnis … »The Confusion«, Kapitel 47. {Angaben basieren auf den großen Softcover-Ausgaben bei William Heinemann/Randomhouse.}
Band Eins: »Quicksilver«; 917 Seiten; 67 Kapitel.
• Buch 1: Quicksilver – Daniel Waterhouse 1713 in Massachusetts … und 1655 bis 1673 in England.
• Buch 2: King of the Vagabonds – Jack Shaftoe und Eliza 1665 bis 1685 in Europa
• Buch 3: Odalisque – Eliza 1685 bis 1689 in Europa
Band Zwei: »The Confusion«; 815 Seiten; 64 Kapitel.
• Buch 4: Bonanza – Jack Shaftoe 1689 bis 1702 vom Mittelmeer ostwärts um den Globus
• Buch 5: The Juncto – Eliza 1689 bis 1702 in Europa
Band Drei: »The System of the World«; 887 Seiten; 99 Kapitel.
• Buch 6: Solomon's Gold – Daniel Waterhouse & Co. in London von Januar bis April 1714
• Buch 7: Currency – Daniel & Co. in London von Juni bis Juli 1714
• Buch 8: The System of the World – Daniel & Co. London von August bis Oktober 1714
Mittwoch, 3. November 2004
Popliteratur und Blogs
(Gesellschaft, Literatur) – Wiedermal wird die Frage verhandelt: Sind Blogs die Nachfolger der Popliteratur? (bei DonDahlmann, und bei Lotman mit großartigem Comment von Andrea.) …… ich denke, die Antwort darf allgemein ruhig erstmal »Nein« lauten. Immerhin werden – im Gegensatz zu Popliteraturbüchern – wirklich sehr viele Bogs von Leuten geführt, die NICHT aus Familien der oberen Mittelschicht oder Oberschicht stammen (Mama und/oder Papa sind: Provinzredakteure, Parteigründer, Adelige, Fabrikanten … es ist wirklich erstaunlich, wie wenige Abkömmlinge des Proletariats oder der unteren, mittleren Mittelschicht sich auf dem Feld der deutschen Poplitertur finden).
Sozialneid beiseite.
Die Frage ist ein Problem der Genre-Zuteilung. Dinge in Schubladen (Genre) zu ordnen ist eine formale Angelegenheit und der liebe (wenn auch schwerdepressive) Kurt Gödel hat uns darauf aufmerksam gemacht, daß alle formalen Systeme Sätze zeitigen können, die nicht entscheidbar sind. Die Frage »Sind Blogs Popliteratur?« objektiv beantworten zu wollen zeugt (aus meiner Sicht) von Zagheit und Naivität, denn mit »Ja« ließe sich diese Frage nur beantworten, wenn man mit dem Hammer sowohl DIE Popliteratur als auch DIE Blogs zurechtdengelt.
Zur Erinnerung: Der Begriff (Web-)Blog bezeichnet erstmal auf technischer Ebene eine Schreib- & Veröffentlichungsform … so wie die Begriffe Holzstich, Collage und Readymade in der bildenden Kunst zuvörderst das Augenmerk auf Material und Verarbeitungsverfahren bei Graphiken richtet. Solange also beispielsweise der akademische Dschungel Theologie, Philosophie und Literatur (alles fiktive Dichtungen) in getrennten Wannen badet, ist es Heuchelei, beetete man mit großer Toleranzgeste Blogs im Ziergarten der Literatur ein.
Bei Klosprüchen und Grafitties kann ich verstehen, wenn die schon mal als neuzeitliche literarische Kleinstformen angesehen werden. Bei vielen Blogs allerdings bin ich mißtrauisch und spreche ihnen jedwede Literarizität ab, wenn sie eben nichts bis kaum erzählen, sondern ehr als Link-Baum woandershin dienen … wobei die Links kurz kommentiert werden, so mit einem Satz. Beispiel:
»Selten so geweint« und dazu ein Link zum US-Wahlergebnis.
Und gerne wird ja auch verbreitet, daß z.B. mit der Kommentarfunktion ratzfatz interaktive Literatur entsteht … nun aber habe ich bisher noch kaum erlebt, daß auch Internet-Chats als Literatur bezeichnen würden … und den Begriff Literatur noch weiter ausdehnend, ließen sich ja gleich Telefonsex-Ansagen als Literatur – im Sinne von Hörspiel – neben beispielsweise Bölls und ASchmidts Radioarbeiten einreihen.
Abgrenzungsfragen also. Das Problem ist, daß es neben diesen unliterarischen Aspekten des Internetschreibens auch eben solche Blogs gibt, deren Betreiber erzählen und berichten (wollen), die ihren eigenen Stil haben (oder suchen) und die sich durchaus als Literatur, Journalismus und Alternative zu Feuillitontexten lesen lassen. So gesehen: Ein Blog ist eine für jeden Internetbenutzer verfügbare Form der früher nur wenigen zugänglichen Veröffentlichungsnische einer Glosse oder Kolumne. Wenn man die Möglichkeit zur Selbstentfaltung ökonomisch betrachtet, dann kommt nun zum knappen Publikationsprivileg in gedruckten und gesendeten Massenmedien nun die pluralistische, leicht zugängliche Internetplattform der Bolgs über uns … was einiges durcheinander bringt.
Nun, dies ist eine Zeit des Wandels, in der wir leben.
••• Nachtrag: Inzwischen hat lotman auf den Comment von Andrea geantwortet. Es lohnt sich am Ball zu bleiben.